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Gemeinschaftspatent

Begriff und Einordnung des Gemeinschaftspatents

Der Begriff „Gemeinschaftspatent“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als Bezeichnung für das sogenannte Einheitspatent verwendet. Gemeint ist ein einheitlicher Patentschutz, der nach Erteilung eines europäischen Patents durch das Europäische Patentamt (EPA) für eine Gruppe von EU-Mitgliedstaaten einheitlich wirkt. Der Schutz entsteht nicht durch eine eigenständige Anmeldung bei einer EU-Behörde, sondern durch die Verleihung „einheitlicher Wirkung“ an ein bereits erteiltes europäisches Patent. Dadurch entsteht ein Schutzrecht, das in den beigetretenen Staaten gleichermaßen gilt und zentral verwaltet wird.

Historischer und aktueller Sprachgebrauch

Historisch bezeichnete „Gemeinschaftspatent“ ein nie eingeführtes Konzept für ein EU-weites Patent. Heute hat sich die Bezeichnung „Einheitspatent“ durchgesetzt. Im Alltag werden beide Begriffe oft synonym verwendet. Rechtlich zutreffend ist die Bezeichnung „einheitliche Wirkung“ eines europäischen Patents mit anschließender Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts.

Rechtlicher Rahmen und Institutionen

Beteiligte Einrichtungen

  • Europäisches Patentamt (EPA): prüft Anmeldungen und erteilt europäische Patente; nimmt den Antrag auf einheitliche Wirkung entgegen und führt das Register für die einheitliche Wirkung.
  • Einheitliches Patentgericht (EPG): zuständig für Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf Einheitspatente sowie für europäische Patente im Rahmen seiner Zuständigkeit.
  • Nationale Ämter und Gerichte: zuständig für nationale Patente; für europäische Bündelpatente außerhalb der Zuständigkeit des EPG weiterhin relevant.

Zusammenspiel der Rechtsquellen

Das System stützt sich auf das europäische Patenterteilungsverfahren, unionsrechtliche Regelungen zur einheitlichen Wirkung sowie ein internationales Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht. Dadurch entstehen einheitliche materiell-rechtliche Grundsätze für Verletzung und Beschränkungen, ein Zentralregister beim EPA und eine zentrale Gerichtsbarkeit beim EPG.

Entstehung und Verfahren

Anmeldeweg über das EPA

Ausgangspunkt ist eine europäische Patentanmeldung beim EPA. Nach der Erteilung kann die Inhaberin oder der Inhaber innerhalb kurzer Frist die einheitliche Wirkung beantragen. Das Einheitspatent ist somit kein eigenständiges Prüfungsverfahren, sondern ein Status, der an ein erteiltes europäisches Patent „angehängt“ wird.

Voraussetzungen in Grundzügen

Wie jedes europäische Patent beruht auch das Einheitspatent auf den Grundanforderungen Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit. Die Prüfung erfolgt durch das EPA im regulären europäischen Verfahren.

Antrag auf einheitliche Wirkung

Der Antrag ist binnen kurzer Frist nach der Erteilung des europäischen Patents zu stellen. Er bewirkt, dass der Patentschutz in den zu diesem Zeitpunkt am System teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten einheitlich entsteht.

Sprach- und Übersetzungsregelungen

Für die Eintragung der einheitlichen Wirkung gelten besondere Sprachvorgaben. Während einer Übergangszeit ist eine vollständige Übersetzung des Patents in eine bestimmte Amtssprache erforderlich. Nach Ablauf dieser Übergangszeit entfallen zusätzliche Übersetzungen, abgesehen von den üblichen Anspruchsübersetzungen im europäischen Verfahren.

Schutzumfang und territorialer Geltungsbereich

Einheitlichkeit und Grenzen

Das Einheitspatent wirkt einheitlich in den zum Zeitpunkt der Eintragung teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten. Die Zahl der teilnehmenden Staaten ist nicht identisch mit allen EU-Ländern; einzelne Mitgliedstaaten nehmen (noch) nicht teil. Der Schutz erstreckt sich nicht auf Staaten außerhalb der EU, etwa das Vereinigte Königreich, die Schweiz oder Norwegen.

