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Gemeinschaftsgeschmacksmustersache


Begriff und Definition der Gemeinschaftsgeschmacksmustersache

Die Gemeinschaftsgeschmacksmustersache ist ein zentraler Begriff im Recht des geistigen Eigentums der Europäischen Union (EU). Sie bezeichnet eine rechtliche Angelegenheit, bei der ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Streit steht oder anderweitig rechtlich relevant wird. Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewähren Inhabern innerhalb der EU ein einheitliches Schutzrecht an Designs, das durch die sogenannte Geschmacksmusterverordnung (Verordnung (EG) Nr. 6/2002) geregelt wird. Der Begriff „Gemeinschaftsgeschmacksmustersache“ umfasst daher sämtliche Streitigkeiten, Anträge, Verfahren und Maßnahmen, die das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht zum Gegenstand haben.


Rechtlicher Rahmen des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht nach EU-Recht

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist ein von der Europäischen Union geschaffenes, einheitliches Designschutzrecht, das in allen EU-Mitgliedstaaten gilt. Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Geschmacksmusterverordnung – GGV). Der Schutz kann sowohl eingetragen als auch nicht eingetragen erfolgen.

Folgen und Wirkung des Schutzes

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber ein ausschließliches Recht, jede unerlaubte Nutzung des geschützten Designs durch Dritte zu untersagen. Der Schutz erstreckt sich auf sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Eintragungsverfahren

Die Anmeldung und Eintragung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters erfolgt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Nach Eintragung genießt das Design Schutz für bis zu 25 Jahre, unterliegt dabei aber der Zahlung von Verlängerungsgebühren alle fünf Jahre.

Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Bei nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern erstreckt sich der Schutz für drei Jahre ab dem Zeitpunkt der ersten Offenbarung innerhalb der EU. Dieser Schutz ist jedoch auf Fälle der Nachahmung und nicht auf sämtliche Nutzungsarten beschränkt.


Die Gemeinschaftsgeschmacksmustersache nach Art. 81 GGV

Die sog. Gemeinschaftsgeschmacksmustersache wird legaldefiniert in Art. 81 GGV. Der Artikel enthält Regelungen zu den Zuständigkeiten nationaler Gerichte in Bezug auf das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und regelt auch, wann Verfahren als Gemeinschaftsgeschmacksmustersache einzustufen sind. Demnach sind Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen insbesondere:

  • Klagen und Anträge wegen Verletzung und Gefahr der Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters
  • Klagen auf Feststellung des Nichtbestehens einer Verletzung
  • Widerklagen wegen Nichtigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Hierbei sind sowohl eingetragene als auch nicht eingetragene Designs umfasst.


Zentrale Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsgeschmacksmustersache

Verletzungsfragen und Unterlassungsansprüche

Im Kern einer Gemeinschaftsgeschmacksmustersache steht häufig die Prüfung, ob eine rechtswidrige Nutzung oder Nachahmung eines geschützten Designs vorliegt. Hieraus können sich insbesondere Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Vernichtung rechtsverletzender Produkte und gegebenenfalls Schadenersatz ergeben.

Nichtigkeitsfragen

In einer Gemeinschaftsgeschmacksmustersache kann auch die Nichtigkeit eines Musters geltend gemacht werden, etwa weil die Voraussetzungen für den Schutz wie Neuheit oder Eigenart nicht vorliegen. Das EUIPO ist für die Prüfung der Nichtigkeit eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster zuständig, während Nichtigkeitswiderklagen vor nationalen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichten im Verletzungsprozess erhoben werden können.

Anerkennung und Durchsetzung von Entscheidungen

Entscheidungen in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen entfalten unionsweite Wirkung. Ein Urteil eines Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts eines Mitgliedstaats gilt daher für das gesamte Gebiet der EU.


Gerichtliche Zuständigkeit bei Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen

Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte

Für die Entscheidung über Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen sind ausschließlich spezielle nationale Gerichte, die sogenannten Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, zuständig. Die Mitgliedstaaten müssen mindestens eines, meist jedoch zwei Instanzen vorsehen. Die Zuständigkeit richtet sich nach Art. 80 ff. GGV. Die Gerichte haben umfassende Entscheidungsgewalt, schließen aber bestimmte Fragen – etwa die Löschung im Register – aus.

