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Gemeinschaftsgeschmacksmuster


Definition und rechtliche Grundlagen des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist ein unionsweites Schutzrecht für Designs in der Europäischen Union. Es bietet einen einheitlichen Schutz für die Erscheinungsform eines Erzeugnisses innerhalb aller Mitgliedstaaten der EU. Das Schutzrecht wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster eingeführt und wird zentral durch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) in Alicante verwaltet.

Ziel und Bedeutung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wurde geschaffen, um Unternehmen und Gestaltern einen effektiven, kosteneffizienten und einheitlichen Schutz für innovative Designs zu ermöglichen. Dadurch sollen Designleistungen in der EU gefördert und der Schutz gegen Nachahmungen verbessert werden.

Schutzgegenstand: Erscheinungsform eines Erzeugnisses

Geschützt wird die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon. Dies umfasst insbesondere die Linien, Konturen, Farben, Gestalt, Oberflächenstruktur und Materialien des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung.

Begriffsbestimmung „Erzeugnis“

Ein „Erzeugnis“ im Sinne der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich Teile, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengesetzt werden können, Verpackungen, Ausstattungen, grafische Symbole und typografische Schriftzeichen. Ausgenommen sind hingegen Computerprogramme.

Voraussetzungen für den Schutz

Damit ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster Schutz erlangt, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

Neuheit

Ein Design gilt als neu, wenn vor dem Anmeldetag (bzw. dem Prioritätstag) kein identisches Design der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Als identisch gelten Designs, die sich nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden.

Eigenart

Eigenart liegt vor, wenn sich der Gesamteindruck, den das Design beim informierten Benutzer erweckt, von dem eines bereits bestehenden Designs unterscheidet. Es wird dabei auf den Vergleich mit bereits bekannten Geschmacksmustern (einschließlich Gemeinschaftsgeschmacksmuster und nationalen Geschmacksmustern der Mitgliedstaaten) abgestellt.

Ausschlusstatbestände

Bestimmte Designs sind vom Schutz ausgeschlossen. Dazu zählen Erscheinungsformen, die ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind, Designs, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen, sowie Designs, die amtliche Symbole und andere geschützte Kennzeichen enthalten.

Entstehung und Schutzdauer

Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster entsteht grundsätzlich durch Eintragung beim EUIPO. Nach erfolgreicher formeller und materieller Prüfung wird das Muster für eine maximale Schutzdauer von 25 Jahren ab dem Anmeldetag gewährt, unterteilt in fünfjährige Verlängerungsperioden. Die Verlängerung muss jeweils rechtzeitig beantragt werden.

Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Es besteht auch ein Schutz für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Dieser entsteht automatisch mit der ersten Veröffentlichung innerhalb der EU und gilt für drei Jahre. Der Schutzumfang ist allerdings auf Nachahmungen beschränkt.

Umfang des Schutzes

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, das geschützte Design zu benutzen und Dritten die Nutzung ohne Zustimmung zu untersagen. Dies umfasst insbesondere das Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen, Ein- und Ausführen sowie das Lagern zu den genannten Zwecken.

Der Schutz bezieht sich auf jedes Design, das denselben Gesamteindruck wie das eingetragene oder nicht eingetragene Geschmacksmuster hervorruft.

Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Negative Rechte: Verbote gegenüber Dritten

Der Rechtsinhaber kann allen Dritten untersagen:

  • das geschützte Design ohne Zustimmung zu nutzen,
  • Produkte herzustellen, anzubieten, zum Verkauf bereitzuhalten, zu verkaufen, einzuführen, auszuführen oder zu lagern,
  • Produkte, in denen das Design verwirklicht ist, zu vertreiben oder anderweitig wirtschaftlich zu verwerten.

Positive Rechte: Erlaubnis zur Nutzung

Der Inhaber kann Dritten Nutzungsrechte (Lizenzen) einräumen und sein Geschmacksmuster übertragen.

Ausnahmen und Einschränkungen der Rechte

Mehrere Rechtsbeschränkungen sind vorgesehen, um das Interesse der Allgemeinheit und Dritter zu wahren. Dazu zählen insbesondere:

  • Handlungen zum privaten und nicht-gewerblichen Gebrauch,
  • Handlungen zu Versuchszwecken,
  • Vervielfältigung für Zitatzwecke, sofern dies mit den Gepflogenheiten redlicher Praxis vereinbar ist und nicht den normalen Gebrauch des Geschmacksmusters beeinträchtigt.

