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Generalversammlung


Begriffsbestimmung und rechtliche Einordnung der Generalversammlung

Die Generalversammlung ist ein zentrales Organ insbesondere im Gesellschaftsrecht, welches maßgebliche Entscheidungen innerhalb von Körperschaften, insbesondere Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen und Aktiengesellschaften trifft. Sie stellt das zentrale Willensbildungsorgan dar, in dem die Anteilseigner oder Mitglieder versammelt sind und grundlegende Beschlüsse über die Organisation, Leitung und Ausrichtung der Gesellschaft fassen. Die rechtliche Ausgestaltung, Funktion und Bedeutung der Generalversammlung ist sowohl im deutschen Gesellschaftsrecht als auch in internationalen Rechtsordnungen umfassend geregelt.


Rechtsgrundlagen der Generalversammlung

Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen

Im deutschen Recht findet sich die Generalversammlung insbesondere bei folgenden Gesellschaftsformen:

  • Aktiengesellschaft (AG): Hier findet sich der Begriff als „Hauptversammlung“ gemäß §§ 118 ff. Aktiengesetz (AktG).
  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH): Die Gesellschafterversammlung (§§ 48 ff. GmbHG) nimmt die Funktion der Generalversammlung ein.
  • Genossenschaft: Die Generalversammlung ist in den §§ 43 ff. Genossenschaftsgesetz (GenG) geregelt.
  • Verein: Das Vereinsrecht verweist auf die Mitgliederversammlung, §§ 32 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die der Generalversammlung entspricht.

Internationale Rechtsvergleiche

Auch in anderen europäischen und internationalen Rechtsordnungen, wie etwa im österreichischen, schweizerischen oder luxemburgischen Recht, übernimmt die Generalversammlung eine vergleichbare Leitungs- und Kontrollfunktion innerhalb der Gesellschaftsstruktur.


Funktion und Aufgaben der Generalversammlung

Willensbildungs- und Beschlussorgan

Die primäre Aufgabe der Generalversammlung liegt in der kollektiven Willensbildung der Mitglieder oder Anteilseigner. Hierzu gehören insbesondere:

  • Wahl und Abberufung von Organmitgliedern (z. B. Aufsichtsrat, Vorstand)
  • Entgegennahme und Billigung des Jahresabschlusses
  • Verwendung des Bilanzgewinns (Ausschüttung von Dividenden)
  • Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen und grundlegende Unternehmensentscheidungen
  • Unternehmensstrukturierende Maßnahmen, wie etwa Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen oder Liquidation

Kontroll- und Überwachungsfunktion

Die Versammlung dient zugleich der Kontrolle der Geschäftsführung. So werden beispielsweise Entlastungen von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen und grundlegende Kontrollrechte wie die Bestellung von Abschlussprüfern wahrgenommen.


Einberufung und Ablauf der Generalversammlung

Einberufung und Formalien

Die Einberufung erfolgt gemäß den jeweils maßgeblichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, etwa durch den Vorstand, den Aufsichtsrat oder in besonderen Fällen durch eine qualifizierte Minderheit der Anteilseigner. Wichtige Anforderungen sind:

  • Einhaltung der gesetzlichen oder satzungsgemäßen Fristen und Formalitäten
  • Ordnungsgemäße Bekanntmachung (häufig im Bundesanzeiger oder durch direkte Einladung)
  • Angabe der Tagesordnungspunkte

Teilnahmeberechtigung und Vertretung

Teilnahmeberechtigt sind regelmäßig die eingetragenen Mitglieder bzw. Anteilseigner, teilweise auch Bevollmächtigte oder Vertreter. In speziellen Fällen besteht die Möglichkeit, die Stimme durch einen bevollmächtigten Dritten abzugeben (Stimmrechtsvertretung).

Ablauf und Durchführung

Der Ablauf orientiert sich an der festgelegten Tagesordnung. Die Leitung obliegt dem Vorsitzenden des Organs, häufig ist dies der Aufsichtsratsvorsitzende oder ein gewählter Versammlungsleiter. Über die Sitzung wird ein Protokoll geführt, in welchem Beschlüsse und wesentliche Vorgänge dokumentiert werden.


