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Gesamtschule

Begriff und Einordnung

Die Gesamtschule ist eine öffentliche Schulform der Sekundarstufe, die unterschiedliche Bildungsgänge unter einem organisatorischen Dach bündelt. Sie ermöglicht gemeinsames Lernen über längere Zeiträume und eröffnet Zugänge zu allen in der Sekundarstufe üblichen Abschlüssen. Charakteristisch ist eine flexible innere Organisation mit differenzierten Lernangeboten, die den Übergang zwischen verschiedenen Leistungsniveaus erleichtern. In Deutschland ist die Ausgestaltung der Gesamtschule landesrechtlich geregelt, weshalb Bezeichnungen, Organisationsformen und Detailregelungen je nach Bundesland variieren. Neben der „integrierten Gesamtschule“ (IGS) und der „kooperativen Gesamtschule“ (KGS) finden sich in einigen Ländern Bezeichnungen wie „Gemeinschaftsschule“ mit funktional ähnlicher Ausrichtung.

Verfassungs- und föderalrechtlicher Rahmen

Bildung und Schule liegen in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder. Gesamtschulen sind daher Teil der jeweiligen landesrechtlichen Schulorganisation. Die staatliche Schulaufsicht stellt sicher, dass Unterrichts- und Erziehungsauftrag, Leistungsbewertung, Abschlüsse, Mitwirkung sowie Schulqualität einheitlichen Grundsätzen folgen. Zugleich besteht Gestaltungsfreiheit der Länder und Schulträger bei der Schulnetzplanung, der konkreten Schulformausgestaltung und der pädagogischen Profilbildung. Gesamtschulen sind Bestandteil des öffentlichen Schulsystems und unterliegen den dort geltenden Grundsätzen wie Chancengerechtigkeit, Zugangsneutralität im Rahmen der Kapazitäten sowie Transparenz schulischer Entscheidungen.

Organisationsformen der Gesamtschule

Integrierte Gesamtschule (IGS)

Die integrierte Gesamtschule führt Schülerinnen und Schüler ohne feste äußere Aufteilung in getrennten Schulzweigen zusammen. Differenziert wird vor allem binnenschulisch, etwa durch Fachleistungskurse, Förder- und Forderangebote, Lernbüros oder projektorientierte Formate. Wechsel zwischen Anforderungsniveaus sind grundsätzlich möglich. Ziel ist, individuelle Lernwege zu ermöglichen und Abschlüsse offen zu halten.

Kooperative Gesamtschule (KGS)

Die kooperative Gesamtschule vereint Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzweig unter einem organisatorischen Dach. Es bestehen jeweils eigene Bildungsgänge, zugleich sind gemeinsame Unterrichtsanteile und spätere Wechsel zwischen den Zweigen vorgesehen. Die KGS verbindet die Vorteile klarer Bildungsgänge mit kooperativen Angeboten.

Gemeinschaftsschule und landesspezifische Varianten

Einige Länder nutzen die Bezeichnung „Gemeinschaftsschule“ oder gleichwertige Formen, die funktional einer integrierten Gesamtschule entsprechen. In der Regel umfassen sie Klassenstufen der Sekundarstufe I und teilweise eine eigene gymnasiale Oberstufe. Die konkrete Ausgestaltung – etwa Start in Klasse 5, Dauer der gemeinsamen Orientierungsphase oder Ganztagsprofile – ist landesabhängig.

Aufnahme, Schulbezirke und Schulwahl

Die Aufnahme in eine Gesamtschule richtet sich nach den landesrechtlichen Vorgaben zur Schulwahl und zu Schulbezirken. Häufig bestehen Einzugsbereiche; bei begrenzten Kapazitäten kommen transparente Kriterien zur Anwendung, etwa Wohnortnähe, Geschwisterkinder oder Losverfahren. Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen erheben keine schulischen Auswahlprüfungen für die Sekundarstufe I. Profilbildungen (z. B. bilinguale Züge) können bei der Aufnahme berücksichtigt werden, soweit dies landesrechtlich vorgesehen und öffentlich bekannt gemacht ist. Übergänge aus der Grundschule erfolgen auf Grundlage der dortigen Regelungen zu Beratung und Rückmeldung zum Lernstand, ohne rechtliche Bindung an starre Zuweisungen.

Schulverfassung, Mitwirkung und Aufsicht

Schulträger und Finanzierung

Träger öffentlicher Gesamtschulen sind in der Regel Kommunen oder Landkreise. Sie verantworten Gebäude, Ausstattung und Sachmittel. Das Land stellt die Lehrkräfte und übt die Fach- und Dienstaufsicht aus. Unterricht ist an öffentlichen Gesamtschulen schulgeldfrei; Kosten können für Lernmittel, Arbeitsgemeinschaften, Fahrten oder Mittagessen entstehen, soweit dies landes- und kommunalrechtlich vorgesehen ist.

