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Gemeinschaftsgebiet

Gemeinschaftsgebiet: Bedeutung, Abgrenzung und Anwendungsbereiche

Der Begriff Gemeinschaftsgebiet bezeichnet im europäischen Steuer- und Binnenmarktrecht den räumlichen Geltungsbereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, soweit dort die einheitlichen Regeln für den Waren- und Dienstleistungsverkehr, insbesondere zur Umsatzsteuer, Anwendung finden. Er dient der klaren Abgrenzung gegenüber dem Inland eines einzelnen Mitgliedstaates sowie gegenüber dem Drittlandsgebiet (Staaten und Gebiete außerhalb dieses Geltungsbereichs).

Kerndefinition

Unter Gemeinschaftsgebiet wird der Verbund der Gebiete der EU-Mitgliedstaaten verstanden, in denen die Grundregeln des Binnenmarkts für die Besteuerung von Waren und Dienstleistungen gelten. Der Begriff wird besonders in der Umsatzsteuer verwendet, um grenzüberschreitende Sachverhalte innerhalb der EU von solchen mit Drittstaaten zu unterscheiden.

Abgrenzungen: Inland, übriges Gemeinschaftsgebiet, Drittlandsgebiet

Im praktischen Sprachgebrauch werden drei Räume unterschieden:

  • Inland: das Staatsgebiet eines Mitgliedstaats im Sinne seiner nationalen Umsatzsteuerregeln, ggf. mit innerstaatlichen Ausnahmen.
  • Übriges Gemeinschaftsgebiet: das Gebiet der weiteren EU-Mitgliedstaaten, in denen die EU-Mehrwertsteuerregeln ebenfalls gelten.
  • Drittlandsgebiet: Gebiete außerhalb dieses Geltungsbereichs, etwa Nicht-EU-Staaten oder bestimmte Sondergebiete, für die die Mehrwertsteuerregeln der EU nicht gelten.

Terminologische Entwicklung

Historisch knüpft der Begriff an die Europäische Gemeinschaft an. Heute wird in einigen Materien von Unionsgebiet oder Zollgebiet der Union gesprochen. Im Bereich der Umsatzsteuer ist Gemeinschaftsgebiet weiterhin gebräuchlich, um die steuerrechtliche Einordnung von grenzüberschreitenden Vorgängen innerhalb der EU vorzunehmen.

Rechtliche Bedeutung in der Umsatzsteuer

Die umsatzsteuerliche Einordnung von Waren- und Dienstleistungsbewegungen hängt zentral davon ab, ob ein Vorgang im Inland, im übrigen Gemeinschaftsgebiet oder im Drittlandsgebiet stattfindet. Das Gemeinschaftsgebiet bildet dabei den Rahmen für die Regeln des Binnenmarkts.

Warenlieferungen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets

Warenbewegungen zwischen zwei Gebieten innerhalb des Gemeinschaftsgebiets unterliegen besonderen Binnenmarktregeln. Bei Verbringungen und Lieferungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten greifen Mechanismen, die die Besteuerung grundsätzlich im Bestimmungsland verorten. Hieraus ergeben sich besondere Nachweis- und Dokumentationsanforderungen sowie Meldepflichten, die grenzüberschreitende Lieferketten im Binnenmarkt strukturieren.

Innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb

Lieferungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen werden in der Regel als innergemeinschaftliche Lieferungen und korrespondierend als innergemeinschaftliche Erwerbe erfasst. Diese Systematik dient dazu, die Besteuerung der Waren im Mitgliedstaat des Verbrauchs sicherzustellen und Doppel- oder Nichtbesteuerungen zu vermeiden.

Dienstleistungen im Gemeinschaftsgebiet

Für Dienstleistungen enthält das Binnenmarktsystem Regeln zur Bestimmung des Ortes der Leistung. Je nach Art der Leistung und Status der Beteiligten (Unternehmen oder Privatperson) kann der Leistungsort im Sitzstaat des Leistungsempfängers, des Leistenden oder am Ort der Tätigkeit liegen. Die Zugehörigkeit zum Gemeinschaftsgebiet ist dabei ausschlaggebend, weil hiervon die Anwendung der EU-weit harmonisierten Grundsätze abhängt.

E-Commerce: Fernverkauf, besondere Verfahren

Für grenzüberschreitende Online-Verkäufe an Privatpersonen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets existieren vereinheitlichte Fernverkaufsregeln. Ergänzend bestehen besondere Erklär- und Abführungsverfahren, die die Abwicklung von Umsätzen in mehreren Mitgliedstaaten erleichtern sollen. Diese Verfahren sind ausdrücklich auf Umsätze innerhalb des Gemeinschaftsgebiets zugeschnitten.

