Begriff und rechtliche Einordnung des Gehilfen
Der Begriff „Gehilfe“ ist ein fundamentaler Bestandteil des deutschen Zivil- und Strafrechts. Er bezeichnet eine Person, die einem anderen, insbesondere einem Delinquenten oder Geschäftsherrn, bei der Verwirklichung einer Handlung, insbesondere eines Delikts, Unterstützung leistet, ohne selbst Haupttäter bzw. unmittelbarer Täter zu sein. In verschiedenen rechtlichen Kontexten erhält der Begriff des Gehilfen eine unterschiedliche Ausprägung und rechtliche Bewertung.
Gehilfe im Strafrecht
Rechtliche Grundlagen
Das Strafrecht unterscheidet zwischen Täterschaft und Teilnahme. Die Teilnahme ist in § 26 und § 27 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und umfasst insbesondere die Beihilfe. Der „Gehilfe“ ist hierbei die Person, die vorsätzlich einem anderen zur vorsätzlichen rechtswidrigen Tat Hilfe leistet. Die Vorschrift des § 27 StGB normiert dies ausdrücklich.
Gesetzlicher Tatbestand
Gemäß § 27 Abs. 1 StGB ist „Gehilfe, wer zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat eines anderen vorsätzlich Hilfe geleistet hat“. Erforderlich ist das Vorhandensein einer Haupttat, da eine Gehilfenschaft zur Teilnahme (z. B. zur Anstiftung) nicht möglich ist. Die Haupttat muss wenigstens im Versuchsstadium erreicht sein.
Formen der Beihilfe
Beihilfe kann sowohl durch psychische als auch durch physische Hilfeleistung erfolgen. Beispiele hierfür sind das Verschaffen von Tatwerkzeugen, die Verschleierung der Tat oder auch das Überwachen von Tatorte. Maßgeblich ist dabei die Förderung der Haupttat in irgendeiner Art. Es genügt jede Handlung, die die Tat des Haupttäters objektiv erleichtert oder fördert.
Abgrenzung zur Täterschaft und zur Anstiftung
Der Gehilfe wird gegenüber dem Täter und dem Anstifter in der Strafzumessung milder behandelt (vgl. § 27 Abs. 2 StGB). Während der Täterschaft ein eigenständiges Interessenstreben zugrunde liegt und der Anstifter den Haupttäter zur Tat bestimmt, beschränkt sich der Gehilfe auf die unterstützende Funktion.
Gehilfe im Zivilrecht
Vertretungsrecht und Handlungsgehilfen
Im Zivilrecht ist der Begriff des Gehilfen insbesondere im Zusammenhang mit dem Vertretungsrecht und der Erfüllung fremder Schuldverhältnisse relevant. Hierzu zählen etwa der Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) sowie der Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB).
Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB)
Der Erfüllungsgehilfe ist eine Person, deren sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient. Für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen haftet der Schuldner wie für eigenes Verschulden. Die Begriffsbestimmung und haftungsrechtliche Folgen ergeben sich dabei aus § 278 BGB. Die Auswahl und Überwachung des Gehilfen obliegt dem Schuldner.
Voraussetzungen
- Bestehen eines Schuldverhältnisses
- Tätigkeit des Gehilfen in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners
Insbesondere im Arbeits- und Dienstleistungsbereich entfaltet dieser Aspekt hohe praktische Relevanz.
Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB)
Der Verrichtungsgehilfe ist eine Person, die mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und von dessen Weisungen abhängig ist. Gemäß § 831 BGB haftet der Geschäftsherr für den Schaden, den der Verrichtungsgehilfe „in Ausführung der Verrichtung“ einem Dritten zufügt, sofern ihn kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft.
Unterschiede zum Erfüllungsgehilfen
Wesentliche Unterschiede zum Erfüllungsgehilfen bestehen hinsichtlich des Haftungsgrundes und des geschützten Personenkreises. Die Haftung für Verrichtungsgehilfen ist verschuldensabhängig und schützt in erster Linie Dritte.
Gehilfe im Steuerrecht
Auch im Steuerrecht kommt dem Gehilfenstatus Bedeutung zu. Dies gilt etwa im Rahmen der Beihilfe zu Steuerhinterziehungen gemäß § 370 AO in Verbindung mit § 27 StGB, so dass rechtswidrige Unterstützungsleistungen im steuerlichen Kontext strafrechtliche Folgen nach sich ziehen können.
Gehilfe in sonstigen Rechtsgebieten
Verwaltungsrecht
Im Verwaltungsrecht kann der Gehilfenbegriff beispielsweise im Zusammenhang mit Amtsträgern auftauchen, etwa wenn Dritte Behörden oder Amtsträger bei der Durchführung hoheitlicher Aufgaben unterstützen und dabei in eine Pflichtverletzung eingebunden werden.
Rechtliche Folgen der Gehilfenstellung
Strafrecht
Im Strafrecht hat der Gehilfe im Vergleich zum Täter regelmäßig mit einer geringeren Strafandrohung zu rechnen, da das Unrecht der Beihilfe geringer wiegt als das der Täterschaft. Die Strafe richtet sich nach den Vorschriften für Strafzumessung (§ 27 Abs. 2 StGB).
