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Gentechnisch veränderte Organismen


Gentechnisch veränderte Organismen: Rechtliche Einordnung und Regelungen

Begriff und Definition

Gentechnisch veränderte Organismen (GVO, englisch GMO – genetically modified organisms) sind Organismen, deren genetisches Material mithilfe gentechnischer Verfahren gezielt verändert wurde. Die Definition sowie Regelungen zu GVO sind im europäischen und deutschen Recht detailliert normiert. Zentral ist dabei, dass Veränderungen am Erbgut nicht auf natürliche Weise – also durch natürliche Rekombination oder Kreuzung – entstanden sind, sondern gezielt im Labor herbeigeführt wurden.

Rechtliche Grundlagen auf europäischer Ebene

EU-Verordnungen und Richtlinien

Die Rechtsgrundlagen im Bereich GVO basieren in der Europäischen Union maßgeblich auf mehreren Rechtsakten:

  • Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt
  • Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel
  • Verordnung (EG) Nr. 1830/2003 über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von GVO und die Rückverfolgbarkeit von aus GVO hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln

Diese Vorschriften regeln umfassend sowohl das Inverkehrbringen, die Freisetzung, Verwendung und Kennzeichnung von GVO als auch die damit verbundenen Genehmigungsverfahren und Überwachungsmaßnahmen.

Zuständigkeiten innerhalb der Europäischen Union

Die Zulassung genetisch veränderter Organismen erfolgt zentral über die Europäische Kommission nach einer wissenschaftlichen Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Mitgliedstaaten besitzen jedoch Mitspracherechte bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang GVO auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet angebaut oder in Verkehr gebracht werden dürfen (Opt-out-Regelungen gemäß Richtlinie (EU) 2015/412).

Rechtslage in Deutschland

Umsetzung des EU-Rechts

In Deutschland erfolgt die Umsetzung der europäischen Vorgaben vorrangig durch das Gentechnikgesetz (GenTG). Dieses Gesetz enthält Regelungen zur Anwendung, zu Sicherheitsstandards sowie zur Überwachung gentechnischer Tätigkeiten.

Verantwortung und Überwachung

Das Gentechnikgesetz bestimmt unter anderem:

  • Genehmigungspflicht für Freisetzungs- und Inverkehrbringungsvorhaben
  • Risikobewertung und Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt
  • Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte
  • Überwachungsmaßnahmen und Meldepflichten bei Betriebsstörungen oder ungewollter Auskreuzung

Für die Überwachung zuständig sind das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und die jeweiligen Landesbehörden.

Zulassungs- und Genehmigungsverfahren

Das Inverkehrbringen und die Ausbringung von GVO unterliegen strengen Zulassungs- bzw. Genehmigungsverfahren:

  1. Antragstellung: Der Antragsteller reicht ein umfassendes Dossier mit wissenschaftlichen Nachweisen zur Sicherheit des GVO ein.
  2. Risikobewertung: Wissenschaftliche Analyse potenzieller Risiken für Mensch, Tier und Umwelt, unter Berücksichtigung auch indirekter und langfristiger Effekte.
  3. Öffentlichkeitsbeteiligung: Die Öffentlichkeit erhält Gelegenheit, im Rahmen einer Konsultation Stellungnahmen abzugeben.
  4. Entscheidung: Die zuständige Behörde entscheidet auf Basis der Bewertung und der Konsultationen über die Zulassung.
  5. Nachzulassungskontrolle: Nach der Genehmigung erfolgt eine kontinuierliche Überwachung.

Kennzeichnungs- und Rückverfolgungspflichten

Nach europäischem und deutschem Recht besteht eine umfassende Kennzeichnungspflicht für Produkte, die direkt oder indirekt gentechnisch veränderte Organismen enthalten bzw. aus diesen hergestellt wurden. Ziel ist, Verbraucherinnen und Verbrauchern Transparenz zu ermöglichen und ihnen eine informierte Kaufentscheidung zu bieten. Die Rückverfolgbarkeit von GVO und aus GVO gewonnenen Erzeugnissen muss entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette sichergestellt sein.

