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Gemeinschaftssteuern


Definition und Rechtsgrundlagen der Gemeinschaftssteuern

Gemeinschaftssteuern sind eine bestimmte Kategorie von Steuern im deutschen Steuerrecht, deren Aufkommen mehreren Gebietskörperschaften – dem Bund, den Ländern und in Teilbereichen auch den Gemeinden – gemeinschaftlich zusteht. Sie spielen eine zentrale Rolle im föderalen Finanzausgleichssystem Deutschlands und dienen der gerechten Verteilung der Steuereinnahmen zwischen den verschiedenen Ebenen des Staates. Ausgangspunkt für die gesetzlichen Regelungen der Gemeinschaftssteuern ist das Grundgesetz (GG), insbesondere die Artikel 106 und 107.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Artikel 106 Grundgesetz

Gemäß Art. 106 Abs. 3 GG stehen die Erträge aus bestimmten Steuern dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftssteuern) und werden nach Maßgabe eines Gesetzes verteilt. Über die genaue Verteilung und die Erhebungsrechte entscheidet der Bundesgesetzgeber, wobei die Beteiligung der Länder und Gemeinden ebenfalls detailliert geregelt ist.

Artikel 107 Grundgesetz

Art. 107 GG regelt die Verteilung der Gemeinschaftssteuern weiter. Danach ist der Finanzausgleich innerhalb des Bundesgebiets so zu gestalten, dass eine Gleichmäßigkeit der Lebensverhältnisse gewahrt bleibt. Das bedeutet, die Einnahmen aus den Gemeinschaftssteuern werden in Abhängigkeit von Einwohnerzahlen, Wirtschaftskraft und weiteren Ausgleichsmechanismen verteilt.

Steuergesetze und Ausführungsgesetzgebung

Neben dem Grundgesetz geben verschiedene Steuergesetze, insbesondere das Finanzausgleichsgesetz (FAG) und die Abgabenordnung (AO), die näheren Regelungen über die Erhebung und Verteilung der Gemeinschaftssteuern vor. Das FAG konkretisiert die gesetzlichen Verteilungsmaßstäbe, während die AO die technischen und organisatorischen Aspekte der Steuererhebung regelt.

Arten der Gemeinschaftssteuern in Deutschland

In Deutschland existieren folgende Gemeinschaftssteuern nach geltendem Recht:

Einkommensteuer (einschließlich Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer)

Die Einkommensteuer ist eine der wichtigsten Gemeinschaftssteuern. Ihr Aufkommen steht dem Bund und den Ländern jeweils zur Hälfte zu (§ 1 Finanzausgleichsgesetz – FAG). In die Einkommensteuer eingerechnet sind die Lohnsteuer (als Erhebungsform der Einkommensteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) sowie die Kapitalertragsteuer.

Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer

Gemäß Art. 106 Abs. 5 GG wird den Gemeinden ein Teil des Aufkommens aus der Einkommensteuer zugewiesen, wobei die Verteilung nach dem Wohnsitzprinzip erfolgt. Die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer wird jährlich durch das Finanzausgleichsgesetz festgelegt.

Körperschaftsteuer

Die Körperschaftsteuer ist eine Einkommensteuer für juristische Personen, insbesondere für Kapitalgesellschaften. Das Aufkommen dieser Steuer wird – ähnlich der Einkommensteuer – zwischen Bund und Ländern aufgeteilt (§ 2 FAG), wobei die Gemeinden hier nicht unmittelbar beteiligt sind.

Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer gilt im deutschen Steuerrecht ebenfalls als Gemeinschaftssteuer. Ihr Aufkommen wird auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Die genaue Verteilung des Umsatzsteueraufkommens richtet sich nach Art. 106 Abs. 3 GG und den Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes.

Umsatzsteuer-Vorausverteilung und Ausgleich

Die Verteilung der Umsatzsteuer erfolgt – im Gegensatz zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – nach einem festen Schlüssel, der regelmäßig durch das Finanzausgleichsgesetz angepasst wird. Hierbei wird insbesondere berücksichtigt, dass durch die Umsatzsteuer Unterschiede in der Steuerkraft der Länder ausgeglichen werden sollen.

Erhebungsbefugnis und Verwaltung der Gemeinschaftssteuern

Steuererhebung

Die Erhebung der Gemeinschaftssteuern erfolgt überwiegend durch die Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes (§ 6 AO). Für die praktische Durchführung bedeutet dies, dass das jeweilige Finanzamt des Bundeslands die Steuer erhebt, verwaltet und an die entsprechende zentrale Kasse abführt.

Weisungsrecht des Bundes

Obwohl die Verwaltung der Gemeinschaftssteuern den Ländern obliegt, steht dem Bund ein Weisungsrecht in Angelegenheiten der Erhebung und Festsetzung zu (Art. 108 Abs. 3 GG). Wegen des gemeinsamen Steueraufkommens ist damit sichergestellt, dass bundeseinheitliche Standards und Verfahrensweisen eingehalten werden.

