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Gesandter

Begriff und rechtliche Definition des Gesandten

Überblick

Der Begriff Gesandter bezeichnet im völkerrechtlichen und diplomatischen Kontext eine vom entsendenden Staat beauftragte Person, die diesem Staat im Empfangsstaat zur Erfüllung spezifischer diplomatischer Aufgaben dient. Der Gesandte ist im hierarchischen Rang unterhalb des Botschafters, jedoch über dem Geschäftsträger angesiedelt. Die Funktion und Rechtsstellung des Gesandten leitet sich maßgeblich aus dem Völkerrecht und insbesondere aus dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 ab.

Historische Entwicklung des Gesandtenamtes

Ursprung und Entwicklung im diplomatischen Verkehr

Die Funktion des Gesandten entwickelte sich im Verlauf der Neuzeit parallel zum Ausbau ständiger diplomatischer Vertretungen der Staaten. Während im Mittelalter temporäre Gesandtschaften häufig waren, bildeten sich ab dem 17. Jahrhundert dauerhafte Posten heraus. Das Wiener Kongressprotokoll von 1815 regelte erstmals die diplomatischen Rangklassen verbindlich. Nach diesem Protokoll trägt der Gesandte die offizielle Rangbezeichnung “Gesandter und Bevollmächtigter Minister” („Envoyé extraordinaire et ministre plénipotentiaire”).

Bedeutung im 20. und 21. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert trat das Amt des Botschafters zunehmend in den Vordergrund, sodass Gesandte vor allem zwischen Staaten mit formal nicht ganz gleichgestellter Beziehung entsandt wurden. Mit der Verbreitung des Botschafterranges als Standardstellvertretung wurde die Stellung des Gesandten zunehmend unüblich, ist völkerrechtlich jedoch weiterhin anerkannt.

Rang und Aufgaben eines Gesandten

Rangordnung nach dem Wiener Übereinkommen

Das Wiener Übereinkommen unterscheidet folgende Rangklassen diplomatischer Vertreter:

  1. Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter,
  2. Außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister,
  3. Geschäftsträger.

Der Gesandte ist somit in der zweiten Prioritätsstufe eingeordnet; er handelt mit vollumfänglicher Vertretungsbefugnis, genießt jedoch nicht die repräsentative Gleichstellung mit einem Botschafter.

Aufgabenbereich

Gesandte übernehmen alle diplomatischen Aufgaben ihrer Entsendung:

  • Repräsentation des Heimatstaats im Empfangsstaat
  • Führung der politischen und rechtlichen Beziehungen zwischen den Staaten
  • Vertretung der Interessen des Entsendestaats und seiner Staatsangehörigen
  • Berichterstattung und Kommunikation mit der eigenen Regierung
  • Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen
  • Pflege wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Beziehungen

Rechtsstellung des Gesandten

Völkerrechtlicher Status

Gesandte sind diplomatische Vertreter und genießen als solche den völkerrechtlichen Schutz, insbesondere das diplomatische Privileg und die Immunität gemäß den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens:

  • Persönliche Unverletzlichkeit: Gesandte dürfen von den Behörden des Empfangsstaats weder festgenommen noch inhaftiert werden.
  • Immunität von der Gerichtsbarkeit: Gesandte sind von der zivil- und strafrechtlichen Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates ausgenommen.
  • Schutz der amtlichen Korrespondenz und Archive: Diese unterliegen absoluter Unverletzlichkeit.
  • Steuerliche und sonstige Privilegien: Gesandte genießen Steuer- und Zollbefreiungen für dienstliche Zwecke sowie weitere Erleichterungen, etwa bei der Ein- und Ausreise.

Verantwortlichkeit des Entsendestaates

Obwohl der Gesandte persönlich Immunität und Privilegien genießt, bleibt der Entsendestaat für dessen Handlungen rechtlich verantwortlich. Der Empfangsstaat besitzt das Recht, einen Gesandten zur unerwünschten Person (Persona non grata) zu erklären und dessen Abberufung zu verlangen.

Bestellung, Akkreditierung und Enthebung eines Gesandten

Ernennung und Entsendung

Die Ernennung eines Gesandten erfolgt durch eine formelle Bestellung des Entsendestaates. Sie ist regelmäßig an die Ausstellung eines Beglaubigungsschreibens gekoppelt, das dem Empfangsstaat zu übergeben ist.