Identifikations- und Meldebezüge

Unternehmen, die Leistungen an Geschäftspartner in anderen Teilen des Gemeinschaftsgebiets erbringen, verwenden regelmäßig spezielle Umsatzsteuer-Identifikationsnummern. Zudem kommen zusammenfassende Meldungen und vergleichbare Kontrollmechanismen zum Einsatz, um grenzüberschreitende Umsätze innerhalb des Gemeinschaftsgebiets transparent zu erfassen.

Verhältnis zu Zoll- und Verbrauchsteuerrecht

Neben der Umsatzsteuer spielt die räumliche Eingrenzung in weiteren Abgabenbereichen eine Rolle. Dabei ist zwischen dem Gemeinschaftsgebiet im mehrwertsteuerlichen Sinn und anderen unionsrechtlichen Räumen zu unterscheiden.

Zollgebiet der Union

Das Zollgebiet der Union ist ein eigener, unionsrechtlich abgegrenzter Raum mit weitgehend einheitlichen Ein- und Ausfuhrvorschriften. Es deckt sich nicht vollständig mit dem umsatzsteuerlichen Gemeinschaftsgebiet. Ein Gebiet kann zum Zollgebiet gehören, zugleich aber für Zwecke der Umsatzsteuer als außerhalb des Gemeinschaftsgebiets gelten, und umgekehrt.

Verbrauchsteuern

Für verbrauchsteuerpflichtige Waren (z. B. Alkohol, Tabakwaren, Energieerzeugnisse) bestehen unionsweit abgestimmte Regeln für die Beförderung und Besteuerung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets. Diese Systeme regeln insbesondere, wo und wann die Verbrauchsteuer entsteht und wie die Beförderung über Mitgliedstaatengrenzen zu begleiten ist.

Räumlicher Geltungsbereich und Sondergebiete

Grundsätzlich gehören die Staatsgebiete aller EU-Mitgliedstaaten zum Gemeinschaftsgebiet, soweit keine ausdrücklichen Ausnahmen bestehen. Daneben gibt es Gebiete mit Sonderstatus.

Mitgliedstaaten als Teil des Gemeinschaftsgebiets

Die Mehrwertsteuerregeln des Binnenmarkts gelten innerhalb der nationalen Umsatzsteuergebiete der Mitgliedstaaten. Für einzelne, abgrenzbare Teile der Mitgliedstaaten bestehen jedoch teils abweichende Regelungen.

Typische Ausnahmen und Sondergebiete (Beispiele, nicht abschließend)

Mehrere Gebiete gelten für Zwecke der Umsatzsteuer nicht als Teil des Gemeinschaftsgebiets oder unterliegen Sonderregimen. Beispiele sind:

  • Gebiete Deutschlands wie Helgoland und das Gebiet von Büsingen am Hochrhein, die umsatzsteuerlich Sonderstellungen aufweisen.
  • Spanische Gebiete wie die Kanarischen Inseln sowie die Städte Ceuta und Melilla, die nicht Teil des EU-Mehrwertsteuergebiets sind.
  • Die Åland-Inseln (Finnland) mit einem besonderen umsatzsteuerlichen Status.
  • Der Berg Athos (Griechenland) mit umsatzsteuerlicher Sonderstellung.
  • Italienische Gebiete wie Livigno, Campione d’Italia sowie bestimmte Binnengewässerbereiche mit abweichender Behandlung.
  • Außereuropäische Gebiete einzelner Mitgliedstaaten (z. B. bestimmte französische Überseegebiete), die nicht in das EU-Mehrwertsteuergebiet einbezogen sind.

Daneben existieren assoziierte Gebiete mit besonderen Abkommen (etwa im Verhältnis zu Monaco oder San Marino), die in einzelnen Abgabenarten eine angepasste Behandlung vorsehen, ohne dass diese Gebiete selbst Teil der EU sind. Solche Sonderregeln betreffen die umsatzsteuerliche Einordnung von Waren- oder Dienstleistungsvorgängen und können vom allgemeinen Schema abweichen.

Aufgrund politischer Entwicklungen bestehen für einzelne Gebiete Übergangs- und Sonderregelungen. So wird Nordirland für Warenbewegungen in bestimmten Konstellationen wie Teil des EU-Mehrwertsteuergebiets behandelt, während für Dienstleistungen und das übrige Vereinigte Königreich abweichende Regeln gelten. Solche Besonderheiten wirken sich auf die Einordnung in Gemeinschaftsgebiet oder Drittland für den konkreten Vorgang aus.

Praktische Relevanz

Die Zuordnung eines Vorgangs zum Gemeinschaftsgebiet bestimmt, ob Binnenmarktregeln zur Anwendung kommen. Sie beeinflusst die Einordnung von Warenbewegungen, die Bestimmung des Leistungsorts bei Dienstleistungen, die Anwendung vereinfachender Verfahren für grenzüberschreitende Umsätze sowie die Art der Nachweise und Meldungen. Für Reisende, Versandhandel, projektbezogene Leistungen und digitale Angebote prägt die räumliche Einordnung, ob Vorgänge als innergemeinschaftlich oder als mit Drittlandbezug gelten.

