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Gesamthochschule

Begriff und rechtliche Einordnung der Gesamthochschule

Die Gesamthochschule ist eine Hochschulform, die Elemente klassischer Universitäten und von Fachhochschulen in einer Einrichtung vereint. Sie entstand in Deutschland im Zuge hochschulpolitischer Reformen ab den 1970er Jahren. Rechtlich handelt es sich um eine Hochschule, die sowohl wissenschaftsorientierte als auch stärker anwendungsbezogene Studiengänge anbietet und entsprechende Abschlüsse verleiht. Der Begriff ist in der Gegenwart nur noch punktuell gebräuchlich; zahlreiche Einrichtungen wurden umgewandelt oder tragen heute andere Bezeichnungen. Gleichwohl bleibt die Gesamthochschule als historisch gewachsene Organisationsform und als Rechtsbegriff in hochschulrechtlichen Zusammenhängen bedeutsam.

Historische Entwicklung und Systematik

Gesamthochschulen sollten die bis dahin getrennten Bildungswege zusammenführen. Sie verbanden Studiengänge mit universitärer Ausrichtung (einschließlich Forschung und Nachwuchsförderung) mit Studienangeboten, die traditionell an Fachhochschulen verortet waren. Die konkrete Ausgestaltung war landesrechtlich unterschiedlich. In einigen Ländern wurden neue Einrichtungen gegründet, andernorts bestehende Hochschulen zusammengeführt oder erweitert. Spätestens mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse änderte sich vielerorts die Bezeichnung und organisatorische Struktur. Rechtlich bedeutete dies häufig die Überführung in Universitäten oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften; Rechte und Verpflichtungen der früheren Gesamthochschule wurden in der Regel fortgeführt.

Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

Die rechtliche Ordnung von Gesamthochschulen beruht auf dem Hochschulrahmen in Deutschland, insbesondere auf der Zuständigkeit der Länder für das Hochschulwesen und den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen der Wissenschaftsfreiheit und Selbstverwaltung. Die Detailregeln finden sich in den Hochschulgesetzen der Länder sowie in den Grundordnungen und weiteren Satzungen der jeweiligen Einrichtung. Diese regeln Struktur, Gremien, Aufgaben, Studienorganisation, Prüfungen und Mitwirkung. Die staatliche Aufsicht liegt bei dem jeweils zuständigen Landesministerium; sie beschränkt sich auf Rechtsaufsicht und bei bestimmten Maßnahmen auf Genehmigungen.

Trägerschaft und Rechtsform

Gesamthochschulen waren überwiegend öffentliche Einrichtungen mit Körperschaftsstatus, teils mit dem Status einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit besitzen sie Rechtsfähigkeit, Selbstverwaltungsrechte und die Befugnis, Satzungen zu erlassen. Träger ist regelmäßig das Land, seltener eine Stiftung öffentlichen Rechts. Private Gesamthochschulen spielten kaum eine Rolle. Die Rechtsform bestimmt, wie Organe bestellt werden, wie Vermögen verwaltet wird und wie die staatliche Aufsicht ausgeübt wird.

Studienangebot und Abschlüsse

Das Studienangebot an Gesamthochschulen umfasste wissenschafts- und anwendungsorientierte Studiengänge. Vor der Umstellung auf Bachelor und Master wurden Diplom-, Magister- und Staatsexamensabschlüsse vergeben; die Gesamthochschule konnte zudem Abschlüsse verleihen, die dem Fachhochschulprofil entsprachen. Mit der Bologna-Struktur vergibt die Nachfolgeeinrichtung in der Regel Bachelor- und Mastergrade. Die Gleichwertigkeit der Abschlüsse richtet sich nach den landesrechtlichen Vorgaben und den für die jeweiligen Studiengänge festgelegten Qualifikationszielen. Die Gradverleihung setzt eine staatliche Anerkennung des Studiengangs und in der Regel eine Akkreditierung voraus.

Promotionsrecht und Nachwuchsförderung

Das Promotionsrecht war an Gesamthochschulen abhängig von ihrer konkreten Ausrichtung und landesrechtlichen Zuordnung. Bestand eine universitäre Struktur mit entsprechender wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit, konnten Fachbereiche das Promotionsrecht besitzen. Bereiche mit fachhochschultypischem Profil hatten regelmäßig kein eigenes Promotionsrecht; Promotionen waren dann über kooperative Modelle mit universitären Fachbereichen möglich. Gleiches galt für die Habilitation, die an universitären Einheiten verortet war.

