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Geschlechtsgemeinschaft


Begriff und rechtlicher Hintergrund der Geschlechtsgemeinschaft

Die Geschlechtsgemeinschaft ist ein Begriff des deutschen Familienrechts und beschreibt die auf Dauer angelegte, geschlechtliche Verbindung zwischen zwei Personen innerhalb einer Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Ihr rechtlicher Stellenwert findet sowohl im Bereich der Eheschließung, der Eheführung als auch bei der Auflösung einer Ehe Beachtung. Zentral ist, dass die Geschlechtsgemeinschaft das eheliche Zusammenleben mit seinem partnerschaftlichen Sexualleben umfasst und verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Rechtsquellen und Begriffsentwicklung

Historische Entwicklung im Familienrecht

Im deutschen Recht entstammt der Begriff „Geschlechtsgemeinschaft“ traditionell dem Ehe- und Familienrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) hat den Begriff selbst nicht wörtlich aufgegriffen, sondern beschreibt den ehelichen Lebensverband in § 1353 als rechtliche Verbindung „auf Lebenszeit“ mit Rechten und Pflichten. Die Geschlechtsgemeinschaft stand aber immer als ungeschriebene Voraussetzung des klassischen Ehemodells im Raum.

Verankerung und Bedeutung in der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat die Geschlechtsgemeinschaft über verschiedene Jahrgänge hinweg als wesentlichen Bestandteil des ehelichen Lebens herausgestellt. So kann eine dauerhaft fehlende Bereitschaft zur Geschlechtsgemeinschaft nach ständiger Rechtsprechung als „schwerwiegende, die Ehe zerrüttende Pflichtverletzung“ angesehen und Einfluss auf Scheidungsfolgen haben.

Die Geschlechtsgemeinschaft im deutschen Eherecht

Wesen der Geschlechtsgemeinschaft

Unter Geschlechtsgemeinschaft versteht man das Einvernehmen beider Ehegatten über den Geschlechtsverkehr, der den Ausdruck partnerschaftlicher Liebe und Verbundenheit markiert. Sie wird als ein Teil der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 BGB verstanden. Die Geschlechtsgemeinschaft begründet keine rechtliche Pflicht zum Geschlechtsverkehr, sondern gilt als wesentlicher Aspekt des ehelichen Zusammenlebens.

Inhalt und Grenzen

Die Grenzen der Geschlechtsgemeinschaft ergeben sich aus dem Prinzip der individuellen Selbstbestimmung beider Partner: Es besteht keine rechtliche Zwangspflicht zur sexuellen Vereinigung. Ein Anspruch darauf ist ebenfalls ausgeschlossen, da Zwang zum Geschlechtsverkehr strafbar ist (vgl. § 177 StGB: sexuelle Nötigung und Vergewaltigung).

Relevanz für die Eheschließung

Die Fähigkeit und Bereitschaft, eine Geschlechtsgemeinschaft führen zu können, kann als Voraussetzung für die Gültigkeit einer Ehe beurteilt werden. Bei vollständiger und dauerhafter Unfähigkeit zur Geschlechtsgemeinschaft konnte im alten Eherecht ein Eheaufhebungsgrund vorliegen (Unfähigkeit zur Ehevollziehung), was im heutigen Recht im Regelfall keine Rolle mehr spielt.

Die Geschlechtsgemeinschaft während der Ehe

Bedeutung für das eheliche Zusammenleben

Die Rechtsprechung sieht die Geschlechtsgemeinschaft als einen gewichtigen Aspekt der ehelichen Lebensgemeinschaft. Ihr Fehlen kann ein Indiz für das Scheitern der Ehe sein, insbesondere dann, wenn einer der Partner ohne nachvollziehbare Gründe die Geschlechtsgemeinschaft abgelehnt oder verweigert.

Auswirkungen auf Trennung und Scheidung

Ein dauernder Ausschluss oder die grundlose Verweigerung der Geschlechtsgemeinschaft kann als Hinweis auf das „Getrenntleben“ gemäß § 1567 BGB gewertet werden und damit Anhaltspunkte für die Trennung liefern. Im Rahmen der Scheidung kann außerdem das unrechtmäßige Ausschließen des Partners aus der Geschlechtsgemeinschaft als Verletzung der ehelichen Pflichten eine Rolle spielen, etwa im Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen oder dem Verschuldensprinzip früherer Rechtslagen.

