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Gemeinschaftspräferenz


Begriff und Grundlagen der Gemeinschaftspräferenz

Die Gemeinschaftspräferenz bezeichnet ein wirtschafts- und rechtspolitisches Prinzip, das in der Europäischen Union (EU) eine bevorzugte Behandlung von Waren, Dienstleistungen oder Produzenten aus Mitgliedstaaten gegenüber solchen aus Drittstaaten festlegt. Dieses Konzept wurde insbesondere innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und beim Warenverkehr relevant und prägte die Ausgestaltung des europäischen Binnenmarktes maßgeblich.

Gemeinschaftspräferenz ist das Ergebnis der Zielsetzung, innerhalb der Gemeinschaft einen möglichst einheitlichen Markt zu schaffen und die wirtschaftliche Integration der Mitgliedstaaten zu fördern, zugleich aber Außenschutz gegenüber Drittländern zu gewährleisten. Sie äußert sich überwiegend in Form von Zollregelungen, Quoten und im Rahmen der Agrarpolitik auch durch Marktordnungsmaßnahmen.


Entwicklungsgeschichte und Rechtsquellen

Historische Entwicklung

Das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz wurde erstmals 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge und der damit verbundenen Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eingeführt. Ziel war es, einen Gemeinsamen Markt zu schaffen, der auf vier Grundfreiheiten basiert: dem freien Warenverkehr, dem freien Personenverkehr, dem freien Dienstleistungsverkehr und dem freien Kapitalverkehr. In diesem Zusammenhang sollte die Gemeinschaftspräferenz eine Angleichung innerhalb der Mitglieder sicherstellen und den wirtschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Primärrechtliche Grundlagen

Im primären Unionsrecht findet sich die Gemeinschaftspräferenz als Begriff nicht ausdrücklich, jedoch lässt sich das Konzept aus mehreren Regelungen ableiten, insbesondere aus:

  • Artikel 110 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Verbot interner fiskalischer Diskriminierung)
  • Artikel 34 bis 36 AEUV (Verbot mengenmäßiger Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen Mitgliedstaaten)
  • Artikel 39 Abs. 1 lit. d) AEUV (Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik, „angemessene Lebenshaltung der in der Landwirtschaft tätigen Personen zu gewährleisten“ mit Betonung auf Versorgungssicherheit)

Sekundärrechtliche Regelungen und politisch-programmatische Festschreibungen

Die praktische Umsetzung und Ausgestaltung der Gemeinschaftspräferenz erfolgte vor allem durch Verordnungen der Europäischen Union, die im Bereich des Agrarsektors und in Zusammenhang mit Außenhandelsmaßnahmen Anwendung finden. Entsprechende Marktordnungen trafen detaillierte Bestimmungen beispielsweise zu:

  • Einfuhrregelungen und Einfuhrzöllen für bestimmte Agrarprodukte
  • Lizenzpflichten und Kontingentierungen
  • Subventionsregelungen zugunsten Produktionsstätten innerhalb des Binnenmarktes

Gemeinschaftspräferenz im Binnenmarkt

Auswirkungen auf den Warenverkehr

Die Gemeinschaftspräferenz äußert sich insbesondere beim Umgang mit Drittstaaten. Im Rahmen des europäischen Binnenmarktes werden Waren, die aus Mitgliedstaaten stammen, gegenüber solchen aus Drittländern bevorzugt behandelt. Dies bedeutet, dass für innerhalb der Gemeinschaft erzeugte oder gehandelte Waren Zollfreiheit, Abgabenbefreiung und diskriminierungsfreier Zugang zum gesamten Binnenmarkt herrschen.

Demgegenüber unterliegen Waren aus Drittstaaten oftmals Zöllen, Einfuhrkontingenten oder Zertifizierungspflichten, mit denen ein Außenschutz zum Schutz der Gemeinschaftsinteressen implementiert wird. Waren, die sich im freien Verkehr der Union befinden, genießen somit die Gemeinschaftspräferenz, wobei dieser Status insbesondere im Zollrecht geregelt ist.

