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Gesamtzusage


Begriff und rechtliche Einordnung der Gesamtzusage

Die Gesamtzusage ist ein Begriff des deutschen Arbeitsrechts und bezeichnet eine an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtete Zusage des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen oder Vorteile – oftmals Sozialleistungen oder Leistungen der betrieblichen Altersversorgung – zu gewähren. Anders als bei der Einzelvereinbarung oder einer Betriebsvereinbarung basiert die Gesamtzusage auf einem einseitigen, an mehrere oder alle Beschäftigten gerichteten Willenserklärung des Arbeitgebers, die nicht auf eine unmittelbare Mitwirkung der Arbeitnehmer noch der Arbeitnehmervertretung angewiesen ist.

Definition und Abgrenzung

Die Gesamtzusage unterscheidet sich von anderen Regelungsformen im Arbeitsverhältnis wie folgt:

  • Einzelvertragliche Zusage: Wird mit einzelnen Arbeitnehmern individuell vereinbart.
  • Betriebsvereinbarung: Wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen.
  • Gesamtzusage: Richtet sich als einseitige, verbindliche Leistungserklärung an einen bestimmten Kreis mehrerer Arbeitnehmer.

Die Unterschiede zur betrieblichen Übung sind insbesondere darin zu sehen, dass die Gesamtzusage als ausdrückliche Erklärung erfolgt, während eine betriebliche Übung auf einem wiederholten gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers basiert.

Voraussetzungen und Form

Wirksamkeit und Zugang

Eine Gesamtzusage ist dann wirksam, wenn der Arbeitgeber eine hinreichend bestimmte Erklärung abgibt, die Leistungen in einer bestimmten Weise an eine Mehrzahl von Arbeitnehmern zu erbringen. Die Erklärung muss den betroffenen Arbeitnehmern zugehen oder zumindest für sie in geeigneter Art und Weise kenntlich gemacht werden, etwa durch Aushang im Betrieb, Intranetverkündung oder schriftliche Mitteilung.

Bestimmtheit und Inhalt

Die Zusage muss klar und eindeutig formuliert sein. Inhaltlich kann sie sich auf verschiedenste Leistungen beziehen, beispielsweise:

  • Jahressonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld)
  • Zuschüsse zu Fahrtkosten
  • Prämienzahlungen
  • betriebliche Altersversorgung

Unbestimmte oder auslegungsbedürftige Gesamtzusagen können im Einzelfall zu Unsicherheiten über den Bindungsinhalt führen, werden jedoch in der Regel zugunsten der Arbeitnehmer ausgelegt.

Rechtsnatur und Bindungswirkung

Die Gesamtzusage ist rechtlich als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung zu werten, die auf die Begründung vertraglicher Rechte zugunsten der Arbeitnehmer gerichtet ist. Wird die Zusage von einem Arbeitnehmer angenommen oder darauf vertraut, so entsteht ein vertraglicher Anspruch, der durch individuelle Klage beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden kann.

Die Bindung des Arbeitgebers an die Gesamtzusage erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Arbeitnehmer, die von der Zusage erfasst sind, solange sie dem von der Zusage bezeichneten Personenkreis angehören. Mit dem Ausscheiden aus diesem Kreis oder durch Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen endet die Bindungswirkung.

Änderung, Widerruf und Beendigung der Gesamtzusage

Änderung durch Widerrufsvorbehalt

Der Arbeitgeber kann sich durch einen sogenannten Widerrufsvorbehalt das Recht sichern, die Gesamtzusage unter bestimmten, im Vorfeld festgelegten Bedingungen zu ändern oder zu widerrufen. Fehlt ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt, ist eine nachträgliche Änderung – etwa eine Kürzung oder Einstellung der versprochenen Leistungen – in aller Regel nur mit Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer oder über eine Änderungskündigung möglich.

Beendigung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag

Wird nach Erteilung einer Gesamtzusage eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag abgeschlossen, der denselben Regelungsgegenstand betrifft, so kann die Gesamtzusage – vorbehaltlich einer Günstigkeitsprüfung – durch die kollektivrechtliche Vereinbarung verdrängt werden (sog. Sperrwirkung).

Beendigung durch Wegfall der Geschäftsgrundlage

In Ausnahmefällen kann eine Gesamtzusage, etwa infolge massiver wirtschaftlicher Veränderungen im Betrieb, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) angepasst oder aufgehoben werden. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch sehr eng und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall.

Anspruch und Durchsetzung

Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich einer Gesamtzusage fallen, können sich unmittelbar auf die zugesicherten Leistungen berufen. Im Streitfall entscheidet das Arbeitsgericht über das Bestehen und den Umfang des Anspruchs. Die Darlegungs- und Beweislast liegt dabei grundsätzlich beim betreffenden Arbeitnehmer.

