Legal Lexikon

Generalstreik


Definition und Begriff des Generalstreiks

Der Generalstreik bezeichnet im Arbeitsrecht eine zeitlich begrenzte, kollektive Arbeitsniederlegung, die von der Gesamtheit oder einem bedeutenden Teil der Arbeitnehmenden eines Landes, einer Branche oder eines größeren Wirtschaftszweigs durchgeführt wird. Ziel eines Generalstreiks ist die Durchsetzung politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Forderungen, die über betriebliche oder branchenbezogene Anliegen hinausgehen und zumeist gesamtgesellschaftliche Veränderungen anstreben. Im Gegensatz zum klassischen Streik, der sich typischerweise auf tarifliche oder unternehmensspezifische Ziele beschränkt, umfasst der Generalstreik Anliegen von grundsätzlicher öffentlicher Bedeutung und richtet sich oft an die politische Entscheidungsebene.

Abgrenzungen und Begriffsbestimmungen

Abgrenzung zu anderen Streikformen

Der Generalstreik ist abzugrenzen vom betrieblichen oder branchenbezogenen Streik, der sich auf spezifische Tarifkonflikte oder einzelbetriebliche Auseinandersetzungen beschränkt. Ein weiterer abzugrenzender Begriff ist der politische Streik, bei dem Arbeitsniederlegungen zur Durchsetzung politischer Forderungen eingesetzt werden. Während politische Streiks oft punktuelle Aktionen darstellen, ist der Generalstreik durch seinen umfassenden, gesamtgesellschaftlichen Charakter geprägt.

Geschichtliche Entwicklung

Historisch gesehen spielte der Generalstreik eine maßgebliche Rolle in verschiedenen sozialen Bewegungen und politischen Umwälzungen. Bedeutende Ereignisse wie der Generalstreik von 1920 in Deutschland oder der Generalstreik 1968 in Frankreich prägten entscheidend die Entwicklung des Arbeitskampfrechts und die Rolle von Gewerkschaften.

Rechtliche Einordnung des Generalstreiks

Allgemeiner Rechtsrahmen

Der Generalstreik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Arbeitskampfrecht, kollektiven Koalitionsfreiheiten und dem Verbot politischer Streiks in nationalen Rechtsordnungen. In Deutschland ist das Recht, zur Durchsetzung tariflicher Ziele zur Arbeitsniederlegung zu greifen, durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützt. Die Koalitionsfreiheit garantiert sowohl das Recht, Gewerkschaften zu gründen, als auch kollektive Arbeitskämpfe zu führen.

Zulässigkeit nach deutschem Recht

Tarifliche Ziele als Voraussetzung

Für die Rechtmäßigkeit eines Streiks, einschließlich des Generalstreiks, ist Voraussetzung, dass dieser zur Durchsetzung tariflicher Ziele dient (“Tarifausrichtung”). Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Arbeitskämpfe ausschließlich dann zulässig, wenn sie sich auf tariflich regelbare Arbeitsbedingungen beziehen.

Verbot politischer Streiks

Politische Streiks, die auf die Veränderung von gesetzlichen Rahmenbedingungen und politischen Entscheidungen abzielen, sind nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig. Ein Generalstreik, der politische Zwecke verfolgt, fällt somit nicht unter den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Dies führt dazu, dass Teilnehmende und aufrufende Gewerkschaften unter Umständen mit arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Sanktionen belegt werden können, etwa durch Schadenersatzforderungen und außerordentliche Kündigungen.

Unterschied: Solidaritätsstreik und Generalstreik

Während der Solidaritätsstreik ein Arbeitskampfmittel darstellt, das die Unterstützung anderer Arbeitskämpfe innerhalb einer Branche oder eines Tarifkonflikts bezweckt, hat der Generalstreik eine darüber hinausgehende, gesamtgesellschaftliche Stoßrichtung und unterscheidet sich mithin in seinem rechtlichen Schutzumfang.

Europarechtliche Dimension

Im Recht der Europäischen Union ist das Streikrecht als Grundrecht anerkannt (Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union). Dabei bleibt die Ausgestaltung des Streikrechts den Mitgliedsstaaten vorbehalten. Die Europäische Sozialcharta erkennt das Recht auf Kollektivmaßnahmen, einschließlich Streik, an. Dennoch bestehen erhebliche Unterschiede in der nationalen Ausgestaltung und der Zulässigkeit generalstreikähnlicher Arbeitskampfmaßnahmen.