Beschlussfassung und Stimmrechte

Mehrheitsverhältnisse und Quoren

Die Beschlussfassung erfolgt grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip. Gesetzliche und satzungsmäßige Vorschriften regeln dabei das erforderliche Quorum für die einzelnen Entscheidungstatbestände. Bestimmte Beschlüsse, insbesondere Satzungsänderungen oder Kapitalmaßnahmen, erfordern qualifizierte Mehrheiten (z. B. Dreiviertelmehrheit).

Rechte und Pflichten der Teilnehmenden

Mitglieder der Generalversammlung haben insbesondere folgende Rechte:

  • Stimmrecht entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftskapital oder Mitgliederstatus
  • Rederecht und Recht auf Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft, soweit dies zur ordnungsgemäßen Ausübung des Stimmrechts erforderlich ist
  • Antrags- und Initiativrecht zur Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte

Gleichzeitig trifft die Teilnehmenden die Verpflichtung zur gewissenhaften Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte.


Anfechtung und Nichtigkeit von Beschlüssen

Anfechtungsrecht

Mitglieder oder Aktionäre können unter bestimmten Voraussetzungen Beschlüsse der Generalversammlung gerichtlich anfechten. Die Anfechtungsklage muss fristgerecht eingereicht werden und kann sich beispielsweise auf Verstöße gegen Gesetz oder Satzung, Formfehler oder unzureichende Auskünfte stützen.

Nichtigkeit

In schwerwiegenden Fällen, etwa bei Verstößen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder gegen die guten Sitten, sind Generalversammlungsbeschlüsse automatisch nichtig. Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu berücksichtigen und kann nicht durch einfache Beschlussfassung geheilt werden.


Besondere Erscheinungsformen und Reformen

Virtuelle Generalversammlungen

Mit der Digitalisierung und insbesondere als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie haben virtuelle oder hybride Generalversammlungen an Bedeutung gewonnen. Hierbei können die Ausübung des Stimmrechts, die Teilnahme an Aussprachen und die Beschlussfeststellung auf elektronischem Wege erfolgen, sofern die Satzung eine solche Durchführung erlaubt oder eine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde.

Außerordentliche Generalversammlungen

Neben den regulären, meist jährlich stattfindenden Generalversammlungen kann in dringenden oder speziellen Fällen eine außerordentliche Generalversammlung einberufen werden, zum Beispiel zur Beschlussfassung über unvorhergesehene wichtige Angelegenheiten.


Haftungsfragen und Rechtsfolgen

Verantwortlichkeit der Organisatoren

Die Einberufung und Durchführung der Generalversammlung unterliegen bestimmten Sorgfaltspflichten. Verstöße können Haftungsansprüche der Gesellschaft oder Dritter begründen.

Auswirkungen der Beschlüsse

Rechtswirksam gefasste Beschlüsse der Generalversammlung sind für die Gesellschaft bindend und entfalten unmittelbare Rechtsfolgen. Ihre Vollziehbarkeit ist jedoch stets an die Einhaltung der gesetzlichen Formalien gebunden.


Zusammenfassung und Bedeutung der Generalversammlung im Gesellschaftsrecht

Die Generalversammlung stellt das zentrale Willensbildungs- und Kontrollorgan bei Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereinen dar. Ihre rechtliche Ausgestaltung ist detailliert geregelt und bildet das Fundament für die demokratische und transparente Entscheidungsfindung innerhalb von Gesellschaften. Die korrekte Durchführung, Einhaltung der Formvorschriften und der Schutz der Mitgliederrechte sind für die Wirksamkeit und Legitimität der Generalversammlung von elementarer Bedeutung. Im Zuge der Digitalisierung erfährt der Begriff zudem eine zunehmende Modernisierung durch virtuelle oder hybride Versammlungsformen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Teilnahme an einer Generalversammlung berechtigt?

