Legal Lexikon

Gendern


Begriff und Bedeutung des Genderns im Recht

Der Begriff „Gendern” bezeichnet sämtliche sprachlichen Maßnahmen, die eine geschlechtergerechte Kommunikation zum Ziel haben. Der Begriff leitet sich vom englischen „gender” ab, was das soziale Geschlecht und nicht das biologische beschreibt. Gendern betrifft insbesondere die Verwendung geschlechterneutraler und inklusiver Formulierungen in gesprochener und geschriebener Sprache. Ziel ist, unterschiedliche Geschlechtsidentitäten sprachlich sichtbar zu machen und Diskriminierung durch Sprache zu vermeiden. Mit der steigenden gesellschaftlichen Relevanz des Themas gewinnt auch die rechtliche Dimension des Genderns an Bedeutung. Die Fragen betreffen den Umgang mit genderneutralen Formen, Auswirkungen auf rechtliche Texte, Verwaltungskommunikation und rechtlich verpflichtende Normen.

Rechtliche Grundlagen und Vorgaben zum Gendern

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthält mit Art. 3 Abs. 1 und 2 GG das Gebot der Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz sowie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betont, dass Sprache ein wesentliches Medium gesellschaftlicher Teilhabe darstellt und eine geschlechtergerechte Sprache im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgebot stehen kann. Die Berücksichtigung geschlechtsneutraler oder geschlechtergerechter Sprache in amtlicher Kommunikation kann daher Ausdruck verfassungsrechtlich verankerter Gleichstellungsziele sein.

Einfachgesetzliche Regelungen

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts in zahlreichen Lebensbereichen, insbesondere im Arbeitsrecht und im Zivilrecht. Während das AGG kein ausdrückliches Gebot zur geschlechtergerechten Sprache enthält, betrifft das Geltungsfeld des Gesetzes auch Fälle sprachlicher Diskriminierung. Maßnahmen wie das Gendern können zur Einhaltung des Diskriminierungsverbots beitragen und werden in der Praxis vielfach angewendet.

Personenstandsgesetz (PStG)

Durch die Änderung des Personenstandsgesetzes (§ 22 Abs. 3 PStG) wurde in Deutschland die Möglichkeit geschaffen, „divers” als dritten Geschlechtseintrag zu führen. Die Einführung dieser rechtlichen Option fördert die Sichtbarkeit und Gleichbehandlung nicht-binärer Menschen und zeigt Auswirkungen auf behördliche und rechtliche Formulierungen. Infolgedessen stehen Formulare, Anschreiben oder Urkunden zunehmend vor der Herausforderung, eine angemessene und rechtssichere Ansprache aller Geschlechter zu gewährleisten.

Verwaltungsvorschriften und Richtlinien

In zahlreichen Bundesländern und Städten existieren Leitfäden und Empfehlungen zur Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache in der öffentlichen Verwaltung, etwa Dienstanweisungen und Handreichungen. Diese Verwaltungsregelungen verpflichten Beschäftigte zu gendersensibler Kommunikation, verwehren jedoch selten explizit traditionelle Formulierungen. Die verbindliche Kraft solcher Regelungen hängt von der jeweiligen Dienstherrin oder dem Dienstherrn ab und kann im Falle von Zuwiderhandlungen dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Gendern in Verwaltung, Bildung und Justiz

Verwaltungssprache

In offiziellen Schreiben und Formularen vieler Behörden wird zunehmend auf geschlechtergerechte Sprache geachtet. Dies betrifft beispielsweise die Formulierung von Bescheiden, Eingaben und Urkunden. Gesetzliche Vorschriften hierzu sind derzeit (Stand: Juni 2024) nicht bundeseinheitlich geregelt. Allerdings können Diskriminierungsverbote und dienstrechtliche Pflichten im Einzelfall die Verwendung solcher Sprachformen nahelegen.

Bildung und Hochschule

Im Bildungsbereich haben zahlreiche Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen Richtlinien eingeführt, die eine gendersensible Sprache in Prüfungsleistungen oder Lehrmaterialen empfehlen oder vorschreiben. Verstöße gegen diese Richtlinien können abhängig von der jeweiligen Prüfungsordnung bewertet werden. Hochschulgesetze einzelner Länder enthalten teils explizite Regelungen, etwa dass Gleichstellung auch in der Sprache sichtbar werden soll.

Rechtssprache und Rechtstexte

Amtliche Gesetzestexte bleiben bislang überwiegend bei traditionellen maskulinen Formulierungen, die durch Klammern, Schrägstriche oder Doppelnennungen ergänzt werden. So ist es üblich, auf das Recht aller „Bürgerinnen und Bürger” Bezug zu nehmen. Die Debatte um eine umfassende geschlechtergerechte Gesetzessprache hält an, und einzelne Bundesländer erproben Pilotprojekte zu neutralesen oder queergerechten Rechtsnormen.

Gerichtliche Entscheidungen zur Pflicht und Zulässigkeit von Genderformen existieren in Deutschland bislang nicht in grundlegender Form. Gleichwohl betonen verschiedene Gerichte die Bedeutung diskriminierungsfreier Kommunikation durch staatliche Organe.

