Begriff und rechtliche Bedeutung der Geringfügigkeit
Der Begriff Geringfügigkeit bezeichnet im deutschen Recht ein gesetzliches Kriterium, das vor allem in Straf-, Steuer-, Arbeits- und Sozialrecht von Bedeutung ist. Geringfügigkeit steht dabei regelmäßig für die rechtliche Bewertung, ob ein Verhalten, ein Schaden oder eine Überschreitung so gering ist, dass eine Sanktionierung oder ein Eingreifen des Gesetzes nicht erforderlich erscheint. Die genaue Definition und die Konsequenzen der Feststellung der Geringfügigkeit unterscheiden sich je nach Rechtsgebiet und konkreter Norm.
Geringfügigkeit im Strafrecht
Allgemeine Bedeutung im Strafrecht
Im Strafrecht spielt Geringfügigkeit eine bedeutende Rolle bei der Abgrenzung von strafbarem Verhalten zu sozialadäquatem Verhalten, das keiner Sanktion bedarf. Maßgeblich ist hier das sogenannte Opportunitätsprinzip – die Staatsanwaltschaft kann im Falle geringfügiger Schuld eines Täters von der Verfolgung absehen.
Einstellung wegen Geringfügigkeit
Die Staatsanwaltschaft kann mit Zustimmung des zuständigen Gerichts von der Verfolgung einer Straftat absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Die Anwendung dieser Regelung setzt voraus, dass sowohl die Tat als auch die Tatfolgen nur von untergeordneter Bedeutung sind.
Voraussetzungen im Überblick
- Geringe Schuld des Beschuldigten
- Fehlendes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
- Einwilligung des zuständigen Gerichts
- Grundsätzlich keine schwere Tat (beispielsweise keine Kapitalverbrechen)
Geringfügigkeit bei Diebstahl und anderen Eigentumsdelikten
Im Bereich des Diebstahls und anderer Vermögensdelikte ist Geringfügigkeit insbesondere bei sogenannten „Bagatelldelikten” relevant. Gemeint sind Fälle mit sehr geringem Schaden oder Wert der entwendeten Sache, zum Beispiel Ladendiebstahl geringwertiger Waren. Häufig wird in solchen Fällen das strafrechtliche Verfahren nach den genannten Opportunitätsregelungen eingestellt.
Geringfügigkeit und Strafzumessung
Bei der Strafzumessung kann Geringfügigkeit als Milderungsgrund herangezogen werden. Sie kann die Sanktionen erheblich reduzieren oder sogar den Verzicht auf Strafe rechtfertigen.
Geringfügigkeit im Arbeitsrecht
Begriff des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses
Im Arbeitsrecht ist der Begriff der Geringfügigkeit insbesondere bei der sogenannten „geringfügigen Beschäftigung” (Minijob) von Bedeutung. Geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund niedrigen Arbeitsumfangs oder geringer Entlohnung als geringfügig anzusehen ist. Maßgeblich sind dabei die gesetzlichen Regelungen zum Umfang und zur Entlohnung.
Typen geringfügiger Beschäftigung
- Geringfügig entlohnte Beschäftigung: Monatliches Entgelt überschreitet die gesetzliche Geringfügigkeitsgrenze (seit 2022: 520 Euro) nicht.
- Kurzfristige Beschäftigung: Befristet auf maximal drei Monate bzw. 70 Arbeitstage im Kalenderjahr.
Für solche Beschäftigungen gelten Sonderregelungen im Sozialversicherungsrecht, insbesondere Befreiungen in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, sowie besondere Besteuerungsregelungen.
Geringfügigkeit im Sozialrecht und Steuerrecht
Geringfügigkeit im SGB (Sozialgesetzbuch)
Das Sozialrecht verwendet den Begriff unter anderem in Verbindung mit geringfügiger Erwerbstätigkeit oder bei der Bewertung von Nebeneinkünften etwa bei Hartz-IV-Leistungen (Bürgergeld). Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung wird nach besonderen Regeln auf Sozialleistungen angerechnet.