Haftungsregelungen

Im Gentechnikgesetz (§§ 32 ff. GenTG) sind besondere Haftungsregelungen für Schäden durch den Umgang mit GVO verankert. Betreiber gentechnischer Anlagen unterliegen einer verschärften Gefährdungshaftung. Somit sind sie für Schäden, die durch die Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO an Rechtsgütern Dritter entstehen, ersatzpflichtig, unabhängig von einem Verschulden.

Schutz der Umwelt und Koexistenz

Das deutsche und das europäische Recht enthalten zahlreiche Vorschriften, um negative Auswirkungen auf Natur, Umwelt und den ökologischen Landbau zu verhindern:

  • Einrichtung von Sicherheitsabständen bei Feldern, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden
  • Regelungen zur Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Anbauweisen
  • Erfordernis von Maßnahmen zur Risikominimierung und Monitoring auch nach der Genehmigung

Datenschutz und öffentliche Information

Die Behörden sind verpflichtet, umfassend über Freisetzungen und Genehmigungen zu informieren. Informationen zu Standorten, Art der GVO und Risikoanalysen müssen öffentlich zugänglich gemacht werden, wobei schutzwürdige Geschäftsgeheimnisse auszunehmen sind.

Straf- und Bußgeldvorschriften

Verstöße gegen das Gentechnikgesetz, etwa das Inverkehrbringen nicht genehmigter GVO oder Verstöße gegen Sicherheitsauflagen, sind mit empfindlichen Geldbußen oder strafrechtlichen Sanktionen bewehrt (§§ 38, 39 GenTG).

Internationale Vereinbarungen

Deutschland und die EU sind Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Es regelt den grenzüberschreitenden Verkehr, die Handhabung und die Nutzung lebender gentechnisch veränderter Organismen, insbesondere im Hinblick auf Sicherheitsstandards und auf Transparenzpflichten zwischen den Vertragsstaaten.

Sonderregelungen und nationale Abweichungen

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union behalten sich vor, aus vorrangig umwelt- oder agrarpolitischen Gründen den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet einzuschränken oder zu untersagen. In Deutschland besteht derzeit ein faktisches Anbauverbot für gentechnisch veränderten Mais (MON810), basierend auf nationalen Ausnahmeregelungen.


Zusammenfassung:
Der rechtliche Rahmen für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen ist sowohl auf internationaler, europäischer als auch auf nationaler Ebene sehr detailliert geregelt. Im Mittelpunkt steht stets der Schutz von Mensch, Tier und Umwelt, verbunden mit umfassender Risikobewertung, Transparenz und Rückverfolgbarkeit. GVO unterliegen einer strengen Kontrolle, von der Zulassung über die Kennzeichnung bis zur Haftung und Überwachung nach Inverkehrbringen oder Freisetzung. Die Einhaltung der Vorschriften ist maßgeblich für die sichere Nutzung der Gentechnik in Landwirtschaft, Forschung und Lebensmittelproduktion.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Zulassung und Überwachung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in Deutschland zuständig?

In Deutschland erfolgt die Zulassung und Überwachung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf Grundlage des Gentechnikgesetzes (GenTG) sowie einschlägiger EU-Verordnungen, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel und der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt. Die federführende Behörde auf Bundesebene ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das BVL nimmt eine koordinierende Rolle bei der Antragstellung, Begutachtung und Risikoabschätzung ein, arbeitet eng mit dem Umweltbundesamt (UBA), dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie weiteren zuständigen Landesbehörden zusammen und ist auch Ansprechpartner für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften, etwa bei Anbau, Transport, Lagerung und Verwendung von GVO, obliegt den jeweiligen Landesbehörden, wobei die Fachaufsicht durch das BVL und die Bundesländer erfolgt. Für Inverkehrbringen, Import und Verarbeitung ist zudem eine EU-weite Zulassung erforderlich, bei der auch Beschlüsse der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union maßgebend sind.