Rechtliche Aspekte bei der Verwendung von Genderzeichen (Stern, Doppelpunkt, Unterstrich)

Die Verwendung von Genderzeichen wie Genderstern (*), Gender-Doppelpunkt (:) oder Unterstrich (_) ist Gegenstand sowohl praktischer Anwendung als auch rechtlicher Debatte. Rechtlich problematisch können solche Formen in amtlichen Texten werden, wenn sie die Verständlichkeit oder Rechtssicherheit beeinträchtigen. In amtlichen Urkunden und Gesetzestexten wird bevorzugt auf neutrale Formulierungen oder Paarformen zurückgegriffen.

Besonders im Schul- und Hochschulbereich wird die Verwendung alternativer Genderzeichen unterschiedlich bewertet; rechtliche Grundsatzentscheidungen etwa zur Bewertung in Prüfungen bestehen derzeit nicht.

Arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Implikationen

Arbeitsrecht

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, in schriftlicher und mündlicher Kommunikation nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert zu werden. Gendergerechte Sprache kann dazu beitragen, Diskriminierungen zu verhindern. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können spezifische Regelungen zur Sprache und Gleichstellung enthalten. Die Verwendung von Genderformen durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist jedoch bislang – abgesehen von Einzelfällen – nicht bundesweit rechtlich verpflichtend geregelt.

Datenschutzrecht

Soweit geschlechtsspezifische Daten im Rahmen des Genderns verarbeitet werden (z. B. bei Personalisierung von Anschreiben), ist das Datenschutzrecht einschlägig, insbesondere die DSGVO. Die Verarbeitung solcher Angaben erfordert eine Rechtsgrundlage sowie angemessene datenschutzrechtliche Sicherungsmaßnahmen.

Gendern im internationalen Kontext

Auch auf europäischer Ebene rücken geschlechtergerechte Sprachregelungen zunehmend in den Fokus, etwa durch Leitfäden der Europäischen Kommission zur inklusiven Sprache. Rechtlich verbindliche Vorgaben werden jedoch auf EU-Ebene überwiegend in Form von Empfehlungen ausgesprochen. Im internationalen Vertrags- und Verwaltungsverkehr wird zur Wahrung von Verständlichkeit häufig eine neutrale Formulierung gewählt.

Zusammenfassung

Das Gendern betrifft zahlreiche rechtliche Fragestellungen, die sich aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen von Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot ergeben. Rechtlich bindende Vorschriften zum Gendern bestehen bislang teils als Verwaltungsvorschriften, teils als Teil des dienstlichen und öffentlichen Sprachgebrauchs. In zentralen Rechtsgebieten wie dem Arbeitsrecht, im öffentlichen Sektor und zunehmend auch im Datenschutzrecht ergeben sich spezifische Anforderungen, die Einfluss auf Sprache und Formulierungen haben können. Das Thema entwickelt sich kontinuierlich weiter, sodass zukünftige Gesetzesinitiativen, verwaltungsinterne Leitlinien und gerichtliche Entscheidungen den rechtlichen Rahmen für das Gendern weiter präzisieren werden.

Häufig gestellte Fragen

Ist das Gendern in der deutschen Sprache gesetzlich vorgeschrieben?

Aktuell existiert in Deutschland keine generelle gesetzliche Pflicht zum Gendern in der deutschen Amtssprache. Weder das Grundgesetz noch einfache Gesetze des Bundes oder der Länder fordern explizit den Einsatz geschlechtergerechter Sprache in der Kommunikation von Behörden, Unternehmen oder Privatpersonen. Allerdings kann sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) oder speziellen Vorschriften, etwa im Hochschulbereich (Landeshochschulgesetze), die Verpflichtung einzelner Behörden oder Institutionen ergeben, eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Häufig geben interne Richtlinien, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften den Rahmen für das Gendern in öffentlichen oder institutionellen Texten vor. Im privaten Rechtsverkehr besteht keine rechtliche Verpflichtung, geschlechtergerechte Sprache anzuwenden, es sei denn, dies ist vertraglich vereinbart.

Gibt es rechtliche Konsequenzen bei Nichtbeachtung von Genderregeln in offiziellen Dokumenten?

Die rechtlichen Konsequenzen bei Nichtbeachtung von Genderregeln in offiziellen Dokumenten sind derzeit begrenzt. Da es keine bundesweit verbindliche gesetzliche Gendervorschrift gibt, drohen grundsätzlich keine direkten Sanktionen, wenn beispielsweise in einer behördlichen Mitteilung oder einem Gesetzestext auf geschlechtergerechte Sprache verzichtet wird. Lediglich in den Fällen, in denen spezielle Regelungen (wie interne Dienstanweisungen, Gleichstellungsrichtlinien in Behörden, hochschulinterne Prüfungsordnungen) bestehen, können disziplinarische Maßnahmen oder eine Aufforderung zur Textüberarbeitung erfolgen. Im Extremfall könnten Betroffene auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Diskriminierung geltend machen, weshalb es ratsam ist, bei offiziellen Texten etwaige interne Vorgaben zu beachten.