Zugang, Zulassung und Einschreibung

Der Zugang zu Studiengängen an Gesamthochschulen folgte den landesrechtlichen Regelungen zur Hochschulzugangsberechtigung. Dazu zählen schulische Zugänge sowie unter bestimmten Voraussetzungen berufliche Qualifikationen. Bei zulassungsbeschränkten Studiengängen fand eine Auswahl nach festgelegten Kriterien statt, etwa anhand von Eignungsfeststellungen, Noten oder Quoten. Die Regeln mussten transparent, sachgerecht und chancengleich sein. Mit der Einschreibung erlangten Studierende den rechtlichen Status als Mitglied der Hochschule mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten.

Interne Organisation und Selbstverwaltung

Gesamthochschulen verfügten über Organe wie Präsidium oder Rektorat, Senat, Hochschulrat und Fakultäts- bzw. Fachbereichsleitungen. Personal- und Studierendenvertretungen wirkten in Gremien mit. Die Selbstverwaltung umfasste insbesondere die Organisation von Studium, Lehre und Forschung, den Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen, Berufungen sowie die Mittelverteilung. Die Grundordnung legte Aufbau und Zuständigkeiten fest und bedurfte regelmäßig der Anzeige oder Genehmigung durch die Landesaufsicht.

Qualitätssicherung und Akkreditierung

Für Studiengänge waren interne Qualitätssicherungssysteme und externe Akkreditierungsverfahren maßgeblich. Die Akkreditierung durch anerkannte Agenturen überprüft, ob Studiengänge die fachlichen und strukturellen Anforderungen erfüllen. Daneben existieren interne Evaluationsverfahren, mit denen Lehre, Studium und Service überprüft und weiterentwickelt werden. Bei systemakkreditierten Einrichtungen wird das interne Qualitätssicherungssystem als Ganzes begutachtet; Studiengänge, die darin freigegeben werden, gelten als akkreditiert.

Finanzierung und staatliche Aufsicht

Die Finanzierung erfolgte vorwiegend aus Landesmitteln, ergänzt um Drittmittel und gegebenenfalls Studienbeiträge oder Gebühren im gesetzlich zulässigen Rahmen. Haushaltsrechtlich verfügen die Einrichtungen über festgelegte Budgetbefugnisse. Die staatliche Aufsicht prüft die Rechtmäßigkeit des Handelns der Hochschule und kann in bestimmten Fällen Genehmigungen erteilen oder beanstandend eingreifen. Inhaltliche Entscheidungen in Forschung und Lehre sind im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit eigenständig zu treffen.

Prüfungswesen und Rechtsschutz

Prüfungen an Gesamthochschulen unterlagen Prüfungsordnungen, die Anforderungen, Verfahren, Fristen, Bewertung und Wiederholungsmöglichkeiten regeln. Grundsätze der Fairness, Transparenz und Verhältnismäßigkeit waren zu beachten. Gegen prüfungsrechtliche Entscheidungen standen innerhochschulische Rechtsbehelfe zur Verfügung; die nähere Ausgestaltung ergab sich aus den einschlägigen Ordnungen und dem Landesrecht. Die Mitgliedschaftsrechte der Studierenden wurden auch im Prüfungswesen gewahrt.

Umwandlung, Fusion und Kontinuität

Zahlreiche Gesamthochschulen wurden in Universitäten oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften überführt oder mit anderen Einrichtungen fusioniert. Solche Strukturentscheidungen erfolgen durch gesetzliche oder satzungsrechtliche Akte. Dabei wird regelmäßig bestimmt, wie Vermögen, Personal und laufende Studienverhältnisse fortgeführt werden. Für Studierende und Absolventinnen sowie Absolventen ist bedeutsam, dass erworbene Abschlüsse und bereits erbrachte Studienleistungen erhalten bleiben und ihre Anerkennung gesichert ist.

Internationale Einordnung und Anerkennung

Abschlüsse einer Gesamthochschule sind staatlich verliehene akademische Grade und unterliegen den allgemeinen Regeln zur Anerkennung. Mit der Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen wurde die internationale Vergleichbarkeit gestärkt. Die Einordnung in Qualifikationsrahmen und die Dokumentation über das Diploma Supplement dient der Transparenz. Im Ausland richtet sich die Anerkennung nach den jeweils geltenden Bestimmungen und Vereinbarungen.

