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Gesellschaft, ausländische


Begriff und Definition: Gesellschaft, ausländische

Eine ausländische Gesellschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen oder Kapitalgeber zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, deren Gründung, Organisation und rechtliche Ausgestaltung nach dem Recht eines anderen Staates als dem Staat erfolgt, in dem sie tätig wird. Im deutschen Recht bezeichnet der Begriff „ausländische Gesellschaft“ regelmäßig eine rechtsfähige Gesellschaft, die nicht nach deutschem Gesellschaftsrecht, sondern nach dem Recht eines ausländischen Staates errichtet wurde.

Abgrenzung zur inländischen Gesellschaft

Die ausländische Gesellschaft unterscheidet sich von der inländischen insbesondere hinsichtlich des anwendbaren Gesellschaftsrechts, der Anerkennung ihrer Rechtsform im Ausland sowie der rechtlichen Voraussetzungen für ihre Tätigkeit und Niederlassung. Während für inländische Gesellschaften zwingend deutsches Recht gilt, richtet sich das Statut ausländischer Gesellschaften zunächst nach dem Gründungsstaat.

Rechtliche Grundlagen

Internationales Gesellschaftsrecht

Das deutsche Internationale Privatrecht (IPR) regelt in Art. 10, 24, 25 EGBGB sowie durch europarechtliche Normen, nach welchem Recht die Entstehung und Rechtsfähigkeit, aber auch die Organisation einer Gesellschaft zu beurteilen ist. Es wird dabei zwischen zwei grundlegenden Anknüpfungsprinzipien unterschieden:

Gründungsprinzip

Nach dem Gründungsprinzip richtet sich die Anerkennung und Handlungsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft stets nach dem Gesellschaftsrecht des Staates, in dem sie gegründet wurde. Dieses Prinzip wurde insbesondere durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit in Europa gestärkt.

Sitzprinzip

Alternativ stellt das Sitzprinzip darauf ab, welches Recht an dem Ort gilt, an dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. In Deutschland wurde das Sitzprinzip lange vertreten, jedoch seit mehreren EuGH-Urteilen (z. B. „Centros“, „Überseering“, „Inspire Art“) weitgehend durch das Gründungsprinzip abgelöst.

Gesellschaftsformen und Typen

Ausländische Gesellschaften können vielfältige Formen aufweisen. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Limited (Ltd.) nach britischem Recht
  • Société à responsabilité limitée (SARL) nach französischem Recht
  • Sociedad de responsabilidad limitada (S.L.) nach spanischem Recht
  • Società a responsabilità limitata (S.r.l.) nach italienischem Recht
  • Corporation (Inc.) nach US-amerikanischem Recht

Die genaue Ausgestaltung und Haftungsmodalitäten richten sich in jedem Fall nach den Vorschriften des Gründungsstaates.

Anerkennung und Rechtsfähigkeit in Deutschland

Allgemeine Voraussetzungen

Nach deutschem Recht werden ausländische Gesellschaften als eigenständige Rechtssubjekte anerkannt, sofern sie nach ihrem Heimatrecht wirksam gegründet und registriert wurden. Die wichtigsten Parameter sind:

  • Rechtsfähigkeit gemäß maßgeblichem ausländischen Recht
  • Formgültige Gründung und wirksame Eintragung im Herkunftsstaat (sofern erforderlich)
  • Feststellbarkeit der Vertretungs- und Organschaftsregelungen

Diese Anerkennung gilt grundsätzlich auch für Gesellschaften aus Nicht-EU-Staaten, wenngleich für EU-Gesellschaften häufig weitergehende Rechte aus Art. 49 ff. AEUV (Niederlassungsfreiheit) greifen.

Niederlassung und Zweigniederlassung

Ausländische Gesellschaften können in Deutschland Betriebsstätten, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften errichten. Eine Eintragung in das deutsche Handelsregister ist für Zweigniederlassungen zwingend vorgesehen (§§ 13g, 13h HGB). Dabei müssen insbesondere folgende Angaben gemacht werden:

  • Firma und Rechtsform nach ausländischem Recht
  • Sitz der Gesellschaft im Ausland
  • Register und Registernummer der Hauptgesellschaft
  • Vertretungsberechtigte Personen

Haftung und Durchgriffshaftung

Die grundsätzliche Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern bleibt auch nach deutschem Recht erhalten, soweit die ausländische Gesellschaft nach ihrem Heimatrecht haftungsbeschränkt ist. Eine Durchgriffshaftung auf Gesellschafter ist nur unter besonderen Umständen möglich, etwa bei Rechtsmissbrauch oder völliger Missachtung gesellschaftsrechtlicher Formalitäten.

