Legal Lexikon

Gerichtsferien


Gerichtsferien

Begriff und Bedeutung

Die Gerichtsferien bezeichnen in verschiedenen deutschsprachigen Staaten jenen Zeitraum, während dessen an den Gerichten entweder keine Sitzungen stattfinden oder der Geschäftsbetrieb in einem erheblich eingeschränkten Umfang erfolgt. Die Regelungen zu Gerichtsferien dienen insbesondere dazu, Verfahrensbeteiligten und den Gerichten eine planbare Unterbrechung der regulären gerichtlichen Tätigkeit zu ermöglichen. Charakteristisch ist, dass während der Gerichtsferien in der Regel lediglich unaufschiebbare Verfahren bearbeitet werden.

Historische Entwicklung

Das Institut der Gerichtsferien ist traditionell im europäischen Rechtsraum verwurzelt. Die Ursprünge reichen bis ins Mittelalter zurück, als an Gerichten entsprechende Unterbrechungszeiten eingeführt wurden, um sich an gesellschaftliche und religiöse Rhythmen – etwa die Sommerpause oder kirchliche Hochfeste – anzupassen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz entwickelten sich daraus unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Regelung der Gerichtsferien.

Gerichtsferien im deutschen Recht

Gesetzliche Grundlage

Im deutschen Prozessrecht sind Gerichtsferien insbesondere in § 217 und §§ 222 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Gemäß § 217 ZPO finden in Zivilsachen mit Ausnahme unaufschiebbarer Angelegenheiten während der Gerichtsferien grundsätzlich keine Sitzungen statt; ein entsprechender Vorbehalt besteht für besondere Eil- und Notverfahren.

Zeitliche Festlegung

Die Gerichtsferien beginnen am 1. Juli und enden am 31. August (§ 222a ZPO). Sie umfassen somit einen Zeitraum von zwei Monaten. Während dieses Zeitraums gelten besondere Regelungen für Fristen und Sitzungstermine.

Auswirkungen auf Gerichtstermine und Verfahren

Ruhen der Sitzungen

Während der Gerichtsferien finden an den Zivilgerichten grundsätzlich keine Sitzungen statt. Hiervon ausgenommen sind Verfahren, die besonders eilbedürftig sind, etwa einstweilige Verfügungen, Arrestverfahren oder bestimmte Familiensachen, insbesondere bei dringenden Kindeswohlgefährdungen.

Fristenregelungen während der Gerichtsferien

Während der Gerichtsferien ist die Fristberechnung in Zivilverfahren besonders geregelt. Bestimmte Fristen, die während der Gerichtsferien ablaufen würden, verlängern sich gemäß § 222 Abs. 1 ZPO bis zum dritten Tag nach dem Ende der Gerichtsferien. Diese Verlängerung gilt jedoch nicht für alle Fristen. Ausgenommen sind insbesondere Notfristen, die von Gesetzes wegen nicht verlängert werden dürfen, sowie Fristen in Eilverfahren.

Relevanz für Parteien und Prozessbevollmächtigte

Die Gerichtsferien bieten Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, Fristen über die Sommermonate hinaus zu verlängern, was insbesondere im internationalen Geschäfts- und Rechtsverkehr zu berücksichtigen ist. Dies hat auch Bedeutung für Personen oder Organe, die zur Zustellung von Dokumenten auf Fristverlängerung angewiesen sind.

Ausnahmen

Für Strafverfahren, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, arbeitsgerichtliche sowie sozialgerichtliche Verfahren gelten eigene, teilweise abweichende Regelungen. Beispielsweise finden an Strafgerichten keine Gerichtsferien statt; hier ist der Geschäftsbetrieb im Grundsatz ganzjährig gewährleistet.

Gerichtsferien und Rechtsmittel

Die Regelungen zu Gerichtsferien haben unmittelbaren Einfluss auf die Einlegung und Begründung rechtlicher Rechtsmittel (z.B. Berufung, Revision) im Zivilprozess. Sofern ein Rechtsmittel in den Gerichtsferien abläuft, kann die Partei die verlängerte Frist nach § 222 ZPO in Anspruch nehmen. Für Strafsachen existiert eine solche Verlängerung nicht.

Gerichtsferien im österreichischen Recht

Rechtsgrundlage und Dauer

In Österreich sind Gerichtsferien in § 222 der österreichischen Zivilprozessordnung geregelt. Der Zeitraum der Gerichtsferien erstreckt sich vom 15. Juli bis 25. August. Während dieses Zeitraums finden an den Zivilgerichten keine regulären Sitzungen statt, es sei denn, es handelt sich um besonders dringliche Angelegenheiten, beispielsweise im Zusammenhang mit einstweiligen Verfügungen oder bei Gefahr im Verzug.

