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Gegenseitiges Testament


Gegenseitiges Testament

Das gegenseitige Testament stellt eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments dar, bei dem sich in der Regel zwei Personen, meist Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, wechselseitig für den Todesfall begünstigen. Es dient der Sicherung des überlebenden Partners und regelt im Regelfall auch die Erbfolge nach dem Letztversterbenden. Das gegenseitige Testament nimmt eine bedeutende Sonderstellung im deutschen Erbrecht ein und ist vor allem in der Praxis der Testamentsgestaltung weit verbreitet.


Grundzüge des gegenseitigen Testaments

Definition und gesetzliche Grundlage

Das gegenseitige Testament ist in den §§ 2265 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Es handelt sich um ein gemeinsames Testament zweier Personen, in dem mindestens eine der Anordnungen so ausgestaltet ist, dass die Verfügung des einen von der Verfügung des anderen abhängig gemacht wird. Typischerweise setzen sich die Partner gegenseitig als Erben ein, häufig auch verbunden mit weiteren Verfügungen zugunsten Dritter (etwa Kinder als Schlusserben).

Abgrenzung und Anwendungsbereich

Wesentliches Charakteristikum ist die „Wechselseitigkeit“ der Verfügungen. Das bedeutet: Die Verfügung der einen Person erfolgt im Austausch gegen die Verfügung der anderen, sodass beide Verfügungen miteinander „verbunden“ sind. Diese Form ist im Erbrecht der Bundesrepublik Deutschland nur Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten (§ 2265 BGB). Andere gemeinschaftliche Testamentsarten, etwa von Geschwistern oder Freunden, sind aus rechtlichen Gründen nicht zulässig.


Form und Errichtung

Errichtungsformen des gegenseitigen Testaments

Ein gegenseitiges Testament kann auf folgende Weise errichtet werden:

  • Eigenhändige Niederschrift: Ein Ehegatte oder Lebenspartner verfasst eigenhändig und unterschreibt. Der andere versieht das Schriftstück mit seiner Unterschrift und einem Zusatz (§ 2267 BGB).
  • Notarielles Testament: Die Errichtung durch notarielle Beurkundung ist ebenso möglich (§ 2232 BGB).

Voraussetzungen der Wirksamkeit

Zur Wirksamkeit eines gegenseitigen Testaments müssen folgende Anforderungen erfüllt sein:

  • Testierfähigkeit beider Beteiligten
  • Eigenhändigkeit oder notarielle Beurkundung
  • Wechselseitigkeit der Verfügungen erkennbar aus dem Text
  • Erklärung des letzten Willens mit Unterschrift beider Partner

Die Verfügungen werden zu Lebzeiten durch gemeinsames Einvernehmen gestaltet und können grundsätzlich nur gemeinsam widerrufen oder geändert werden.


Inhaltliche Ausgestaltung

Gegenseitige Alleinerbeneinsetzung

In der Praxis wird häufig eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung vorgenommen: Die Ehe- oder Lebenspartner setzen sich zunächst gegenseitig als Alleinerben ein, d. h., der Überlebende erhält zunächst das gesamte Vermögen. Nach dessen Tod wird sodann, meist durch eine weitere testamentarische Verfügung, die Erbfolge für den „zweiten Erbfall“ geregelt (beispielsweise Kinder als Schlusserben).

Bindungswirkung

Eine Besonderheit des gegenseitigen Testaments besteht in der sogenannten „Bindungswirkung“: Die wechselbezüglichen Verfügungen können nach dem Tode des Erstverstorbenen vom Überlebenden grundsätzlich nicht mehr einseitig widerrufen werden. Nur zu Lebzeiten beider Partner ist eine gemeinsame Änderung oder Aufhebung möglich, es sei denn, es ist im Testament ausdrücklich anderes bestimmt (§ 2271 BGB).

Sonderfall: Berliner Testament

Das sogenannte Berliner Testament ist ein typischer Unterfall des gegenseitigen Testaments, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben bestimmen. Diese Gestaltung schützt insbesondere den überlebenden Partner vor dem Zugriff Dritter nach dem ersten Erbfall und sichert die Vermögensnachfolge an die Kinder nach dem Tod beider Ehegatten.


