Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG)

Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG)


Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG): Begriff, Rechtsgrundlagen und steuerliche Behandlung

Definition und Bedeutung der Geringwertigen Wirtschaftsgüter (GWG)

Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) sind bewegliche, abnutzbare, selbständig nutzbare Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die bestimmten gesetzlichen Wertgrenzen unterliegen. Sie sind insbesondere im deutschen Steuerrecht von großer Bedeutung, da sie besonderen Abschreibungsregelungen unterliegen und somit die steuerliche Behandlung betrieblicher Investitionen in geringwertige Wirtschaftsgüter erheblich beeinflussen. GWG ermöglichen es Unternehmen und Gewerbetreibenden, Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern sofort oder beschleunigt als Betriebsausgabe geltend zu machen.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelung im Einkommensteuerrecht

Die maßgeblichen Regelungen für GWG finden sich insbesondere in § 6 Absatz 2 und § 6 Absatz 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ergänzende Verwaltungsanweisungen und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) konkretisieren die steuerliche Praxis.

Voraussetzungen für Geringwertige Wirtschaftsgüter

Ein Wirtschaftsgut gilt als GWG, wenn es die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt:

  • Beweglich: Das Wirtschaftsgut muss transportabel und nicht fest mit dem Grundstück oder Gebäude verbunden sein.
  • Abnutzbar: Es muss einer Nutzung mit zeitlich begrenztem Nutzungszeitraum unterliegen (Absetzung für Abnutzung, kurz AfA).
  • Selbständig nutzbar: Das Wirtschaftsgut muss eigenständig verwendbar sein, unabhängig von anderen Vermögensgegenständen.
  • Zugehörigkeit zum Anlagevermögen: GWG sind dem dauernden Geschäftsbetrieb gewidmet, nicht für den Verkauf bestimmt.
  • Wertgrenze: Die gesetzlichen Wertgrenzen beziehen sich grundsätzlich auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ohne Umsatzsteuer, sofern Vorsteuer abziehbar ist.

Entwicklung der Wertgrenzen

Die Wertgrenzen für GWG haben sich in der Praxis mehrfach geändert. Aktuell gilt seit dem 1. Januar 2018 eine Wertgrenze von 800 Euro netto (vorher 410 Euro; maßgeblich ist § 6 Abs. 2 EStG). Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten diese Grenze nicht überschreiten, können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung vollständig als Betriebsausgabe abgeschrieben werden.

Zusammenfassung der aktuellen Wertgrenzen (Stand 2024):

  • Bis 250 Euro (netto): Sofortabschreibung ohne weitere Nachweispflichten.
  • Über 250 Euro bis einschließlich 800 Euro (netto): Sofortabschreibung; allerdings mit detaillierter Nachweispflicht in einem besonderen Verzeichnis, sofern nicht ohnehin buchhalterisch erfasst.

Darüber hinaus besteht für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten über 250 Euro bis 1.000 Euro netto (sog. Sammelposten gem. § 6 Abs. 2a EStG) die Möglichkeit der Poolabschreibung über fünf Jahre. Hierbei werden alle betreffenden Wirtschaftsgüter eines Jahres in einem Sammelposten zusammengefasst und über fünf Jahre gleichmäßig abgeschrieben, unabhängig von einer etwaigen Aussonderung einzelner Güter vor Ablauf dieser Zeit.

Abgrenzung zu anderen Wirtschaftsgütern

Nicht als GWG gelten beispielsweise immaterielle Wirtschaftsgüter (wie Lizenzen oder Patente), nicht abnutzbare oder nicht selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter sowie Anlagegüter, die aufgrund ihrer Verbindung mit anderen Wirtschaftsgütern keine eigenständige Nutzung ermöglichen (z. B. fest eingebaute Büromöbel).

