Gemeinschaftssteuern: Bedeutung, Systematik und rechtliche Einordnung
Gemeinschaftssteuern sind Steuern, deren Aufkommen nach gesetzlich festgelegten Schlüsseln zwischen Bund, Ländern und teilweise auch Gemeinden geteilt wird. Sie bilden das finanzielle Rückgrat der öffentlichen Haushalte in Deutschland und sind ein zentrales Instrument der Finanzverfassung zur gesicherten Finanzierung staatlicher Aufgaben auf mehreren Ebenen.
Alltagsverständnis
Im Alltag wird die Einkommensteuer auf Löhne und Gehälter, die Körperschaftsteuer von Kapitalgesellschaften sowie die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) erhoben. Bei diesen Steuern fließt das Geld nicht ausschließlich an eine Ebene, sondern wird zwischen Bund, Ländern und – in bestimmten Fällen – Gemeinden verteilt. Genau diese Steuern werden als Gemeinschaftssteuern bezeichnet.
Abgrenzung zu anderen Steuerkategorien
Demgegenüber gibt es Steuern, die ausschließlich einer Ebene zustehen, etwa reinen Bundes-, Länder- oder Gemeindesteuern. Zu den Gemeindesteuern zählen beispielsweise die Grundsteuer und die Gewerbesteuer, die von den Gemeinden erhoben werden und ausschließlich diesen zufließen. Gemeinschaftssteuern unterscheiden sich hiervon dadurch, dass ihr Aufkommen nach festen Regeln aufgeteilt wird.
Arten der Gemeinschaftssteuern
Einkommensteuer
Die Einkommensteuer knüpft an das Einkommen natürlicher Personen an. Teile davon werden als Lohnsteuer durch Arbeitgeber einbehalten. Das Aufkommen der Einkommensteuer wird zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Gemeinden erhalten hierbei einen gesetzlich festgelegten prozentualen Anteil, der als Gemeindeanteil an der Einkommensteuer bezeichnet wird.
Körperschaftsteuer
Die Körperschaftsteuer wird von Kapitalgesellschaften (z. B. Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gezahlt. Ihr Aufkommen wird zwischen Bund und Ländern geteilt. Ein Gemeindeanteil besteht bei der Körperschaftsteuer nicht.
Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer)
Die Umsatzsteuer erfasst den Mehrwert, der auf den einzelnen Wirtschaftsstufen entsteht. Ihr Aufkommen wird zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Zudem fließt ein gesetzlich bestimmter Teil an die Gemeinden als Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer spielt auch eine besondere Rolle bei der innerstaatlichen Verteilung, weil Teile ihrer Einnahmen genutzt werden, um Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern abzumildern.
Kommunale Anteile
Gemeinden erhalten Anteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer orientiert sich die Verteilung regelmäßig am Wohnsitzprinzip, also am Wohnort der steuerpflichtigen Personen. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird nach einem Verteilungsschlüssel zugewiesen, der unabhängig vom konkreten lokalen Umsatzaufkommen ist.
Verteilungsmechanismen
Vertikale Verteilung (zwischen Ebenen)
Die vertikale Verteilung regelt, welcher Anteil des Aufkommens der Gemeinschaftssteuern dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zusteht. Die Quoten werden durch Gesetz festgelegt und können sich im Laufe der Zeit ändern, etwa im Zuge finanzpolitischer Neujustierungen oder gesamthaushalterischer Abwägungen.
Horizontale Verteilung (unter den Ländern)
Nach der vertikalen Verteilung folgt die horizontale Aufteilung der Länderanteile auf die einzelnen Länder. Hierbei kommen insbesondere Einwohnerzahlen, Steuerkraftindikatoren und ergänzende Mechanismen zur Milderung regionaler Unterschiede zum Tragen. Ein Teil der Umsatzsteuer wird gezielt eingesetzt, um die unterschiedliche Finanzkraft unter den Ländern auszugleichen.
Innerstaatliche Feinsteuerung und Anpassungen
Die Verteilungsschlüssel werden in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst. Anlass können gesamtwirtschaftliche Entwicklungen, Änderungen im Aufgabenspektrum der staatlichen Ebenen oder finanzpolitische Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern sein.
Erhebung und Verwaltung
Zuständige Behörden und Ablauf
Die Erhebung der Gemeinschaftssteuern erfolgt im Regelfall durch die Landesfinanzbehörden. Lohn- und Einkommensteuer sowie Körperschaftsteuer werden über die Finanzämter veranlagt und vereinnahmt. Bei der Umsatzsteuer wirken neben den Finanzämtern insbesondere auch die Zollverwaltung bei der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer mit. Nach der Erhebung wird das Aufkommen entsprechend den Verteilungsschlüsseln aufgeteilt und an die jeweiligen Haushalte abgeführt.
Kontroll- und Abrechnungsmechanismen
Die Verteilung wird über standardisierte Abrechnungs- und Ausgleichsverfahren nachvollziehbar dokumentiert. Laufende Abführungen, periodische Abrechnungen sowie statistische Berichte stellen sicher, dass die Einnahmen den Ebenen in korrekter Höhe zufließen. Abweichungen werden in späteren Abrechnungszyklen ausgeglichen.
Bedeutung im Finanzsystem
Fiskalische Tragweite
Gemeinschaftssteuern machen den größten Teil des deutschen Steueraufkommens aus. Ihre Ertragsstärke und Planbarkeit sind für die finanzielle Leistungsfähigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden entscheidend.