Gremien der Mitwirkung

Gesamtschulen verfügen über gesetzlich verankerte Mitwirkungsstrukturen. Hierzu zählen Elternvertretungen, Schülerschaft, Lehrkräftevertretungen und die Schulkonferenz als zentrales Beschlussgremium. Die Gremien wirken unter anderem an Schulprogramm, Hausordnung, Qualitätsentwicklung, Ganztags- und Profilgestaltung mit. Die Zusammensetzung, Zuständigkeiten und Verfahren sind landesrechtlich geregelt.

Schulaufsicht und Qualitätssicherung

Die staatliche Schulaufsicht überwacht die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die Qualität des Unterrichts und die Durchführung von Prüfungen. Instrumente sind beispielsweise Schulinspektionen, Evaluationen, Fortbildungsmaßnahmen und die Genehmigung schulischer Konzepte. Entscheidungen sind zu begründen und nachvollziehbar zu dokumentieren.

Unterricht, Differenzierung und Leistungsbewertung

Gesamtschulen setzen auf innere Differenzierung, um unterschiedliche Lernstände und Begabungen zu berücksichtigen. Üblich sind leistungsbezogene Kurse in Kernfächern, individuelle Förderangebote sowie projektbezogenes Lernen. Leistungsbewertung erfolgt nach landesrechtlichen Vorgaben, die Transparenz, Vergleichbarkeit und Dokumentation sicherstellen. Zeugnisse und Lernentwicklungsberichte informieren über erreichte Kompetenzen und über die Zuordnung zu Anforderungsniveaus.

Fremdsprachen, Profile und Ganztag

Fremdsprachenfolgen, Wahlpflichtbereiche, sportliche, musikalische oder naturwissenschaftliche Profile sowie bilinguale Angebote richten sich nach dem jeweiligen Landesrecht und dem Schulprogramm. Viele Gesamtschulen sind als gebundene oder offene Ganztagsschulen organisiert; Organisation, Teilnahme und Förderangebote werden schulrechtlich und kommunal geregelt.

Inklusion, Förderung und Nachteilsausgleich

Gesamtschulen sind auf inklusive Bildung ausgerichtet. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf können im gemeinsamen Lernen beschult werden. Fördermaßnahmen, barrierefreie Zugänge, Schulassistenz sowie Nachteilsausgleiche in Lern- und Prüfungssituationen folgen den landesrechtlichen Regelungen. Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe am Unterricht und an Prüfungen. Entscheidungen zu individuellen Maßnahmen sind zu begründen und zu dokumentieren.

Abschlüsse, Berechtigungen und Übergänge

Gesamtschulen führen zu allen allgemeinbildenden Abschlüssen der Sekundarstufe I und – sofern eine gymnasiale Oberstufe besteht – zur allgemeinen Hochschulreife. Je nach Leistungsstand und Kurszuordnungen können der erste Schulabschluss, der mittlere Schulabschluss und erweiterte Berechtigungen erreicht werden. Das Abitur an Gesamtschulen ist den gymnasialen Abschlüssen gleichwertig. Übergänge in berufliche Bildungsgänge, Fachoberschulen oder an Hochschulen richten sich nach den erworbenen Berechtigungen.

Aufsichtspflicht, Sicherheit und Haftung

Die Schule hat eine umfassende Aufsichts- und Fürsorgepflicht im Unterricht, in Pausen, bei Schulveranstaltungen und Ausflügen. Maßnahmen zur Unfallverhütung, Verkehrssicherheit und zur sicheren Nutzung von Fachräumen sind Teil der schulischen Organisation. Schülerinnen und Schüler sind in der Regel über die gesetzliche Unfallversicherung während des Schulbesuchs und auf direkten Schulwegen abgesichert. Schadensfälle und Vorkommnisse werden nach vorgegebenen Verfahren dokumentiert und gemeldet.

Schülerbeförderung und Schulweg

Regelungen zur Schülerbeförderung, Entfernungspauschalen und Kostenerstattung sind landes- und kommunalrechtlich festgelegt. Kriterien sind typischerweise Schulwegentfernung, Alter, Zumutbarkeit und die Erreichbarkeit der nächstgelegenen geeigneten Schule. Für Ganztagsangebote können gesonderte Beförderungsregelungen bestehen.