Umsetzung in den Agrar- und Fischereimärkten

In der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und in Teilen der Fischereipolitik nimmt die Gemeinschaftspräferenz eine zentrale Rolle ein. Hier wird sie durch Maßnahmen wie Importkontingente, Schutzzölle, Preisausgleichssysteme und Subventionen konkretisiert, um die Einkommen der europäischen Landwirte zu schützen und zugleich eine Versorgungssicherheit für Verbraucher in der EU zu gewährleisten.


Gemeinschaftspräferenz im Zollrecht

Bedeutung für den Warenursprung

Das Zollrecht der EU legt besonderen Wert auf die Unterscheidung zwischen Waren „mit Ursprungsnachweis“ aus der EU (oder aus bestimmten präferenziellen Abkommensstaaten) und solchen aus Drittstaaten. Gemeinschaftspräferenz wird nur gewährt, wenn Waren die eigens dafür festgelegten Ursprungsregeln erfüllen und sich im freien Verkehr befinden.

Gemeinschaftspräferenz und Präferenzabkommen

Neben der reinen Gemeinschaftspräferenz existieren im internationalen Handel verschiedene Präferenzabkommen, durch die auch bestimmten Drittstaaten unter spezifischen Bedingungen Vorzugsbehandlungen eingeräumt werden. Die Gemeinschaftspräferenz bleibt jedoch innerhalb der Union und im Verhältnis zu Drittstaaten stets vorrangig anzuwenden.


Fortentwicklung, Schranken und Abwicklung der Gemeinschaftspräferenz

Rückbau und aktuelle rechtliche Entwicklung

Mit fortschreitender Marktintegration, der Schaffung einer Zollunion und einer Vielzahl internationaler Handelsabkommen hat die Bedeutung der klassischen Gemeinschaftspräferenz abgenommen. Insbesondere die Liberalisierung des Agrarhandels sowie die internationalen Verpflichtungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) führten zu einem teilweisen Rückbau von Binnenpräferenzmaßnahmen.

Internationale Handelsabkommen, wie etwa das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder Freihandelsabkommen mit Drittländern, verpflichten die EU zur schrittweisen Öffnung ihres Marktes, wodurch der grundsätzliche Vorrang der Gemeinschaftsprodukte abgemildert wird.

Schranken durch das Diskriminierungsverbot

Die Gemeinschaftspräferenz findet ihre Grenzen im allgemeinen Diskriminierungsverbot sowie in den WTO-Regelungen zur Gleichbehandlung aller Handelspartner („Meistbegünstigungsprinzip“). Entsprechend dürfen Präferenzmaßnahmen nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung von Drittstaaten führen, wenn internationale Verpflichtungen dem entgegenstehen.


Gemeinschaftspräferenz und aktuelle rechtliche Bedeutung

Rechtslage nach dem Brexit

Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 31. Januar 2020 ist das Land zum Drittstaat geworden. Damit findet die Gemeinschaftspräferenz auf Waren und Dienstleistungen aus Großbritannien grundsätzlich keine Anwendung mehr, es sei denn, dies wird durch das Austrittsabkommen oder spezifische Anschlussregelungen vereinbart.

Bedeutung für Unternehmen und Handel

Für Wirtschaftsteilnehmer hat die Gemeinschaftspräferenz insbesondere im Bereich der Ein- und Ausfuhrabwicklung, der Zollverfahren und der Warenursprungsbestimmungen erhebliche praktische Bedeutung. Die korrekte Dokumentation und der Nachweis des Gemeinschaftsursprungs ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Präferenzbehandlungen, etwa zur Befreiung von Zöllen.


Literatur und weiterführende Quellen


Die Gemeinschaftspräferenz hat das Europäische Recht und die europäische Wirtschaftsordnung über Jahrzehnte geprägt. Trotz gewisser Rückentwicklungen im Zuge internationaler Marktöffnung bleibt sie ein maßgeblicher Faktor für das Verständnis des europäischen Binnenmarktes und relevanter Bestandteil zahlreicher Rechtsakte und administrativer Abläufe in der EU.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen bestimmen die Gemeinschaftspräferenz innerhalb des Unionsrechts?