Abgrenzung zu anderen Hochschularten

Im Unterschied zur klassischen Universität, die stark forschungsorientiert ist und regelmäßig promotionsberechtigt, verband die Gesamthochschule universitäre und anwendungsorientierte Profile in einer Einrichtung. Gegenüber reinen Fachhochschulen zeichnete sie sich durch universitäre Einheiten und weitergehende Forschungsaufgaben aus. In der heutigen Terminologie werden die Funktionen der ehemaligen Gesamthochschulen in der Regel auf Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften verteilt.

Heutige rechtliche Bedeutung

Auch wenn der Begriff vielerorts nicht mehr geführt wird, bleibt er rechtlich relevant, etwa in historischen Bezeichnungen von Abschlüssen, in Übergangs- und Fortgeltungsregelungen oder in der institutionellen Kontinuität von Rechten und Pflichten. Für die Einordnung von Studienleistungen und die Zuordnung von Promotions- und Habilitationsrechten kommt es auf die heute maßgebliche Rechtsstellung der Nachfolgeeinrichtung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Gesamthochschule

Was bedeutet Gesamthochschule aus rechtlicher Sicht?

Eine Gesamthochschule ist eine staatlich anerkannte Hochschule, die universitäre und fachhochschulische Aufgaben in einer Einrichtung bündelt. Sie besitzt Selbstverwaltungsrechte, erlassen Satzungen und unterliegt der Aufsicht des zuständigen Landesministeriums.

Gibt es in Deutschland noch Gesamthochschulen?

Der Begriff wird heute nur noch selten geführt. Viele Einrichtungen wurden in Universitäten oder Hochschulen für angewandte Wissenschaften umgewandelt. Die rechtliche Kontinuität bleibt dabei gewahrt; Rechte, Pflichten und Abschlüsse bestehen fort.

Welche Abschlüsse durfte eine Gesamthochschule vergeben?

Gesamthochschulen konnten je nach Studiengang Abschlüsse des universitären Profils (z. B. Diplom, Magister, Staatsexamen, später Master) sowie entsprechend dem fachhochschulischen Profil Abschlüsse auf anwendungsorientierter Ebene vergeben. Heute verleihen Nachfolgeeinrichtungen üblicherweise Bachelor- und Mastergrade.

Verfügte eine Gesamthochschule über ein Promotionsrecht?

Das Promotionsrecht hing von der konkreten Ausgestaltung ab. Universitäre Fachbereiche innerhalb einer Gesamthochschule konnten promotionsberechtigt sein; fachhochschulische Bereiche in der Regel nicht. Promotionen waren dann über kooperative Verfahren mit promotionsberechtigten Einheiten möglich.

Wie werden Abschlüsse einer ehemaligen Gesamthochschule anerkannt?

Staatlich verliehene Abschlüsse behalten ihre Gültigkeit. Ihre Anerkennung richtet sich nach den allgemeinen Regeln des Hochschul- und Anerkennungsrechts sowie nach einschlägigen Rahmenvereinbarungen. Die Umbenennung oder Umwandlung der Einrichtung ändert daran nichts.

Wer übt die Aufsicht über eine Gesamthochschule aus?

Die Rechtsaufsicht liegt beim zuständigen Landesministerium. Sie überwacht die Rechtmäßigkeit des Handelns der Hochschule und genehmigt bestimmte Maßnahmen, ohne die Freiheit von Forschung und Lehre inhaltlich zu steuern.

Welche Regeln galten für Zugang und Zulassung?

Der Zugang erforderte eine anerkannte Hochschulzugangsberechtigung, in bestimmten Fällen auch eine berufliche Qualifikation. Bei zulassungsbeschränkten Studiengängen erfolgte die Auswahl nach festgelegten, transparenten und sachlichen Kriterien.

Was passiert rechtlich bei einer Umwandlung oder Fusion einer Gesamthochschule?

Die Umgestaltung erfolgt durch gesetzliche oder satzungsrechtliche Akte. In der Regel wird bestimmt, wie Personal, Vermögen und Studienverhältnisse übergehen. Erworbenen Abschlüsse und erbrachte Leistungen bleiben erhalten.