Akkreditierung

Der Gesandte erlangt seinen offiziellen Status erst durch Überreichung des Beglaubigungsschreibens an das Staatsoberhaupt oder das zuständige Außenministerium des Empfangsstaates. Erst ab diesem Zeitpunkt nimmt er die Funktionen eines Gesandten wahr.

Abberufung und Enthebung

Der Entsendestaat kann seinen Gesandten jederzeit abberufen oder ersetzen. Ebenso hat der Empfangsstaat das Recht, den Gesandten zur Persona non grata zu erklären. In beiden Fällen endet die Akkreditierung und damit die rechtliche Stellung als gesandter Vertreter.

Abgrenzungen zu anderen diplomatischen Amtsträgern

Unterschied zu Botschaftern

Im Vergleich zum Botschafter steht der Gesandte im diplomatischen Rang zurück und repräsentiert den Entsendestaat bei Staaten, zu denen keine unmittelbare Gleichrangigkeit der diplomatischen Beziehungen besteht. Die Aufgabenähnlichkeit mit Botschaftern ist hoch, jedoch fehlt dem Gesandten der repräsentative Vorrang.

Unterschied zu Geschäftsträgern

Geschäftsträger (chargé d’affaires) vertreten den Entsendestaat als rangmäßig untergeordnete diplomatische Personen. Sie können nur in Ausnahme- oder Interimsfällen mit beschränktem Aufgaben- und Privilegienstatus tätig werden. Gesandte sind hingegen mit weitgehender Vertretungsvollmacht ausgestattet.

Bedeutung in der heutigen Praxis

In der heutigen diplomatischen Praxis ist das Amt des Gesandten weitgehend durch das der Botschafter ersetzt worden. Gesandte finden sich vereinzelt noch als diplomatische Titel, insbesondere als Gesandter-Botschaftsrat an Botschaften, was jedoch keinen völkerrechtlichen Rang im Sinne des klassischen „Gesandten” mehr darstellt.


Hinweis: Dieser Artikel gibt einen umfassenden, rechtlichen Überblick über die Definition, Funktionen und den Status des Gesandten nach nationalem und internationalem Recht. Im Zweifel und für Einzelfallentscheidungen sind die maßgeblichen nationalen und völkerrechtlichen Normtexte zu konsultieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Ernennung eines Gesandten erfüllt sein?

Für die Ernennung eines Gesandten bestehen verschiedene rechtliche Voraussetzungen, die sich nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen sowie nach nationalem Recht richten können. Der Entsendestaat muss sicherstellen, dass die zu ernennende Person sowohl die persönlichen Integritätsanforderungen erfüllt als auch im Besitz einer entsprechenden Vollmacht (dem sogenannten Beglaubigungsschreiben) ist. Es ist üblich, dass der künftige Gesandte vorab dem Empfangsstaat notifiziert wird, der ein sogenanntes Agrément erteilt, also seine Zustimmung zur Aufnahme der gesandten Person als offizieller Vertreter. Grundsätzlich muss der Gesandte im Sinn des Diplomatenrechts eine natürliche Person sein, die volljährig und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte steht. Die genaue Auswahl und Ernennung liegt im Ermessen des Entsendestaates, doch können Staaten zusätzliche Anforderungen aufstellen, wie beispielsweise bestimmte Qualifikationen oder diplomatische Schulungen.

Welche rechtlichen Privilegien und Immunitäten stehen einem Gesandten zu?

Ein Gesandter genießt auf der Grundlage des Wiener Übereinkommens zahlreiche rechtliche Privilegien und Immunitäten, um die unabhängige Ausübung seiner amtlichen Funktion zu gewährleisten. Zu den wichtigsten Immunitäten zählt die Immunität vor strafrechtlicher, zivilrechtlicher und administrativer Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates hinsichtlich amtlicher Handlungen. Gesandte sind ferner von der Sozialversicherungspflicht, von Steuern und Abgaben sowie von bestimmten Zollvorschriften befreit. Ihr Aufenthalt, Wohnsitze und Kommunikationsmittel sind vor Durchsuchung und Beschlagnahme geschützt. Allerdings bleiben Gesandte verpflichtet, die Gesetze und Vorschriften des Empfangsstaates zu respektieren, auch wenn ein Verstoß wegen der Immunität nicht verfolgt werden kann. Der Empfangsstaat kann die Persona non grata erklären, was das Tätigkeitsverbot zur Folge hat.

Wie erfolgt die rechtliche Anerkennung eines Gesandten durch den Empfangsstaat?