Geringfügige Überschreitung von Freibeträgen
Auch bei der Prüfung von Einkommensgrenzen oder Freibeträgen, etwa im Wohngeldrecht oder bei anderen Transferleistungen, spielt Geringfügigkeit eine Rolle, indem geringfügige Überschreitungen unter bestimmten Voraussetzungen unschädlich sein können.
Steuerrechtliche Bedeutung
Im Steuerrecht ist Geringfügigkeit unter anderem bei der Bewertung von Zuwendungen, Geschenken oder bei Bagatellbeträgen im Rahmen von Steuernachforderungen von Bedeutung. So gibt es beispielsweise für Sachzuwendungen an Arbeitnehmer Freibeträge, innerhalb derer Zuwendungen als steuerlich geringfügig gelten und daher steuerfrei bleiben.
Weitere Rechtsgebiete mit Relevanz der Geringfügigkeit
Verwaltungsrecht
Im Verwaltungsrecht kann Geringzügkeit darüber entscheiden, ob eine bestimmte Verwaltungshandlung oder Sanktion erforderlich ist. So kann beispielsweise bei geringfügigen Verstößen gegen Ordnungsvorschriften von Maßnahmen oder Bußgeldern abgesehen werden, etwa nach dem Opportunitätsprinzip in Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Wettbewerbs- und Kartellrecht
Im Wettbewerbsrecht, insbesondere bei der Kontrolle von Wettbewerbsbeschränkungen, kann Geringzügkeit bei Bagatellabsprachen oder unbedeutenden Marktbeeinträchtigungen zum Ausschluss eines Verstoßes führen (sogenannte Bagatellklausel).
Abgrenzung und Rechtsfolgen
Abgrenzung zu anderen Rechtsbegriffen
“Geringzügkeit” ist von Begriffen wie „Bagatelle” oder „Unerheblichkeit” abzugrenzen, welche zwar inhaltlich verwandt, aber in verschiedenen Normzusammenhängen verwendet werden. Auch die „Verhältnismäßigkeit” ist ein eigenständiger Rechtsgrundsatz, der jedoch teilweise durch Geringzügkeitseinschätzungen konkretisiert wird.
Rechtsfolgen der Geringzügkeit
Die Feststellung der Geringzügkeit kann verschiedene rechtliche Konsequenzen haben, wie die Einstellung eines Verfahrens, das Absehen von Bußgeldern, Steuerbefreiungen, reduzierte Beitragspflichten oder Sonderregelungen hinsichtlich von Rechten und Pflichten im Beschäftigungsverhältnis.
Häufig gestellte Fragen
Welche monatliche Einkommensgrenze gilt aktuell für eine geringfügige Beschäftigung?
Die aktuelle monatliche Einkommensgrenze für eine geringfügige Beschäftigung, auch als Minijob bezeichnet, beträgt seit dem 1. Oktober 2022 520 Euro. Diese Grenze stellt einen Durchschnittswert dar, bezogen auf das Kalenderjahr, sodass gelegentliche und unvorhersehbare Überschreitungen – etwa durch Auszahlung von Überstunden oder Urlaubsvertretung – unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Wird die Verdienstgrenze hingegen regelmäßig überschritten, entfällt rückwirkend der Status als geringfügige Beschäftigung, was sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Arbeitgeber sind verpflichtet, jede Änderung, die zur Überschreitung führt, unverzüglich der Minijob-Zentrale zu melden.
Welche Sozialversicherungsbeiträge fallen bei Geringzügkeit an?
Im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung zahlen Arbeitnehmer grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Lediglich zur Rentenversicherung besteht grundsätzlich Versicherungspflicht, wobei der Beschäftigte einen Eigenanteil von 3,6 % (Stand: 2024) des Bruttoarbeitslohns entrichten muss. Die Möglichkeit zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht besteht durch schriftlichen Antrag beim Arbeitgeber. Der Arbeitgeber trägt pauschale Beiträge: 13 % zur Krankenversicherung (bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern), 15 % zur Rentenversicherung sowie pauschale Umlagen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschutz sowie einen Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung.