Steuerrechtliche Aspekte

Steuerliche Ansässigkeit und Doppelbesteuerung

Für ausländische Gesellschaften stellt sich die Frage, in welchem Staat sie steuerpflichtig sind. Nach dem deutschen Körperschaftsteuerrecht (§ 1 KStG) sind ausländische Gesellschaften mit ihrem inländischen Einkommen (beschränkt) oder, falls sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Viele Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) regeln die Zuordnung der Besteuerungsrechte, wobei die Ansässigkeit im Gründungsstaat und der tatsächliche Ort der Geschäftsleitung maßgeblich sind.

Umsatzsteuerrecht

Im Umsatzsteuerrecht werden ausländische Gesellschaften als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG behandelt, soweit sie im Inland steuerbare Umsätze ausführen. Sie sind grundsätzlich zur Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, sofern die Voraussetzungen im Umsatzsteuergesetz vorliegen.

Gesellschaftsrechtliche Praxis und Rechtsprechung

Bedeutung der EuGH-Entscheidungen

Mehrere Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs (z. B. „Centros“, „Überseering“, „Inspire Art“) haben erheblichen Einfluss auf die Zulassung und Behandlung ausländischer Gesellschaften in der Europäischen Union. Nach diesen Entscheidungen ist Deutschland verpflichtet, Gesellschaften, die rechtmäßig in einem anderen EU-Mitgliedstaat gegründet wurden, auch als solche anzuerkennen – unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt.

Musterfälle ausländischer Gesellschaften

Typische Praxisfälle sind die englische Limited (Ltd.), die von deutschen Gesellschaftern mit Geschäftsbetrieb ausschließlich in Deutschland betrieben wird, oder US-Corporations mit deutschen Tochter- oder Zweigniederlassungen. Das deutsche Recht stellt dabei stets auf den ausländischen Rechtsstatus und die Vorschriften des Herkunftsstaates ab.

Insolvenzrechtliche Behandlung

Im Insolvenzfall richtet sich das Verfahren grundsätzlich nach der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) für Gesellschaften mit Sitz in einem EU-Staat oder nach §§ 11, 12 InsO für andere Staaten. Maßgeblich ist der „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ (COMI – center of main interests) der Gesellschaft. Das Insolvenzverfahren kann also auch in Deutschland eröffnet werden, selbst wenn die Gesellschaft nach ausländischem Recht gegründet wurde.

Haftungsfragen und Gläubigerschutz

Ein häufig diskutierter Aspekt ist der Gläubigerschutz im Fall ausländischer Gesellschaften, insbesondere bei Verwendung relativ formloser Rechtsformen wie der Ltd. oder S.L. Die deutsche Rechtsprechung hat in Fällen offenkundigen Missbrauchs oder Scheingeschäften Haftungserweiterungen vorgenommen, bleibt aber grundsätzlich dem Gründungsprinzip verpflichtet.

Zusammenfassung

Eine ausländische Gesellschaft ist eine nach ausländischem Recht errichtete und organisierte Personen- oder Kapitalgesellschaft, die in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen als Rechtsform anerkannt und behandelt wird. Ausschlaggebend für ihre Rechtsfähigkeit, Organisation, Haftung und steuerliche Einordnung sind neben dem Recht des Gründungsstaates auch die jeweils in Deutschland geltenden Vorschriften und die Vorgaben des europäischen Rechts. Die zunehmende europäische Integration und die Globalisierung des Wirtschaftslebens haben dazu geführt, dass ausländische Gesellschaften in der deutschen Rechtspraxis eine erhebliche Bedeutung erlangt haben. Besondere Herausforderungen bestehen weiterhin bei Kontrollfragen, Gläubigerschutz sowie in steuer- und insolvenzrechtlichen Zusammenhängen.

Häufig gestellte Fragen

Wie kann eine ausländische Gesellschaft in Deutschland rechtswirksam tätig werden?

