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Geheimnisverrat


Begriff und rechtliche Grundlagen des Geheimnisverrats

Geheimnisverrat bezeichnet in der Rechtswissenschaft die unbefugte Offenbarung, Weitergabe oder Verwertung von vertraulichen Informationen oder Geheimnissen einer Person, eines Unternehmens oder einer Institution durch eine befugte Person oder Stelle. Der Begriff spielt insbesondere im Strafrecht, Zivilrecht, Arbeitsrecht sowie in bestimmten besonderen Rechtsgebieten wie dem Datenschutzrecht eine bedeutende Rolle. Geheimnisverrat ist in verschiedenen deutschen Gesetzen geregelt und durch unterschiedliche Tatbestände straf- oder zivilrechtlich sanktioniert.


Strafrechtliche Regelung des Geheimnisverrats

Berufsgeheimnisträger (§§ 203, 204 StGB)

Das Strafgesetzbuch (StGB) regelt den Schutz von bestimmten Geheimnissen vor unbefugter Weitergabe in §§ 203 und 204. Die Normen adressieren insbesondere Berufsgeheimnisträger wie:

  • Ärzte
  • Rechtsanwälte
  • Notare
  • Steuerberater
  • Sozialarbeiter und andere vergleichbare Berufe

§ 203 StGB stellt unter Strafe, wenn eine dieser Personen ein ihm anvertrautes fremdes Geheimnis unbefugt offenbart. Der Anwendungsbereich umfasst dabei auch Personen, die zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind, wie Gehilfen oder Angestellte der genannten Berufe. Unter Geheimnis versteht das Gesetz dabei alle Tatsachen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und am Geheimbleiben ein berechtigtes Interesse des Betroffenen besteht.

§ 204 StGB sanktioniert es, wenn sich jemand ein Geheimnis zunutze macht, das ein Berufsgeheimnisträger unbefugt offenbart hat.

Amtsgeheimnisse (§ 353b StGB)

Ein weiteres wichtiges Feld betrifft die Offenbarung von Dienstgeheimnissen und besonderen Geheimnissen durch Amtsträger. Nach § 353b StGB macht sich strafbar, wer als Amtsträger, für den öffentlichen Dienst Verpflichteter oder als Person mit besonderen Geheimhaltungspflichten ein Dienst- oder Staatsgeheimnis unbefugt offenbart oder verwertet. Dies betrifft insbesondere Informationen, deren Bekanntwerden die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines Bundeslandes erheblich gefährden könnte.

Verrat betrieblicher oder geschäftlicher Geheimnisse (§ 17 UWG)

Zusätzlich regelt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Nach § 17 UWG macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter eines Unternehmens anvertraut oder zugänglich geworden ist. Geschützt werden sollen insbesondere wirtschaftlich relevante Informationen wie Herstellungsverfahren, Rezepturen, Kundendaten oder technische Zeichnungen.


Geheimnisverrat im Arbeitsverhältnis

Verschwiegenheitspflichten von Arbeitnehmern

Das Arbeitsrecht schreibt Arbeitnehmern grundsätzlich vor, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihres Arbeitgebers zu wahren. Diese Verpflichtung ergibt sich vielfach aus dem Arbeitsvertrag, den jeweiligen Tarifverträgen oder durch gesetzliche Bestimmungen wie § 17 UWG. Auch ohne ausdrückliche Regelung besteht eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Verschwiegenheit über interne Angelegenheiten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Sanktionen bei Pflichtverstößen

Bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung. Zusätzlich kann der Arbeitgeber unter Umständen Schadensersatz verlangen oder zivilrechtlich auf Unterlassung klagen. Auch strafrechtliche Konsequenzen nach dem UWG können bei besonders schweren Verstößen in Betracht kommen.


Geheimnisverrat im Zivilrecht

Auch das Zivilrecht erkennt Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz für den Fall des Geheimnisverrats an. Beispiele:

  • Unterlassungsanspruch: Betroffene können nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den genannten Spezialgesetzen (z.B. UWG, StGB) Unterlassung der weiteren Offenbarung verlangen.
  • Schadensersatz: Ein Geheimnisverrat kann zu Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes oder nach allgemeinen Grundsätzen führen.

Gleichzeitig schützt das Zivilrecht im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) das Recht an persönlichen und wirtschaftlichen Geheimnissen.


Besonderheiten im Datenschutzrecht

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regeln den Umgang mit personenbezogenen Daten. Ein Verstoß gegen die dort geforderten Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitspflichten kann unter Umständen als Geheimnisverrat qualifiziert werden, sofern personenbezogene Daten ohne rechtliche Grundlage weitergegeben werden. Die Sanktionen reichen hier von Bußgeldern bis zu strafrechtlichen Maßnahmen nach nationalen Datenschutzgesetzen.