Völkerrechtliche Perspektive

Nach dem Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) kann das Streikrecht als integraler Bestandteil der Vereinigungsfreiheit betrachtet werden. Die genaue rechtliche Bewertung von Generalstreiks im Rahmen dieser völkerrechtlichen Regelungen hängt jedoch von der nationalen Umsetzung und Ausgestaltung ab.

Rechtliche Folgen und Konsequenzen

Folgen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die Teilnahme am rechtlich unzulässigen Generalstreik kann gravierende arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Möglich sind:

  • Abmahnungen und verhaltensbedingte bis verhaltensbedingte Kündigungen
  • Schadenersatzforderungen durch Arbeitgeber für entstandene wirtschaftliche Schäden
  • Ausschluss von sozialen Leistungen während des Streiks

Folgen für Gewerkschaften und Organisationen

Gewerkschaften und andere aufrufende Organisationen können bei rechtswidrigen Generalstreikaufrufen für entstandene Schäden haftbar gemacht werden. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen drohen Maßnahmen, die sich unmittelbar auf die Rechtspersönlichkeit und die Handlungsfähigkeit der Organisation auswirken können.

Staatliche Maßnahmen und Grenzen

Der Staat kann unter bestimmten Voraussetzungen streikbrechende Maßnahmen anordnen, insbesondere wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung betroffen ist. Dies betrifft etwa die Sicherstellung sogenannter Notdienste in Bereichen der kritischen Infrastruktur.

Internationaler Vergleich

Frankreich

In Frankreich ist das Streikrecht als Grundrecht mit Verfassungsrang anerkannt. Politische Generalstreiks sind Teil der Arbeitskampftradition und werden von den Gerichten weitgehender toleriert als im deutschen Recht.

Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich bestehen restriktive Regelungen für Arbeitskämpfe. Politische und Generalstreiks genießen keinen gesetzlichen Schutz und sind in der Regel untersagt.

Schweiz

Die Schweizer Rechtsordnung unterscheidet zwischen erlaubten und nicht erlaubten Streiks. Politische Streiks gelten als unzulässig, Tarifstreiks sind unter Voraussetzung ihrer Verhältnismäßigkeit erlaubt.

Zusammenfassung und Ausblick

Der Generalstreik stellt eine besonders weitreichende und gesellschaftlich bedeutsame Form des Arbeitskampfes dar. Im deutschen Rechtssystem ist seine Zulässigkeit eng an das Erreichen tariflicher Ziele gebunden, wodurch politische Generalstreiks grundsätzlich nicht legal sind. Sanktionen gegen teilnehmende Personen oder Organisationen sind möglich, wenn die rechtlichen Grenzen überschritten werden. Im internationalen Vergleich variiert die Zulässigkeit von Generalstreiks teils erheblich, was zu unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Traditionen führt. Die Diskussion über Sinn, Grenzen und rechtliche Zulässigkeit dieser kollektiven Protestform bleibt angesichts gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen weiterhin aktuell.

Häufig gestellte Fragen

Ist ein Generalstreik in Deutschland rechtlich zulässig?

In Deutschland ist der Generalstreik, also ein umfassender, vorwiegend politisch motivierter Streik, der nahezu alle Wirtschaftsbereiche betrifft, rechtlich problematisch. Das Grundgesetz gewährt zwar das Streikrecht im Rahmen der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), dieses wird jedoch traditionell und auch durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) restriktiv ausgelegt. Zulässig sind nur Arbeitskämpfe mit tariflichem Ziel, das heißt Streiks, die sich auf konkrete Forderungen im Rahmen eines Tarifvertrags beziehen. Ein Generalstreik aus politischen Gründen, insbesondere zur Beeinflussung hoheitlicher Maßnahmen oder zur Herbeiführung politischer Veränderungen, ist in Deutschland daher rechtlich als unzulässige Aktion anzusehen und nicht durch das Streikrecht gedeckt. Teilnehmer und Initiatoren riskieren hierbei insbesondere arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Abmahnungen oder sogar Kündigungen.

Welche arbeitsrechtlichen Folgen drohen Arbeitnehmern bei Beteiligung an einem Generalstreik?

Arbeitnehmer, die sich an einem Generalstreik beteiligen, gehen ein erhebliches arbeitsrechtliches Risiko ein. Da ein solcher Streik in der Regel nicht durch das Arbeitskampf- oder Tarifrecht geschützt ist, gilt die unerlaubte Arbeitsniederlegung als Vertragsverletzung. Arbeitgeber sind berechtigt, für die Ausfallzeit das Arbeitsentgelt zu verweigern. Weiterhin können betroffene Arbeitnehmer abgemahnt, im Wiederholungsfall sogar ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden. Darüber hinaus haftet der Arbeitnehmer im Regelfall nicht für Folgeschäden beim Arbeitgeber, eine Schadensersatzpflicht ist jedoch nicht vollständig ausgeschlossen, insbesondere bei massiven oder absichtlichen Verstößen.