Verhältnis zu nationalen und europäischen Bündelpatenten

  • Einheitspatent: einheitlicher Schutz und zentrale Verwaltung für die teilnehmenden Staaten.
  • Europäisches Bündelpatent: erfordert nationale Validierungen; führt zu einem Bündel nationaler Rechte mit voneinander unabhängiger Rechtsbeständigkeit.
  • Nationale Patente: entstehen durch Anmeldung und Prüfung bei nationalen Ämtern; gelten nur im jeweiligen Staat.

Ein europäisches Patent kann gleichzeitig einheitliche Wirkung für teilnehmende Staaten erhalten und in nicht teilnehmenden Staaten klassisch validiert werden.

Dauer, Gebühren und Register

Laufzeit und Verfall

Die Laufzeit beträgt grundsätzlich bis zu 20 Jahre ab dem Anmeldetag. Das Einheitspatent kann nur einheitlich bestehen oder entfallen. Fällt es weg (z. B. wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren), erlischt der Schutz einheitlich in allen erfassten Staaten.

Gebühren und Verwaltung

Jahresgebühren für das Einheitspatent werden zentral beim EPA entrichtet. Dadurch entfallen gesonderte nationale Jahresgebühren in den abgedeckten Staaten. Verwaltungsvorgänge wie Umschreibungen oder Vermerke zu Lizenzen werden zentral im Register für die einheitliche Wirkung geführt.

Öffentliche Register und Transparenz

Das Register für die einheitliche Wirkung beim EPA weist Status, Inhaberschaft, Lizenzen, Sicherungsrechte und Verfahrensvermerke aus. Gerichtliche Entscheidungen zum Bestand und zur Verletzung werden im System des EPG veröffentlicht.

Rechte, Durchsetzung und Verteidigung

Ausschließliche Rechte

Das Einheitspatent verleiht das ausschließliche Recht, die geschützte Erfindung herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu importieren. Ausnahmen und Erschöpfungsregeln sind im Rahmen der einschlägigen Vorschriften vereinheitlicht.

Gerichtliche Zuständigkeit

Für Einheitspatente ist das Einheitliche Patentgericht zuständig. Es entscheidet zentral über Verletzung, Unterlassung, Schadensersatz, vorläufige Maßnahmen und Beweisfragen. Damit entfällt die Notwendigkeit, parallele Verfahren in mehreren Staaten zu führen.

Nichtigkeit, Beschränkung und Einspruch

  • Einspruch beim EPA: gegen das erteilte europäische Patent innerhalb eines begrenzten Zeitraums nach Erteilung; eine zentrale Entscheidung wirkt auf alle erfassten Staaten einschließlich der einheitlichen Wirkung.
  • Nichtigkeitsklage vor dem EPG: zentraler Angriff auf den Bestand mit einheitlicher Wirkung für alle betroffenen Staaten.
  • Beschränkung: kann zentral bewirkt werden; die beschränkte Fassung gilt dann einheitlich.

Vermögensrechtliche Aspekte

Eigentum und anwendbares Recht

Vermögensrechtliche Fragen wie Eigentum, Übertragung und dingliche Rechte am Einheitspatent richten sich nach einer gesetzlich vorgesehenen Anknüpfung: maßgeblich ist das Recht eines bestimmten EU-Mitgliedstaats, das anhand des Sitzes oder Wohnsitzes der Anmelderin oder des Anmelders zum Anmeldezeitpunkt bestimmt wird. Fehlt ein Bezug zur EU, greift ein festgelegtes Ersatzanknüpfungsrecht.

Übertragung, Lizenzen und Sicherheiten

  • Übertragung: Das Einheitspatent kann nur einheitlich für alle erfassten Staaten übertragen werden.
  • Lizenzen: können territorial und sachlich beschränkt werden; die Eintragung im Register erhöht die Publizität.
  • Sicherheiten und Zwangsvollstreckung: können nach dem anwendbaren Vermögensrecht bestellt und im Register vermerkt werden.

Schnittstellen zu anderen Schutzsystemen

Ergänzende Schutzzertifikate (SPC)

Ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel werden gegenwärtig national erteilt. Sie können auf einem Einheitspatent basieren und entfalten Wirkung im jeweiligen Staat. Ein gesondertes, unionsweites Schutzzertifikat ist in der Diskussion, die aktuelle Praxis bleibt jedoch national geprägt.