Eine ausländische Gesellschaft kann in Deutschland rechtswirksam tätig werden, indem sie entweder eine Zweigniederlassung (§ 13d HGB) oder eine unselbständige Betriebsstätte gründet oder direkt im Rahmen des sog. „Binnenmarkts“ grenzüberschreitend Dienstleistungen erbringt (Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV). Die Gründung einer Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist ins Handelsregister am Sitz der Niederlassung einzutragen. Hierfür sind umfangreiche Unterlagen in beglaubigter und ggf. übersetzter Form erforderlich, wie der Nachweis über die Existenz der Gesellschaft im Ausland (z.B. ein Handelsregisterauszug), die Satzung, die Namen der Vertreter und das Bestehen der Vertretungsbefugnis. Ausländische Gesellschaften aus EU-/EWR-Staaten genießen nach der sogenannten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) grundsätzlich die volle Rechtsfähigkeit und werden im deutschen Inland anerkannt. Im Gegensatz dazu können Gesellschaften aus Drittstaaten besonderen Anerkennungserfordernissen unterliegen. Zu beachten ist ferner das Steuerrecht, insbesondere bei der Frage der beschränkten bzw. unbeschränkten Steuerpflicht und der Gewerbeanmeldungspflicht beim deutschen Gewerbeamt.

Welche steuerlichen Pflichten treffen eine ausländische Gesellschaft bei Aktivitäten in Deutschland?

Eine ausländische Gesellschaft ist in Deutschland steuerpflichtig, sobald sie hier eine Betriebsstätte unterhält oder Geschäftsleitung ausübt (§ 12 AO, § 1 Abs. 1 KStG). Bei nur kurzfristigen Tätigkeiten oder Geschäftsanbahnungen kann eine Betriebsstätte vermieden werden, doch sobald nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten erfolgen – etwa durch Einrichtung eines Büros – entsteht eine beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht. Bei Tätigkeiten über eine Zweigniederlassung wird die inländische Betriebsstätte in der Regel als solche anerkannt und unterliegt mit ihren inländischen Einkünften der Körperschaftsteuer (bei Kapitalgesellschaften) bzw. Einkommensteuer (bei Personengesellschaften) sowie der Gewerbesteuer. Zudem müssen Umsatzsteuerpflichten beachtet werden: Liefert oder leistet die Gesellschaft im Inland, ist regelmäßig eine USt-Registrierung vorzunehmen und eine entsprechende Steuererklärung abzugeben. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) können Auswirkungen auf die Besteuerung haben, etwa im Rahmen der Abgrenzung, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht.

Welche handelsrechtlichen Pflichten bestehen für ausländische Gesellschaften in Deutschland?

Ausländische Gesellschaften, die in Deutschland eine Zweigniederlassung betreiben, unterliegen den entsprechenden handelsrechtlichen Vorschriften. Die Zweigniederlassung muss ins Handelsregister eingetragen werden (§ 13d HGB). Die Gesellschaft selbst, als juristische Person, muss bestimmte Informationen offenlegen, darunter Satzung, Gesellschafterverhältnisse, Namen und Wohnorte der Geschäftsführer/Vorstände sowie die Vertretungsregelungen. Die rechtlichen Vertreter der Zweigniederlassung sind im Handelsregister einzutragen. Es bestehen zudem Buchführungs- und ggf. Publizitätspflichten, die sich nach dem deutschen HGB richten, zumindest für die Zweigniederlassung selbst (§§ 238 ff. HGB, §§ 325 ff. HGB). Die Gesellschaft muss Aufzeichnungen führen und Jahresabschlüsse aufstellen, sofern nach deutschem Recht eine solche Pflicht besteht. Die genauen Anforderungen können sich nach dem Herkunftsland und dem Typ der Gesellschaft richten.

Welche Vorschriften gelten für die Anerkennung der Haftungsbeschränkung einer ausländischen Gesellschaft?