Verteilungsmechanismen und Finanzausgleich

Verteilungsschlüssel

Der Verteilungsschlüssel der Gemeinschaftssteuern ist gesetzlich festgelegt und richtet sich im Kern nach den jeweiligen Anteilen im Finanzausgleichsgesetz. Der maßgebliche Parameter für die Verteilung ist in der Regel die Einwohnerzahl; im Rahmen des Länderfinanzausgleichs kommen zusätzliche Ausgleichsmechanismen für finanzschwächere Länder hinzu.

Länderfinanzausgleich

Der Länderfinanzausgleich (Art. 107 GG) ist elementarer Bestandteil der Verteilung der Gemeinschaftssteuern. Er sieht einen Ausgleich vor zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern, wobei Überschüsse aus dem Aufkommen der Gemeinschaftssteuern zum Ausgleich herangezogen werden können.

Bedeutung der Gemeinschaftssteuern im Gesamtsystem

Gemeinschaftssteuern haben grundlegende Bedeutung für die Finanzierung des Staates, insbesondere hinsichtlich der Einnahmen von Bund und Ländern. Ihr Anteil am Gesamtsteueraufkommen ist besonders hoch – im Jahr 2023 betrug der Anteil der Gemeinschaftssteuern am gesamten Steueraufkommen Deutschlands über 70 Prozent.

Zielsetzung und föderale Gerechtigkeit

Ziel des Systems der Gemeinschaftssteuern ist es, eine gleichmäßige und nachhaltige Verteilung der finanziellen Mittel zu gewährleisten. Es fördert zugleich die Solidarität innerhalb des föderalen Staates und trägt zur Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands bei.

Abgrenzung zu anderen Steuerarten

Bundessteuern

Bundessteuern sind Steuern, deren Aufkommen ausschließlich dem Bund zusteht, wie etwa die Energiesteuer, Tabaksteuer oder Versicherungssteuer (Art. 106 Abs. 1 GG).

Ländersteuern

Ländersteuern stehen ausschließlich den Ländern zu. Hierzu zählen insbesondere die Erbschaftsteuer und die Grunderwerbsteuer (Art. 106 Abs. 2 GG).

Gemeindesteuern

Gemeindesteuern wie die Grundsteuer oder Gewerbesteuer stehen ausschließlich den Gemeinden zu und werden örtlich erhoben.

Sonderfall Kirchensteuer

Die Kirchensteuer ist zwar eine Steuer eigener Art, wird aber nicht zu den Gemeinschaftssteuern gezählt.

Europarechtliche und internationale Bezüge

Obgleich Gemeinschaftssteuern ein genuines Element des deutschen Steuerrechts und Haushaltsrechts sind, gibt es Ansätze vergleichbarer Modelle in anderen föderalen oder dezentralen Staaten. Auf europäischer Ebene existieren bislang keine direkt vergleichbaren Gemeinschaftssteuern, allerdings können harmonisierte Mindeststandards, etwa im Bereich der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer), auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene Einfluss nehmen.

Literaturhinweise und weiterführende Vorschriften

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (insb. Art. 106, 107, 108)
  • Finanzausgleichsgesetz (FAG)
  • Abgabenordnung (AO)
  • Bundeshaushaltsordnung (BHO)
  • Gesetz über die Verteilung der Umsatzsteuer

Zusammenfassung

Gemeinschaftssteuern sind im deutschen Steuerrecht zentraler Bestandteil der Finanzverfassung und gewährleisten die gemeinsame Finanzierung von Bund, Ländern und zu Teilen auch der Gemeinden. Die gesetzliche Grundlage bildet das Grundgesetz, ergänzt durch spezifische Steuergesetze wie das Finanzausgleichsgesetz. Wesentliche Gemeinschaftssteuern sind Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer. Die Erhebung erfolgt im Regelfall über die Landesfinanzbehörden mit Kontroll- und Weisungsrechten des Bundes. Durch detaillierte Verteilungsmechanismen tragen Gemeinschaftssteuern entscheidend zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland bei.


Hinweis: Der Eintrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine Beratung zu spezifischen Einzelfällen, sondern dient einer allgemeinen rechtlichen Übersicht.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Erhebung und Verteilung der Gemeinschaftssteuern in Deutschland?

Die verfassungsrechtliche Basis für die Erhebung und Verteilung der Gemeinschaftssteuern bildet in Deutschland in erster Linie das Grundgesetz (insbesondere Art. 106 GG). Es regelt, welche Steuern als Gemeinschaftssteuern gelten und wie der Ertrag dieser Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt wird. Ergänzend hierzu konkretisieren das Finanzverwaltungsgesetz (FVG) sowie das Finanzausgleichsgesetz (FAG) nähere Bestimmungen zur Verwaltung sowie zum Finanzausgleich. Die Umsetzung und Durchführung erfolgt durch Bundes- und Landesfinanzbehörden im Rahmen der föderalen Finanzverfassung, wobei Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern hierzu ergänzend Anwendung finden können.

Wie ist das Besteuerungsverfahren für Gemeinschaftssteuern rechtlich ausgestaltet?