Zudem gestattet das Reparaturklausel-Prinzip in bestimmten Fällen die Nutzung von Geschmacksmustern bei Ersatzteilen für Reparaturzwecke.

Rechtsverteidigung und Durchsetzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

Verletzung und Rechtsfolgen

Bei einer Verletzung stehen dem Inhaber verschiedene Ansprüche zu, darunter auf Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung und Rückruf der verletzenden Produkte. Die Durchsetzung erfolgt regelmäßig vor den zuständigen Geschmacksmusterstreitgerichten der Mitgliedstaaten.

Nichtigkeitsverfahren

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann auf Antrag jedermann vor dem EUIPO für nichtig erklärt werden, wenn die Schutzvoraussetzungen nicht vorliegen oder Ausschlusstatbestände gegeben sind.

Verhältnis zu nationalen Geschmacksmusterrechten

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht eigenständig neben nationalen Geschmacksmusterrechten und verdrängt diese nicht. Soweit ein Design sowohl als Gemeinschaftsgeschmacksmuster als auch als nationales Geschmacksmuster angemeldet ist, können beide Rechte unabhängig voneinander ausgeübt werden.

Internationale Schutzmöglichkeiten

Über das Haager Musterabkommen besteht für Unternehmen die Möglichkeit, internationalen Designschutz in mehreren Staaten außerhalb der EU parallel zu beantragen. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster gilt indes nur im Gebiet der Europäischen Union.

Quellen und weiterführende Informationen

  • Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster
  • Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO): euipo.europa.eu
  • Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen

Hinweis: Dieser Artikel ist als sachliche Übersicht zum Thema Gemeinschaftsgeschmacksmuster konzipiert und vermittelt einen umfassenden Einblick in die Definition, Voraussetzungen, Schutzwirkungen und die Durchsetzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters in der Europäischen Union.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte gewährt das Gemeinschaftsgeschmacksmuster seinem Inhaber?

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verleiht dem Inhaber das ausschließliche Recht, das eingetragene Design in der gesamten Europäischen Union zu benutzen und Dritten die Nutzung zu verbieten. Insbesondere umfasst die rechtliche Schutzposition das Recht, die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr sowie die Verwendung von Produkten, in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet wird, zu untersagen. Ebenso ist das Lagern zu diesen Zwecken untersagt. Dieser Schutz gilt sowohl für identische als auch für Designs, die beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erwecken. Der Schutz ist nicht auf eine bestimmte Produktkategorie begrenzt, sondern bezieht sich auf die konkrete Erscheinungsform, wie sie im Muster hinterlegt ist. Darüber hinaus kann der Inhaber gegen Verletzungs- und Nachahmungsakte vorgehen und in Gerichtsverfahren Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend machen.

Welche Voraussetzungen bestehen für die Anmeldung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters?

Um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster erfolgreich anmelden zu können, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt werden. Das angemeldete Design muss neu sein, das heißt, kein identisches oder nur unerheblich unterschiedliches Muster darf vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sein. Darüber hinaus muss es Eigenart aufweisen, sprich, sich in seinem Gesamteindruck vom bereits bestehenden Formenschatz unterscheiden. Ferner darf das Geschmacksmuster nicht durch technische Funktionen bedingt sein oder lediglich durch eine technische Notwendigkeit vorgegeben sein, da ansonsten der Schutz ausgeschlossen ist (sog. Ausschluss der „mustergestaltenden Funktion“). Bestimmte Gestaltungen, etwa solche, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen, sind ebenfalls von der Eintragung ausgeschlossen. Die Anmeldung erfolgt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und muss bestimmte Formalitäten, wie die Einreichung von Abbildungen des Musters, erfüllen.

Wie lange ist das Gemeinschaftsgeschmacksmuster rechtlich geschützt und wie kann der Schutz verlängert werden?

Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wird zunächst mit einer Schutzdauer von fünf Jahren ab Anmeldetag eingetragen. Dieser Schutz kann jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden, insgesamt aber höchstens auf 25 Jahre. Für jede Verlängerung ist eine Verlängerungsgebühr zu entrichten, die beim EUIPO rechtzeitig vor Ablauf der jeweiligen Schutzperiode zu bezahlen ist. Versäumt der Inhaber die Verlängerung, erlischt das Geschmacksmuster-Schutzrecht mit dem Ende der abgelaufenen Schutzdauer. Nach Ablauf der maximalen Schutzdauer fällt das Geschmacksmuster in die Gemeinfreiheit.

Welche Rechtsmittel stehen im Fall der Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zur Verfügung?

Bei einer Verletzung seines Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann der Inhaber auf rechtlichem Wege verschiedene Ansprüche geltend machen. Hierzu zählen in erster Linie Unterlassungsansprüche, die darauf gerichtet sind, die Fortsetzung oder Wiederholung der Verletzung zu verhindern. Zudem besteht Anspruch auf Beseitigung der widerrechtlich gekennzeichneten Waren, Auskunftsansprüche bezüglich Herkunft und Vertriebsweg der verletzenden Produkte sowie Schadenersatzansprüche zur Kompensation finanzieller Einbußen. Gerichtsstand für Klagen ist in der Regel das für Gemeinschaftsgeschmacksmuster zuständige Spezialgericht in dem Mitgliedstaat, in dem der Beklagte ansässig ist, ansonsten das Gericht am Sitz des Klägers. Darüber hinaus ist die Grenzbeschlagnahme eine mögliche Maßnahme, um die Einfuhr rechtsverletzender Waren zu verhindern.

Welche Rolle spielt das „informierte Benutzer“-Kriterium im Recht des Gemeinschaftsgeschmacksmusters?

Das Kriterium des „informierten Benutzers“ ist bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit sowie eines möglichen Rechtsverstoßes von zentraler Bedeutung. Es handelt sich um eine rechtliche Fiktion, die eine Person beschreibt, die über angemessene Kenntnisse auf dem betreffenden Gebiet verfügt und aufmerksam ist, jedoch kein Experte sein muss. Bei der Frage, ob ein Design dem informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck vermittelt als ein zuvor bekanntes Muster, wird maßgeblich auf die Wahrnehmung dieses Nutzers abgestellt. Das Kriterium ist sowohl für die Bestimmung der Eigenart als auch für die Beurteilung von Verletzungsfragen maßgeblich, da geringfügige Unterschiede, die einem informierten Benutzer nicht auffallen würden, nicht zu einem neuen Gesamteindruck führen.

Welche Rechte hat ein Inhaber eines älteren nationalen Geschmacksmusters gegenüber einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster?

Wird ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster eingetragen, das mit einem älteren, in einem Mitgliedstaat geltenden Geschmacksmuster kollidiert, so bleibt das ältere nationale Recht unberührt. Das bedeutet, dass der Inhaber des älteren nationalen Rechts dem Inhaber des jüngeren Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Benutzung im jeweiligen Land untersagen kann. Der Schutz aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist insoweit eingeschränkt, als Rechte aus prioritätsälteren nationalen Geschmacksmustern bestehen. Ebenso besteht die Möglichkeit eines Nichtigkeitsverfahrens vor dem EUIPO, mit dem das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wegen entgegenstehender älterer Rechte für nichtig erklärt werden kann.

Was ist der Unterschied zwischen eingetragenem und nicht eingetragenem Gemeinschaftsgeschmacksmuster im rechtlichen Kontext?

Rechtlich unterscheidet das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zwischen der eingetragenen und der nicht eingetragenen Variante. Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster genießt einen umfassenden Schutz für maximal 25 Jahre im gesamten Binnenmarkt der EU und muss ausdrücklich angemeldet und registriert werden. Dagegen entsteht der Schutz des nicht eingetragenen Musters automatisch und erfordert keine Anmeldung; dieser Schutz ist jedoch auf drei Jahre nach erstmaliger Veröffentlichung innerhalb der EU beschränkt. Die rechtlichen Wirkungen unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der Reichweite: Während das eingetragene Muster einen absoluten Schutz gegen jede Benutzung gewährt, schützt das nicht eingetragene Muster nur gegen Nachahmungen, die eine bewusste Kopie darstellen. Der Beweis der Nachahmung liegt beim Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.