Arbeitnehmererfindungen und Erfinderbenennung

Fragen zur Erfinderbenennung, Vergütung von Arbeitnehmererfindungen und internen Zurechnungen richten sich nach dem jeweils anwendbaren Recht. Dieses knüpft in der Regel an den Arbeitgeber- oder Erfindersitz an und bleibt vom Status der einheitlichen Wirkung unberührt.

Bezug zu weiteren Schutzrechten

Das Einheitspatent ist von Marken, Designs und Urheberrechten zu unterscheiden. Patente schützen technische Erfindungen; Marken kennzeichnen Herkunft; Designs schützen Erscheinungsformen. Für Marken und Designs bestehen eigenständige unionsweite Titel, die von einer anderen Behörde verwaltet werden.

Begriffliche Abgrenzung und Praxis

Missverständnisse und typische Abgrenzungen

  • Das Einheitspatent deckt nicht automatisch alle EU-Staaten ab.
  • Es entsteht nicht durch nationale Validierung, sondern durch Eintragung der einheitlichen Wirkung.
  • Es ist nicht mit dem europäischen Bündelpatent identisch, kann dieses aber ergänzen.

Merkmale in neutraler Betrachtung

  • Einheitlicher Schutz und zentrale Durchsetzung in teilnehmenden Staaten.
  • Zentrale Jahresgebühren und einheitlicher Bestand.
  • Keine Aufspaltung des Bestands oder der Übertragung nach Staaten.
  • Einspruch und Nichtigkeit zentral möglich; Wirkung einheitlich.

Häufig gestellte Fragen

Ist das Gemeinschaftspatent dasselbe wie das europäische Patent?

Nein. Das europäische Patent ist das Ergebnis des Prüfungsverfahrens beim EPA und führt ohne weitere Maßnahmen zu einem Bündel nationaler Rechte. Das Gemeinschaftspatent (im heutigen Sinn: Einheitspatent) entsteht erst, wenn für das erteilte europäische Patent die einheitliche Wirkung eingetragen wird. Es wirkt dann einheitlich in den teilnehmenden EU-Staaten.

Deckt das Gemeinschaftspatent alle EU-Mitgliedstaaten ab?

Nein. Es erfasst nur die EU-Mitgliedstaaten, die dem System beigetreten sind. Maßgeblich ist der Beitrittsstand am Tag der Eintragung der einheitlichen Wirkung. Einige EU-Staaten nehmen (noch) nicht teil; Staaten außerhalb der EU sind nicht abgedeckt.

Wie entsteht ein Gemeinschaftspatent konkret?

Nach Erteilung eines europäischen Patents durch das EPA wird innerhalb kurzer Frist die einheitliche Wirkung beantragt. Nach Prüfung der formalen Voraussetzungen (einschließlich Sprachregelungen) trägt das EPA die einheitliche Wirkung in ein Register ein. Ab diesem Zeitpunkt besteht ein einheitliches Schutzrecht in den teilnehmenden Staaten.

Wer entscheidet über Verletzung und Nichtigkeit?

Für Einheitspatente ist das Einheitliche Patentgericht zuständig. Es kann unionsweit einheitlich über Verletzung, Unterlassung, Schadensersatz, Beweissicherung, einstweilige Maßnahmen sowie über Nichtigkeit entscheiden. Entscheidungen wirken einheitlich für alle erfassten Staaten.

Kann ein Gemeinschaftspatent teilweise übertragen oder widerrufen werden?

Eine Übertragung ist nur einheitlich für alle erfassten Staaten möglich. Lizenzen dürfen territorial beschränkt werden. Widerruf, Verzicht oder Beschränkung wirken stets einheitlich für alle vom Schutz erfassten Staaten.

Wie lange gilt ein Gemeinschaftspatent und wie werden Gebühren entrichtet?

Die Schutzdauer beträgt grundsätzlich bis zu 20 Jahre ab dem Anmeldetag des zugrunde liegenden europäischen Patents. Jahresgebühren werden zentral beim EPA entrichtet. Unterbleibt die Zahlung, erlischt der Schutz einheitlich.

Wie verhalten sich Einspruch und Nichtigkeitsklage zueinander?

Gegen das erteilte europäische Patent kann innerhalb eines begrenzten Zeitfensters Einspruch beim EPA eingelegt werden; die Entscheidung wirkt zentral. Unabhängig davon ist eine Nichtigkeitsklage vor dem Einheitlichen Patentgericht möglich, die bei Erfolg den Schutz einheitlich aufhebt.