Stabilität und Konjunktur
Die breite Bemessungsgrundlage von Einkommen- und Umsatzsteuer sorgt für ein hohes Aufkommen, ist aber zugleich konjunkturabhängig. Schwankungen werden durch die gemeinsame Tragung der Einnahmen und durch Ausgleichsmechanismen zwischen den Ebenen abgefedert.
Rechtsrahmen und Prinzipien
Finanzverfassung und Grundprinzipien
Die Finanzverfassung ordnet die Kompetenzen zur Gesetzgebung, Erhebung und Verteilung von Steuern. Maßgebliche Leitlinien sind unter anderem die Sicherung der finanziellen Eigenständigkeit der staatlichen Ebenen, die Gewährleistung einer verlässlichen Aufgabenerfüllung sowie der Ausgleich ungleicher Finanzkraft zur Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern
Änderungen an Verteilungsschlüsseln und Ausgleichsmechanismen bedürfen regelmäßig politischer Verständigung zwischen Bund und Ländern und werden durch Gesetz umgesetzt. Dies sichert Berechenbarkeit und Transparenz der Einnahmeströme.
Rolle des europäischen Rechts (bei der Umsatzsteuer)
Die Umsatzsteuer ist in weiten Teilen durch europäische Vorgaben geprägt, insbesondere hinsichtlich Systematik und Erhebung. Die innerstaatliche Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens zwischen den Ebenen bleibt jedoch eine nationale Angelegenheit.
Abgrenzungen und typische Missverständnisse
Keine kommunale Hebesatzkompetenz
Bei Gemeinschaftssteuern können Gemeinden nicht über Hebesätze die Steuerhöhe bestimmen. Die Gesetzgebung zur Steuerart und die Verteilung des Aufkommens sind einheitlich geregelt. Kommunale Hebesatzrechte bestehen demgegenüber bei Gemeindesteuern wie der Grund- oder Gewerbesteuer.
Unterschied zum Finanzausgleich
Gemeinschaftssteuern regeln die Aufteilung des Steueraufkommens. Der Finanzausgleich ist ein gesondertes System zusätzlicher Umverteilungs- und Ergänzungszahlungen, mit denen Unterschiede in der Finanzkraft der Länder weiter nivelliert werden. Beide Instrumente greifen ineinander, sind aber rechtlich und funktional zu unterscheiden.
Praxisnahe Veranschaulichung
Schematischer Ablauf eines Steuer-Euro
Ein gezahlter Steuerbetrag wird zunächst von den zuständigen Behörden vereinnahmt. Anschließend wird er nach der vertikalen Verteilungsregel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Der Länderanteil wird danach horizontal auf die einzelnen Länder verteilt. Bei der Einkommensteuer wird zusätzlich der Gemeindeanteil nach dem Wohnsitzprinzip verteilt; bei der Umsatzsteuer erfolgt die Zuweisung an Gemeinden nach einem Schlüssel. So gelangt ein Steuer-Euro über mehrere Stationen verlässlich zu den Empfängern auf allen Ebenen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind Gemeinschaftssteuern?
Gemeinschaftssteuern sind Steuern, deren Aufkommen gesetzlich zwischen Bund, Ländern und teilweise Gemeinden aufgeteilt wird. Sie dienen der gemeinsamen Finanzierung öffentlicher Aufgaben und bilden den größten Anteil des Steueraufkommens in Deutschland.
Welche Steuern zählen zu den Gemeinschaftssteuern?
Zu den Gemeinschaftssteuern gehören insbesondere die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer. Gemeinden erhalten Anteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer, nicht jedoch an der Körperschaftsteuer.
Wie wird das Aufkommen der Gemeinschaftssteuern verteilt?
Die Verteilung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird das Gesamtaufkommen vertikal zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Anschließend wird der Länderanteil horizontal nach festgelegten Schlüsseln auf die einzelnen Länder verteilt. Gemeinden erhalten ihren Anteil über gesonderte Zuweisungsmechanismen.
Haben Gemeinden Einfluss auf die Höhe der Gemeinschaftssteuern?
Gemeinden haben bei Gemeinschaftssteuern keine Hebesatzkompetenz und bestimmen die Höhe der Steuer nicht. Sie erhalten gesetzlich definierte Anteile am Aufkommen, die nach Verteilungsschlüsseln zugewiesen werden.
Worin liegt der Unterschied zwischen Gemeinschaftssteuern und reinen Bundes-, Länder- oder Gemeindesteuern?
Reine Bundes-, Länder- oder Gemeindesteuern stehen ausschließlich einer Ebene zu. Gemeinschaftssteuern werden hingegen nach festen Regeln zwischen den Ebenen geteilt. Dadurch wird eine gemeinsame, stabile Finanzierungsbasis gewährleistet.
Welche Rolle spielen Gemeinschaftssteuern im Finanzausgleich?
Gemeinschaftssteuern sind eine wesentliche Grundlage des Finanzausgleichs. Teile des Umsatzsteueraufkommens werden gezielt verwendet, um Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern zu mindern. Daneben bestehen zusätzliche Ausgleichszahlungen außerhalb der Gemeinschaftssteuerverteilung.
Wer erhebt Gemeinschaftssteuern und wie erfolgt die Abrechnung?
Die Erhebung erfolgt überwiegend durch die Finanzämter der Länder, bei der Einfuhrumsatzsteuer auch durch die Zollverwaltung. Nach der Vereinnahmung werden die Einnahmen gemäß den gesetzlichen Verteilungsschlüsseln abgerechnet und an die jeweiligen Haushalte abgeführt. Korrekturen erfolgen im Rahmen periodischer Abrechnungen.