Inwiefern unterscheiden sich politische und tarifliche Streiks rechtlich voneinander?

Tarifliche Streiks sind in Deutschland durch die Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt und können im Rahmen der Tarifautonomie durchgeführt werden, sofern sie verhältnismäßig sind und nach Scheitern der Verhandlungen angekündigt wurden. Politische Streiks, die sich gegen Maßnahmen der Regierung richten oder allgemeine politische Veränderungen herbeiführen wollen, sind hingegen rechtlich nicht gedeckt. Das Arbeitsrecht schützt nur solche Arbeitsniederlegungen, die in direktem Zusammenhang mit tariflichen Forderungen stehen. Politisch motivierte Arbeitskämpfe, zu denen typischerweise auch Generalstreiks gezählt werden, fallen nicht unter die geschützten Arbeitskampfmittel und sind daher grundsätzlich rechtswidrig.

Haben Gewerkschaften ein Recht, zu einem Generalstreik aufzurufen?

Gewerkschaften dürfen in Deutschland nur zu rechtlich zulässigen und durch das Arbeitskampfrecht gedeckten Maßnahmen aufrufen. Ein Aufruf zum Generalstreik, der sich auf politische Ziele richtet, überschreitet die rechtlichen Grenzen des Koalitionsrechts. Ein solcher Aufruf kann für die Gewerkschaft selbst rechtliche Konsequenzen haben, darunter Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der betroffenen Arbeitgeber. Zudem könnte ein solcher Streikaufruf gegen das Gebot der Tariftreue und Neutralität der Gewerkschaftsarbeit verstoßen, was wiederum haftungsrechtliche und satzungsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

Gibt es Ausnahmen, in denen ein politisch motivierter Streik als zulässig angesehen werden könnte?

In der deutschen Rechtsordnung existieren nur sehr begrenzte Ausnahmen, etwa wenn politische Entscheidungen unmittelbare Auswirkungen auf tarifliche Regelungen oder gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit haben. Allerdings muss stets ein konkreter Bezug zum Tarifrecht oder zu arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen bestehen. Rein politische Proteststreiks oder Generalstreiks, die beispielsweise auf die Änderung der Staats- oder Regierungsstruktur zielen, bleiben auch in diesen Ausnahmekonstellationen rechtlich nicht gedeckt. Lediglich Warnstreiks mit mittelbarem politischen Bezug, zum Beispiel zur Abwehr tarifwidriger Gesetzgebung, werden unter Umständen als zulässig bewertet, sofern sie eng an arbeitsrechtliche Belange geknüpft sind.

Welche strafrechtlichen Aspekte könnten bei einem Generalstreik relevant werden?

Neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen können Generalstreiks auch strafrechtliche Relevanz entfalten, insbesondere, wenn dadurch Betriebe oder Infrastruktur erheblich gestört werden. Beispielsweise kann es bei gezielten Blockaden, Sabotagehandlungen oder unerlaubtem Eindringen auf Betriebsgelände zu Straftatbeständen wie Nötigung (§ 240 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), oder gar (schweren) Eingriffen in den Bahn-, Luft- oder Straßenverkehr (§§ 315 ff. StGB) kommen. Die bloße Teilnahme an einem nicht genehmigten Streik ist jedoch grundsätzlich nicht strafbar, sofern nicht weitere strafbare Handlungen damit verbunden sind. Die strafrechtliche Bewertung hängt maßgeblich vom Verhalten der Streikenden und den jeweiligen Umständen ab.

Können ausländische Streikrechte auf den deutschen Generalstreik übertragen werden?

Im internationalen Vergleich gibt es Länder, in denen Generalstreiks – auch politisch motivierte – rechtlich zulässig oder sogar anerkannt sind, wie beispielsweise in Frankreich oder Italien. Die Rechtslage dieser Länder ist jedoch nicht auf das deutsche Arbeitskampfrecht übertragbar, da das deutsche Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Zulässigkeit von Streiks auf ökonomische, tarifliche Ziele beschränken. Folglich bleiben Generalstreiks, basierend auf ausländischen Vorbildern oder Grundsatzentscheidungen, vor deutschen Arbeitsgerichten weiterhin unzulässig und werden nicht durch das nationale Recht oder internationale Konventionen anerkannt.