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Geschäftsunfähigkeit

Geschäftsunfähigkeit: Begriff, Bedeutung und Einordnung

Geschäftsunfähigkeit bezeichnet die fehlende Fähigkeit einer Person, wirksame rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben und dadurch Verträge oder andere Rechtsgeschäfte zu begründen. Sie betrifft die Teilnahme am Rechtsverkehr und hat zur Folge, dass entsprechende Erklärungen der betroffenen Person grundsätzlich unwirksam sind. Der Begriff dient dem Schutz von Personen, die ihren Willen nicht frei und verantwortungsbewusst bilden oder äußern können, und dem Schutz des Rechtsverkehrs vor zweifelhaften Erklärungen.

Personenkreis und Voraussetzungen

Altersbedingte Geschäftsunfähigkeit

Geschäftsunfähig sind Kinder bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres. In diesem Alter fehlt die erforderliche Reife, die rechtlichen Folgen des eigenen Handelns zuverlässig zu überblicken. Ab dem vollendeten siebten Lebensjahr bis zur Volljährigkeit besteht in der Regel eine beschränkte Geschäftsfähigkeit, die sich deutlich von der Geschäftsunfähigkeit unterscheidet.

Geschäftsunfähigkeit aufgrund geistiger Beeinträchtigung

Geschäftsunfähig kann auch sein, wer infolge einer auf Dauer angelegten Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, den eigenen Willen frei zu bestimmen. Erfasst sind insbesondere schwere psychische Erkrankungen oder geistige Behinderungen, wenn sie die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit derart beeinträchtigen, dass ein verantwortliches Handeln im Rechtsverkehr nicht möglich ist.

Vorübergehende Geschäftsunfähigkeit

Geschäftsunfähigkeit kann auch vorübergehend bestehen, etwa bei Bewusstlosigkeit, akuten Verwirrtheitszuständen oder massiver Beeinflussung durch Alkohol, Drogen oder Medikamente. Entscheidend ist stets der konkrete Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung: Fehlt zu diesem Zeitpunkt die Fähigkeit zur freien Willensbildung, ist die Erklärung unwirksam.

Zeitpunktbezogenheit und rechtliche Vermutungen

Die Beurteilung knüpft an den Moment der Erklärung an. Im Rechtsverkehr wird die Fähigkeit, Erklärungen wirksam abzugeben, grundsätzlich vorausgesetzt. Anhaltspunkte für eine fehlende Fähigkeit können diese Vermutung entkräften. Dabei ist nicht eine Diagnose als solche entscheidend, sondern die konkrete Auswirkung auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt.

Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit

Nichtigkeit von Erklärungen

Erklärungen, die eine geschäftsunfähige Person abgibt, sind grundsätzlich unwirksam. Dadurch kommt kein wirksamer Vertrag zustande, selbst wenn die andere Seite vom Zustand nichts wusste oder den Abschluss in gutem Glauben vornahm.

Keine Heilung durch nachträgliche Zustimmung

Eine nachträgliche Zustimmung der betroffenen Person oder Dritter macht ein unwirksames Rechtsgeschäft nicht wirksam. Wirksamkeit kann nur durch eine erneute, ordnungsgemäße Vornahme des Rechtsgeschäfts durch eine vertretungsberechtigte Person oder durch die nun geschäftsfähige Person erreicht werden.

Empfang von Erklärungen

Erklärungen, die einer geschäftsunfähigen Person gegenüber abgegeben werden, entfalten Wirkung grundsätzlich erst, wenn sie der vertretungsberechtigten Person zugehen. Die betroffene Person kann die rechtliche Bedeutung solcher Erklärungen nicht eigenständig erfassen.

Rückabwicklung erbrachter Leistungen

Sind aufgrund einer unwirksamen Erklärung Leistungen ausgetauscht worden, besteht regelmäßig ein Anspruch auf Rückgewähr. Ziel ist die Rückführung der Beteiligten in den Zustand, der bestünde, wenn das unwirksame Rechtsgeschäft nicht vorgenommen worden wäre.

Vertretung und Teilnahme am Rechtsverkehr

Gesetzliche Vertretung

Für Geschäftsunfähige handeln gesetzliche Vertreter. Bei Kindern sind dies in der Regel die sorgeberechtigten Eltern, ansonsten eine Vormundschaft. Bei erwachsenen Personen kann ein gerichtlich bestellter Vertreter mit einem genau umschriebenen Aufgabenkreis eingesetzt werden. Eine Betreuung oder ein Zustimmungsvorbehalt ersetzen die Geschäftsfähigkeit nicht, sondern ordnen den Rechtsverkehr über Vertretung und Zustimmung.

Bote statt Erklärender

Geschäftsunfähige können als Boten eine fremde Erklärung übermitteln, wenn sie deren Inhalt lediglich weitergeben und nicht als eigene Willenserklärung abgeben. Der Erklärungsinhalt bleibt demjenigen zuzurechnen, dessen Erklärung überbracht wird.

Alltagsgeschäfte

Alltagsgeschäfte können von Geschäftsunfähigen nicht wirksam allein vorgenommen werden. Sie werden wirksam, wenn die vertretungsberechtigte Person handelt oder das Geschäft im Rahmen ihrer Vertretungsmacht zustande kommt.

Abgrenzungen und verwandte Themen

Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Beschränkt geschäftsfähig sind in der Regel Minderjährige ab dem siebten bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr. Ihre Erklärungen können unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein, etwa mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter oder wenn nur ein rechtlicher Vorteil entsteht. Im Gegensatz dazu sind Erklärungen Geschäftsunfähiger unwirksam, ohne Möglichkeit nachträglicher Wirksamkeit durch Genehmigung.

Deliktsfähigkeit und Verantwortung

Die Frage, ob jemand für Schäden verantwortlich ist, folgt eigenen Regeln. Geschäftsunfähigkeit bedeutet nicht automatisch fehlende Verantwortlichkeit für Schäden. Je nach Alter und Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit können besondere Haftungsmaßstäbe gelten.

Prozessfähigkeit

Wer geschäftsunfähig ist, kann Rechtsstreitigkeiten nicht selbstständig führen. Prozesshandlungen werden durch die gesetzliche Vertretung vorgenommen. Gerichtliche Verfahren berücksichtigen dies durch entsprechende Zustellungen und Beteiligung der vertretungsberechtigten Personen.

Testierfähigkeit, Ehe- und Familienrecht

Die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, eine Ehe zu schließen oder familienrechtliche Erklärungen abzugeben, unterliegt eigenen Voraussetzungen, die von der Geschäftsfähigkeit abweichen können. Die Beurteilung erfolgt nach den jeweils einschlägigen Regeln der einzelnen Rechtsgebiete.

Feststellung der Geschäftsunfähigkeit

Praktische Kriterien

Maßgeblich ist die Fähigkeit zur freien Willensbildung im Zeitpunkt der Erklärung. Medizinische Unterlagen, sachverständige Einschätzungen und konkrete Umstände können zur Beurteilung herangezogen werden. Langfristige rechtliche Maßnahmen, etwa eine rechtliche Vertretung mit festgelegtem Aufgabenkreis, können Hinweise liefern, ersetzen jedoch nicht die individuelle Prüfung des Einzelfalls.

Dauer und Wechsel

Geschäftsunfähigkeit kann dauerhaft oder vorübergehend sein. Bei wechselnden Zuständen kommt es auf die genauen Umstände der jeweiligen Erklärung an. Eine Person kann zu einem Zeitpunkt geschäftsunfähig und zu einem anderen Zeitpunkt geschäftsfähig sein.

Internationale Bezüge

Anknüpfung an die persönliche Rechtsordnung

In grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit häufig nach der persönlichen Rechtsordnung einer Person. Maßnahmen aus dem Ausland, etwa zur Vertretung, können anerkannt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Wirksamkeit einzelner Rechtsgeschäfte beurteilt sich zusätzlich nach dem auf das jeweilige Geschäft anwendbaren Recht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer gilt als geschäftsunfähig?

Geschäftsunfähig sind Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr sowie Personen, die aufgrund einer schwerwiegenden Störung der Geistestätigkeit ihren Willen nicht frei bestimmen können. Auch vorübergehende Zustände wie Bewusstlosigkeit oder akute Rauschzustände können zur Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Erklärung führen.

Welche Rechtsfolgen haben Erklärungen einer geschäftsunfähigen Person?

Erklärungen einer geschäftsunfähigen Person sind grundsätzlich unwirksam. Ein Vertrag kommt dadurch nicht zustande. Bereits ausgetauschte Leistungen sind im Regelfall rückabzuwickeln, um den Zustand vor dem Geschäft wiederherzustellen.

Können Erklärungen nachträglich wirksam werden?

Eine nachträgliche Zustimmung heilt die Unwirksamkeit nicht. Wirksamkeit kann nur durch eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts durch eine vertretungsberechtigte Person oder durch die inzwischen geschäftsfähige Person begründet werden.

Wer vertritt eine geschäftsunfähige Person?

Kinder werden in der Regel durch ihre sorgeberechtigten Eltern vertreten, ansonsten durch eine Vormundschaft. Bei erwachsenen Personen kommen gerichtlich angeordnete Vertretungen mit einem festgelegten Aufgabenkreis in Betracht. Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich nach der jeweiligen Anordnung.

Werden Erklärungen an eine geschäftsunfähige Person wirksam?

Erklärungen, die einer geschäftsunfähigen Person gegenüber abgegeben werden, entfalten in der Regel erst Wirkung, wenn sie der vertretungsberechtigten Person zugehen. Die betroffene Person kann solche Erklärungen nicht selbst wirksam empfangen.

Besteht ein Unterschied zur beschränkten Geschäftsfähigkeit?

Ja. Bei beschränkter Geschäftsfähigkeit können Erklärungen unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein, etwa mit Zustimmung der Vertretungsberechtigten. Bei Geschäftsunfähigkeit sind Erklärungen der betroffenen Person grundsätzlich unwirksam.

Ist eine geschäftsunfähige Person für Schäden verantwortlich?

Die Verantwortung für Schäden richtet sich nach eigenen Regeln. Geschäftsunfähigkeit bedeutet nicht automatisch fehlende Haftung, allerdings gelten für Kinder und für Personen ohne Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit besondere Maßstäbe, die die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.