Schutz vor Zwang und Selbstbestimmungsrecht

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung steht über allen Ansprüchen aus der Geschlechtsgemeinschaft. Eine einvernehmliche Gestaltung ist wesentlich. Ein Zwang zur Aufnahme oder Fortführung der Geschlechtsgemeinschaft ist ausgeschlossen und mit strafrechtlichen Konsequenzen verbunden.

Die Geschlechtsgemeinschaft und das Vermögensrecht

Die Frage, ob das Fehlen der Geschlechtsgemeinschaft vermögensrechtliche Auswirkungen hat, etwa im Zugewinnausgleich oder bezüglich Unterhalt, wird in der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen bejaht. Grundsätzlich hat die eheliche Gemeinschaft – unabhängig vom Bestehen einer Geschlechtsgemeinschaft – Bestand und bewirkt keine automatischen Auswirkungen auf Vermögensrechte oder Unterhaltsansprüche.

Die Geschlechtsgemeinschaft bei eingetragenen Lebenspartnerschaften

Mit Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) wurde der Gedanke der Geschlechtsgemeinschaft auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgedehnt. Auch hier gilt: Eine verpflichtende Geschlechtsgemeinschaft besteht nicht, sie drückt vielmehr den Schutz des partnerschaftlichen Zusammenlebens aus und hat ähnliche rechtliche Bedeutung wie in der Ehe.

Die Geschlechtsgemeinschaft im internationalen Kontext

Internationale Rechtsordnungen bewerten die Geschlechtsgemeinschaft in Ehe und Partnerschaft unterschiedlich. Während in einigen Ländern die eheliche Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft ausdrücklich geregelt ist, wird in Deutschland und anderen europäischen Staaten dem Persönlichkeitsrecht und der sexuellen Selbstbestimmung ein Vorrang eingeräumt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Geschlechtsgemeinschaft ist ein Kernaspekt des deutschen Eherechts, der vorrangig das partnerschaftliche und sexuelle Zusammenleben umschreibt. Sie begründet keine einklagbare rechtliche Handlungspflicht, wohl aber eine Erwartung an das partnerschaftliche Zusammenleben. Ihre Verletzung kann bei Trennung und Scheidung Bedeutung erlangen. Zugleich stehen dem Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten und dem Schutz vor sexueller Nötigung im deutschen Recht höchste Priorität zu.


Siehe auch:

  • Eheliche Lebensgemeinschaft
  • Trennungsjahr
  • Unterhaltspflichten
  • Selbstbestimmungsrecht
  • Lebenspartnerschaftsgesetz

Rechtsgrundlagen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1353 ff.
  • Strafgesetzbuch (StGB) § 177
  • Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG)

Weiterführende Literatur:

  • Palandt, BGB-Kommentar, aktuelle Auflage
  • Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Scheidung
  • Voppel, Die eheliche Lebensgemeinschaft und ihre rechtlichen Auswirkungen


Durch diese tiefgehende Darstellung der Geschlechtsgemeinschaft im deutschen Recht werden die wesentlichen rechtlichen Aspekte, Entwicklungen und Auswirkungen detailliert beleuchtet und verständlich zusammengefasst.

Häufig gestellte Fragen

Ist die Geschlechtsgemeinschaft in der Ehe rechtlich verpflichtend?

Nach deutschem Recht besteht keine ausdrückliche Verpflichtung der Ehegatten zur Geschlechtsgemeinschaft. Zwar wird in älteren Rechtsprechungen und juristischen Kommentaren auf das sogenannte „Recht auf ehelichen Verkehr“ verwiesen, jedoch hat sich das Verständnis im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen und Gesetzesänderungen (beispielsweise mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und durch die Gleichstellung der Ehegattenrechte im Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB) gewandelt. Heute steht das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Ehepartners im Vordergrund. Ein erzwingbarer Anspruch auf Geschlechtsgemeinschaft besteht dementsprechend nicht und wäre rechtlich unzulässig, insbesondere unter Berücksichtigung des Grundrechts auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Aber: Das dauerhafte und grundlose Verweigern der Geschlechtsgemeinschaft kann – je nach Einzelfall – als eine schwere Eheverfehlung im Rahmen des Scheidungsrechts bewertet werden. So kann dies z.B. Auswirkungen auf das Trennungsjahr oder auf die Schuldfrage bei einer Härtefallscheidung haben.

Hat das Verweigern der Geschlechtsgemeinschaft Konsequenzen im Scheidungsfall?