Internationaler Kontext und Besonderheiten

Auch international existieren vergleichbare Regelungen zum Schutz von Geheimnissen, insbesondere im Zusammenhang mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die EU-Richtlinie 2016/943 regelt den Schutz von vertraulichem Know-how und vertraulichen Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor unbefugter Erlangung, Nutzung und Offenlegung und ist mit dem deutschen Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) umgesetzt worden.


Abgrenzung zu verwandten Delikten

Datenschutzverstöße

Nicht jeder Datenschutzverstoß ist zugleich Geheimnisverrat, und nicht jede Offenbarung von Geheimnissen ist ein Datenschutzverstoß. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Datenschutzrecht nur personenbezogene Daten schützt, während der Geheimnisschutz auch für nicht personenbezogene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gilt.

Whistleblowing und Rechtfertigungsgründe

Ein Geheimnisverrat kann gerechtfertigt sein, wenn überwiegende öffentliche Interessen oder gesetzliche Aussagepflichten bestehen. Im Rahmen des sogenannten Whistleblowings – der Meldung von Missständen in Unternehmen oder Behörden – schützt das Gesetz Hinweisgeber teilweise vor Sanktionen, sofern die Interessenabwägung dies rechtfertigt. Hier greifen in Deutschland und der EU spezielle Hinweisgeberschutzgesetze.


Straf- und zivilrechtliche Folgen des Geheimnisverrats

Die Folgen eines Geheimnisverrats können gravierend sein. Neben Geld- und Freiheitsstrafe drohen Kündigungen, Schadensersatzklagen und Reputationsschäden. In besonders schweren Fällen, etwa bei erheblichen Nachteilen für Unternehmen oder öffentliche Stellen, sind auch Langzeitfolgen für die betroffenen Personen oder Organisationen möglich.


Literatur, Weblinks und Verweise

Weiterführende Literatur und maßgebliche Gesetzestexte:

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 203, 204, 353b
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 823
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
  • GeschGehG – Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
  • Hinweisgeberschutzgesetz

Zusammenfassung:
Geheimnisverrat ist eine rechtswidrige Offenlegung von vertraulichen Informationen, die in verschiedenen Rechtsgebieten umfassend geregelt und sanktioniert wird. Der Schutz betrifft neben Privatgeheimnissen auch dienstliche, betriebliche und geschäftliche Informationen. Die rechtlichen Konsequenzen reichen von strafrechtlichen Sanktionen bis hin zu zivilrechtlichen Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz. Eine sorgfältige Beachtung der vielfältigen gesetzlichen Regelungen ist daher für alle mit vertraulichen Informationen betrauten Personen und Unternehmen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen beim Geheimnisverrat gemäß deutschem Strafrecht?

Der Geheimnisverrat wird im deutschen Strafrecht insbesondere durch die §§ 203 ff. StGB sanktioniert. Wer unbefugt ein zum Geheimnis verpflichtetes fremdes Geheimnis – zum Beispiel ein Berufs- oder Geschäftsgeheimnis – offenbart, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Je nach Qualifikation kann das Strafmaß auch höher ausfallen, beispielsweise wenn der Täter aus Eigeninteresse oder mit Gewinnabsicht handelt. Im beruflichen Kontext, etwa bei Ärzten, Rechtsanwälten oder Notaren, schützt das Gesetz insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsträger und Mandant oder Patient. Daneben kommen in speziellen Fällen – etwa im Bereich des Wirtschaftsspionageschutzes (§ 17 UWG) oder des Verrats von Staatsgeheimnissen (§§ 94 ff. StGB) – deutlich höhere Strafen, teils bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe, in Betracht. Maßgeblich für das Strafmaß sind Art und Umfang des offenbarten Geheimnisses, der individuelle Einfluss des Täters und etwaige Beweggründe.

Wer ist zur Geheimhaltung verpflichtet?

Zur Geheimhaltung verpflichtet sind in erster Linie Personen, die kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Dazu gehören Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte, Steuerberater, Psychotherapeuten, Notare und auch bestimmte Amtsträger. Die Pflicht zur Geheimhaltung gilt grundsätzlich auch nach Beendigung des jeweiligen Berufsausübungsverhältnisses fort. Neben den ausdrücklich im Gesetz genannten Berufsgruppen können auch andere Personen betroffen sein, sofern sie durch besondere Umstände – etwa eine arbeitsvertraglich vereinbarte Verschwiegenheitsklausel oder eine entsprechende treuhänderische Stellung – einer Geheimhaltungspflicht unterliegen. Verstöße gegen diese Verpflichtung ziehen nicht nur strafrechtliche, sondern auch zivilrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen nach sich.