Kann die Geringzügkeit auf mehrere Arbeitsverhältnisse verteilt werden?
Es ist möglich, mehrere geringfügige Beschäftigungen gleichzeitig auszuüben. Für die Beurteilung, ob die Geringzügigkeitsgrenze eingehalten wird, werden jedoch alle geringfügigen Beschäftigungen zusammengerechnet. Wird durch die Addition der Arbeitsentgelte die Verdienstgrenze von monatlich 520 Euro überschritten, werden alle Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig – auch rückwirkend – eingestuft. Besteht neben einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ein Minijob, bleibt nur dieser erste Minijob geringfügig; alle weiteren werden mit der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet und sind nicht mehr geringfüging.
Gibt es Unterschiede zwischen kurzfristiger und dauerhaft geringfüginger Beschäftigung?
Ja, neben der dauerhaft geringfügingen Beschäftigung (Verdienstgrenze von 520 Euro pro Monat) gibt es die kurzfristige Beschäftigung nach den gesetzlichen Vorgaben. Diese liegt dann vor, wenn die Beschäftigung von vornherein auf maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres befristet ist – unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts -, sofern sie nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Für kurzfristige Beschäftigungen fallen keine Sozialversicherungsbeiträge an; lediglich die pauschale Lohnsteuer kann vom Arbeitgeber abgeführt werden. Hier gelten besondere Melde- und Nachweispflichten für Arbeitgeber.
Wie wirkt sich Geringfügingkeit auf Steuerpflichten aus?
Geringfüginge Beschäftigungsverhältnisse sind für den Arbeitnehmer regelmäßig steuerfrei, sofern der Arbeitgeber die Pauschalsteuer von derzeit 2 % (inklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) an die Minijob-Zentrale abführt. Alternativ kann der Arbeitgeber den Lohn nach individuellen Lohnsteuermerkmalen abrechnen; dies kann für den Arbeitnehmer zu steuerlichen Pflichten führen und einen Eintrag in der persönlichen Steuererklärung bedingen. Unabhängig davon besteht eine Erklärungspflicht bei gleichzeitigem Bezug von Sozialleistungen; hier sind Hinzuverdienstgrenzen zu beachten.
Muss ein Arbeitsvertrag für eine geringfüginge Beschäftigung schriftlich abgeschlossen werden?
Laut Nachweisgesetz sind Arbeitgeber auch bei geringfügingen Beschäftigungen verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten und dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Hierzu zählen Angaben zum Arbeitsentgelt, zur Arbeitszeit, zu Urlaubstagen, Kündigungsfristen und zur Beschreibung der Tätigkeit. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist daher aus rechtlicher Sicht unerlässlich – um sowohl die Rechte als auch die Pflichten beider Parteien eindeutig zu regeln und im Konfliktfall nachweisen zu können.
Welche gesetzlichen Ansprüche auf Urlaub und Lohnfortzahlung bestehen bei Geringfügingkeit?
Noch geringfüging Beschäftigte haben nach dem Bundesurlaubsgesetz einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch; dieser richtet sich nach Zahl der Wochenarbeitstage und wird anteilig berechnet. Weiterhin besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit sowie auf Zuschüsse im Mutterschutzfall; entsprechende Arbeitgeberaufwendungen werden durch Umlagensysteme refinanziert.
Wie erfolgt die Meldung und Beitragszahlung bei der Minijob-Zentrale?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet , geringfüginge Beschäftigungen vor Aufnahme an die Minijob-Zentrale zu melden . Dies geschieht über das elektronische Meldeverfahren . Die Abführung pauschaler Beiträge zur Sozialversicherung , Umlagen sowie Pauschalsteuer übernimmt ebenfalls der Arbeitgeber . Nichtmeldung bzw . fehlerhafte Meldung kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden . Die Minijob-Zentrale fungiert als Einzugsstelle für alle Beiträge rund um geringfüginge Beschäftigungen .