Zur Teilnahme an einer Generalversammlung sind in der Regel alle Aktionäre der jeweiligen Aktiengesellschaft berechtigt. Das Teilnahmerecht ist im deutschen Aktiengesetz (AktG) ausdrücklich geregelt und kann im Fall börsennotierter Gesellschaften von einer ordnungsgemäßen Anmeldung und dem rechtzeitigen Nachweis des Aktienbesitzes abhängig gemacht werden (§ 123 AktG). Aktionäre können ihr Teilnahmerecht persönlich oder durch einen Bevollmächtigten, z.B. einen Vertreter oder eine Aktionärsvereinigung, ausüben. Zusätzlich können Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie gegebenenfalls der Abschlussprüfer an der Generalversammlung teilnehmen, Letzterer allerdings meist nur bei bestimmten Tagesordnungspunkten wie der Jahresabschlusspräsentation und Entlastungsfragen. In besonderen Fällen kann das Recht zur Teilnahme auch entzogen oder eingeschränkt werden, etwa wenn eine Stimmrechtsausübung gemäß § 136 AktG ausgeschlossen ist. Die Gesellschaft kann zudem nach ihrer Satzung auch weiteren Personen, zum Beispiel Pressevertretern oder bestimmten Gästen, die Anwesenheit gestatten, diese haben aber weder Stimm- noch Rederecht. Für außerbörsliche Gesellschaften gelten in der Regel ebenfalls die Vorgaben des AktG, wobei dort der Nachweis der Aktionärseigenschaft oft durch Eintragung im Aktienbuch zum Zeitpunkt der Versammlung genügt.

Welche formalen Einberufungsfristen müssen bei der Generalversammlung eingehalten werden?

Die Einberufung einer Generalversammlung muss ordnungsgemäß und fristgerecht erfolgen. Nach § 123 Abs. 1 AktG gilt für ordentliche Hauptversammlungen eine Einberufungsfrist von mindestens 30 Tagen vor dem Versammlungstag. Diese Frist verlängert sich um die Tage der Anmeldefrist, sodass die Einberufung zu veröffentlichten Generalversammlungen börsennotierter Unternehmen häufig 36 Tage vor dem Termin bekanntzugeben ist. Die Einberufung erfolgt typischerweise durch den Vorstand, wobei die Einberufung durch das Bekanntmachungsorgan der Gesellschaft zu erfolgen hat – dies ist in der Satzung geregelt, in der Regel das elektronische Bundesanzeiger. In besonderen Fällen, zum Beispiel auf Verlangen einer qualifizierten Minderheit (mindestens 5% des Grundkapitals oder Nennbetrag von 500.000 Euro), kann nach § 122 AktG auch eine Minderheiten-Einberufung durch den Aufsichtsrat oder notfalls gerichtlich durchgesetzt werden. Die Einberufung muss zwingend Tagesordnungspunkte und sämtliche zur Beschlussfassung vorgesehenen Anträge enthalten; unvollständige oder verspätete Einberufungen können zur Nichtigkeit von dort gefassten Beschlüssen führen.

Welche Rolle spielt die Tagesordnung bei der Generalversammlung und wie kann sie erweitert werden?

Die Tagesordnung ist das formale Gerüst der Generalversammlung und legt die Reihenfolge und den Inhalt der zu behandelnden Themen fest. Sie wird mit der Einberufung bekanntgegeben und ist für den Ablauf der Versammlung bindend. Nur über rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigte Tagesordnungspunkte können Beschlüsse gefasst werden; Ausnahmen gibt es für reine Diskussionspunkte und Fragen, nicht aber für Beschlüsse. Aktionäre, die eine bestimmte Kapitalmehrheit erreichen (5% des Grundkapitals oder Nennbetrag von 500.000 Euro; § 122 AktG), können die Ergänzung der Tagesordnung verlangen, wobei das Verlangen spätestens 24 Tage vor der Versammlung (bei börsennotierten Gesellschaften) der Gesellschaft zugehen muss. Die Ergänzung ist dann vom Vorstand unverzüglich zu veröffentlichen. Nach Beginn der Generalversammlung ist eine Ergänzung grundsätzlich nicht mehr möglich; während der Versammlung können Anträge zu Tagesordnungspunkten gestellt werden, aber nicht zu völlig neuen Gegenständen.

Welche Beschlussfassungserfordernisse gelten für Generalversammlungen?