Welche Arten von Geheimnissen sind rechtlich geschützt?

Das Gesetz unterscheidet verschiedene Arten von rechtlich geschützten Geheimnissen. Dazu gehören personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, gesundheitliche Informationen, aber auch sonstige Umstände, die erkennbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und bei denen ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Im Strafrecht (§ 203 StGB) sind insbesondere fremde Geheimnisse geschützt, die einer Person im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraut oder zugänglich gemacht wurden. Zu den besonders geschützten Geheimnissen zählen etwa Patientendaten im medizinischen Bereich, vertrauliche Mandatsinformationen bei Rechtsanwälten oder geschäftsinterne Strategien, soweit diese über allgemein zugängliches Wissen hinausgehen.

In welchen Fällen ist die Offenbarung eines Geheimnisses ausnahmsweise erlaubt?

Die Offenbarung eines Geheimnisses ist im deutschen Recht nur unter engen Voraussetzungen erlaubt. Eine solche Rechtfertigung besteht insbesondere, wenn der Betroffene ausdrücklich in die Preisgabe seines Geheimnisses einwilligt. Außerdem kann die Pflicht zur Geheimhaltung entfallen, wenn eine gesetzliche Offenbarungspflicht besteht, etwa bei der Meldung geplanter Straftaten oder bei einer Zeugenaussage vor Gericht, soweit keine Schweigepflichtentbindung erfolgt ist. Im Einzelfall können auch übergeordnete Interessen wie das Abwenden einer akuten Gefahr (Notstand) oder der Schutz höherwertiger Rechtsgüter die Offenbarung rechtfertigen. Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen sind jedoch sehr eng auszulegen; Unsicherheiten empfiehlt es sich rechtlich prüfen zu lassen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Geheimnisverrat im Zivil- und im Strafrecht?

Im Strafrecht führt die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses, wie sie insbesondere § 203 StGB regelt, zu strafrechtlichen Sanktionen wie Freiheits- oder Geldstrafen. Im Zivilrecht hingegen kann der Geheimnisverrat eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung (z.B. Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 ff. BGB) darstellen. Häufig regeln Arbeitsverträge oder spezielle Verschwiegenheitsvereinbarungen (NDAs) den Umgang mit vertraulichen Informationen detailliert und stecken zivilrechtliche Folgen wie Vertragsstrafen, Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche ab. Während das Strafrecht die Allgemeinheit und das öffentliche Interesse schützt, liegt das Hauptanliegen des Zivilrechts im individuellen Schutz der Vertragsparteien bzw. Rechteinhaber.

Welche Rolle spielt die Einwilligung des Geheimnisherrn beim Geheimnisverrat?

Die Einwilligung des Geheimnisherrn – also der Person, deren Geheimnis betroffen ist – spielt eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Bewertung des Geheimnisverrats. Liegt eine ausdrückliche oder möglicherweise auch konkludente Einwilligung vor, entfällt die Strafbarkeit der Offenbarung gemäß § 203 StGB, da die Offenbarung dann nicht „unbefugt“ erfolgt. Die Einwilligung muss grundsätzlich vor der Offenbarung erfolgen, wirksam und informiert sein sowie freiwillig erteilt werden. Im Einzelfall kann es auf die Reichweite und den Umfang der Einwilligung ankommen, sodass gegebenenfalls bei Zweifeln eine schriftliche Bestätigung oder Dokumentation sinnvoll ist.

Wie lange besteht eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht fort?

Die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht in aller Regel auch nach Beendigung des zugrundeliegenden Tätigkeitsverhältnisses oder Mandats unverändert fort, etwa für Ärzte, Anwälte oder andere Berufsgeheimnisträger. Die Pflicht endet auch nicht automatisch mit dem Tod des Geheimnisherrn, sondern kann dessen Rechtsnachfolger binden oder sogar postmortale Schutzinteressen umfassen, je nach Einzelfall. Handelt es sich um vertraglich vereinbarte Verschwiegenheitsverpflichtungen, so können diese individuell befristet sein, wobei in wichtigen Fällen längere Nachwirkungszeiten vereinbart werden können, solange ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht. Für besonders schutzwürdige Staats- oder Amtsgeheimnisse gibt es unter Umständen gar keine zeitliche Grenze.