Örtliche und internationale Zuständigkeit

Das örtlich zuständige Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht richtet sich primär nach dem Sitz des Beklagten oder – bei Fehlen eines solchen – nach dem Ort, an dem die Verletzungshandlung stattfand oder drohte. Das Internationale Privatrecht wird durch die besonderen Regelungen der GGV verdrängt.


Verhältnis zu nationalem Geschmacksmusterrecht und weiteren Schutzrechten

Das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht ist neben nationalen Geschmacksmusterrechten anwendbar. Im Kollisionsfall hat das Unionsrecht Vorrang. Daneben kann gegebenenfalls auch ergänzender Schutz durch Urheberrecht, Markenrecht oder sonstige Immaterialgüterrechte bestehen.


Rechtsfolgen und Bedeutung in der Praxis

Die Gemeinschaftsgeschmacksmustersache ist essenziell für die unionsweite Durchsetzung des Designschutzes. Die einheitliche Rechtsanwendung fördert den Binnenmarkt und bietet Rechteinhabern effizienten Rechtsschutz ohne das Erfordernis paralleler nationaler Schutzrechtsverfahren.


Literatur und Rechtsgrundlagen

  • Verordnung (EG) Nr. 6/2002 (Geschmacksmusterverordnung – GGV)
  • Amtsblatt der EU: Vorschriften und amtliche Bekanntmachungen zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster
  • Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO): Leitfäden und Informationen zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Fazit:
Die Gemeinschaftsgeschmacksmustersache umfasst sämtliche Rechtsfragen rund um das einheitliche europäische Geschmacksmuster, ihre gerichtliche Durchsetzung, die Abwehr und die Nichtigkeit. Sie ist von erheblicher Bedeutung für Unternehmen und Rechteinhaber, die europaweit effizienten und einheitlichen Designschutz beanspruchen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Klage wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters berechtigt?

Zur Klage wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist in erster Linie der Inhaber des eingetragenen oder nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters berechtigt. Handelt es sich um mehrere Inhaber (Mitinhaberschaft), so können diese gemeinsam oder einer mit Zustimmung der anderen eine Klage erheben. Zudem sind im Rahmen von ausschließlichen Lizenzen auch Lizenznehmer grundsätzlich zur eigenständigen Klage berechtigt, wenn sie den Rechtsinhaber zuvor zur Klage aufgefordert haben und dieser innerhalb angemessener Frist nicht selbst tätig wird. Nichtausschließliche Lizenznehmer hingegen können nur mit ausdrücklicher Ermächtigung durch den Rechtsinhaber klagen. Die Klagebefugnis umfasst regelmäßig sämtliche Ansprüche, die sich aus der Benutzung und widerrechtlichen Aneignung des Geschmacksmusters ergeben, insbesondere Unterlassungs-, Schadensersatz- und Auskunftsansprüche.

Welche Gerichte sind für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaftsgeschmacksmustern zuständig?

Für zivilrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaftsgeschmacksmustern, darunter insbesondere Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen, sind spezielle Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte („Designgerichte“) innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständig. In Deutschland handelt es sich hierbei um das Landgericht, an dessen Sitz ein Oberlandesgericht besteht; häufig ist dies das Landgericht Düsseldorf. Die Zuständigkeit ist in Artikel 80 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (GGV) geregelt. Das angerufene Gericht muss im Gebiet eines Mitgliedstaates liegen, in dem entweder der Beklagte seinen Wohnsitz oder seine Niederlassung hat, andernfalls richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort, in dem die Verletzung stattfindet oder droht. Das Urteil dieser Gerichte entfaltet grundsätzlich Wirkung für das gesamte Gebiet der Europäischen Union (Unionsweite Wirkung).

Welche Ansprüche kann der Inhaber eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters geltend machen?

Der Inhaber eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann im Verletzungsfall verschiedene Ansprüche vor Gericht geltend machen. Hierzu zählen insbesondere der Unterlassungsanspruch (Verbot der weiteren rechtswidrigen Nutzung durch den Verletzer), der Anspruch auf Beseitigung der Verletzungsfolgen (wie der Vernichtung widerrechtlich hergestellter Produkte) sowie der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (um Schadenshöhe und Vertriebswege offenzulegen). Darüber hinaus stehen dem Inhaber Ansprüche auf Schadensersatz zu, wobei verschiedene Methoden zur Schadensberechnung herangezogen werden können: tatsächlicher Schaden, Herausgabe des Verletzergewinns oder Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr (fiktive Lizenznahme). All diese Ansprüche zielen darauf ab, den Rechtsinhaber für die widerrechtliche Nutzung seiner Gestaltung adäquat zu entschädigen und zukünftige Verletzungen effektiv zu verhindern.

