Definition und rechtliche Einordnung der Geschäftsführungsbefugnis
Die Geschäftsführungsbefugnis bezeichnet im deutschen Gesellschaftsrecht die rechtliche Kompetenz, ordentliche oder außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen innerhalb einer Gesellschaft zu treffen und für das Unternehmen zu handeln. Sie regelt, wer in einer Gesellschaft berechtigt ist, Entscheidungen zu treffen, Geschäfte abzuschließen und Verpflichtungen im Namen des Unternehmens einzugehen. Die Geschäftsführungsbefugnis ist von der Vertretungsmacht abzugrenzen, die gegenüber Dritten wirkt, während sich die Geschäftsführungsbefugnis vorrangig auf das Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft bezieht.
Geschäftsführungsbefugnis nach Gesellschaftsformen
Geschäftsführungsbefugnis in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
In einer GbR steht grundsätzlich allen Gesellschaftern gemeinschaftlich die Geschäftsführungsbefugnis zu (§ 709 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Die Gesellschafter können jedoch durch Gesellschaftsvertrag eine andere Regelung treffen, beispielsweise eine Einzelgeschäftsführung oder die Übertragung auf bestimmte Gesellschafter. Für wichtige Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, ist regelmäßig Einstimmigkeit erforderlich.
Geschäftsführungsbefugnis bei der Offenen Handelsgesellschaft (OHG)
Nach § 114 Handelsgesetzbuch (HGB) sind im Grundsatz alle Gesellschafter zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet, wobei jedem Gesellschafter Einzelgeschäftsführungsbefugnis zusteht. Ausnahmen hiervon und Beschränkungen können per Gesellschaftsvertrag bestimmt werden. Betrifft eine Maßnahme außergewöhnliche Geschäfte oder überschreitet sie den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, ist ebenfalls ein Beschluss aller Gesellschafter notwendig.
Kommanditgesellschaft (KG)
In der Kommanditgesellschaft obliegt die Geschäftsführung grundsätzlich nur den Komplementären (§ 164 HGB). Kommanditisten sind von der Geschäftsführungsbefugnis ausgeschlossen, können jedoch in außergewöhnlichen Fällen Widerspruch erheben (§ 164 Satz 1 und 2 HGB). Die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen Kommanditisten ist möglich, muss aber explizit vereinbart werden.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Die Geschäftsführungsbefugnis bei der GmbH liegt nach § 35 GmbH-Gesetz (GmbHG) grundsätzlich bei den bestellten Geschäftsführern. Die Gesellschafterversammlung kann Weisungen erteilen, und durch Gesellschaftsvertrag können Beschränkungen vorgesehen werden, etwa durch Genehmigungsvorbehalte oder Zustimmungserfordernisse. Eine Überschreitung der internen Beschränkungen beeinträchtigt die Vertretungsmacht grundsätzlich nicht, wirkt sich aber im Innenverhältnis haftungsbegründend aus.
Aktiengesellschaft (AG)
Die Geschäftsführung in einer AG obliegt dem Vorstand gemäß § 76 Aktiengesetz (AktG). Der Vorstand entscheidet eigenverantwortlich, während der Aufsichtsrat lediglich eine Überwachungsfunktion ausübt. Der Vorstand kann einzelnen Mitgliedern besondere Aufgabenbereich zuweisen und eine Geschäftsordnung erlassen, die Geschäftsfeldaufteilungen und -grenzen definieren.
Abgrenzung: Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht
Es ist zwischen der internen Geschäftsführungsbefugnis und der gesetzlichen bzw. vertraglichen Vertretungsmacht zu unterscheiden. Während die Geschäftsführungsbefugnis regelt, wer im Innenverhältnis für welche Geschäfte zuständig ist, beschreibt die Vertretungsmacht das Auftreten nach außen gegenüber Dritten. Die Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis kann im Innenverhältnis zu Schadensersatzansprüchen führen, wobei im Außenverhältnis das Geschäft dennoch wirksam bleibt, sofern die Vertretungsmacht besteht und Drittschutzerfordernisse nicht anderweitig greifen.
Beschränkungen und Erweiterungen der Geschäftsführungsbefugnis
Gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen
Die Beteiligten können im Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis individuell ausgestalten, etwa durch:
- Allein- oder Gesamtgeschäftsführung
- Zustimmungserfordernisse für bestimmte Geschäfte
- Geschäftsführungsverbote für einzelne Gesellschafter
- Erweiterung auf Nichtgesellschafter bei Kapitalgesellschaften
Gesetzlich zwingende Regelungen
Einige Beschränkungen können nicht abbedungen werden, insbesondere dann, wenn sie den Gläubigerschutz oder wesentliche Gesellschaftsinteressen betreffen. In einigen Gesellschaftsformen, etwa der AG, ist eine gewisse Autonomie organschaftlich vorgegeben.
Innen- und Außenverhältnis
Das Innenverhältnis regelt die Kompetenzverteilung und die Befugnisse einzelner Mitglieder der Geschäftsführung sowie das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten. Das Außenverhältnis betrifft die Frage, mit welcher Bindungswirkung die Gesellschaft an die von Geschäftsführungsorganen abgeschlossenen Geschäfte gebunden ist. Eine Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis entfaltet grundsätzlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf abgeschlossene Geschäfte mit Dritten, kann jedoch Rückforderungs- oder Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Haftung bei Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis
Verstößt eine Person gegen Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis, führt dies im Normalfall zu einer Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft (§ 43 GmbHG, § 93 AktG). Der Umfang der Haftung richtet sich nach dem entstandenen Schaden und kann persönliche Haftungstatbestände auslösen. In Personengesellschaften haften die Gesellschafter zudem häufig gesamtschuldnerisch.
Geschäftsführungsbefugnis in der Praxis
Im Geschäftsalltag ist die klare Regelung der Geschäftsführungsbefugnis von hoher Bedeutung, da Unklarheiten zu Streitigkeiten und Haftungsrisiken führen können. Bei mehrgliedrigen Geschäftsführungsgremien empfiehlt sich die schriftliche Fixierung durch Geschäftsordnungen oder Organbeschlüsse.
Quellen und weiterführende Vorschriften
- §§ 709-715 BGB – Geschäftsführung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
- §§ 114-121 HGB – Geschäftsführung in OHG und KG
- §§ 35-52 GmbHG – Geschäftsführung, Vertretung und Haftung der GmbH
- §§ 76-111 AktG – Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft
Fazit
Die Geschäftsführungsbefugnis ist ein zentraler Begriff im Gesellschaftsrecht und beschreibt die Befugnis, für eine Gesellschaft rechtsverbindlich zu handeln. Je nach Rechtsform bestehen unterschiedliche gesetzliche und vertragliche Regelungen, deren Kenntnis für ein rechtssicheres Handeln im Unternehmensalltag unverzichtbar ist. Eine genaue vertragliche Ausgestaltung schützt vor Haftungsrisiken und fördert die effiziente Leitung und Vertretung des Unternehmens.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsgrundlagen bestimmen Umfang und Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis?
Die Geschäftsführungsbefugnis wird im Regelfall durch das Gesellschaftsrecht, insbesondere durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) für Personengesellschaften wie die GbR (§§ 709 ff. BGB) und durch das Handelsgesetzbuch (HGB) für die OHG und KG (§§ 114 ff. HGB, § 161 ff. HGB) geregelt. Bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH oder AG finden sich die relevanten Vorschriften im GmbHG (§§ 35, 37 GmbHG) und AktG (§ 78 AktG). Die gesetzlichen Regelungen geben sowohl den Umfang (innenrechtlich, was „darf“ der Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft) als auch die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis vor. Diese kann durch den Gesellschaftsvertrag, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung oder interne Geschäftsordnungen weiter eingeschränkt oder konkretisiert werden. Zudem spielen die Vertretungsbefugnis gegenüber Dritten und mögliche Überschreitungen der Geschäftsführungsbefugnis (sog. Insichgeschäfte, § 181 BGB) sowie Anforderungen an die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters (§ 43 GmbHG, § 93 AktG) eine Rolle.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht?
Rechtlich ist streng zwischen der Geschäftsführungsbefugnis (internes Rechtsverhältnis zur Gesellschaft) und der Vertretungsmacht (externes Auftreten gegenüber Dritten) zu unterscheiden. Die Geschäftsführungsbefugnis betrifft die Befugnis, im Innenverhältnis Maßnahmen zur Leitung der Gesellschaft zu ergreifen – beispielsweise Vertragsabschlüsse, Personalentscheidungen oder betriebliche Abläufe. Die Vertretungsmacht bezieht sich darauf, ob und wie ein Geschäftsführer die Gesellschaft nach außen vertreten und wirksame Rechtsgeschäfte mit Dritten abschließen kann. Diese Unterscheidung ist relevant, da ein Geschäftsführer zwar intern beschränkt sein kann (z. B. alle Ausgaben über 50.000 Euro bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses), er aber nach außen hin als voll vertretungsberechtigt gilt, solange keine entsprechende Beschränkung im Handelsregister eingetragen wurde (vgl. §§ 35 II GmbHG, 126 II HGB). Überschreitet der Geschäftsführer seine interne Befugnis, ist das Geschäft nach außen dennoch wirksam; intern kann er sich jedoch schadensersatzpflichtig machen.
Welche typischen Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis existieren in Gesellschaftsverträgen?
In zahlreichen Gesellschaftsverträgen finden sich individuelle Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis. Häufig sind dies Schwellenwerte für finanzielle Verpflichtungen, bei deren Überschreitung ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Auch können bestimmte Arten von Geschäften wie Grundstücksveräußerungen, Unternehmensübernahmen oder der Abschluss langfristiger Verträge dem Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter unterliegen. Ferner ist oft geregelt, dass bestimmte Geschäfte nur gemeinschaftlich von mehreren Geschäftsführern getätigt werden dürfen (Kollektivgeschäftsführung). Solche Regelungen sind ausschließlich im Innenverhältnis wirksam, es sei denn, sie werden explizit im Handelsregister eingetragen und damit Dritten gegenüber bekannt gemacht.
Welche rechtlichen Rechtsfolgen ergeben sich bei Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis?
Überschreitet ein Geschäftsführer seine nach Gesellschaftsvertrag oder Geschäftsordnung beschränkte Geschäftsführungsbefugnis und schließt gleichwohl ein Geschäft ab, ist dieses Geschäft in der Regel nach außen wirksam, sofern der Geschäftsführer über die Vertretungsmacht verfügt und keine im Handelsregister eingetragenen Beschränkungen bestehen. Allerdings macht sich der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig, sofern der Gesellschaft durch die pflichtwidrige Handlung ein Schaden entstanden ist (§ 43 GmbHG, § 93 AktG). Er haftet in diesem Fall persönlich auf Ersatz des entstandenen Schadens. Gesellschaftsrechtlich kann dies zu Abberufung oder Kündigung des Dienstverhältnisses führen.
Wann und wie erlischt die Geschäftsführungsbefugnis eines Geschäftsführers?
Die Geschäftsführungsbefugnis erlischt insbesondere mit Abberufung durch die Gesellschafterversammlung, mit Ablauf einer im Gesellschaftsvertrag befristet festgelegten Amtszeit oder mit Eintritt sonstiger Beendigungsgründe wie Tod, Amtsniederlegung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsführers (bei einer Einzelfirma) bzw. der Gesellschaft. Die Abberufung bedarf grundsätzlich eines Gesellschafterbeschlusses und wird mit Zugang der Abberufungserklärung wirksam; die Wirkung gegenüber Dritten tritt jedoch erst mit Eintragung im Handelsregister (bei Handelsgesellschaften) ein. Ist die Abberufung erfolgt, darf der Geschäftsführer keine Geschäfte mehr im Namen der Gesellschaft tätigen; Verstöße können zu Schadensersatzansprüchen führen.
Welche Bedeutung hat die Sorgfaltspflicht für die Geschäftsführungsbefugnis?
Geschäftsführer sind verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Geschäftsführungsbefugnis die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 43 I GmbHG, § 93 I AktG). Dies umfasst die sorgfältige Prüfung von Geschäftsentscheidungen, die Vermeidung von Interessenkonflikten und die Einhaltung aller gesetzlichen sowie gesellschaftsvertraglichen Vorgaben. Eine Verletzung dieser Sorgfaltspflicht kann eine persönliche Haftung auslösen, etwa im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Steuer-, Sozialversicherungs- oder Insolvenzrecht. Besonders bei unternehmerischen Entscheidungen gilt die sog. „Business Judgement Rule“, wonach der Geschäftsführer nicht haftet, wenn er auf angemessener Informationsgrundlage zum Wohle der Gesellschaft handelt.