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Gesamthandseigentum


Gesamthandseigentum: Begriff, rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche

Definition und rechtliche Einordnung

Gesamthandseigentum (auch Gesamthandsgemeinschaft oder Gesamthandeigentum) bezeichnet im deutschen Recht eine besondere Form des Eigentums, bei welcher das Vermögen oder bestimmte Gegenstände mehreren Personen gemeinschaftlich derart zustehen, dass kein einzelner Miteigentumsanteile an den einzelnen Gegenständen innehat, sondern den Beteiligten das Eigentum zur gesamten Hand zusteht. Die rechtliche Ausgestaltung der Gesamthand folgt somit dem Prinzip, dass die an der Gesamthand Beteiligten („Gesamthänder“) nur gemeinschaftlich über das Eigentum verfügen können.

Das Gesamthandseigentum ist abzugrenzen vom Bruchteilseigentum, bei dem jedem Miteigentümer ein bestimmter ideeller Anteil am Gegenstand zusteht (§§ 741 ff. BGB). Im Gegensatz zum Bruchteilseigentum ist beim Gesamthandseigentum eine Verfügung über Anteile am Gegenstand selbst ausgeschlossen; vielmehr steht das Recht den Teilhabern nur in ihrer Gesamtheit zu.

Gesetzliche Grundlagen

Gesamthandseigentum findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in verschiedenen Nebengesetzen. Nach § 718 Abs. 1 BGB gilt: „Das Vermögen der Gesellschaft steht den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu.“ Wesentliche Anwendungsfelder sind die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) und die Erbengemeinschaft.

Die Regelungen zum Gesamthandseigentum sind insbesondere in folgenden Vorschriften verankert:

  • §§ 718-720 BGB (Gesellschaft bürgerlichen Rechts)
  • §§ 105 ff. HGB (OHG und KG)
  • §§ 2032-2041 BGB (Erbengemeinschaft)

Formen des Gesamthandseigentums

Gesamthand bei Personengesellschaften

Bei Personengesellschaften, insbesondere der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der offenen Handelsgesellschaft, entsteht das Gesamthandseigentum kraft Gesetzes mit der Gründung. Das Gesellschaftsvermögen wird von den Gesellschaftern gemeinschaftlich im Gesamthandsvermögen gehalten. Dabei kann kein Gesellschafter eigenständig über seinen Anteil an einzelnen Vermögensgegenständen verfügen; die Verfügung bedarf entsprechender gemeinschaftlicher Willensbildung.

Gesamthand in der Erbengemeinschaft

Bei einer Erbengemeinschaft wird das Vermögen des Erblassers Gesamthandseigentum der Erben (§ 2032 BGB). Auch hier liegt keine Bruchteilsgemeinschaft, sondern eine Gesamthandsgemeinschaft vor. Die Erben können bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nur gemeinschaftlich über Nachlassgegenstände verfügen.

Rechtsfolgen des Gesamthandseigentums

Verfügungsbefugnis

Ein wesentliches Merkmal des Gesamthandseigentums ist, dass die Gesamthänder nur gemeinsam über den Gesamtbestand der gemeinschaftlichen Rechte verfügen können. Einzelne Gesamthänder können nicht über ihren Anteil an einem konkreten Gegenstand separat verfügen. Die Verwaltung und Nutzung der gemeinschaftlichen Gegenstände erfolgt grundsätzlich gemeinschaftlich. Bei Personengesellschaften ist die Verwaltung des Gesamthandsvermögens kontraktual und gesetzlich ausgestaltet, etwa nach §§ 709, 714 BGB oder den §§ 116, 119 HGB.

Haftung und Bindungswirkungen

Im Gesamthandseigentum haften die Gesamthänder in der Regel persönlich und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Gesamthandsgemeinschaft. Während beim Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter analog § 718 Abs. 2 BGB nur mit dem Gesamthandsvermögen haften, können insbesondere bei Handelsgesellschaften weitergehende Haftungsfolgen nach HGB entstehen.