Inwieweit ist das Gendern im Kontext von Arbeitsverträgen und Stellenausschreibungen rechtlich relevant?

Arbeitsverträge und Stellenausschreibungen unterliegen dem Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dieses fordert, dass niemand aufgrund des Geschlechts benachteiligt werden darf. Um rechtlichen Risiken – etwa einer Klage wegen Benachteiligung eines Geschlechts – zu entgehen, hat sich der Zusatz “(m/w/d)” (männlich/weiblich/divers) bzw. die geschlechtsneutrale Formulierung in Stellenausschreibungen durchgesetzt. Zwar besteht keine Pflicht, Sternchen-, Doppelpunkt- oder Unterstrich-Formen zu nutzen, jedoch müssen Bekanntmachungen so gestaltet sein, dass sich alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen. Arbeitsrechtlich ist entscheidend, dass eine Diskriminierung vermieden wird: Die rein männliche oder weibliche Ansprache kann potenziell zu Entschädigungsforderungen führen, sollte sich ein Bewerber oder eine Bewerberin deswegen benachteiligt fühlen.

Welche gesetzlichen Vorgaben gelten für das Gendern in amtlichen Formularen und Bescheiden?

Für amtliche Formulare, Bescheide und sonstige hoheitliche Dokumente des Staates gibt es keine festgeschriebenen, einheitlichen gesetzlichen Gendervorgaben. Der Bund und viele Länder haben jedoch eigene Verwaltungsvorschriften oder Leitfäden verabschiedet, die einer geschlechtergerechten Sprache Vorschub leisten und Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung liefern. Es bleibt dabei dem jeweiligen Dienstherren überlassen, ob und welche Genderformen (z.B. Binnen-I, Gender-Stern, Unterstrich oder geschlechtsneutrale Ausdrücke) er verwendet. Wo diese Vorgaben bestehen, stellen sie jedoch für die unterstellten Behörden verbindliche Anweisungen dar und sind im Rahmen des dienstlichen Gehorsams zu befolgen.

Kann das Gendern Einfluss auf die Rechtsgültigkeit von Verträgen oder juristischen Texten haben?

Das Gendern beeinflusst in der Regel nicht die Rechtsgültigkeit von Verträgen und juristischen Texten. Die Präzision sowie die inhaltliche Klarheit und Verständlichkeit eines Rechtsdokuments sind maßgeblich für dessen Wirksamkeit. Ob eine Formulierung gegendert ist oder nicht, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist, dass die betroffenen Personengruppen rechtlich eindeutig bezeichnet und identifizierbar sind. Um Missverständnisse und Auslegungsspielräume zu vermeiden, wird in juristischen Texten häufig auf eine geschlechterneutrale Formulierung, auf Klarstellungen am Anfang des Dokuments (z.B. durch eine sog. Generalklausel zur Mitberücksichtigung aller Geschlechter) oder den Vermerk “aus Gründen der Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet” zurückgegriffen. Solche Hinweise schützen vor Diskriminierungsvorwürfen, haben jedoch keinen Einfluss auf die materielle Gültigkeit eines Textes.

Welche Rolle spielt Gendern bei Prüfungsleistungen, Abschlussarbeiten oder Veröffentlichungen im universitären Kontext?

Im Hochschulbereich können spezifische Vorgaben und Empfehlungen zum Gendern existieren, die sich insbesondere in Prüfungsordnungen oder den Leitfäden der jeweiligen Universitäten und Hochschulen finden. Diese können Studierenden verpflichtend auferlegen, geschlechtergerechte Sprache in wissenschaftlichen Arbeiten zu verwenden. Die Nichtbeachtung solcher Vorgaben kann als formaler Mangel gewertet werden und sich negativ auf die Bewertung der Arbeit auswirken. Eine gesetzliche Verpflichtung auf Bundesebene besteht nicht, die letztliche Regelung liegt im Ermessen der einzelnen Hochschule oder der prüfenden Einrichtung. Studierende sind daher angehalten, sich mit den jeweiligen Vorgaben vertraut zu machen und dies gegebenenfalls vor Abgabe einer Arbeit mit Betreuerinnen und Betreuern abzustimmen.

Gibt es gerichtliche Entscheidungen zum Thema Gendern in der Sprache?

Verschiedene Gerichte haben sich in den letzten Jahren mit dem Thema Gendern befasst, insbesondere im Zusammenhang mit Diskriminierungs- und Gleichstellungsfragen. Wegweisend war z.B. ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13. März 2018, Az. VI ZR 143/17), wonach Banken und Versicherungen noch keine Pflicht zur Verwendung weiblicher Sprachformen in Formularen auferlegt wurde. Ferner wurden einige Klagen abgewiesen, in denen Antragsteller forderten, ausschließlich in gendergerechter Sprache angeschrieben zu werden. Die Gerichte betonen jedoch regelmäßig, dass eine vollständige Gleichstellung nicht unbedingt sprachlich erfolgen muss. Die Rechtsentwicklung zeigt allerdings, dass institutionelle Vorgaben zum Gendern zunehmend rechtlich überprüft und ihre Einhaltung eingeklagt werden kann, sollten Diskriminierungstatbestände erfüllt sein.