Sonderfälle und Abgrenzungsfragen

Mehrere Wirtschaftsgüter als ein einheitliches GWG

Wenn mehrere Gegenstände, trotz gemeinsamer Nutzung, jeweils selbständig nutzbar sind, kann jeder für sich als GWG behandelt werden. Werden hingeben Bestandteile zu einem untrennbaren Ganzen verbunden, führt dies nach herrschender Auffassung steuerlich zu einem einheitlichen Wirtschaftsgut.

Geringwertige Wirtschaftsgüter im Anlagevermögen / Umlaufvermögen

Die Regelungen der GWG beziehen sich ausschließlich auf Anlagevermögen. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die zum Weiterverkauf bestimmt sind (z. B. Handelswaren), fallen nicht unter die Vorschrift des § 6 Abs. 2 EStG.

Systematik und buchhalterische Erfassung

Sofortabschreibung

Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten die relevante GWG-Wertgrenze nicht überschreiten, können vollständig im Jahr der Anschaffung oder Herstellung abgeschrieben werden. Dies entlastet die Buchführung und den Verwaltungsaufwand.

Pflicht zur Führung eines besonderen Verzeichnisses

Für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten über 250 Euro liegen, besteht die Pflicht zur Führung eines gesonderten Verzeichnisses, außer die vollständigen Angaben sind ohnehin in der laufenden Buchführung vorhanden. Das Verzeichnis muss mindestens enthalten:

  • Anschaffungs- oder Herstellungskosten
  • Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung
  • Datum des Ausbuchens oder Ausscheidens

Poolabschreibung (Sammelposten)

Wirtschaftsgüter mit Kosten über 250 Euro bis einschließlich 1.000 Euro können alternativ in einem Sammelposten bilanziert und gleichmäßig über einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschrieben werden. Dabei entfällt die sofortige Aktivierung und jede (vorzeitige) Aussonderung eines Einzelguts bleibt für die Poolabschreibung unberücksichtigt.

Steuerliche Auswirkungen und Möglichkeiten der Gestaltung

Durch die Regelungen zur Sofortabschreibung und Poolabschreibung eröffnet das Steuerrecht Unternehmen eine flexible Möglichkeit, geringwertige Wirtschaftsgüter steuerlich zu optimieren und die Liquiditätsbelastung durch Investitionen gezielt zu steuern.

Unterschiede in Buchführungspflicht und Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR)

Die Vorschriften zu GWG gelten grundsätzlich sowohl für bilanzierende Unternehmen als auch für Einnahmen-Überschuss-Rechner (§ 4 Abs. 3 EStG). Auch insoweit ist die Wertgrenze maßgeblich und die sofortige Betriebsausgabe bei GWG zulässig.

Umsatzsteuerliche Weiterungen

Die Wertgrenzen beziehen sich stets auf den Nettobetrag, sofern Vorsteuer abziehbar ist. Nicht vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer (etwa Kleinunternehmer nach § 19 UStG) müssen den Bruttobetrag zugrunde legen.

Bedeutung in der Betriebsprüfung und bei Investitionsentscheidungen

Die korrekte Handhabung der GWG-Regelungen ist ein häufiger Prüfungsgegenstand bei steuerlichen Betriebsprüfungen, da Fehler bei der Zuordnung oder Dokumentation häufig zu Beanstandungen führen können. Insbesondere das Vorhandensein und die Aktualität des GWG-Verzeichnisses werden regelmäßig kontrolliert.

Quellen und weiterführende Informationen

  • Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere §§ 6 Abs. 2, 2a EStG
  • Verwaltungsanweisungen und BMF-Schreiben, insbesondere BMF-Schreiben vom 30.09.2010 (BStBl I S. 755) und nachfolgende Aktualisierungen
  • Hinweise und Informationen im Anwendungserlass zur Einkommensteuer (EStAE)

Hinweis: Die aktuellen Wertgrenzen und Regelungen sind regelmäßig auf Änderungen durch Gesetzgebung und Verwaltung zu überprüfen. Dieser Artikel gibt den Stand zum 1. Januar 2024 wieder.