Veräußerung und Übertragbarkeit

Die Veräußerung von Gegenständen im Gesamthandseigentum kann ausschließlich gemeinschaftlich erfolgen. Eine Übertragung des Anteils an der Gesamthand ist denkbar, betrifft jedoch nicht einzelne Vermögensgegenstände, sondern lediglich die Stellung als Gesamthänder. Bei Personengesellschaften ist diese Übertragung häufig an gesellschaftsvertragliche Regelungen und Mitwirkungspflichten gebunden.

Beendigung und Auseinandersetzung

Das Gesamthandseigentum endet durch Auflösung der Gesamthandsgemeinschaft oder durch Auseinandersetzung. Beispielsweise wird bei der Erbengemeinschaft durch Teilung des Nachlasses das Gesamthandseigentum in Einzeleigentum oder Bruchteilseigentum der Erben überführt. Bei Gesellschaften erfolgt die Auseinandersetzung nach vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben.

Abgrenzungen des Gesamthandseigentums

Unterschied zum Bruchteilseigentum

Während beim Bruchteilseigentum jeder Teilhaber einen bestimmten (ideellen) Anteil, der veräußerlich und belastbar ist, innehat, besteht beim Gesamthandseigentum keine solche freie Verfügbarkeit. Die Abgrenzung ist für Fragen der Verfügung, Belastung sowie im Insolvenzfall maßgeblich.

Unterscheidung vom Gesamteigentum im Sachenrecht

Begrifflich ist zwischen dem Gesamthandseigentum und dem Gesamteigentum im Sinne des § 428 BGB zu unterscheiden. Letzteres bezieht sich auf die Gesamtgläubigerschaft und betrifft nicht das dingliche Eigentum, sondern die Forderungen und Gläubigerstellung mehrerer Personen.

Praxistauglichkeit und Bedeutung

Das Gesamthandseigentum spielt eine bedeutende Rolle in Struktur und Verwaltung von Personengesellschaften sowie im Erbrecht. Die Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsrecht und die besonderen Rechtsfolgen im Erbfall machen diese Eigenschaft zu einem zentralen Institut im deutschen Privatrecht. Zahlreiche gerichtliche Entscheidungen und Kommentierungen haben die rechtlichen Rahmenbedingungen und praktischen Anwendungsfragen im Laufe der Jahrzehnte konkretisiert.

Zusammenfassung

Gesamthandseigentum ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Eigentums im deutschen Recht, bei der das Eigentum an Vermögensgegenständen mehreren Personen gemeinschaftlich in untrennbarer Weise zusteht. Es bildet die rechtliche Grundlage für das Vermögen von Personengesellschaften sowie die Erbengemeinschaft. Die gesonderte Verfügungsmacht, die Haftungsordnung sowie die Modalitäten der Auseinandersetzung machen das Gesamthandseigentum zu einem vielschichtigen und praxisbedeutsamen Rechtsinstitut.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Verwaltung von im Gesamthandseigentum stehenden Gegenständen?

Die Verwaltung von Gegenständen, die im Gesamthandseigentum stehen, richtet sich grundsätzlich nach den Bestimmungen des jeweiligen Gesamthandverhältnisses, z.B. der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Erbengemeinschaft. Entscheidungen über die Verwaltung, Nutzung und Verfügung über das Gesamthandseigentum bedürfen häufig der Zustimmung aller Gesamthänder, sofern im Gesellschaftsvertrag oder durch sonstige rechtliche Regelungen keine abweichenden Mehrheitsverhältnisse vorgesehen sind. Bei der GbR beispielsweise ist grundsätzlich eine Einstimmigkeit erforderlich (§ 709 BGB). Lediglich Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung können mit Stimmenmehrheit getroffen werden, wenn dies vereinbart wurde. Bei der OHG wird zwischen Geschäftsführung und Vertretung unterschieden, sodass hier die Vertretungsbefugnis maßgeblich ist. Für die Erbengemeinschaft regelt § 2038 BGB, dass zur ordnungsgemäßen Verwaltung eine Stimmenmehrheit ausreicht, während für außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen und die Verfügung über Nachlassgegenstände Einstimmigkeit erforderlich ist (§ 2040 BGB). Praktisch bedeutet dies, dass im Zweifel alle Gesamthänder an der Entscheidungsfindung beteiligt sein müssen, um die Interessen der Gemeinschaft zu wahren.

