Legal Lexikon

Geschlechtsverkehr


Begriff und Definition des Geschlechtsverkehrs

Der Begriff Geschlechtsverkehr bezeichnet im rechtlichen Kontext primär die körperliche Vereinigung zweier Personen mit dem Ziel oder der Möglichkeit der Fortpflanzung. Im weiteren Sinne werden damit Handlungen verstanden, die zur vollen körperlichen Vereinigung der Geschlechtsorgane führen oder geeignet sind, den fortpflanzungsbezogenen Geschlechtsakt nachzuahmen. Die konkrete Definition variiert, abhängig vom jeweiligen Regelungsbereich und Gesetzestext.

Geschlechtsverkehr ist nicht nur ein sozialer und biologischer Vorgang, sondern besitzt im deutschen Recht eine eigenständige Relevanz, insbesondere im Straf-, Zivil- und Familienrecht. Je nach Kontext kann die Definition weiter oder enger gefasst werden.


Rechtliche Bedeutung im Strafrecht

Geschlechtsverkehr als Tatbestandsmerkmal

Im Strafrecht bildet der Begriff Geschlechtsverkehr ein zentrales Element verschiedener Tatbestände. Besonders im Sexualstrafrecht dient er zur Abgrenzung und Auslegung unterschiedlich schwerer Deliktsarten.

Sexueller Missbrauch und Straftatbestände nach StGB

Zentrale Vorschriften im Strafgesetzbuch (StGB), etwa §§ 177 (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung), 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern), 179 (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen), beziehen sich ausdrücklich auf Geschlechtsverkehr, entweder als erfüllendes Tatmerkmal oder zur Unterscheidung der Schwere der Tat.

Definition im Strafrecht:
Nach der strafrechtlichen Rechtsprechung ist unter dem Begriff Geschlechtsverkehr im engeren Sinn der natürliche, also der Vaginalverkehr zwischen Mann und Frau zu verstehen. Zahlreiche Straftatbestände stellen allerdings auch andere sexuelle Handlungen unter Strafe, etwa den Analverkehr, Oralsex oder das Einführen von Gegenständen in Körperhöhlen. Diese werden unterschiedlich – je nach Tatbestand – als „mit einer dem Beischlaf vergleichbaren Handlung” oder als „sexuelle Handlung von erheblicher Intensität” bezeichnet.

Strafzumessung

Das Vorliegen von Geschlechtsverkehr kann die Strafschärfe oder den Tatbestand einer Straftat bestimmen, z.B. im Unterschied zwischen „sexueller Handlung” und „Beischlaf”. Die urteilende Instanz muss im Einzelfall die Reichweite des Begriffs bestimmen, insbesondere auch im Zusammenhang mit sogenannten Qualifikationstatbeständen.

Einwilligung und Strafbarkeit

Die Freiwilligkeit und die Einwilligungsfähigkeit der beteiligten Personen sind im Strafrecht essenzielle Komponenten. Bei Minderjährigen oder nicht einwilligungsfähigen Personen ist grundsätzlich die Einwilligung rechtlich ausgeschlossen. Dies wird besonders im Kontext des besonderen Schutzes (§§ 174 ff. StGB) relevant.


Zivilrechtliche und familienrechtliche Aspekte

Eheliches Zusammenleben und Geschlechtsverkehr

Im Familienrecht spielt der Geschlechtsverkehr eine Rolle bei ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Nach ab dem 1. Januar 2002 geltendem Recht ist der Geschlechtsverkehr kein einklagbarer Anspruch mehr. Die so genannte „Beischlafpflicht” besteht nicht. Dennoch kann regelmäßiger Geschlechtsverkehr als Indiz für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder als Gegenargument für die Annahme einer dauerhaften Trennung gewertet werden.

Scheidungsrecht und Unterhaltsrecht

Im Rahmen des Scheidungsrechts kann das Fehlen von Geschlechtsverkehr ein Indikator für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Trennung im Sinne des § 1567 BGB sein. Eine fortdauernde sexuelle Beziehung nach Einleitung des Trennungsjahres kann als Beweis gegen eine tatsächlich vollzogene Trennung gewertet werden.

Auch bei Unterhaltsstreitigkeiten kann das Bestehen oder Fehlen von Geschlechtsverkehr im Einzelfall Einfluss auf die Beurteilung der ehelichen Gemeinschaft haben.