Zivilrecht
Im Zivilrecht ist insbesondere die Haftung des Geschäftsherrn für Handlungen des Gehilfen relevant. Sowohl im Rahmen der Vertragserfüllung als auch bei der deliktischen Haftung entstehen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsherrn oder Schuldner, wenn Gehilfen einen Schaden verursachen.
Abgrenzung zu anderen Personenbezeichnungen
Die Gehilfenstellung muss abgegrenzt werden von Personen, die selbstständig als Täter, Mittäter oder Organträger handeln. Auch arbeitnehmerähnliche Personen oder Beauftragte sind rechtlich gesondert zu betrachten, sofern keine Weisungsgebundenheit oder Unterordnung besteht.
Literatur und Rechtsprechung
Die umfangreiche Literatur zum Gehilfenbegriff orientiert sich an Einzelfallentscheidungen und bietet Differenzierungen nach Rechtsgebieten. Insbesondere höchstrichterliche Urteile, wie solche des Bundesgerichtshofs im Bereich der Beihilfe und zivilrechtlichen Haftungsfragen, schaffen regelmäßig Präzedenzfälle.
Zusammenfassung
Der Begriff des Gehilfen ist ein rechtlich vielschichtiger Terminus, dessen genaue Definition und rechtliche Konsequenzen vom jeweiligen Rechtsgebiet abhängen. Ob im Straf- oder Zivilrecht: Die Gehilfenfunktion betrifft stets unterstützende, aber keine eigenverantwortliche Handlung. Rechtliche Verantwortung und Haftung richten sich nach den jeweiligen spezialgesetzlichen Vorschriften sowie nach dem Maß der Handlung und Einbindung in einen Sachverhalt. Die genaue Kenntnis der Voraussetzungen, Haftungsfolgen und Abgrenzungen ist für die Bewertung und Behandlung von Gehilfenfällen von zentraler Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Pflichten hat ein Gehilfe bei der Begehung einer Straftat?
Ein Gehilfe im Sinne des deutschen Strafrechts (§ 27 StGB) unterstützt vorsätzlich einen Haupttäter bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat. Die rechtlichen Pflichten eines Gehilfen ergeben sich insbesondere aus der Garantenstellung und dem Maß der Beteiligung. Ein Gehilfe muss nicht an der Ausführung der Haupttat unmittelbar beteiligt sein; es genügt eine fördernde Handlung, die geeignet ist, die Tat zu erleichtern. Die Hilfeleistung muss dabei bewusst und gewollt erbracht werden. Juristisch ist insbesondere relevant, dass der Gehilfe, ähnlich wie der Haupttäter, für die Begehung einer strafbaren Handlung haftbar gemacht werden kann – allerdings ist sein Strafmaß gegenüber dem Haupttäter in der Regel gemildert (§ 27 Abs. 2 StGB). Die besondere Pflichtenlage ergibt sich häufig aus der aktiven Mitwirkung durch Rat, Tat oder Beihilfe und kann auch bei Unterlassen gegeben sein, wenn eine rechtliche Pflicht zum Eingreifen oder Verhindern bestand (sogenannte „Garantenpflicht“). Die Kenntnis und Billigung der rechtswidrigen Tat sind entscheidend; Unwissenheit über die Haupttat schließt eine rechtliche Pflichtenlage typischerweise aus.
Inwiefern haftet ein Gehilfe zivilrechtlich für die Folgen der unterstützten Straftat?
Ein Gehilfe kann gemäß § 830 BGB (Mitverursacherhaftung) auch zivilrechtlich für den Schaden haften, der durch die unterstützte rechtswidrige Handlung eines Haupttäters entstanden ist. Die Haftung erstreckt sich auf Fälle, in denen der Gehilfe durch seine Beteiligung zur Schädigung beigetragen hat – selbst wenn er nicht direkt an der eigentlichen Ausführung beteiligt war. Dem Geschädigten steht in solchen Fällen ein gesamtschuldnerischer Anspruch gegen Gehilfe und Haupttäter zu, sodass diese gemeinsam für den gesamten Schaden einstehen müssen. Voraussetzung für die zivilrechtliche Haftung ist, dass der Gehilfe vorsätzlich oder jedenfalls fahrlässig gehandelt hat und zwischen seiner Handlung und dem Schaden ein kausaler Zusammenhang besteht. Hierbei ist zu beachten, dass auch eine Hilfeleistung durch Unterlassen (bei Bestehen einer Garantenstellung) eine zivilrechtliche Haftung auslösen kann.
Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Gehilfen und Mittäter aus rechtlicher Sicht?