Abgrenzung zu anderen Räumen

EU, EWR, Schengen

Das Gemeinschaftsgebiet ist nicht deckungsgleich mit dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) oder dem Schengenraum. Staaten wie Island, Liechtenstein, Norwegen oder die Schweiz gehören nicht zum Gemeinschaftsgebiet, auch wenn sie durch EWR- oder Schengen-Regelungen eng angebunden sind.

Euro-Währungsgebiet

Die Zugehörigkeit zur Eurozone ist unabhängig von der Einordnung ins Gemeinschaftsgebiet. Mitgliedstaaten mit eigener Währung gehören dennoch zum Gemeinschaftsgebiet, sofern ihre Gebiete dem EU-Mehrwertsteuersystem unterliegen. Umgekehrt können Euro verwendende Gebiete außerhalb des Gemeinschaftsgebiets liegen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Staaten und Gebiete gehören zum Gemeinschaftsgebiet?

Zum Gemeinschaftsgebiet zählen grundsätzlich die Umsatzsteuergebiete der EU-Mitgliedstaaten. Es bestehen jedoch territoriale Ausnahmen und Sonderregelungen, durch die einzelne Gebiete nicht erfasst sind oder abweichende Regeln gelten. Die Zuordnung richtet sich nach der umsatzsteuerlichen Einbindung in das Binnenmarktsystem.

Worin liegt der Unterschied zwischen Gemeinschaftsgebiet und Drittlandsgebiet?

Gemeinschaftsgebiet umfasst die EU-Mitgliedstaaten, soweit dort die Mehrwertsteuerordnung des Binnenmarkts gilt. Drittlandsgebiet bezeichnet alle Gebiete außerhalb dieses Geltungsbereichs. Die Einordnung beeinflusst insbesondere die Behandlung von Lieferungen, Dienstleistungen, Einfuhren und Ausfuhren sowie die maßgeblichen Nachweise und Meldungen.

Ist das Gemeinschaftsgebiet identisch mit dem Zollgebiet der Union?

Nein. Beide Räume überschneiden sich, sind aber nicht deckungsgleich. Ein Gebiet kann zollrechtlich zur Union gehören, zugleich aber umsatzsteuerlich außerhalb des Gemeinschaftsgebiets liegen, und umgekehrt. Für die rechtliche Einordnung ist daher stets die jeweils einschlägige Materie maßgeblich.

Wie werden Nordirland und das übrige Vereinigte Königreich eingeordnet?

Das Vereinigte Königreich gehört nicht zum Gemeinschaftsgebiet. Für Nordirland gilt für Warenbewegungen eine besondere Regelung, nach der es in bestimmten Konstellationen wie Teil des EU-Mehrwertsteuergebiets behandelt wird. Für Dienstleistungen gelten abweichende Grundsätze. Die konkrete Einordnung hängt vom Gegenstand des Vorgangs ab.

Welche Gebiete sind typische Ausnahmen vom Gemeinschaftsgebiet?

Zu den typischen umsatzsteuerlichen Ausnahmen zählen beispielsweise die Kanarischen Inseln sowie Ceuta und Melilla (Spanien), Helgoland und Büsingen (Deutschland), die Åland-Inseln (Finnland), der Berg Athos (Griechenland) sowie Livigno und Campione d’Italia (Italien). Zudem sind verschiedene überseeische Gebiete einzelner Mitgliedstaaten nicht in das EU-Mehrwertsteuergebiet einbezogen.

Welche Bedeutung hat das Gemeinschaftsgebiet für die Besteuerung von Dienstleistungen?

Die Zugehörigkeit zum Gemeinschaftsgebiet beeinflusst die Bestimmung des Leistungsorts und damit den Ort der Besteuerung. Je nach Leistungsart und Beteiligten gelten unterschiedliche Anknüpfungspunkte im Binnenmarkt. Liegt der Leistungsort außerhalb des Gemeinschaftsgebiets, greifen die Regeln für Drittlandsachverhalte.

Welche Rolle spielt die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Gemeinschaftsgebiet?

Bei grenzüberschreitenden Leistungen zwischen Unternehmen innerhalb des Gemeinschaftsgebiets dient die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Identifikation der Beteiligten und ist Grundlage verschiedener Melde- und Kontrollmechanismen. Sie unterstützt die korrekte Einordnung und Erfassung innergemeinschaftlicher Vorgänge.

Ist das Gemeinschaftsgebiet dasselbe wie Schengen oder die Eurozone?

Nein. Schengen regelt den Wegfall stationärer Grenzkontrollen zwischen teilnehmenden Staaten, und die Eurozone betrifft die Währung. Beide Kreise unterscheiden sich in Zusammensetzung und Zweck vom umsatzsteuerlichen Gemeinschaftsgebiet.