Die rechtlichen Grundlagen der Gemeinschaftspräferenz finden sich im Wesentlichen in den Verträgen der Europäischen Union, insbesondere im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Der Begriff selbst wurde historisch im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Gemeinsamen Handelspolitik entwickelt. Die Gemeinschaftspräferenz resultiert aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Binnenmarkt zu stärken sowie die Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der Union zu fördern. Im rechtlichen Kontext konkretisiert sich die Gemeinschaftspräferenz in Regelungen, die Produkte, Dienstleistungen und Arbeitnehmer aus Mitgliedstaaten gegenüber solchen aus Drittstaaten bevorzugen – etwa durch die Anwendung des gemeinsamen Außenzolls, die Vorrangstellung europäischer Anbieter bei Vergaben oder spezieller Quotenregelungen. Auch das Diskriminierungsverbot wegen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 AEUV spielt eine Rolle, denn die Gemeinschaftspräferenz bezieht sich ausdrücklich auf eine Bevorzugung gegenüber Drittstaaten, nicht innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.

Wie wird die Gemeinschaftspräferenz im Rahmen der Vergaberichtlinien der EU angewandt?

Im Kontext der EU-Vergaberichtlinien ist die Gemeinschaftspräferenz ein zentrales Element gewesen, um europäischen Anbietern einen bevorzugten Zugang zu öffentlichen Aufträgen in den Mitgliedstaaten zu verschaffen. Die einschlägigen Richtlinien, etwa 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe, verlangen grundsätzlich eine Gleichbehandlung aller in der EU ansässigen Unternehmen und verbieten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Gleichzeitig sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Drittstaatsunternehmen nur unter bestimmten Bedingungen zur Teilnahme zuzulassen, sofern nicht weitergehende internationale Verpflichtungen – beispielsweise im Rahmen des GPA (Government Procurement Agreement) der WTO – gelten. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) betont in seiner Rechtsprechung regelmäßig, dass die Gemeinschaftspräferenz dazu dient, dem europäischen Binnenmarkt Vorrang einzuräumen, während eine Benachteiligung von Unternehmen aus Drittstaaten mit völkerrechtlichen Verpflichtungen in Einklang stehen muss.

Welche Rolle spielt die Gemeinschaftspräferenz in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)?

In der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ist die Gemeinschaftspräferenz ein tragendes Prinzip, das darauf abzielt, landwirtschaftliche Erzeugnisse aus EU-Mitgliedstaaten vorrangig zu fördern und zu schützen. Dies wird insbesondere durch Zölle und handelspolitische Schutzinstrumente an den Außengrenzen der EU sichergestellt. Ziel ist es, die europäischen Landwirte vor Importkonkurrenz aus Drittstaaten zu schützen und die Versorgungssicherheit innerhalb der EU zu gewährleisten. Rechtlich manifestiert sich diese Präferenz in Art. 39 AEUV, aber auch in zahlreichen Verordnungen – insbesondere im sog. Gemeinsamen Marktordnungsrecht. Hierin werden Mechanismen vorgesehen, die den Binnenmarkt abschotten beziehungsweise die Einfuhr aus Drittstaaten an Bedingungen knüpfen. Die Gemeinschaftspräferenz ist jedoch stets im Lichte internationaler Handelsabkommen sowie WTO-Vorgaben zu interpretieren, wodurch sie zu Gunsten bilateraler oder multilateraler Handelsabkommen teilweise eingeschränkt wurde.

Inwiefern ist das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz mit dem Beitrittsprozess von neuen Mitgliedstaaten rechtlich vereinbar?

Bei der Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union ist das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz explizit zu beachten. Während der Beitrittsverhandlungen verpflichten sich die Kandidatenstaaten, nach ihrer Aufnahme die Grundlagen des Binnenmarktes und damit auch das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz vollständig anzuwenden. Rechtlich wird dies in den Beitrittsakten sowie in Art. 49 EUV festgeschrieben. Für die Zeit vor dem formellen Beitritt können Übergangsregelungen getroffen werden, die eine schrittweise Einführung der Gemeinschaftspräferenz vorsehen und den Kandidatenstaaten eine Anpassungsperiode einräumen. Nach dem Beitritt gelten für die neuen Mitgliedstaaten dieselben Rechte und Pflichten wie für die bisherigen Mitglieder, sodass sie vollumfänglich von und in den Genuss der Gemeinschaftspräferenz gelangen. Die Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot ergibt sich daraus, dass dieses Prinzip gegenüber Drittstaaten, nicht aber innerhalb des Kreises der Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt.

