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Genussrecht


Begriff und rechtliche Einordnung des Genussrechts

Das Genussrecht stellt ein schuldrechtliches Finanzierungsinstrument dar, das insbesondere im deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Verwendung findet. Genussrechte gewähren dem Inhaber vermögenswerte Ansprüche gegenüber dem Emittenten – in der Regel ein Unternehmen -, ohne ihm eine Beteiligung am Gesellschaftskapital oder Stimmrechte einzuräumen. Im Gegensatz zu Aktien oder GmbH-Anteilen vermitteln Genussrechte keine gesellschaftsrechtliche Stellung, wohl aber Ansprüche auf bestimmte Vermögensrechte, etwa auf Zahlung eines Anteils am Gewinn oder Liquidationserlös.

Rechtsgrundlagen und Regelungsrahmen

Gesetzliche Grundlagen

Genussrechte sind im deutschen Recht nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie werden aus der Privatautonomie gemäß §§ 305 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) abgeleitet und unterliegen den allgemeinen Vorschriften über Schuldverhältnisse. Soweit Genussrechte Wertpapiercharakter aufweisen und öffentlich angeboten werden, können je nach Ausgestaltung zudem Vorschriften des Wertpapierhandelsrechts und Kapitalanlagerechts einschlägig sein, etwa das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Ihre steuerliche Behandlung richtet sich nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG), Einkommensteuergesetz (EStG) sowie dem Investmentsteuergesetz (InvStG).

Ausgestaltung und Inhalt von Genussrechten

Vertragsfreiheit und Gestaltungsspielraum

Der Inhalt eines Genussrechts wird im Rahmen der Vertragsfreiheit festgelegt. Zu den typischen Ausgestaltungsmerkmalen zählen:

  • Vermögensrechte: Anspruch auf eine laufende oder einmalige Zahlung, meist gewinnabhängig oder gewinnunabhängig (festverzinslich oder variabel).
  • Beteiligung am Liquidationserlös: Das Genussrecht kann vorsehen, dass der Inhaber am Liquidationserlös der Gesellschaft beteiligt wird.
  • Laufzeit: Genussrechte können befristet oder unbefristet ausgestaltet werden.
  • Nachrangigkeit: Häufig ist das Genussrecht im Rang hinter anderen Gläubigern des Emittenten gestellt (qualifizierte Nachrangabrede), was im Insolvenzfall von Bedeutung ist.
  • Stimmrechte: Inhaber von Genussrechten erhalten typischerweise keine Stimmrechte oder Mitwirkungsrechte an der Gesellschaft.
  • Rückzahlung: Es kann ein Anspruch auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals vorgesehen werden, der jedoch vertraglich ausgeschlossen oder bedingt ausgestaltet sein kann.

Abgrenzung zu anderen Finanzierungsinstrumenten

Genussrecht vs. Aktie

Im Gegensatz zu Aktionären erwerben Genussrechtsinhaber weder Gesellschaftsanteile noch Mitgliedschaftsrechte. Dies bedeutet, dass Genussrechtsinhaber keine Rechte zur Teilnahme an Hauptversammlungen, keine Stimmrechte und keine Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen erhalten.

Genussrecht vs. Anleihe

Während Genussrechte in der Regel Nachrangigkeit und keine feststehende Verzinsung aufweisen können, sind Inhaber von Anleihen (Schuldverschreibungen) meist vorrangig und haben klare Zinsansprüche. Im Insolvenzfall werden Anleihegläubiger vor Genussrechtsinhabern bedient.

Genussrecht vs. stille Gesellschaft

Der „Stille Gesellschafter“ erlangt eine Mitunternehmerstellung mit umfangreicheren Rechten, wohingegen das Genussrecht nur vermögensrechtliche Ansprüche gewährt.