Der zentrale Unterschied zwischen Gehilfen (§ 27 StGB) und Mittätern (§ 25 Abs. 2 StGB) liegt im Grad und in der Art der Beteiligung. Ein Mittäter ist aktiv an der Tatausführung beteiligt und handelt in bewusstem, gemeinsamen Zusammenwirken mit mindestens einem weiteren Täter. Daher reicht für die Annahme der Mittäterschaft ein gegenseitiges Einverständnis aus, wobei jeder Mittäter seinen Tatbeitrag so erbringt, dass er als wesentlicher Bestandteil der Gesamttat gilt. Ein Gehilfe hingegen wirkt lediglich „untergeordnet“ unterstützend mit – seine Leistung muss die Tat fördern, aber er beteiligt sich nicht aktiv an deren Durchführung. Diese rechtliche Einordnung hat erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung: Während Mittäter meist das Strafmaß für den Haupttäter teilen, fällt die Strafe des Gehilfen in der Regel milder aus. Zudem besteht bei Mittätern oft eine erweiterte Verantwortlichkeit („kumulative Zurechnung“), sodass jeder Mittäter für die gesamte Tat verantwortlich ist.
Kann ein Gehilfe auch für fahrlässige Delikte belangt werden?
Nach deutschem Strafrecht ist die Strafbarkeit eines Gehilfen grundsätzlich an vorsätzliches Handeln gekoppelt, da § 27 StGB eine vorsätzliche Unterstützungshandlung verlangt. Die Teilnahme an fahrlässigen Delikten ist demnach ausgeschlossen; das Gesetz sieht keine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Fahrlässigkeitstat vor. Das bedeutet, dass ein Gehilfe nur dann strafrechtlich verfolgt werden kann, wenn sowohl die vom Haupttäter begangene Haupttat als auch seine Unterstützungshandlung vorsätzlich ausgeführt wurden. Ausnahmen und Besonderheiten bestehen lediglich dort, wo das Gesetz speziell eine Teilnahme an fahrlässigen Handlungen unter Strafe stellt, was in der deutschen Praxis äußerst selten ist.
Wie wirkt sich der Rücktritt des Gehilfen auf seine Strafbarkeit aus?
Gemäß § 24 Abs. 2 StGB (Rücktritt vom Versuch) ist auch dem Gehilfen unter bestimmten Bedingungen ein strafbefreiender Rücktritt möglich, wenn er die Beihilfehandlung schon vorgenommen hat, die Haupttat aber noch nicht vollendet ist. Voraussetzung für den wirksamen Rücktritt ist, dass der Gehilfe freiwillig und ernsthaft eine eigene oder fremde Handlung vornimmt, die zur Verhinderung der Vollendung führt. Ist die Haupttat bereits vollendet, kann der Gehilfe seine Strafbarkeit nicht mehr durch Rücktritt vermeiden; jedoch kann ein aktives Bemühen um Schadensbegrenzung oder ein Geständnis strafmildernd wirken (§ 46 StGB). Eine Besonderheit besteht, wenn der Gehilfe seine Unterstützungshandlung später bereut und dies dem Strafverfolgungsorgan offenbart – hier wird im Einzelfall geprüft, ob dies strafmildernd gewertet werden kann.
Inwieweit ist das Maß der Bestrafung bei Gehilfen rechtlich geregelt?
Das Maß der Bestrafung eines Gehilfen ist in § 27 Abs. 2 StGB geregelt. Danach richtet sich der Strafrahmen grundsätzlich nach der für die Haupttat angedrohten Strafe. Allerdings hat das Gericht bei der Beihilfestrafe einen gesetzlich normierten Milderungsspielraum: Die Strafe für den Gehilfen ist im Regelfall zu mildern, was bedeutet, dass das Gericht den unteren Strafrahmen ausschöpfen oder bei besonders geringer Schuld auch unter die vorgesehenen Mindeststrafen gehen kann (§ 49 Abs. 1 StGB). Maßgebliche Kriterien für die Strafzumessung sind dabei das Ausmaß der Unterstützungsleistung, die Intensität des Vorsatzes sowie eventuell kompensierende strafmildernde Umstände, wie etwa die Abhängigkeit des Gehilfen vom Haupttäter oder eine untergeordnete Rolle.
Unter welchen Umständen ist eine Gehilfenschaft rechtlich ausgeschlossen?
Eine Gehilfenschaft ist rechtlich ausgeschlossen, wenn keine vorsätzliche Haupttat vorliegt (sogenannte „akzessorische“ Teilnahme), da Beihilfe immer eine durch den Haupttäter vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat voraussetzt. Ferner entfällt die Strafbarkeit, wenn der Gehilfe nicht mit dem erforderlichen Wissen und Wollen gehandelt hat, also beispielsweise die Tat des Haupttäters nicht kannte oder diese nicht fördern wollte. Auch bei fehlender Kausalität zwischen der Hilfeleistung und der Haupttat oder bei Handlungen, die eine bloße Vorbereitung darstellen (ohne dass eine hinreichende Förderung des Haupttatbestands erfolgt), ist eine Gehilfenschaft nicht gegeben. Besondere Schranken bestehen außerdem bei eigenhändigen Delikten und bei Tatbeständen, die ausschließlich vom Täter selbst begangen werden können (z. B. bei persönlichen Delikten wie Meineid oder Selbstbegünstigung).