Geschlechtsverkehr im Strafprozessrecht und Beweisrecht

Geschlechtsverkehr ist häufig Gegenstand gerichtlicher Beweisaufnahme im Rahmen von Strafprozessen sowie in familienrechtlichen Auseinandersetzungen. Dabei stehen oftmals die Glaubwürdigkeit der Beteiligten, die Einholung medizinischer Gutachten und die Auswertung elektronischer Kommunikationsmittel im Mittelpunkt. Aufgrund der Intimsphäre sind besonders strenge Anforderungen an die Beweisführung und den Datenschutz gestellt.


Geschlechtsverkehr und Minderjährige

Das Schutzalter für die Einwilligungsfähigkeit in sexuelle Handlungen, also auch in den Geschlechtsverkehr, ist im § 182 StGB geregelt. Sexualkontakte mit Kindern unter 14 Jahren sind stets strafbar (§ 176 StGB), während bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren zusätzliche Schutzbestimmungen eingreifen, etwa bei Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen (§ 174 StGB) oder gegen Entgelt (§ 182 StGB).


Geschlechtsverkehr und Einwilligung im Medizinrecht

Der Geschlechtsverkehr kann nach medizinrechtlicher Sicht im Fall von Patienten mit eingeschränkter Geschäftsfähigkeit, bei Pflegebedürftigen oder in therapeutischen Kontexten eine rechtlich bedeutsame Handlung darstellen. Die Einwilligungsfähigkeit ist auch hier das zentrale Kriterium für eine straflose Durchführung, sofern keine weiteren verbotenen Umstände (etwa Missbrauchsverhältnisse) vorliegen.


Geschlechtsverkehr und Infektionsschutzgesetz

Das öffentliche Gesundheitsrecht nimmt Geschlechtsverkehr als potentielles Infektionsrisiko in den Blick. Nach § 10 Infektionsschutzgesetz kann das wissentliches oder grob fahrlässiges Übertragen von Krankheiten (zum Beispiel HIV) durch ungeschützten Geschlechtsverkehr strafbar sein. Informationen über meldepflichtige Erkrankungen, Ansteckungsrisiken und Verschwiegenheitspflichten werden hier geregelt.


Rechtsvergleichende Betrachtungen

In verschiedenen Rechtssystemen wird Geschlechtsverkehr teils unterschiedlich definiert und sanktioniert. International bestehen erhebliche Abweichungen beispielsweise bezüglich des Schutzalters oder der Einwilligungsmöglichkeiten. Auch die Strafbarkeit von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen unter bestimmten Konstellationen ist länderübergreifend verschieden geregelt.


Zusammenfassung

Geschlechtsverkehr wird im deutschen Recht als physischer Akt unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt und ist ein zentrales Tatbestandsmerkmal in zahlreichen Rechtsgebieten. Insbesondere im Strafrecht, Familienrecht und öffentlichen Gesundheitsrecht wird der Begriff speziell definiert. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Aspekte der Einwilligungsfähigkeit, des Schutzes Minderjähriger sowie die Konsequenzen für Beweissicherung und Datenschutz. In Abhängigkeit vom Anwendungsbereich besitzt der Begriff Geschlechtsverkehr eine unterschiedliche, teils sehr spezifische rechtliche Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Ab welchem Alter ist Geschlechtsverkehr in Deutschland rechtlich erlaubt?

In Deutschland ist das Schutzalter, also das Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, gesetzlich geregelt. Nach § 182 Strafgesetzbuch (StGB) ist Geschlechtsverkehr mit Personen unter 14 Jahren grundsätzlich verboten und stellt einen Missbrauch von Kindern dar (u.a. § 176 StGB). Zwischen Jugendlichen ab 14 und unter 16 Jahren ist einvernehmlicher Geschlechtsverkehr erlaubt, sofern der ältere Partner nicht älter als 21 Jahre ist und keine Ausnutzung einer Zwangslage oder fehlender Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung vorliegt. Bei Geschlechtsverkehr zwischen einer Person ab 16 Jahren und einem Erwachsenen bestehen grundsätzlich keine strafrechtlichen Bedenken mehr, außer es liegt eine besondere Abhängigkeits- oder Autoritätsposition bzw. Zwang oder Missbrauch vor. Das Gesetz soll insbesondere Minderjährige vor Ausnutzung und Missbrauch schützen.

Ist die Einwilligung beim Geschlechtsverkehr rechtlich relevant?