Fristberechnung und Ausnahmen

Allgemeine Regelung

Laufen gesetzliche Fristen während der Gerichtsferien ab, so verlängern sie sich – außer bei Notfristen – bis zum dritten Tag nach Ende der Gerichtsferien (§ 222 Abs. 1 öZPO).

Ausschluss bestimmter Verfahren

Für Strafverfahren, verwaltungsgerichtliche Verfahren und bestimmte Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die Gerichtsferien nicht. Demnach besteht bei diesen Verfahren eine uneingeschränkte Gerichtstätigkeit.

Gerichtsferien im Schweizer Recht

Gesetzliche Grundlagen

In der Schweiz sind die Gerichtsferien in Art. 145 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) sowie im Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) geregelt.

Zeitliche Festlegung

Die Gerichtsferien dauern grundsätzlich vom 15. Juli bis 15. August. Zusätzlich existieren Weihnachts- und Ostergerichtsferien. Während der Gerichtsferien ruht grundsätzlich der Lauf der Verfahrensfristen.

Friststillstand während der Gerichtsferien

Während der Gerichtsferien tritt ein allgemeiner Fristenstillstand ein. Das bedeutet, dass die meisten Fristen, etwa zur Einreichung von Klagen oder Rechtsmitteln, während dieses Zeitraums nicht weiter laufen. Hiervon ausgenommen sind dringliche Verfahren wie vorsorgliche Maßnahmen, familiengerichtliche Notfälle oder bei Gefahr im Verzug.

Zweck und Kritik der Gerichtsferien

Zielsetzung

Das Institut der Gerichtsferien dient der Entlastung der Gerichte und der betroffenen Verfahrensbeteiligten. Durch eine gerichtliche „Sommerpause” werden planbare Phasen der Erholung und Organisation für Richter, Parteien und andere Verfahrensbeteiligte geschaffen.

Kritische Betrachtung

Mitunter werden Gerichtsferien kritisch betrachtet, insbesondere in Hinblick auf die längere Gesamtdauer einzelner Verfahren. Da während der Gerichtsferien teils keine bzw. nur eingeschränkte Bearbeitung von Verfahren erfolgt, kann es zu Verzögerungen im Verfahrensgang kommen. Die zunehmende Flexibilisierung des modernen Arbeitslebens führt zudem zu Forderungen nach Verkürzung oder Abschaffung der Gerichtsferien.

Zusammenfassung

Gerichtsferien stellen eine gesetzlich geregelte, zeitlich begrenzte Unterbrechung des regulären Gerichtsbetriebs an Zivilgerichten in Ländern wie Deutschland, Österreich und der Schweiz dar. Während dieses Zeitraums gelten besondere Regeln insbesondere bezüglich Gerichtssitzungen und Fristberechnung. Not- oder Eilverfahren sind von den Einschränkungen weitgehend ausgenommen. Ziel ist die Entlastung und zeitliche Planungssicherheit der Verfahrensbeteiligten, wobei zugleich auch Kritik an diesem Institut existiert, insbesondere was die Geschwindigkeit und Effizienz der Justiz betrifft. Die genaue Ausgestaltung der Gerichtsferien variiert dabei je nach nationaler Rechtsordnung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Auswirkungen haben die Gerichtsferien auf laufende Zivilverfahren?

Während der Gerichtsferien – juristisch auch als „gerichtlicher Urlaub” bekannt – ruhen in Deutschland grundsätzlich die Verhandlungen und Entscheidungen in Zivilverfahren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gerichte komplett geschlossen sind; vielmehr werden in dieser Zeit lediglich dringende oder unaufschiebbare Angelegenheiten weiterhin bearbeitet. Das betrifft beispielsweise Eilverfahren, Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren sowie andere Fälle, in denen Gefahr im Verzug vorliegt. Für laufende Zivilverfahren bedeutet dies, dass reguläre Fristen, wie etwa die zur Klageerwiderung oder Berufungsbegründung, während der Gerichtsferien in der Regel nicht weiterlaufen, sondern gehemmt oder unterbrochen werden können. Nach Ablauf der Gerichtsferien bleiben den Parteien die ursprünglich verbleibenden Fristen zur Verfügung, sofern keine Ausnahme einschlägig ist. Ausnahmen hierzu können jedoch bestehen, wenn das Prozessgericht auch während der Ferien ausdrücklich die Fortsetzung oder Durchführung eines Verfahrens anordnet.

Welche Fristen sind von der Hemmung während der Gerichtsferien betroffen?