Häufig gestellte Fragen

Wie hoch ist die aktuelle Wertgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter und wie wird diese bestimmt?

Die aktuelle Wertgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) beträgt gemäß § 6 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) seit dem Wirtschaftsjahr 2018 netto 800 Euro (ohne Umsatzsteuer bei Vorsteuerabzugsberechtigung). Für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Steuerpflichtige ist der Bruttobetrag maßgeblich. Die Wertgrenze ist als Anschaffungs- oder Herstellungskosten pro Wirtschaftsgut zu verstehen und darf nicht für Sammelposten geltend gemacht werden. Bei der Wertermittlung sind alle Kosten, die im Rahmen der Anschaffung oder Herstellung anfallen, wie z.B. Nebenkosten (Transport, Montage etc.), einzubeziehen. Falls Skonti oder Rabatte gewährt werden, ist deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Wertgrenze zwingend erforderlich. Zu beachten ist außerdem, dass etwaige nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten ebenfalls zur Prüfung der Wertgrenze heranzuziehen sind.

Welche Voraussetzungen müssen GWG erfüllen, um von der Sofortabschreibung profitieren zu können?

Für die Inanspruchnahme der Sofortabschreibung eines GWG müssen mehrere Voraussetzungen gemäß den steuerrechtlichen Bestimmungen erfüllt sein. Das Wirtschaftsgut muss abnutzbar, beweglich und selbstständig nutzbar sein. Selbstständige Nutzbarkeit liegt vor, wenn das Wirtschaftsgut einzeln für sich und unabhängig von anderen Anlagegütern verwendet werden kann (z.B. ein Laptop, aber kein Einzelteil einer größeren Maschine). Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dürfen die jeweilige Wertgrenze nicht überschreiten. Das Wirtschaftsgut darf zudem weder zur Weiterveräußerung bestimmt sein noch zu den Wirtschaftsgütern gehören, die einer anderen speziellen steuerlichen Vorschrift unterliegen (z.B. Finanzanlagen, immaterielle Wirtschaftsgüter), sofern keine Ausnahme normiert ist. Die Anschaffung oder Herstellung muss im betreffenden Wirtschaftsjahr erfolgt sein. Zusätzlich ist darauf zu achten, dass das Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen zugeordnet wird und der Nachweis der Nutzung bzw. Anschaffung durch Belege geführt wird.

Wie ist die Dokumentationspflicht für GWG rechtlich geregelt?

Die steuerlichen Regelungen verlangen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 EStG sowie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), dass geringwertige Wirtschaftsgüter in ein laufend zu führendes, besonderes Verzeichnis aufgenommen werden, wenn sie nicht mit vollständigen Angaben im Anlageverzeichnis oder in der Buchführung ersichtlich sind. Das Verzeichnis muss mindestens folgende Angaben enthalten: Anschaffungs- oder Herstellungsdatum, Bezeichnung des Wirtschaftsguts sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Verpflichtung zur Führung eines derartigen Verzeichnisses gilt nicht, sofern die erforderlichen Angaben bereits aus der Buchführung hervorgehen, etwa bei EDV-gestützter Anlagenbuchhaltung. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht können im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung zu Hinzuschätzungen oder zur Versagung der Sofortabschreibung führen.

Wie wird bei Ausnutzung der GWG-Regelung eine eventuelle Gewinnerhöhung behandelt?

Wird die GWG-Regelung angewandt, erhöhen die sofort vollständig abzugsfähigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Betriebsausgabenabzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung. Dies führt zu einer unmittelbaren Steuerentlastung im Jahr der Anschaffung, da der Gewinn um den Betrag der gesamten Kosten des GWG gemindert wird. Eine Verteilung der Kosten über mehrere Jahre entfällt, was auch Auswirkungen auf die kalkulatorische Ergebnisermittlung und Liquiditätsplanung im Unternehmen haben kann. Die Anwendung der GWG-Regelung ist zudem verbindlich und bedarf keiner expliziten Beantragung bei der Finanzverwaltung, muss jedoch aus der Buchführung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nachvollziehbar sein. Eine nachträgliche Änderung auf Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ist nicht zulässig, sobald die Sofortabschreibung gewählt wurde.