Abgrenzung zur betrieblichen Übung

Während die Gesamtzusage eine aktive, bewusste Erklärung des Arbeitgebers darstellt, entsteht eine betriebliche Übung durch wiederholtes tatsächliches Handeln des Arbeitgebers, sodass bei den Arbeitnehmern ein Vertrauen auf die Fortsetzung entsprechender Leistungen entsteht. Eine Abgrenzung im Einzelfall kann von erheblicher Bedeutung sein, insbesondere für Fragen der Änderbarkeit oder des Wegfalls von sozial gewährten Leistungen.

Gesamtzusage im Kontext moderner Arbeitsverhältnisse

Gerade im Rahmen flexibler Arbeitsmodelle oder bei Einführung von betrieblichen Sozialleistungen im Zuge der Digitalisierung kommt der Gesamtzusage nach wie vor erhebliche praktische Bedeutung zu. Für Unternehmen bietet sie die Möglichkeit, ohne komplexe kollektive Verfahren freiwillige Leistungen transparent und rechtssicher zu gewähren, solange die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Literaturhinweise und weiterführende Rechtsquellen

Gesamtzusagen sind in der arbeitsrechtlichen Literatur vielfach behandelt, insbesondere im Kontext der Gestaltung von Ansprüchen auf Sonderleistungen. Rechtsgrundlagen ergeben sich nicht aus einem spezifischen Gesetz, sondern aus den allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Arbeitsrechts.

Relevante Rechtsquellen und Urteile:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 305 ff. (Allgemeine Geschäftsbedingungen), § 611a (Arbeitsvertrag), § 313 (Störung der Geschäftsgrundlage)
  • Bundesarbeitsgericht (BAG), ständige Rechtsprechung zur Gesamtzusage (insbesondere BAG, Urteil vom 13. Januar 2010 – 10 AZR 914/08)
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Zusammenfassung:
Die Gesamtzusage ist ein praxisrelevantes Instrument zur Gewährung von Zusatzleistungen im Arbeitsverhältnis, das sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung haben kann. Ihre rechtlichen Besonderheiten, einschließlich der Voraussetzungen für Wirksamkeit, Änderung und Beendigung, sollten bei jeder Anwendung sorgfältig geprüft werden, um sowohl Rechtssicherheit als auch Transparenz im Arbeitsverhältnis zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Gesamtzusage im Arbeitsrecht?

Die rechtlichen Grundlagen der Gesamtzusage im Arbeitsrecht finden sich überwiegend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Die Gesamtzusage gilt als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers, mit der dieser einer Mehrzahl von Arbeitnehmern bestimmte Leistungen verbindlich zusagt, ohne sie individuell im Arbeitsvertrag zu regeln. Gemäß § 145 BGB handelt es sich bei der Gesamtzusage um ein Angebot auf Vertragsänderung, das von den betroffenen Arbeitnehmern durch schlüssiges Verhalten, etwa durch Inanspruchnahme der Leistung, konkludent angenommen werden kann (§ 151 BGB). Die Gleichbehandlung aller begünstigten Mitarbeiter ist durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 242 BGB) geschützt. Da es keine spezielle gesetzliche Regelung gibt, ist maßgeblich die Auslegung anhand der Umstände sowie die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich insbesondere mit Abgrenzungsfragen zur betrieblichen Übung und Änderungskündigung beschäftigt.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Gesamtzusage rechtlich wirksam?

Für die rechtliche Wirksamkeit einer Gesamtzusage müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss der Arbeitgeber die Zusage ausdrücklich und verbindlich an eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern richten. Die Zusage muss darauf ausgerichtet sein, unmittelbare Rechte zu begründen, sodass sie nicht als bloße Absichtserklärung gewertet werden kann. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen klar erkennbar sein; die Adressierung „an alle Mitarbeiter“ genügt in der Regel. Zudem muss der Inhalt der Zusage ausreichend bestimmt sein, was sowohl für den Leistungsgegenstand als auch für Beginn, etwaige Bedingungen und den Umfang gilt. Die Gesamtzusage darf nicht gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB), gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder gegen bestehende Tarifverträge bzw. Betriebsvereinbarungen verstoßen. Ist sie mit kollektiven Regelungen unvereinbar, gehen letztere vor (§ 4 Abs. 3 TVG).

Kann eine einmal erteilte Gesamtzusage vom Arbeitgeber wieder einseitig aufgehoben oder geändert werden?