Die Einwilligung ist im Sexualstrafrecht von zentraler Bedeutung. Einvernehmlicher Geschlechtsverkehr ist grundsätzlich nicht strafbar, sofern beide Partner nach dem geltenden Schutzalter zustimmen können. Die Einwilligungsfähigkeit ist dabei mehr als nur das formale Ja oder Nein; es muss eine bewusste und freiwillige Zustimmung ohne Druck, Drohung oder Täuschung vorliegen. Fehlt die Einwilligung oder wird der sexuelle Kontakt gegen den erklärten Willen einer Person vorgenommen, so kann der Straftatbestand der sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung nach § 177 StGB erfüllt sein. Auch eine scheinbare Zustimmung unter Zwang oder Täuschung ist nicht zulässig und rechtlich irrelevant.

Welche rechtlichen Folgen hat Geschlechtsverkehr mit Schutzbefohlenen oder in Abhängigkeitsverhältnissen?

Das Sexualstrafrecht sieht besondere Schutzvorschriften für Fälle vor, in denen eine Person in einem besonderen Abhängigkeits- oder Betreuungsverhältnis zum Sexualpartner steht. Nach § 174 StGB ist der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen strafbar. Dies betrifft beispielsweise Lehrer, Erzieher, Ärzte, Pflegepersonal oder andere Betreuungspersonen, die ihre Position ausnutzen könnten. Auch volljährige Schutzbefohlene können unter besonderen Umständen geschützt sein, wenn ein Über-Unterordnungsverhältnis vorliegt. Der Gesetzgeber möchte dadurch insbesondere verhindern, dass Machtpositionen ausgenutzt und das Selbstbestimmungsrecht geschwächt werden.

Wie ist Geschlechtsverkehr unter Alkoholeinfluss oder unter Drogen rechtlich zu bewerten?

Geschlechtsverkehr mit oder unter dem Einfluss von Rauschmitteln kann strafrechtlich relevant werden, wenn die freie und bewusste Einwilligung fehlt. Ist eine Person durch Alkohol oder Drogen nicht mehr in der Lage, ihren Willen frei zu äußern oder sich zu wehren, liegt keine gültige Zustimmung vor. Wer sexuelle Handlungen an einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Person vornimmt, macht sich nach § 177 StGB strafbar. Auch die eigene Schuldunfähigkeit infolge eines Rauschzustandes schützt im Regelfall nicht vor Strafe, da ein vorsätzliches Sich-Betrinken mit dem Wissen, Sexualdelikte begehen zu können, als bedingter Vorsatz gewertet werden kann.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für Geschlechtsverkehr in der Ehe oder Partnerschaft?

Das Bestehen einer Ehe oder festen Partnerschaft hat keinen Einfluss auf die strafrechtliche Bewertung von Geschlechtsverkehr. Auch innerhalb einer Ehe oder Lebenspartnerschaft muss jeder sexuelle Kontakt freiwillig und einvernehmlich erfolgen. Seit der Reform des Sexualstrafrechts 1997 ist die sogenannte “Vergewaltigung in der Ehe” in Deutschland ausdrücklich strafbar. Ein Eheversprechen oder eine Partnerschaft bedeutet rechtlich kein fortwährendes Einverständnis für Sexualkontakte. Jede erzwungene oder nicht einvernehmliche sexuelle Handlung ist unabhängig vom Beziehungsstatus strafbar (§ 177 StGB).

Was gilt bei Geschlechtsverkehr mit Prostituierten oder im Rahmen sexueller Dienstleistungen?

Geschlechtsverkehr gegen Entgelt ist in Deutschland rechtlich zulässig, solange er auf freiwilliger Basis und unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften erfolgt. Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) regelt u.a. Mindestanforderungen an Gesundheit, Altersgrenzen (Mindestalter 18 Jahre), Anmeldepflicht und die Pflicht zur regelmäßigen Gesundheitsberatung. Zwangsprostitution, Menschenhandel und jede Form von Nötigung oder Ausbeutung sind strafbar. Die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen von Minderjährigen ist strikt verboten und führt zu schweren strafrechtlichen Konsequenzen.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat das Veröffentlichen von Aufnahmen des Geschlechtsverkehrs?

Die Veröffentlichung, Verbreitung oder auch bloße Herstellung von Bildern oder Videos sexueller Handlungen ohne ausdrückliche Einwilligung aller Beteiligten ist gemäß § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) strafbar. Besonderen Schutz genießen auch Minderjährige; jede Herstellung, Besitz oder Verbreitung entsprechenden Materials fällt unter strengste kinder- und jugendschutzrechtliche Vorschriften und zieht empfindliche Strafen nach sich. Die Verbreitung von Aufnahmen im Internet oder auf sozialen Medien fällt ebenfalls unter diese Gesetze, unabhängig davon, ob ein finanzielles Interesse verfolgt wird.