Die Hemmung der Fristen während der Gerichtsferien erstreckt sich gemäß § 222 der Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich auf alle prozessualen Fristen, die durch gerichtliche Anordnung oder aufgrund gesetzlicher Vorschriften laufen – dazu zählen insbesondere Berufungs-, Berufungsbegründungs-, Revisions- und Berufungserwiderungsfristen, aber auch die Frist zur Einlegung von Beschwerden. Keine Hemmung erfahren hingegen sogenannte materiell-rechtliche Fristen (etwa gesetzlichen Verjährungs- oder Rücktrittsfristen) oder solche, die in Eil- und Arrestverfahren sowie in einstweiligen Verfügungsverfahren laufen. Auch Fristen im Strafprozess, im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren und in anderen Sonderverfahren werden von der Ferienregelung grundsätzlich nicht tangiert. Die Hemmung beginnt mit dem ersten Tag der Gerichtsferien und endet mit deren Ablauf, sodass die restliche Frist unmittelbar anknüpft.

Was gilt für Termine, die auf die Gerichtsferien fallen?

Während der Gerichtsferien sollen grundsätzlich keine mündlichen Verhandlungen, Beweisaufnahmen oder Verkündigungen in Zivilverfahren stattfinden. Das Gesetz räumt den Gerichten jedoch die Möglichkeit ein, auf Antrag oder aus wichtigen Gründen dennoch Termine anzuberaumen, etwa in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder wenn alle Parteien dem explizit zustimmen. Die Entscheidung liegt im Ermessen des jeweiligen Spruchkörpers. Sollte ein Termin während der Gerichtsferien bestimmt werden, sind die Beteiligten ordnungsgemäß zu laden und der Termin ist gültig, sofern keine weiteren Verfahrenshindernisse bestehen. Die Inanspruchnahme gerichtlicher Termine in dieser Zeit bleibt jedoch die Ausnahme.

Wie wirken sich Gerichtsferien auf einstweilige Verfügungen und Eilverfahren aus?

Bei einstweiligen Verfügungen und Eilverfahren kommen die Regelungen der Gerichtsferien regelmäßig nicht zum Tragen. Das liegt daran, dass diese Verfahren aufgrund ihres Charakters auf besondere Beschleunigung und zeitnahe Entscheidung ausgerichtet sind. Die Gerichte sind daher verpflichtet, auch während der Gerichtsferien Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes zu bearbeiten und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Fristen innerhalb dieser Verfahren laufen ungehindert weiter und werden nicht durch die Gerichtsferien gehemmt. Auch mündliche Verhandlungen oder Notverkündigungen können in dieser Verfahrensart jederzeit angesetzt werden.

Gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Regelungen zu Gerichtsferien?

Die Vorschriften zu den Gerichtsferien sind im Wesentlichen bundesweit einheitlich in der Zivilprozessordnung verankert und gelten für alle ordentlichen Gerichte in Deutschland. Die Festlegung der genauen Dauer der Gerichtsferien (regelmäßig 1. Juli bis 31. August eines Jahres) ist ebenfalls bundeseinheitlich geregelt. Allerdings können die Gerichte durch interne Organisationsentscheidungen in begrenztem Umfang eigenständig anordnen, wie Notdienste organisiert und verteilt werden. In Justizvollzugs- oder anderen Spezialbereichen kann es länderspezifische Abweichungen in der Praxis geben, die aber keine Auswirkungen auf die grundlegenden gesetzlichen Festlegungen haben.

Wie verhält es sich mit Schriftsatzfristen, wenn sie während der Gerichtsferien ablaufen würden?

Wenn eine prozessuale Frist für die Einreichung eines Schriftsatzes oder einer Rechtsmittelschrift während der Gerichtsferien ablaufen würde, verlängert sich diese automatisch bis zum Ablauf des dritten Tages nach dem Ende der Gerichtsferien. Die Parteien haben somit nach der Ferienzeit noch eine gewisse Mindestzeitspanne zur Verfügung, um ihre Schriftsätze form- und fristgemäß einzureichen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Parteien und ihre Rechtsvertreter durch die eingeschränkte Erreichbarkeit der Gerichte während der Ferien nicht benachteiligt sind. Bei Fristen, die nicht unter die Hemmung der Gerichtsferien fallen, besteht jedoch keinerlei Verlängerungsmöglichkeit.

Welche Rolle spielen Gerichtsferien im Beschwerdeverfahren?

Auch in Beschwerdeverfahren, die unter die Zivilprozessordnung fallen, sind die Bestimmungen über die Hemmung und Verlängerung von Fristen während der Gerichtsferien zu beachten. Läuft eine Beschwerdefrist oder die Frist zur Begründung der Beschwerde in diesen Zeitraum, wird sie ebenfalls bis zum dritten Werktag nach Ende der Gerichtsferien gehemmt. In Ausnahmefällen – etwa bei besonderen Eilverfahren – kann das Gericht im Beschwerdeverfahren jedoch ausdrücklich anordnen, dass die Ferienregelung keine Anwendung findet. Die Parteien werden hierzu explizit vom Gericht unterrichtet.