Welche gesetzlichen Kennzeichnungs- und Informationspflichten bestehen im Umgang mit GVO?

Für das Inverkehrbringen von GVO sowie von daraus hergestellten Produkten bestehen weitreichende Kennzeichnungspflichten auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 1830/2003. Produkte, die GVO oder daraus gewonnene Bestandteile enthalten, müssen als solche gekennzeichnet werden, sofern der GVO-Gehalt die gesetzliche Nachweisgrenze von 0,9 % im Endprodukt überschreitet und der Zufallseintrag technisch nicht vermeidbar ist. Die Kennzeichnungspflicht erstreckt sich auf sämtliche Vermarktungsstufen, einschließlich Saatgut, Lebensmittel und Futtermittel. Darüber hinaus besteht eine Rückverfolgbarkeitspflicht, nach der Unternehmen entlang der Produktions- und Lieferkette dokumentieren müssen, von wem sie GVO oder GVO-Produkte erhalten und an wen sie diese weitergegeben haben. Die Informationspflichten betreffen neben der Kennzeichnung auch Betriebsanweisungen, Sicherheitsdatenblätter sowie spezielle Anforderungen an die Unterrichtung der Betroffenen und Behörden bei Tätigkeiten mit GVO innerhalb und außerhalb von gentechnischen Anlagen.

Unter welchen Voraussetzungen ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in der EU und in Deutschland zulässig?

Der gewerbliche Anbau wirtschaflich genutzter gv-Pflanzen ist in der EU durch die Richtlinie 2001/18/EG sowie die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 umfassend geregelt. Vor der Zulassung zum Anbau ist ein langwieriges, EU-weit einheitliches Verfahren durchlaufen, das eine wissenschaftliche Risikobewertung hinsichtlich Umwelt- und Gesundheitsschutz durch die EFSA sowie eine öffentliche Konsultation vorsieht. Genehmigungen werden auf EU-Ebene erteilt und gelten grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten. Allerdings besteht für Mitgliedstaaten die Möglichkeit, per sogenannter „Opt-Out“-Regelung den Anbau bestimmter zugelassener Sorten auf nationalem Hoheitsgebiet ganz oder teilweise zu untersagen. In Deutschland ist der Anbau derzeit de facto durch eine restriktive Rechtslage stark eingeschränkt: Praktisch werden keine gv-Pflanzen mehr angebaut, unter anderem, weil Deutschland mittels Ausstiegsregelungen im Rahmen der EU ihre Anbaufläche für bestimmte gv-Pflanzen verboten hat. Neben der behördlichen Zulassung bedarf es umfassender Melde-, Aufzeichnungs- und Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz benachbarter Flächen und zur Wahrung der Koexistenz mit konventioneller und ökologischer Landwirtschaft.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Forschung mit GVO in Laboren und Versuchsanlagen?

Die Forschung und Entwicklung mit gentechnisch veränderten Organismen in Laboren, Gewächshäusern und Versuchsanlagen unterliegt in Deutschland dem Gentechnikgesetz (GenTG) sowie darauf basierenden Rechtsverordnungen wie der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV). Jede gentechnische Arbeit muss vorab einer Risikoklasse zugeordnet und gegenüber der zuständigen Landesbehörde angezeigt oder genehmigt werden. Die Pflichten variieren je nach Risiko, insbesondere bezüglich Schutzmaßnahmen, Protokollierung, Qualifikation des Personals und der Meldepflichten über Störungen oder Unfälle. Die Forschungseinrichtungen unterliegen periodischen und anlassbezogenen Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden. Für Freisetzungsversuche gelten verschärfte Anforderungen, insbesondere den Schutz von Mensch und Umwelt betreffend. Umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten sind einzuhalten, das betrifft vor allem die Abschätzung und Minimierung etwaiger Risiken sowie Maßnahmen zur Verhinderung einer ungewollten Ausbreitung.