Die Haftungsbeschränkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft (z.B. Limited, S.A.R.L., S.A., etc.) wird grundsätzlich nach dem im Gründungsstaat geltenden Gesellschaftsrecht beurteilt. Nach der sog. „Gründungstheorie“, der Deutschland seit dem „Centros“-Urteil des EuGH folgt, bleibt eine im EU-/EWR-Ausland wirksam gegründete und dort registrierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch in Deutschland als solche anerkannt (Art. 54 AEUV). Die Beschränkung der Haftung gilt also auch im Inland, vorausgesetzt die Gesellschaft wird nicht als reine „Briefkastengesellschaft“ betrachtet und es liegen keine Anhaltspunkte für Missbrauch (Rechtsmissbrauch, Umgehungstatbestände) vor. Bei Gesellschaften aus Drittstaaten kommt die „Sitztheorie“ zur Anwendung; hier richtet sich das anerkannte Gesellschaftsrecht nach dem tatsächlichen Verwaltungssitz, was dazu führen kann, dass die Gesellschaft in Deutschland als OHG oder GbR behandelt und die Haftungsbeschränkung nicht anerkannt wird, falls die Gesellschaftsform in Deutschland nicht bekannt oder zulässig ist.

Inwieweit können ausländische Gesellschaften in Deutschland klagen oder verklagt werden?

Ausländische Gesellschaften sind in Deutschland parteifähig und können klagen oder verklagt werden, soweit sie nach ausländischem Recht rechtsfähig sind. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte richtet sich nach der Brüssel Ia-Verordnung für Gesellschaften mit Sitz in EU-/EWR-Staaten und nach den einschlägigen Vorschriften der ZPO bzw. dem internationalen Zivilverfahrensrecht für Drittstaaten. Erhebt eine ausländische Gesellschaft Klage, ist im Handelsregister regelmäßig ein Zustellungsbevollmächtigter für gerichtliche und außergerichtliche Zustellungen zu benennen, sofern die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nicht in Deutschland hat (§ 13e Abs. 2 HGB). Kommt es zu einem Rechtsstreit, wird die Prozessfähigkeit der Gesellschaft grundsätzlich anerkannt, sofern sie nach Heimatrecht besteht. Allerdings können deutsche Gerichte vorab verlangen, dass die Gesellschaft durch einen Registerauszug und ggf. eine Satzungsübersetzung ihre Existenz und Vertretungsbefugnis nachweist.

Können ausländische Gesellschaften Arbeitsverträge mit in Deutschland ansässigen Arbeitnehmern abschließen?

Ja, ausländische Gesellschaften können Arbeitsverträge mit in Deutschland ansässigen Arbeitnehmern schließen. Für Beschäftigungen mit Tätigkeitsort in Deutschland findet regelmäßig deutsches Arbeitsrecht zwingend Anwendung, unabhängig vom Sitz des Arbeitgebers, insbesondere bezüglich Arbeitsschutz, Mindestlohn, Kündigungsschutz und Sozialversicherungspflichten (§ 3 ArbGB, Art. 8 Rom I-VO). Die Gesellschaft muss die Anmeldung bei den Sozialversicherungsträgern und Finanzbehörden vornehmen. Außerdem sind ggf. kollektivrechtliche Regelungen, wie Tarifverträge oder Betriebsverfassungsrecht, zu beachten. Im Fall der Entsendung von Arbeitnehmern gelten zusätzliche Bestimmungen, etwa das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), das Mindestarbeitsbedingungen und besondere Meldepflichten vorsieht.

Welche Melde- und Registrierungspflichten bestehen für ausländische Gesellschaften?

Ausländische Gesellschaften, die in Deutschland eine Zweigniederlassung führen, müssen sich ins Handelsregister eintragen lassen (§ 13d HGB). Mit der Geschäftstätigkeit entsteht zudem eine Pflicht zur steuerlichen Anmeldung beim zuständigen Finanzamt sowie ggf. eine Gewerbeanmeldung bei der Gemeinde. Daneben können weitere Meldepflichten bestehen, etwa zur Umsatzsteuer, zum Transparenzregister (nach dem Geldwäschegesetz), bei der Sozialversicherung sowie ggf. im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK-Pflichtmitgliedschaft). Werden Arbeitnehmer beschäftigt, sind Meldungen zur Sozialversicherung und ggf. zur Berufsgenossenschaft zu tätigen. Kontrolliert werden diese Pflichten von Finanzbehörden, Gewerbeämtern und ggf. anderen Aufsichtsbehörden je nach Branche. Verstöße gegen Meldepflichten können zu Geldbußen oder steuerlichen Nachteilen führen.