Welche rechtlichen Wirkungen entfaltet das Gesamthandseigentum gegenüber Dritten?

Das Gesamthandseigentum bewirkt, dass kein einzelner Gesamthänder über seinen Anteil an einem bestimmten Gegenstand (dem sogenannten „ideellen“ Anteil) alleine verfügen kann. Gegenüber Dritten tritt die Gesamthand vielmehr als einheitlicher Rechtsträger auf, und Verfügungen können grundsätzlich nur gemeinschaftlich oder durch die zur Vertretung ermächtigten Personen erfolgen. Die einzelnen Gesamthänder sind nicht befugt, ihren Anteil am Gesamthandsvermögen ohne Zustimmung der anderen Gesamthänder an Dritte zu übertragen oder zu belasten. Ansprüche Dritter, beispielsweise Gläubiger eines Gesamthänders, richten sich daher nicht unmittelbar gegen das Vermögen der Gemeinschaft, sondern es besteht lediglich die Möglichkeit, im Rahmen der Auseinandersetzung über eine Zwangsvollstreckung in den Auseinandersetzungsanspruch des betreffenden Gesamthänders vorzugehen. Für außenstehende Dritte ist stets auf die Vertretungsregelungen und Verfügungsbeschränkungen zu achten, um die Rechtmäßigkeit von Rechtsgeschäften zu gewährleisten.

Wie wird eine Verfügung über einen einzelnen Gegenstand im Gesamthandseigentum vorgenommen?

Eine Verfügung über einen einzelnen Gegenstand im Gesamthandseigentum kann grundsätzlich nur gemeinschaftlich durch alle Gesamthänder oder durch die gemäß Gesellschaftsvertrag oder Gesetz zur Vertretung berechtigten Gesamthänder erfolgen. Dies gilt insbesondere für Verfügungen über Grundstücke oder andere vermögenswerte Rechte, bei denen formale Formerfordernisse (z.B. notarielle Beurkundung bei Grundstücksveräußerungen) einzuhalten sind. Eine Verfügung eines einzelnen Gesamthänders über einen einzelnen Gegenstand ist im Außenverhältnis unwirksam, wenn nicht eine ausdrückliche Vollmacht der übrigen Gesamthänder vorliegt. Bei Verstößen gegen die internen Regelungen kann das Rechtsgeschäft gegenüber gutgläubigen Dritten gegebenenfalls wirksam sein (insbesondere bei Eintragung im Handelsregister bei OHG/KG). Im Übrigen haften die Gesamthänder für Verpflichtungen aus der gemeinschaftlichen Verfügung grundsätzlich gesamtschuldnerisch.

Wie unterscheidet sich die Haftung der Gesamthänder im Innen- und Außenverhältnis?

Im Innenverhältnis haften die Gesamthänder grundsätzlich nach dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag oder nach gesetzlichen Bestimmungen für ihre Beitragspflichten und Verluste. Im Außenverhältnis haften die Gesamthänder einer gesamthänderischen Gemeinschaft – je nach Rechtsform – meist gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten der Gesamthand. Bei der OHG und der GbR etwa sind alle Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Schulden der Gesellschaft haftbar (§§ 128 HGB, 421 BGB). Bei der Erbengemeinschaft haften die Erben für Nachlassverbindlichkeiten anteilig nach ihren Erbquoten, jedoch kann der Gläubiger jeden Erben auf Zahlung der vollen Schuld in Anspruch nehmen, solange der Nachlass ausreicht (§ 2058 BGB). Im Innenverhältnis erfolgt dann ein Ausgleich nach den Anteilen.

Wie können Ansprüche eines einzelnen Gesamthänders gegen die Gemeinschaft oder umgekehrt geltend gemacht werden?