Widerruf, Anfechtung und Unwirksamkeit

Widerruf des gegenseitigen Testaments

Das Bundesrecht regelt die Widerrufsmöglichkeiten detailliert (§§ 2270-2272 BGB):

  • Gemeinsamer Widerruf: Bis zum Tod des ersten Partners ist ein gemeinsamer Widerruf oder eine Änderung jederzeit möglich.
  • Einseitiger Widerruf: Ein einseitiger Widerruf ist nur zu Lebzeiten beider Partner möglich, erfordert jedoch notariellen Widerruf und die Zustellung an den anderen (§ 2271 II BGB).
  • Bindung nach Tod: Nach Eintritt des ersten Erbfalls besteht grundsätzlich eine erhebliche Bindung; Änderungen durch den Überlebenden sind in Bezug auf die wechselbezüglichen Verfügungen meist ausgeschlossen.

Anfechtung

Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen ist unter den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 2078 ff. BGB möglich, wenn beispielsweise ein Inhaltsirrtum oder eine Drohung nachgewiesen wird.

Unwirksamkeit bestimmter Verfügungen

Einzelne Verfügungen können aufgrund von Formmängeln, Geschäftsunfähigkeit bei Errichtung oder mangelnder Testierfähigkeit unwirksam sein. Unwirksamkeit einer Verfügung kann unter Umständen die Bindungswirkung des gegenseitigen Testaments aufheben oder durch gesetzliche Auslegungsregeln im Wege der Gesamtrechtsnachfolge korrigiert werden.


Wirkung und Rechtsfolgen

Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten

Der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner wird nach dem ersten Erbfall Erbe des verstorbenen Partners. Mit dem Tod des erstversterbenden Partners entsteht die Bindungswirkung bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen, sodass der Überlebende diese nicht mehr durch einseitige Verfügung – etwa durch ein neues Testament – abändern kann.

Pflichtteilsrechtliche Auswirkungen

Insbesondere das Berliner Testament birgt das Risiko von Pflichtteilsansprüchen nach dem ersten Todesfall (z. B. durch Kinder), da sie durch die Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Partners enterbt werden. Maßnahmen wie Pflichtteilsstrafklauseln im Testament können hier vorsorglich eingebaut werden, um unerwünschte Pflichtteilsgeltendmachungen zu reduzieren.

Auslegung und Ergänzung der testamentarischen Anordnungen

Im Streitfall sind wechselbezügliche Verfügungen anhand der Auslegungsregeln der §§ 2084, 2085 BGB zu interpretieren, wobei der tatsächliche Wille der Erblasser maßgeblich ist.


Praktische Bedeutung und Anwendungsfälle

Das gegenseitige Testament wird insbesondere in folgenden Situationen genutzt:

  • Regelung des Nachlasses in Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft
  • Absicherung von Vermögen für gemeinsame Nachkommen
  • Schutz des überlebenden Ehepartners vor dem Zugriff Dritter
  • Vermeidung von Erbstreitigkeiten unter Abkömmlingen

Gerade im Familieneigenheim, bei Unternehmensbeteiligungen oder sonstigen komplexen Vermögenslagen spielt das gegenseitige Testament eine entscheidende Rolle für die rechtssichere und effiziente Vermögensnachfolge.


Fazit

Das gegenseitige Testament stellt eine zentrale Gestaltungsmöglichkeit zur Regelung des Nachlasses unter Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern dar. Durch die rechtsverbindliche Kombination beider Verfügungen bietet es umfassenden Schutz und Planungssicherheit, birgt jedoch aufgrund der Bindungswirkung und potentieller Pflichtteilsansprüche auch rechtliche Herausforderungen. Die ausführliche Kenntnis der gesetzlichen Vorgaben und mögliche Absicherungen gegen unerwünschte Rechtsfolgen sind bei der Errichtung eines gegenseitigen Testaments unerlässlich.