Für die Beschlussfassung gelten die gesetzlichen oder satzungsmäßig vereinbarten Mehrheiten. Das deutsche Aktiengesetz sieht grundsätzlich für einfache Beschlüsse die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vor (§ 133 AktG). Abweichend davon sind für grundlegende Entscheidungen, wie Satzungsänderungen oder Kapitalmaßnahmen, qualifizierte Mehrheiten notwendig: So bedürfen Satzungsänderungen in der Regel einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals (§ 179 AktG). Die Satzung der Gesellschaft kann die Mehrheiten und Quoren weiter erhöhen oder herabsetzen, wobei eine Unterschreitung der im Gesetz niedergelegten Grenzen nicht zulässig ist. Stimmrechtsausschlüsse, z.B. bei Interessenkonflikten oder eigenen Aktien, sind nach § 136 AktG zu beachten und führen dazu, dass die entsprechenden Stimmen bei der Berechnung der Mehrheiten nicht mitzählen. Für die Feststellung, ob eine Beschlussfassung wirksam ist, kommt es stets auf die rechtzeitige Bekanntgabe, die Identität der Anwesenden und die Protokollierung an.

Welche rechtlichen Anforderungen sind an die Protokollierung der Generalversammlung gestellt?

Die Generalversammlung ist umfassend zu protokollieren. Nach § 130 AktG müssen bei börsennotierten Gesellschaften ein notarielles Protokoll angefertigt werden, das insbesondere bei Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen und anderen formbedürftigen Beschlüssen verpflichtend ist. In anderen Fällen genügt grundsätzlich eine schriftliche Niederschrift durch den Versammlungsleiter. Das Protokoll muss Angaben zu Ort, Zeit, Vorsitz, Gegenstand der Tagesordnung und sämtlichen Abstimmungsergebnissen enthalten. Bei Beschlüssen mit Formvorschriften (z.B. Satzungsänderungen) ist die notarielle Beglaubigung zwingend, da ohne sie die Beschlüsse nichtig sind. Das Protokoll hat Beweisfunktion für die richtige Durchführung und deren Ergebnisse und muss auf Verlangen jedem Aktionär Einsicht gewährt werden. Fehlende oder fehlerhafte Protokollierungen können im Extremfall die Unwirksamkeit betroffener Beschlüsse nach sich ziehen.

Welche Rechte haben Minderheitsaktionäre in Zusammenhang mit der Generalversammlung?

Minderheitsaktionäre besitzen im Rahmen der Generalversammlung eine Reihe spezifischer Rechte, die der Wahrung ihrer Interessen dienen. Hierzu gehört nach § 122 AktG insbesondere das Recht, eigene Tagesordnungspunkte einzubringen (ab 5% Kapital oder 500.000 Euro Nennbetrag), die Einberufung einer Generalversammlung zu verlangen und Sonderprüfungen (§ 142 AktG) zu beantragen. Darüber hinaus steht ihnen das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG zu; sie können in der Versammlung vom Vorstand umfassende Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung erforderlich ist. Auch das Anfechtungsrecht ermöglicht Minderheiten, Beschlüsse der Generalversammlung bei Verstoß gegen Gesetz oder Satzung anzufechten (§ 245 AktG). Weitere Rechte können sich aus der Satzung ergeben oder durch Kapitalvereinigungen (Aktionärspools) verstärkt werden.

Welche Folgen hat ein Verstoß gegen formale Vorschriften der Generalversammlung?

Verstoßen die Einberufung, die Durchführung oder die Beschlussfassung einer Generalversammlung gegen formale oder materielle Vorschriften, kann dies die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse bewirken. Die Anfechtbarkeit ist nach § 243 ff. AktG insbesondere bei Verletzung von Informations-, Einberufungs- oder Mitteilungsrechten der Aktionäre gegeben und führt dazu, dass ein Beschluss mittels Klage für unwirksam erklärt werden kann. Solche Klagen müssen binnen eines Monats nach Beschlussfassung beim zuständigen Landgericht erhoben werden. In besonders schwerwiegenden Fällen – etwa bei fehlender Einberufung, Kompetenzüberschreitung oder groben Verstößen gegen das Aktienrecht – ist bereits die Nichtigkeit der Beschlüsse gegeben (§ 241 AktG), das heißt sie gelten von Anfang an als unwirksam. Fehlerhafte Durchführung kann zudem Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft oder die handelnden Organe begründen.