Ansprüche eines einzelnen Gesamthänders gegen die Gemeinschaft, wie etwa Auslagen- oder Ersatzansprüche, müssen innerhalb der Gemeinschaft geltend gemacht werden und sind nicht direkt auf einen bestimmten Gegenstand des Gesamthandvermögens gerichtet. Die Durchsetzung erfolgt regelmäßig im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung oder im Zuge der Auseinandersetzung, etwa bei Auflösung der Gemeinschaft oder Ausscheiden eines Gesamthänders. Ansprüche der Gemeinschaft gegen einen einzelnen Gesamthänder (beispielsweise auf Leistung von Beiträgen oder Ersatz von Schäden) können ebenfalls innerhalb des Gemeinschaftsverhältnisses geltend gemacht werden. Im Streitfall ist regelmäßig der Weg zum Zivilgericht eröffnet. Gegenüber Dritten bleibt das Gesamthandsvermögen als solches unteilbar, was bedeutet, dass Einzelansprüche oder Einzelvollstreckungen – außerhalb der Auseinandersetzung – ausgeschlossen sind.

Was geschieht mit dem Gesamthandseigentum bei Ausscheiden eines Gesamthänders oder bei Auflösung der Gemeinschaft?

Scheided ein Gesamthänder aus der gemeinschaftlichen Bindung aus oder wird die Gesamthandgemeinschaft aufgelöst (zum Beispiel bei Auflösung einer Gesellschaft, Ausschluss oder Tod eines Gesellschafters), ist das verbleibende Gesamthandseigentum gemäß den gesellschaftsrechtlichen oder gesetzlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen. Die Gemeinschaft wandelt sich in eine Abwicklungsgemeinschaft, deren Zweck es ist, das gemeinschaftliche Vermögen zu verwerten, Verbindlichkeiten zu begleichen und den verbleibenden Überschuss (Auseinandersetzungsguthaben) entsprechend den Anteilen zu verteilen. Ein Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Gegenstands im Gemeinschaftsvermögen besteht jedoch grundsätzlich nicht; es wird vielmehr ein Anspruch auf Auszahlung des Werts des jeweiligen Anteils begründet. Eine Ausnahme bildet beispielsweise das Sondernachfolgerecht in der Erbengemeinschaft bei Grundstücken oder bei fortsetzungsfähigen Gesellschaften.

Wer ist zur Vertretung der Gesamthand berechtigt?

Die Vertretungsbefugnis hängt von der jeweiligen Ausgestaltung der Gesamthand ab. Bei der GbR sind grundsätzlich alle Gesellschafter gemeinschaftlich zur Vertretung befugt, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes geregelt ist (§ 714 BGB). In der offenen Handelsgesellschaft (OHG) besteht häufig Einzelvertretungsmacht, sofern sie nicht ausdrücklich durch Gesellschaftsvertrag eingeschränkt ist (§ 125 HGB). Innerhalb der Erbengemeinschaft können die Erben regelmäßig nur gemeinschaftlich über Nachlassgegenstände verfügen (§ 2039 BGB). Die Vertretung ist strikt von der Geschäftsführungsbefugnis zu unterscheiden: Während die Geschäftsführung die interne Willensbildung umfasst, bestimmt die Vertretungsbefugnis, wer die Gemeinschaft nach außen gegenüber Dritten rechtverbindlich repräsentiert. Für bestimmte Rechtsgeschäfte (z.B. Immobiliengeschäfte) bedarf es besonderer Formvorschriften und ggf. der Mitwirkung aller Gesamthänder.

Gibt es besondere Formerfordernisse bei Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit Gesamthandseigentum?

Ja, bestimmte Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit Gesamthandseigentum unterliegen besonderen Formvorschriften. Das prominenteste Beispiel ist das Rechtsgeschäft über Immobilien: Der Verkauf eines Grundstücks aus dem Gesamthandsvermögen verlangt grundsätzlich die notarielle Beurkundung gemäß § 311b BGB, zudem müssen in der Regel sämtliche Gesamthänder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden und beim Abschluss mitwirken. Auch die Übertragung eines Gesellschaftsanteils an der Gesamthand kann speziellen Formerfordernissen unterliegen, insbesondere wenn Gesellschaftsvermögen betroffen ist, das seinerseits formbedürftig ist (z.B. Grundstücke, GmbH-Anteile). Ergänzend können gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen ergänzende Formerfordernisse statuieren, etwa eine Schriftformklausel oder Zustimmungserfordernisse. Ein Verstoß gegen zwingende gesetzliche Formerfordernisse führt regelmäßig zur Nichtigkeit des jeweiligen Rechtsgeschäfts.