Digitalisierung und Datenschutz

Die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Schule unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Hierzu zählen Schüler- und Leistungsdaten, digitale Lernstände, Kommunikations- und Plattformnutzung. Zweckbindung, Datensparsamkeit, Zugriffsrechte, Aufbewahrungsfristen und die Einbindung externer Dienstleister sind geregelt. Der Einsatz von Lernplattformen, Videokonferenzsystemen und Apps setzt transparente Information, rechtliche Grundlagen und technische Schutzmaßnahmen voraus. Bild- und Tonaufnahmen sowie Veröffentlichungen erfordern klare rechtliche Grundlagen oder entsprechende Einwilligungen, soweit dies vorgesehen ist.

Besondere Schulprofile und Kooperationen

Gesamtschulen können besondere Profile führen, etwa bilinguale Züge, Musik-, Sport- oder MINT-Schwerpunkte. Kooperationen mit Unternehmen, Hochschulen, Musikschulen oder Sportvereinen sind möglich, wenn sie mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag vereinbar sind und transparente Vereinbarungen bestehen. Schulversuche und Modellprojekte bedürfen behördlicher Genehmigung und Evaluation.

Schulentwicklung, Errichtung und Auflösung

Errichtung, Zusammenlegung, Umwandlung und Auflösung von Gesamtschulen erfolgen im Rahmen der regionalen Schulentwicklungsplanung. Maßgeblich sind Bedarfsanalysen, Schülerzahlen, Mindestzügigkeit, Erreichbarkeit und die Abstimmung zwischen Schulträger und Schulaufsicht. Beteiligungsrechte der Schulöffentlichkeit sind zu wahren. Änderungen am Schulangebot werden öffentlich bekannt gemacht und stufenweise umgesetzt, um Bildungsbiografien zu sichern.

Internationale Bezüge und Anerkennung

Abschlüsse von Gesamtschulen sind bundesweit anerkannt. Internationale Anerkennungsfragen richten sich nach Zielstaat und dortigen Regelungen. Austauschprogramme, bilinguale Abschlüsse und internationale Zertifikate können über Kooperationsvereinbarungen in das Schulprogramm integriert sein. Die Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise für den Zugang zu bestimmten Bildungsgängen der Gesamtschule folgt den landesrechtlichen Bestimmungen zur Gleichwertigkeit.

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Gesamtschule im rechtlichen Sinn?

Eine Gesamtschule ist eine öffentliche Schulform der Sekundarstufe, die mehrere Bildungsgänge organisatorisch vereint und zu allen allgemeinbildenden Abschlüssen der Sekundarstufe I sowie, bei vorhandener Oberstufe, zur allgemeinen Hochschulreife führt. Die konkrete Ausgestaltung ist landesrechtlich geregelt.

Wer ist Schulträger einer Gesamtschule und wer übt die Aufsicht aus?

Schulträger sind in der Regel Kommunen oder Landkreise, zuständig für Gebäude und Sachausstattung. Das Land stellt Lehrkräfte und führt die staatliche Schulaufsicht, die Unterricht, Prüfungen und Schulqualität überwacht.

Wie erfolgt die Aufnahme an einer Gesamtschule?

Die Aufnahme richtet sich nach landesrechtlichen Vorgaben zu Schulwahl, Schulbezirken und Kapazitäten. Bei Übernachfrage kommen transparente Kriterien wie Wohnortnähe, Geschwisterstatus oder ein Losverfahren zur Anwendung. Leistungsprüfungen zur Aufnahme in die Sekundarstufe I sind unüblich.

Welche Abschlüsse können an einer Gesamtschule erworben werden?

Je nach Leistungsstand sind der erste Schulabschluss, der mittlere Schulabschluss und erweiterte Berechtigungen erreichbar. Besteht eine gymnasiale Oberstufe, kann die allgemeine Hochschulreife erworben werden. Die Abschlüsse sind anderen entsprechenden Schulformen gleichwertig.

Welche Mitwirkungsrechte bestehen an Gesamtschulen?

Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte wirken in gesetzlich vorgesehenen Gremien mit, insbesondere in Klassen- und Schulkonferenzen. Sie beraten und beschließen über schulische Angelegenheiten im Rahmen der festgelegten Zuständigkeiten.

Wie wird Inklusion und Nachteilsausgleich umgesetzt?

Inklusive Beschulung, Fördermaßnahmen und Nachteilsausgleiche folgen landesrechtlichen Regelungen. Sie dienen der gleichberechtigten Teilhabe und werden individuell festgelegt, dokumentiert und regelmäßig überprüft.

Welche Regeln gelten für Datenschutz und digitale Lernumgebungen?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben. Der Einsatz digitaler Plattformen erfordert klare Zwecke, Zugriffsregelungen, technische Schutzmaßnahmen sowie transparente Information der Betroffenen.