Die einseitige Aufhebung oder Änderung einer einmal erteilten und angenommenen Gesamtzusage ist grundsätzlich nicht ohne Weiteres möglich. Die Zusage begründet einen individuellen Rechtsanspruch der Begünstigten, der nicht durch eine bloße Mitteilung des Arbeitgebers entzogen werden kann. Eine Änderung ist in der Regel nur über den Weg der Änderungskündigung nach § 2 KSchG oder im Rahmen einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrags möglich. Alternativ kann eine Änderung erfolgen, wenn die Gesamtzusage unter einen wirksamen Widerrufs- oder Änderungsvorbehalt gestellt wurde, der den Anforderungen der Transparenz (§ 307 BGB) genügt. Liegt ein solcher Vorbehalt nicht vor, bleibt dem Arbeitgeber regelmäßig nur die ordentliche Änderungskündigung unter den strengen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes.

Welche Rechte und Ansprüche können Arbeitnehmer aus einer Gesamtzusage geltend machen?

Arbeitnehmer, denen eine Gesamtzusage erteilt wurde, können daraus individuelle vertragliche Ansprüche ableiten, sobald sie das Angebot – ausdrücklich oder konkludent – angenommen haben. Die Rechte erstrecken sich ausschließlich auf die in der Gesamtzusage konkret festgelegten Leistungen, wie beispielsweise Sonderzuwendungen, Gratifikationen, Urlaubstage oder betriebliche Sozialleistungen. Der Anspruch kann, sofern die Voraussetzungen vorliegen, gerichtlich eingeklagt werden. Ist die Leistung an Bedingungen geknüpft, etwa an ein bestimmtes Beschäftigungsverhältnis, so kann sie nur insoweit geltend gemacht werden, als diese Bedingungen erfüllt sind. Die Arbeitnehmer unterliegen dabei dem Gleichbehandlungsgrundsatz, sodass eine Gruppenbildung hinsichtlich der Leistungsgewährung nur bei sachlichem Grund zulässig ist.

Welche Rolle spielt der Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Gesamtzusage?

Der Gleichbehandlungsgrundsatz besitzt bei der Gesamtzusage besondere Bedeutung. Er verpflichtet den Arbeitgeber, die zugesagten Leistungen an alle Mitglieder der begünstigten Personengruppe zu erbringen und verhindert eine willkürliche Differenzierung. Die Auswahl der Gruppe, der die Gesamtzusage gilt, muss auf sachlichen und nachvollziehbaren Gründen beruhen, beispielsweise auf Funktionen, Tätigkeitsbereichen oder Betriebszugehörigkeit. Will der Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer von der Gesamtzusage ausschließen, muss dies rechtlich und tatsächlich begründbar sein, ansonsten besteht die Gefahr, dass alle Arbeitnehmer Anspruch auf die zugesagte Leistung erlangen. Verstößt der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, können benachteiligte Arbeitnehmer eine Gleichbehandlung und entsprechende Leistungen verlangen, sofern keine rechtfertigenden Differenzierungskriterien vorliegen.

Wie unterscheidet sich die Gesamtzusage von der betrieblichen Übung?

Die Gesamtzusage unterscheidet sich von der betrieblichen Übung in ihrer Entstehung und in ihrer rechtlichen Einordnung. Während die Gesamtzusage auf einer ausdrücklichen, gezielt an mehrere Arbeitnehmer gerichteten Willenserklärung beruht, entsteht die betriebliche Übung durch eine wiederholte, gleichförmige Leistungsgewährung des Arbeitgebers, aus der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf eine fortwährende Leistungserbringung schließen dürfen. Die Gesamtzusage ist eine einmalige, auch ohne vorherige Leistung wirksame Erklärung, während bei der betrieblichen Übung ein längerer Zeitraum und wiederholtes Verhalten erforderlich sind. Rechtlich gilt die Gesamtzusage als Angebot auf Vertragsänderung, das durch Annahme einzelvertraglich wirkt, wohingegen die betriebliche Übung auf konkludenter Willensbildung beruht.

Welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind im Zusammenhang mit einer Gesamtzusage zu beachten?

Im Zusammenhang mit der Gesamtzusage können dem Betriebsrat umfassende Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zustehen, insbesondere gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG (betriebliche Lohngestaltung, Leistungsprämien, Sozialleistungen). Sofern die gewährte Leistung das Arbeitsentgelt oder zusätzliche Sozialleistungen betrifft und keinen tariflichen Regelungen unterliegt, ist regelmäßig die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Dies gilt nicht für rein individualrechtliche Zusagen, die keinen kollektiven Bezug haben; jedoch wird die Grenze zur mitbestimmungspflichtigen Maßnahme vom Einzelfall und Inhalt der Leistung bestimmt. Bei einer unternehmerweiten oder gruppenbezogenen Gesamtzusage ist daher regelmäßig zu prüfen, ob und inwieweit die Mitbestimmung des Betriebsrats eröffnet ist. Ein Unterlaufen der Mitbestimmungsrechte durch eine Gesamtzusage ist unzulässig.