Inwieweit spielt das Haftungsrecht bei Schäden durch GVO eine Rolle?

Das Haftungsrecht für Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen ist in Deutschland im Gentechnikgesetz (GenTG) geregelt (§§ 32-36 GenTG). Es gilt die sogenannte Gefährdungshaftung: Der Betreiber einer gentechnischen Anlage oder der Anwender, der einen GVO in die Umwelt freisetzt oder in Verkehr bringt, haftet grundsätzlich verschuldensunabhängig für bestimmte Umweltschäden, die durch GVO verursacht werden. Darunter fallen Schäden an Boden, Wasser, Luft, Tieren, Pflanzen und anderen Sachgütern ebenso wie Vermögensschäden im Bereich der Landwirtschaft (z.B. Verunreinigung von Nachbarfeldern mit GVO). Die Haftung ist grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Höchstsumme begrenzt, kann aber im Einzelfall durch gesetzliche Bestimmungen beschränkt werden. Das Haftungsrecht sieht außerdem eine Beweislastumkehr vor, wonach der Geschädigte nur nachweisen muss, dass der Schaden im Zusammenhang mit einer gentechnischen Tätigkeit entstanden ist – nicht aber, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt. Es bestehen zudem Obliegenheiten zur Versicherungspflicht, die Deckung für entsprechende Umweltrisiken sicherstellen soll.

Welche besonderen Anforderungen gelten für die Einfuhr und das Inverkehrbringen von GVO in die EU?

Die Einfuhr und das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und daraus hergestellten Produkten in die Europäische Union sind nur nach vorheriger Zulassung gemäß den oben genannten EU-Verordnungen zulässig. Ein ausführliches Zulassungsverfahren mit wissenschaftlicher Risikobewertung durch die EFSA muss vorab durchlaufen werden, wobei alle Aspekte des Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzes berücksichtigt werden. Für jeden neu zuzulassenden GVO muss ein umfassender Antrag mit Nachweisen zur Sicherheit eingereicht werden. Für Erzeugnisse, die nicht zugelassen sind, besteht ein absolutes Vermarktungsverbot. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Kontrollen und Laboranalysen an den Außengrenzen sowie in den nachgelagerten Handelsstufen durchzuführen, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. Zu beachten sind auch besondere Importregelungen für Saatgut, Lebensmittel und Futtermittel, inklusive der verpflichtenden Kennzeichnung, Nachweisführung und Rückverfolgbarkeit bis zum Endverbraucher oder zur Aussaat.

Welche rechtlichen Vorgaben bestehen im Bereich des Datenschutzes bei Arbeiten mit GVO?

Bei Tätigkeiten mit GVO im rechtlichen Kontext ist der Datenschutz insbesondere dann relevant, wenn personenbezogene Daten von Forschenden, Antragstellern, Betroffenen oder Beschäftigten im Rahmen von Genehmigungsverfahren, Überwachungsmaßnahmen oder Dokumentationen verarbeitet werden. Hier greifen die geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie bereichsspezifische Regelungen im GenTG. Die Erhebung, Speicherung und Auswertung personenbezogener Daten darf nur zweckgebunden und unter Wahrung der Rechte der Betroffenen erfolgen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, etwa über gentechnische Verfahren, unterliegen besonders hohem Schutz, wobei bei behördlichen Prüfungen ein Interessenausgleich zwischen Transparenzpflichten und Vertraulichkeit gefordert ist. Für öffentliche Register, die Angaben über gentechnische Tätigkeiten und Standorte enthalten, existieren klare Regelungen, welche Informationen für die Öffentlichkeit zugänglich sind und welche aufgrund datenschutzrechtlicher Erwägungen zu anonymisieren oder zu sperren sind.