Welche Abgrenzung besteht zwischen GWG, dem Sammelposten und der normalen Abschreibung?

Rechtlich besteht eine klare Abgrenzung zwischen GWG bis zu 800 Euro (sofort abschreibbar), sogenannten Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG (Wirtschaftsgüter von mehr als 250 bis 1.000 Euro Anschaffungs- oder Herstellungskosten) und der gewöhnlichen linearen Abschreibung. Wirtschaftsgüter bis 250 Euro (netto) dürfen unabhängig sofort als Aufwand verbucht werden. Für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten zwischen 250,01 und 800 Euro steht die Wahlmöglichkeit zwischen Sofortabschreibung als GWG oder der Einbeziehung in den Sammelposten (Poolabschreibung) offen. Übersteigen die Kosten den Betrag von 800 Euro (netto), ist zwingend die reguläre Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer anzuwenden. Bei der Poolabschreibung werden sämtliche Wirtschaftsgüter eines Wirtschaftsjahres, deren Wert zwischen 250,01 und 1.000 Euro liegt, zu einem Sammelposten zusammengefasst und gleichmäßig über fünf Jahre abgeschrieben, unabhängig von einer tatsächlichen Nutzung oder Aussonderung. Eine Vermischung der Verfahren innerhalb eines Wirtschaftsjahres ist jedoch rechtlich ausgeschlossen.

Wie ist der Umgang mit GWG im Falle von Teilwertabschreibungen oder Verlust durch Diebstahl beziehungsweise Zerstörung geregelt?

Kommt es zu einer dauerhaften Wertminderung eines GWG während der noch nicht vollständig abgelaufenen Nutzungsdauer, kann eine Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorgenommen werden, sofern der niedrigere Teilwert nachgewiesen wird und dieser dauerhaft ist. Falls ein GWG nach dem Ansatz der Sofortabschreibung durch Diebstahl oder Zerstörung untergeht, bleibt der einmalige Betriebsausgabenabzug bestehen, ein weiterer steuerlicher Abzug bezüglich des Buchwerts ist ausgeschlossen, da dieser aufgrund der sofortigen Abschreibung bereits 0 Euro beträgt. Gleichwohl können etwaige Entschädigungszahlungen oder Versicherungsleistungen steuerlich zu erfassen sein und müssen ggf. als Betriebseinnahme versteuert werden. Kommt es hingegen zu einem Verlust nach Anwendung der Poolabschreibung (Sammelposten), besteht keine Möglichkeit, den auf das Einzelwirtschaftsgut entfallenden Restwert aus dem Sammelposten auszubuchen.

Inwieweit unterliegen GWG den Regelungen der Umsatzsteuer und wie ist die Vorsteuerabzugsfähigkeit zu berücksichtigen?

Für die Einstufung eines Wirtschaftsgutes als GWG ist grundsätzlich der Nettobetrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten maßgeblich, sofern der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (§ 15 UStG). Dies betrifft insbesondere umsatzsteuerpflichtige Unternehmen, die die Vorsteuer aus den Anschaffungskosten abziehen können. Ist dies nicht der Fall (z.B. Kleinunternehmer nach § 19 UStG oder Privatpersonen), ist die Bruttogrenze (also inklusive Umsatzsteuer) zu berücksichtigen. Die Vorsteuer selbst kann im Monat der Anschaffung oder Herstellung voll geltend gemacht werden. Es ist somit zwingend zwischen betriebsinterner und umsatzsteuerlicher Betrachtung zu differenzieren. Bei Änderungen des Vorsteuerabzugsrechts innerhalb des Jahres (z.B. Überschreiten der Kleinunternehmergrenze) sind die jeweiligen Zeitpunkte und die steuerrechtliche Situation zum Anschaffungszeitpunkt entscheidend.