Die rechtliche Anerkennung ist an das sogenannte Agrément gebunden. Nachdem ein Staat beabsichtigt, einen Gesandten zu entsenden, stellt er dem Empfangsstaat die Personalien der vorgesehenen Person zur Verfügung. Der Empfangsstaat kann zustimmen oder ohne Angabe von Gründen ablehnen. Die offizielle Anerkennung erfolgt nach Ankunft durch die Aushändigung des Beglaubigungsschreibens an das Staatsoberhaupt oder die Regierung des Empfangsstaates. Erst mit diesem Akt ist der Gesandte rechtlich akkreditiert und kann seine Aufgaben im Empfangsstaat wahrnehmen. Eine vorzeitige Ausübung von Amtshandlungen vor der Akkreditierung ist nicht zulässig und hat aus völkerrechtlicher Sicht keine bindende Wirkung.

In welchen Fällen erlischt der rechtliche Status eines Gesandten?

Der Status des Gesandten erlischt in verschiedenen völkerrechtlich normierten Fällen. Zum Beispiel mit der offiziellen Beendigung seiner Mission, einer Rückberufung durch den Entsendestaat, der Annahme eines Rücktritts oder mit der Abberufung aufgrund einer Persona-non-grata-Erklärung durch den Empfangsstaat. Außerdem kann der Status durch den Tod des Gesandten oder bei Auflösung diplomatischer Beziehungen beider Staaten enden. Im Fall eines bewaffneten Konflikts oder des Abbruchs der Beziehungen bleibt ein minimaler Schutzstatus gemäß dem Wiener Übereinkommen bestehen, bis eine sichere Ausreise aus dem Empfangsstaat möglich ist.

Welche Pflichten hat ein Gesandter aus rechtlicher Sicht gegenüber dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat?

Rechtlich ist der Gesandte verpflichtet, die Interessen des Entsendestaates im Empfangsstaat zu vertreten, die Gesetze und Verordnungen des Empfangsstaates zu respektieren, ohne sich jedoch dessen Rechtsprechung zu unterwerfen. Er darf sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Empfangsstaates einmischen und muss die dienstlichen Nachrichten diskret und ausschließlich über die vorgesehenen Kanäle austauschen. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Disziplinarmaßnahmen durch den Entsendestaat oder zu einer Persona-non-grata-Erklärung führen.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Fehlverhalten eines Gesandten im Empfangsstaat?

Bei Fehlverhalten eines Gesandten steht dem Empfangsstaat primär die Möglichkeit zu, ihn zur unerwünschten Person (Persona non grata) zu erklären, wodurch der Gesandte sein Amt zu beenden hat und das Land zu verlassen hat. Strafverfolgung ist regelmäßig ausgeschlossen, da der Gesandte Immunität genießt. Der Entsendestaat kann jedoch auf die Immunität verzichten und den Gesandten für bestimmte Handlungen der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates übergeben. Disziplinarmaßnahmen oder strafrechtliche Konsequenzen sind dann intern im Entsendestaat möglich.

Können die rechtlichen Privilegien und Immunitäten eines Gesandten eingeschränkt oder aufgehoben werden?

Die Privilegien und Immunitäten können grundsätzlich nur vom Entsendestaat und nicht vom Empfangsstaat eingeschränkt oder aufgehoben werden. Dies erfolgt üblicherweise durch eine ausdrückliche schriftliche Verzichtserklärung des Entsendestaates auf Immunität für konkret bezeichnete Fälle oder Handlungen. Der Verzicht ist unwiderruflich und muss eindeutig erklärt werden. Der Empfangsstaat kann einseitig keine Einschränkung oder Aufhebung der Immunität vornehmen. Bei schwerwiegenden Verstößen empfiehlt das Wiener Übereinkommen lediglich die Erklärung der Persona non grata.

Gibt es Unterschiede im rechtlichen Status zwischen Gesandten und Botschaftern?

Im modernen Völkerrecht ist die Unterscheidung zwischen Gesandten und Botschaftern völkerrechtlich weitgehend überholt, da das Wiener Übereinkommen primär von “diplomatischen Vertretern” spricht. Traditionell unterschieden sich die Ränge, wobei Botschafter persönliche Vertreter des Staatsoberhauptes mit Vorrangprotokoll waren, während Gesandte einen niedrigeren Protokollrang einnahmen. Rechtlich sind ihre Privilegien und Immunitäten heute jedoch weitgehend identisch und umfassen dieselben Schutz- und Befreiungsrechte, gleichwohl der Rang Auswirkungen auf protokollarische Fragen haben kann.