Genussrechte im Gesellschafts- und Insolvenzrecht

Bedeutung im Gesellschaftsrecht

Genussrechte werden häufig von Aktiengesellschaften, GmbHs, Genossenschaften und öffentlichen Unternehmen zur Kapitalaufnahme eingesetzt. Dabei bleibt die Kapitalstruktur der Gesellschaft unberührt, da Genussrechte – anders als Aktien, GmbH-Anteile oder Kommanditeinlagen – kein Eigenkapital im gesellschaftsrechtlichen Sinn darstellen. Ob Genussrechtskapital in der Bilanz als Eigen- oder Fremdkapital auszuweisen ist, hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Rechte und Pflichten ab.

Genussrechte im Insolvenzfall

Im Insolvenzverfahren nehmen Genussrechtsinhaber regelmäßig nachrangige Gläubigerpositionen ein. Sogenannte Nachranggenussrechte werden häufig erst nach Befriedigung aller vorrangigen Gläubiger und anderer Nachranggläubiger bedient. Die genaue Einordnung ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung und den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 39 InsO (Insolvenzordnung).

Genussrechte und aufsichtsrechtliche Aspekte

Prospektpflicht und Vertrieb

Emittenten von Genussrechten haben regelmäßig eine Prospektpflicht einzuhalten, sofern die Genussrechte öffentlich angeboten werden und keine Ausnahmeregelung greift. Hierbei sind das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und gegebenenfalls das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) maßgeblich. Seit 2012 unterliegen Genussrechte mit bestimmtem Ausgestaltungsprofil den Regeln für Vermögensanlagen, was weitreichende Informationspflichten für Emittenten und Vertriebe begründet.

Aufsichtsrechtliche Einordnung

Je nach Ausgestaltung und Verbreitung können Genussrechte als Wertpapier, Vermögensanlage oder sonstiges Anlageinstrument eingeordnet werden. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Finanzmarktregulierungen, Verbraucherschutzregelungen sowie auf die Zulassung zum Handel an organisierten Märkten.

Steuerliche Behandlung von Genussrechten

Die steuerliche Einordnung von Genussrechten hängt von ihrer konkreten Ausgestaltung ab:

  • Beteiligung am Gewinn: Zahlungen an den Genussrechtsinhaber gelten oftmals als Gewinnanteile und sind bei der Gesellschaft als Aufwand steuerlich absetzbar, wenn sie nicht an der Höhe des Bilanzgewinns teilhaben.
  • Eigen- oder Fremdkapital: Genussrechte, die bestimmte Kriterien erfüllen (z. B. Nachrangigkeit, Verlustteilnahme, lange Laufzeit), können als Eigenkapital für steuerliche Zwecke anerkannt werden (vgl. § 8 Abs. 3 KStG). Andernfalls erfolgt eine Behandlung als Fremdkapital.
  • Privatanleger: Beim Privatanleger unterliegen Erträge aus Genussrechten meist der Abgeltungsteuer nach § 20 EStG.

Genussrechte als Instrument der Unternehmensfinanzierung

Genussrechte bieten Unternehmen flexible Finanzierungsalternativen außerhalb der klassischen Kreditaufnahme. Sie können insbesondere zur Verbesserung der wirtschaftlichen Eigenkapitalbasis, zur Projektfinanzierung oder bei der Unternehmenssanierung eingesetzt werden. Für Anleger sind Genussrechte als renditeorientierte Anlageform mit erhöhtem Risiko interessant, insbesondere aufgrund der Nachrangigkeit und dem Fehlen von Stimmrechten.

Fazit

Das Genussrecht ist ein vielseitig gestaltbares Finanzierungsinstrument, das Unternehmen eine flexible Kapitalaufnahme ermöglicht, ohne Beteiligungs- oder Mitspracherechte einzuräumen. Es unterliegt keinen spezifischen gesetzlichen Regelungen, sondern stützt sich auf die Privatautonomie und wird von verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen aus Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht beeinflusst. Die konkrete Ausgestaltung, vertragliche Vereinbarungen und die jeweilige Einordnung in aufsichts- und steuerrechtliche Vorschriften sind maßgeblich für die rechtlichen Konsequenzen und das Risiko für den Genussrechtsinhaber.


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