Können einstweilige Verfügungen im Rahmen einer Gemeinschaftsgeschmacksmustersache erlassen werden?

Ja, der Inhaber eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters hat die Möglichkeit, im Verletzungsfall vorläufigen Rechtsschutz durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Die nationale Zuständigkeit und die rechtlichen Voraussetzungen richten sich nach dem Recht des für die Hauptsache zuständigen Mitgliedstaats. In Deutschland beispielsweise ist das Landgericht zuständig. Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung eines Verletzungstatbestandes sowie Eilbedürftigkeit, da der Schadenseintritt bei fortdauernder Verletzung als irreversibel anzusehen ist. Die einstweilige Verfügung kann insbesondere ein vorläufiges Unterlassungsgebot, Beschlagnahme der Waren oder Maßnahmen zur Beweissicherung umfassen. Dieser einstweilige Rechtsschutz entfaltet ebenfalls unionsweite Wirkung und ist ein effektives Mittel, um kurzfristig gegen Designpiraterie vorzugehen.

Welche Verteidigungsmöglichkeiten hat der Beklagte in einer Gemeinschaftsgeschmacksmustersache?

Der Beklagte kann sich im Rahmen einer Gemeinschaftsgeschmacksmusterklage auf verschiedene Verteidigungsmöglichkeiten stützen. Zentral ist die Bestreitung der Schutzfähigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit der Begründung, dass das Muster keine Neuheit oder Eigenart besitzt oder eine anderweitige Ausschlussnorm greift (Artikel 25 GGV). Zudem kann die Nichtbenutzung bzw. keine Verletzung des Musters geltend gemacht werden, etwa infolge fehlender Übereinstimmungen im Gesamteindruck zwischen dem streitigen Muster und dem angegriffenen Produkt. Der Beklagte kann weiterhin widerklagend die Nichtigerklärung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters beantragen, worüber das Gericht dann zusammen mit der Hauptsache entscheidet. Bei einem parallelen Angriff auf die Registrierung vor dem EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) kann der Verletzungsprozess ausgesetzt werden.

Ist eine Widerklage auf Nichtigkeitserklärung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters zulässig?

Ja, gemäß Artikel 81 der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung kann der Beklagte im Wege der Widerklage die Nichtigkeitserklärung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters beantragen. Dies ist nur hinsichtlich eingetragener, nicht jedoch nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster möglich. Die Widerklage kann ausschließlich vor einem Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht erhoben werden. Ist die Widerklage zulässig und begründet, so wird das Gericht das Muster für nichtig erklären, was bedeutet, dass dessen Schutz rückwirkend erlischt und sämtliche Ansprüche des Klägers aus dem entsprechenden Muster abgewiesen werden. Alternativ besteht aber auch die Möglichkeit, ein eigenständiges Löschungsverfahren beim EUIPO einzuleiten; das verletztungsverfahrende Gericht wird dann typischerweise den Ausgang des Löschungsverfahrens abwarten (Verfahrensaussetzung).

Welche Wirkung hat das Urteil eines Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts?

Ein Urteil eines Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts der ersten Instanz hat grundsätzlich unionsweite Wirkung, das heißt, es gilt für das gesamte Gebiet der Europäischen Union. Dies betrifft insbesondere Unterlassungs- und Beseitigungsanordnungen sowie die Feststellung der Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Dadurch werden parallele oder nachfolgende Verletzungshandlungen in sämtlichen Mitgliedstaaten untersagt, unabhängig davon, wo der Rechtsstreit ursprünglich anhängig war. Das Urteil ist jedoch innerhalb der EU vollstreckbar, wobei je nach Mitgliedstaat unterschiedliche nationale Durchsetzungsmechanismen (Vollstreckungsverfahren) Anwendung finden. Einzige Ausnahmen betreffen etwaige nationale Geschmacksmusterrechte, die von dem Urteil nicht erfasst werden. Die unionsweite Wirkung unterstreicht die einheitliche Schutzwirkung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters.