Legal Lexikon

Gendersternchen


Definition und rechtliche Einordnung des Gendersternchens

Das Gendersternchen (*) ist ein typografisches Zeichen, das seit etwa den 2010er-Jahren im deutschsprachigen Raum zur Kennzeichnung geschlechtergerechter Sprache verwendet wird. Es dient dazu, Personenbezeichnungen und Sammelbegriffe möglichst inklusiv zu gestalten und neben Männern und Frauen auch nicht-binäre Personen sprachlich einzuschließen. Im rechtlichen Kontext hat das Gendersternchen zunehmend an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Hinblick auf Gleichstellung, Diskriminierungsverbot und die Auslegung gesetzlicher Vorschriften.


Rechtsgrundlagen und rechtspolitischer Hintergrund

Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsgebot

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) normiert in Artikel 3 Absatz 3 das Diskriminierungsverbot und in Artikel 3 Absatz 2 das Gleichstellungsgebot („Männer und Frauen sind gleichberechtigt.”). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 (BVerfGE 147, 1-41) zur „dritten Option” ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht zusammen mit dem Diskriminierungsverbot so auszulegen, dass binäre Einschränkungen (männlich/weiblich) verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen können. Das Gendersternchen wird daher als ein sprachliches Mittel betrachtet, um verfassungsrechtlichen Anforderungen an Diskriminierungsfreiheit und Inklusion auch bei Personenbezeichnungen gerecht zu werden.

Antidiskriminierungsrecht

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 verfolgt mit §§ 1 und 2 das Ziel, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu verhindern und zu beseitigen. Die Sprachpraxis, die das Gendersternchen verwendet, kann daher in öffentlichen und privatrechtlichen Kontexten als ein Beitrag zur Umsetzung der Ziele des AGG gesehen werden. Gleichwohl besteht weder auf Bundes- noch auf Landesebene eine ausdrückliche Verpflichtung zum Gebrauch des Gendersternchens, wenngleich Behörden und öffentliche Stellen zunehmend Gebrauch davon machen.


Das Gendersternchen in der Rechtspraxis

Verwaltung und amtliche Kommunikation

Viele Behörden, Hochschulen und Kommunen setzten das Gendersternchen in offiziellen Texten ein, um alle Geschlechteransprachen abzubilden. In einigen Verwaltungsvorschriften, wie beispielsweise der „Leitlinie für eine geschlechtersensible Sprache” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von August 2019, wird explizit auf das Gendersternchen als bevorzugtes Mittel verwiesen. Es dient als Instrument zur Erfüllung verwaltungsinterner Gleichstellungsziele und steht im Einklang mit den jeweiligen Gleichstellungsgesetzen.

Rechtsprechung zum Thema Gendersternchen

Bislang existieren keine bundesweit bindenden höchstrichterlichen Entscheidungen, die den Gebrauch des Gendersternchens vorschreiben oder untersagen. Einige arbeitsgerichtliche Urteile, wie etwa das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. Juni 2021 (Az. 1 Sa 70 öD/21), thematisieren geschlechtergerechte Sprache im Kontext von Stellenausschreibungen und Gleichbehandlungsgebot. Die Gerichte setzen hier voraus, dass Diskriminierungsfreiheit in allen Personalangelegenheiten gewahrt wird, nehmen jedoch zum Gendersternchen nicht ausdrücklich Stellung. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde bisher eher der Anspruch auf diskriminierungsfreie Ansprache thematisiert, nicht jedoch explizit die Frage nach der Notwendigkeit des Gendersternchens.


Das Gendersternchen im Kontext individueller Rechtspositionen

Namensrecht und Standesamt

Das Personenstandsgesetz (PStG) wurde infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angepasst, sodass neben „männlich” oder „weiblich” zur Bezeichnung des Geschlechts auch die Möglichkeit für „divers” besteht. Die Verwendung des Gendersternchens im eigentlichen Personenstandsregister ist bislang nicht vorgesehen. In Einzelentscheidungen bestimmter Standesämter wird die gendersensible Ansprache jedoch teilweise in Begleitdokumenten verwendet.

Gleichbehandlungsanspruch in Texten und Formularen

Ein rechtlicher Anspruch auf Verwendung von Gendersternchen in amtlichen oder privaten Schriftstücken besteht nach aktueller Gesetzeslage nicht. Klagen auf Durchführung gendersensibler Sprache wurden überwiegend abgewiesen, sofern keine eindeutige Benachteiligung vorliegt und den gesetzlichen Pflichten Genüge getan wurde, etwa durch die Bezeichnung männlich/weiblich/divers oder durch geschlechtsneutrale Formulierungen.


Vertragsrecht und arbeitsrechtliche Aspekte

Wirkung im Arbeitsverhältnis

In Stellenanzeigen, Arbeitsverträgen und betrieblichen Handbüchern dient das Gendersternchen der Umsetzung der Gleichbehandlungspflicht und kann für Arbeitgeber einen Beitrag zur diskriminierungsfreien Personalpolitik leisten. Das Gendersternchen in Arbeitsplatzbeschreibungen oder Bewerbungsportalen ist jedoch nicht zwingend gefordert, sondern bleibt ein freiwilliges Mittel zur Erfüllung des AGG.

Relevanz in Verträgen

Im Privatrecht sind die Parteien grundsätzlich in der Gestaltung ihrer Verträge frei. Es existiert keine allgemeine Pflicht, das Gendersternchen zu verwenden. In Standardverträgen größerer Konzerne und öffentlichen Einrichtungen wird es jedoch zunehmend eingesetzt, um eine inklusive Ansprache aller Vertragspartner zu gewährleisten und Diskriminierungsvorwürfen vorzubeugen.


Datenschutzrecht und Gendersternchen

Die Angaben zum Geschlecht stellen personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Die Verwendung des Gendersternchens in Formularen oder bei der Datenerfassung kann einen Beitrag dazu leisten, die Anforderungen an Datenminimierung und die Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen betroffener Personen umzusetzen. Allerdings schreibt die DSGVO keine spezielle Form der Ansprache vor.


Sprachgesetzgebung und internationale Einordnung

Sprachrechtliche Normierungen in Deutschland

Das Gendersternchen ist nicht in Gesetzen oder amtlichen Regelwerken explizit geregelt. Vielerorts existieren interne Leitlinien (z. B. „Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache” des Deutschen Bundestages), die zur Sensibilisierung beitragen, rechtlich aber nicht bindend sind.

Internationale Regelungen

In anderen deutschsprachigen Ländern wie Österreich und der Schweiz ist das Gendersternchen ebenfalls bekannt, jedoch stehen dort häufig alternative Formen wie Binnen-I oder Gender-Doppelpunkt im Vordergrund. Rechtliche Vorgaben zur verpflichtenden Verwendung des Gendersternchens bestehen auch international nicht.


Kritik, Schranken und Rechtsschutz

Schranken der Verwendung

Die Verwendung des Gendersternchens steht zum Teil in Konflikt mit den Anforderungen an Lesbarkeit, Barrierefreiheit (insbesondere bei Bildschirmlesegeräten/Screenreadern) und der deutschen Rechtschreibung, wie sie der Rat für deutsche Rechtschreibung definiert. Bislang wurde das Gendersternchen nicht als Bestandteil des amtlichen Regelwerks aufgenommen.

Rechtsschutz und Konfliktfälle

Bei Auseinandersetzungen um das Thema Gendersternchen, etwa im Bildungsbereich oder im öffentlichen Dienst, steht regelmäßig das Diskriminierungsverbot dem Grundsatz der Sprachfreiheit gegenüber. Gerichte wägen in Einzelfällen die Interessen der Antragstellenden mit öffentlichen Belangen und den jeweiligen Sprachleitlinien ab.


Zusammenfassung

Das Gendersternchen hat sich als wichtiges Instrument zur sprachlichen Gleichbehandlung und Inklusion entwickelt. Aus rechtlicher Sicht ist es ein freiwilliges Mittel, das zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben und einfachgesetzlicher Diskriminierungsverbote beitragen kann. Eine bundesweit verbindliche Regelung zur Verpflichtung oder zum Verbot des Gendersternchens besteht bislang nicht. Entscheidend ist im Einzelfall die Berücksichtigung der allgemeinen Gleichbehandlung und das Vermeiden von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der geschlechtlichen Identität. Mit fortschreitender gesellschaftlicher Debatte und der Weiterentwicklung des Diskriminierungs- und Gleichstellungsrechts könnte sich auch die rechtliche Bewertung und Behandlung des Gendersternchens zukünftig verändern.

Häufig gestellte Fragen

Ist die Verwendung des Gendersternchens rechtlich verpflichtend?

Die Verwendung des Gendersternchens ist in Deutschland derzeit rechtlich nicht verpflichtend. Es besteht keine allgemeingesetzliche Vorschrift, die Behörden, Unternehmen oder Privatpersonen dazu verpflichtet, das Gendersternchen in der schriftlichen oder mündlichen Kommunikation zu benutzen. Allerdings können interne Richtlinien, Gleichstellungspläne oder Diversity-Konzepte den Gebrauch des Gendersternchens empfehlen oder vorschreiben, beispielsweise an Hochschulen oder in Unternehmen. Öffentliche Stellen sind verpflichtet, die Gleichstellung der Geschlechter zu achten, etwa gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dies erfordert jedoch keine spezifische Form des Genderns, sondern lediglich eine diskriminierungsfreie Sprache, die auch durch andere Formen wie den Gender-Doppelpunkt oder die Paarform erreicht werden kann.

Kann die Verwendung des Gendersternchens gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen?

Im Zusammenhang mit dem in Artikel 3 des Grundgesetzes sowie im AGG normierten Diskriminierungsverbot ist die Frage von Bedeutung, ob die Nutzung des Gendersternchens diskriminierend wirken kann. Nach aktuellem Stand der Rechtsprechung wird die Verwendung des Gendersternchens jedenfalls grundsätzlich nicht als Diskriminierung eingestuft. Vielmehr kann dessen Gebrauch einen positiven Beitrag zum Schutz vor Diskriminierung leisten, indem er geschlechtliche Vielfalt sichtbar macht. Einzelne Personen könnten sich allerdings in ihrer geschlechtlichen Identität benachteiligt fühlen, wenn etwa ausschließlich das Sternchen und nicht andere Formen verwendet werden. Insbesondere bei amtlichen Urkunden oder Formularen müssen daher gegebenenfalls alternative Lösungen angeboten werden, um jegliche Benachteiligung zu vermeiden.

Gibt es gerichtliche Entscheidungen zur Zulässigkeit des Gendersternchens in amtlichen Dokumenten?

Bislang liegen keine höchstrichterlichen Urteile vor, die umfassend zur generellen Zulässigkeit oder zum Verbot des Gendersternchens in amtlichen Dokumenten Stellung genommen haben. Einzelne Verwaltungsgerichte haben sich jedoch zu Themen wie Geschlechtseinträgen oder der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten geäußert, etwa mit Blick auf das sogenannte “dritte Geschlecht”. In diesen Entscheidungen wurde stets betont, dass die staatliche Kommunikation niemanden ausschließen oder diskriminieren dürfe. Sollte das Gendersternchen in amtlichen Dokumenten Verwendung finden, wäre daher sicherzustellen, dass die Lesbarkeit und rechtliche Eindeutigkeit nicht beeinträchtigt werden.

Wie wirkt sich die Verwendung des Gendersternchens in Arbeitsverträgen oder Stellenanzeigen rechtlich aus?

Bei Arbeitsverträgen und insbesondere bei Stellenausschreibungen ist die Rechtslage durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geprägt. Das AGG fordert eine geschlechtsneutrale Gestaltung von Stellenanzeigen, sodass alle Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, angesprochen werden. Die Verwendung des Gendersternchens (z.B. “Mitarbeiter*in”) wird juristisch als ausreichend angesehen, um dieser Anforderung nachzukommen. Sie gilt rechtlich als Fußnote darauf, dass auch Personen jenseits des binären Geschlechterspektrums gemeint sind. Allerdings kann alternativ auch die Nutzung anderer neutraler Formen erfolgen; das AGG schreibt keine konkrete sprachliche Lösung vor.

Welche juristischen Herausforderungen bestehen im Hinblick auf Barrierefreiheit?

Ein juristischer Problempunkt im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit betrifft insbesondere Menschen mit Sehbehinderungen, die auf Screenreader angewiesen sind. Bei der Verwendung des Gendersternchens können Schwierigkeiten auftreten, wenn Programme dieses Zeichen nicht korrekt interpretieren und aussprechen. Das Barrierefreiheitsrecht, das z.B. in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) geregelt ist, verlangt von öffentlichen Stellen, dass digitale Informationen für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Daraus kann sich die Empfehlung ergeben, alternative inklusive Formen zu wählen, sofern die Technik die inklusiv gedachte Schreibweise noch nicht oder nur unzureichend unterstützt.

Hat das Gendersternchen Auswirkungen auf die Rechtssicherheit juristischer Texte?

Die Nutzung des Gendersternchens in juristischen Texten wie Gesetzen, Verträgen oder amtlichen Mitteilungen ist mitunter umstritten. Die Rechtssicherheit kann beeinträchtigt werden, wenn mehrdeutige Auslegungen entstehen oder die Lesbarkeit leidet. In der Gesetzgebung wird bislang überwiegend auf traditionelle sprachliche Formen zurückgegriffen, da dort Präzision und Eindeutigkeit höchste Priorität haben. In Verträgen im privaten Sektor kann das Gendersternchen jedoch genutzt werden, sofern das Verständnis der Vertragsparteien eindeutig bleibt. Das deutsche Recht sieht keine Ungültigkeit von Rechtsdokumenten allein aufgrund genderinklusiver Sprache vor, empfiehlt jedoch eine klare und einheitliche Darstellung.