Das Besteuerungsverfahren für Gemeinschaftssteuern richtet sich insbesondere nach der Abgabenordnung (AO), die als allgemeines Verwaltungsgesetz für Steuern im Sinne des Art. 106 GG gilt. Die AO regelt alle Verfahrensaspekte von der Anzeigepflicht, Steuerfestsetzung, Veranlagung bis hin zur Erhebung und Vollstreckung. Zusätzlich anzuwendende Einzelgesetze, wie das Einkommensteuergesetz (EStG), das Körperschaftsteuergesetz (KStG) oder das Umsatzsteuergesetz (UStG), konkretisieren die unterschiedlichen Steuertatbestände und besondere Verfahren. Auch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) kann subsidiär Anwendung finden, sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen bestehen.

Welche Rolle spielen die Finanzämter bei der Verwaltung der Gemeinschaftssteuern?

Die Verwaltung der Gemeinschaftssteuern obliegt gemäß Art. 108 GG grundsätzlich den Finanzbehörden der Länder im Auftrag des Bundes. Die Finanzämter als unterste Landesfinanzbehörden führen das Besteuerungsverfahren durch, ermitteln die Besteuerungsgrundlagen, setzen die Steuern fest und erheben diese. Die Finanzämter sind dabei an die geltenden bundesgesetzlichen Steuervorschriften sowie dienstrechtliche Weisungen der jeweiligen Landesfinanzbehörden gebunden. Die Ermittlung der auf die jeweiligen Steuerberechtigten anfallenden Anteile und die Weiterleitung erfolgt nach bundesgesetzlichen und landesrechtlichen Vorschriften unter Kontrolle des Bundesministeriums der Finanzen.

Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Verteilung der Erträge aus Gemeinschaftssteuern?

Die Verteilung der Erträge aus Gemeinschaftssteuern richtet sich nach den Vorgaben des Art. 106 GG und weiterführend nach dem jeweiligen Finanzausgleichsgesetz (FAG). Die prozentuale Aufteilung ist für jede Gemeinschaftssteuer im Gesetz exakt festgelegt (beispielsweise wird die Lohn- und Einkommensteuer zwischen Bund und Ländern aufgeteilt; ein Teil steht den Gemeinden zu). Das FAG regelt dabei nicht nur die reine Verteilung, sondern auch den bundesweiten horizontalen Länderfinanzausgleich sowie Ausgleichsmechanismen für finanzschwächere Gemeinden und Länder (Vertikal- und Horizontalfinanzausgleich). Besondere rechtliche Streitfragen zur Aufteilung werden im Streitfall vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen.

Welche Kontroll- und Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen hinsichtlich der Festsetzung und Verteilung von Gemeinschaftssteuern?

Steuerpflichtigen stehen gegen Verwaltungsakte, also insbesondere gegen Steuerbescheide, sämtliche Rechtsbehelfe nach der Abgabenordnung (z. B. Einspruchsverfahren) offen. Darüber hinaus ist der Finanzrechtsweg nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) eröffnet, sodass nach erfolglosem Einspruch Klage bei den Finanzgerichten erhoben werden kann. Hinsichtlich der Verteilung der Steuermittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besteht für die beteiligten Gebietskörperschaften die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde oder Organklage beim Bundesverfassungsgericht, insbesondere wenn Verstöße gegen die bundesstaatliche Finanzverfassung geltend gemacht werden.

Wie wirken sich Gesetzesänderungen auf die bestehende Verteilung und Verwaltung von Gemeinschaftssteuern aus?

Materialrechtliche Gesetzesänderungen, wie etwa Änderungen in den Steuergesetzen oder beim Finanzausgleichsgesetz, haben unmittelbare Auswirkungen auf die Erhebungsgrundlagen, das Veranlagungsverfahren und die Verteilungsschlüssel. Solche Änderungen bedürfen eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens auf Bundesebene und meist der Zustimmung des Bundesrates, sofern sie die Finanzen der Länder oder Gemeinden betreffen. Änderungen können rückwirkend oder für die Zukunft erfolgen, wobei Rückwirkung wegen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots (Art. 20 Abs. 3 GG, rechtsstaatliches Prinzip) nur eingeschränkt möglich ist.

Welche besonderen rechtlichen Aspekte gibt es bei internationalen Sachverhalten im Zusammenhang mit Gemeinschaftssteuern?

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, wie etwa bei Einkünften von im Ausland Ansässigen oder innergemeinschaftlichen Lieferungen im Umsatzsteuerrecht, müssen neben deutschem Steuerrecht auch völkerrechtliche Abkommen (z. B. Doppelbesteuerungsabkommen), europarechtliche Regelungen und internationale Vereinbarungen (wie die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie) beachtet werden. Diese regeln insbesondere, welcher Staat das Besteuerungsrecht besitzt und wie eine Aufteilung der Einnahmen erfolgt. Streitigkeiten werden dabei sowohl vor nationalen Gerichten als auch vor internationalen Gremien (z. B. EuGH) ausgetragen und können Auswirkungen auf die Auslegung nationaler Vorschriften über Gemeinschaftssteuern haben.