Das grundlose und dauerhafte Verweigern der Geschlechtsgemeinschaft kann als Indiz für eine sogenannte „Zerrüttung der Ehe“ gelten, die nach § 1565 BGB eine Scheidung rechtfertigen kann. In Ausnahmefällen ist es sogar möglich, dass eine Härtefallscheidung (§ 1565 Abs. 2 BGB) vor Ablauf des Trennungsjahres ausgesprochen wird, sofern die Verweigerung als schwerwiegende Belastung für den Ehepartner angesehen wird. Die Rechtsprechung prüft jedoch stets den konkreten Einzelfall, bezieht Gründe wie Krankheit, psychische Belastungen oder fehlendes Einvernehmen in die Entscheidung mit ein und wägt diese sorgfältig nach den individuellen Umständen ab.

Wie beurteilen Gerichte die Einwilligung zur Geschlechtsgemeinschaft im rechtlichen Kontext?

Das deutsche Recht verfolgt beim Thema Einwilligung ein ausnahmsloses Nein-heißt-Nein-Prinzip. Eine Zustimmung zur Geschlechtsgemeinschaft liegt nur dann vor, wenn diese freiwillig – also ohne Druck, Bedrohung, Täuschung oder Zwang – erteilt wurde. Dies resultiert insbesondere aus der Reform des Sexualstrafrechts (§ 177 StGB), wonach jegliche sexuelle Handlung ohne wirksame Einwilligung des Betroffenen strafbar ist. Selbst in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft ist jeglicher Zwang zu sexuellen Handlungen strafbar und kann als sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung verfolgt werden.

Gibt es ein Recht auf geschlechtliche Treue innerhalb der Geschlechtsgemeinschaft in der Ehe?

Das deutsche Recht sieht keine ausdrückliche Pflicht zur sexuellen Treue vor; diese ergibt sich als Nebenpflicht aus dem Eheverhältnis (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet“). Ein Verstoß gegen die geschlechtliche Treue, also Ehebruch, stellt jedoch seit 1977 keinen zivilrechtlichen Scheidungsgrund mehr da, sondern wird unter dem Zerrüttungsprinzip als möglicher Aspekt für die Auflösung der Ehe gewertet. Im Einzelfall kann Ehebruch allerdings Einfluss auf bestimmte Unterhaltsansprüche nach der Scheidung haben oder bei besonders gravierenden Fällen eine Härtefallscheidung begründen.

Welche Rolle spielt die Geschäftsunfähigkeit oder eine Erkrankung eines Partners für die Geschlechtsgemeinschaft?

Ist ein Ehegatte aufgrund einer Erkrankung oder Geschäftsunfähigkeit nicht in der Lage, eine Geschlechtsgemeinschaft einzugehen oder fortzuführen, so stellt dies rechtlich keinen Eheverstoß dar. Vielmehr sind die Ehegatten gehalten, Rücksicht auf die gesundheitlichen Belange des Partners zu nehmen. Die krankheitsbedingte Verweigerung der Geschlechtsgemeinschaft kann nicht als schuldhafte Verletzung der ehelichen Pflichten und somit nicht als Scheidungsgrund herangezogen werden. Gerichte werten in entsprechenden Verfahren stets die medizinischen Umstände und Schutzinteressen des betroffenen Ehegatten aus.

Ist die Zeugung von Kindern und Fortpflanzung zwingender Bestandteil der Geschlechtsgemeinschaft?

Weder die deutsche Rechtsordnung noch die familienrechtliche Rechtsprechung schreiben die Pflicht zur Fortpflanzung oder Kinderzeugung vor. Das Recht auf eine selbstbestimmte Familienplanung (einschließlich der Entscheidung gegen gemeinsame Kinder) ist Teil der Persönlichkeitsrechte jedes Ehepartners. Eine Weigerung, Kinder zu zeugen, kann allenfalls im individuellen Einzelfall Auswirkungen auf das Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht haben, stellt jedoch keinen eigenständigen Scheidungs- oder Haftungsgrund dar.

Kann das Recht auf Geschlechtsgemeinschaft vererbt oder übertragen werden?

Das Recht auf Geschlechtsgemeinschaft ist ein rein höchstpersönliches Recht, welches an die Person des jeweiligen Ehepartners gebunden ist. Solche Rechte und Pflichten sind grundsätzlich nicht vererbbar, übertragbar oder einklagbar. Nach dem Tod eines Ehegatten erlischt jedwede rechtliche Grundlage der Geschlechtsgemeinschaft automatisch. Auch eine Vertretung durch Bevollmächtigte (z.B. im Rahmen einer Betreuung) ist im Bereich der höchstpersönlichen Rechte ausgeschlossen (§§ 1896, 1904 BGB).