Kann eine nationalstaatliche Regelung, die eine Bevorzugung von Unionswaren vorsieht, als Umsetzung der Gemeinschaftspräferenz betrachtet werden?

Eine nationalstaatliche Regelung, die ausdrücklich Waren oder Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten bevorzugt, überschreitet die Grenzen der Gemeinschaftspräferenz und verstößt in aller Regel gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot nach Art. 34 und 36 AEUV. Die Gemeinschaftspräferenz bezieht sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen EU-Mitgliedern und Drittstaaten und legitimiert daher keine Ungleichbehandlung innerhalb des Binnenmarktes. Die Umsetzung der Gemeinschaftspräferenz ist Aufgabe der Union und nicht der einzelnen Mitgliedstaaten. Nationale Regelungen, die über das unionsrechtliche Maß hinausgehen oder eigene Präferenzsysteme schaffen, werden regelmäßig vom EuGH für unvereinbar mit dem Unionsrecht erklärt. Zulässig sind jedoch Schutzmechanismen an den Außengrenzen der EU, sofern sie unionsweit gelten und nicht die Integrität des Binnenmarkts beeinträchtigen.

Welche Rolle spielt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für die Auslegung der Gemeinschaftspräferenz?

Die Auslegung und Anwendung der Gemeinschaftspräferenz wird maßgeblich durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geprägt. Insbesondere klärt der EuGH, in welchen Fällen und in welchem Umfang die Gemeinschaftspräferenz rechtlich zulässig und mit anderen unionsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist. Der EuGH hat klargestellt, dass die Gemeinschaftspräferenz eine Pflicht zur Bevorzugung von Unionswaren, -dienstleistungen und -personen gegenüber Drittstaaten darstellt, ohne jedoch Diskriminierungen innerhalb des Binnenmarktes zu gestatten. Des Weiteren verwirft der EuGH regelmäßig nationale Alleingänge, die den Zugang von Drittstaatswaren über das unionsrechtlich zulässige Maß hinaus beschränken. In seiner Spruchpraxis setzt der Gerichtshof auch Grenzen, etwa wenn völkerrechtliche Verträge – wie das GPA – die Gleichstellung von Drittstaatsunternehmen in bestimmten Bereichen erfordern. Die Konturen der Gemeinschaftspräferenz werden daher ständig in Abgrenzung zu anderen unions- und völkerrechtlichen Prinzipien präzisiert.

Inwieweit beeinflussen internationale Handelsabkommen (z.B. WTO, GPA) die rechtliche Bedeutung der Gemeinschaftspräferenz?

Internationale Handelsabkommen, insbesondere das WTO-Recht und das Government Procurement Agreement (GPA), schränken die rechtliche Reichweite der Gemeinschaftspräferenz erheblich ein. Durch die Übernahme völkerrechtlicher Verpflichtungen ist die EU gehalten, bestimmten Drittstaaten – insbesondere den Vertragsstaaten des GPA – einen Marktzugang zu gewähren, der der Behandlung von Mitgliedstaaten zumindest ähnlichkommt. Die EU muss daher bei der Gestaltung und Anwendung der Gemeinschaftspräferenz stets sicherstellen, dass keine unzulässige Diskriminierung von Unternehmen aus diesen Drittstaaten erfolgt. Rechtlich ist die Gemeinschaftspräferenz somit immer unter dem Vorbehalt bestehender internationaler Verpflichtungen anzuwenden. Der EuGH prüft im Streitfall, ob und inwieweit die Präferenzregelung mit den jeweiligen völkerrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, und hebt nationale oder europäische Maßnahmen gegebenenfalls auf, wenn sie gegen internationale Abkommen verstoßen.