Siehe auch:

  • Berliner Testament
  • Testamentsformen in Deutschland
  • Erbrecht

Häufig gestellte Fragen

Kann ein gegenseitiges Testament nach dem Tod eines Ehepartners widerrufen werden?

Nach dem deutschen Erbrecht (§ 2271 BGB) ist ein gegenseitiges Testament grundsätzlich durch den überlebenden Ehepartner nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr frei widerruflich. Die sogenannte Bindungswirkung tritt ein, sobald ein Ehegatte verstorben ist. Dies bedeutet, dass die wechselbezüglichen Verfügungen (also solche, von denen anzunehmen ist, dass sie nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wären) widerrufsfest werden. Nur ein im Testament ausdrücklich eingeräumtes Änderungsrecht oder eine Anfechtung aufgrund gesetzlicher Vorschriften (z. B. wegen Irrtums oder Drohung) kann dann noch zur Anpassung führen. Ein einseitiger Widerruf oder eine Änderung, etwa um andere Erben einzusetzen, ist nach dem Tod des Partners regelmäßig ausgeschlossen. Unverändert widerruflich bleiben jedoch sogenannte einseitige Verfügungen, also solche Regelungen, die nicht wechselbezüglich sind, sofern sich dies aus der Auslegung des Testaments ergibt.

Welche Formvorschriften gelten für das gegenseitige Testament?

Ein gegenseitiges Testament von Ehegatten ist gemäß § 2267 BGB entweder als gemeinschaftliches eigenhändiges Testament oder in der Form eines öffentlichen Testaments möglich. Für das eigenhändige gemeinschaftliche Testament genügt es, wenn einer der Ehegatten den gesamten Text handschriftlich verfasst und beide Ehegatten das Testament eigenhändig unterzeichnen. Dabei sollten Ort und Datum hinzugefügt werden, um später die Echtheit und den Zeitpunkt zweifelsfrei feststellen zu können. Beim öffentlichen gemeinschaftlichen Testament kann das Testament entweder durch eine gemeinsame Erklärung vor einem Notar oder durch die Übergabe einer gemeinschaftlichen, eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung an einen Notar errichtet werden. Verstöße gegen die Formvorschriften können zur Unwirksamkeit des Testaments führen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Pflichtteilsansprüchen im Rahmen eines gegenseitigen Testaments?

Durch ein gegenseitiges Testament können gesetzliche Erben, beispielsweise Kinder, von der Erbfolge ausgeschlossen und stattdessen nur als Schlusserben nach dem Tod beider Ehegatten eingesetzt werden. Die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303 ff. BGB bleiben davon jedoch unberührt. Wird etwa ein Abkömmling im ersten Erbfall durch das gegenseitige Testament als Erbe ausgeschlossen, hat dieser Anspruch auf seinen Pflichtteil gegenüber dem überlebenden Ehegatten. Zur Absicherung verankern Ehegatten oft eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel im Testament, nach der ein Abkömmling, der beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, im zweiten Erbfall ebenfalls enterbt wird. Dies soll den Anreiz mindern, den Pflichtteil sofort geltend zu machen. Dennoch ist der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich nicht entziehbar, sofern keine besonderen Ausschlussgründe (z. B. schweres Fehlverhalten) vorliegen.

Was ist eine Wechselbezüglichkeit im gegenseitigen Testament und warum ist sie relevant?

Die Wechselbezüglichkeit gemäß § 2270 BGB beschreibt die rechtliche Verknüpfung der jeweiligen Verfügungen. Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, bei denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Typisches Beispiel ist die wechselseitige Einsetzung zu Alleinerben. Die Wechselbezüglichkeit hat erhebliche rechtliche Folgen, insbesondere hinsichtlich der Bindungswirkung nach dem Tod des Erstversterbenden. Sie schützt das beiderseitige Vertrauen darauf, dass getroffene Verfügungen Bestand haben. Ohne Wechselbezüglichkeit könnte ein überlebender Ehepartner nachträglich das Testament abändern oder widerrufen. Die Auslegung, ob eine Verfügung tatsächlich wechselbezüglich ist, richtet sich nach dem Willen der Ehegatten und kann im Streitfall gerichtlich überprüft werden.

Welche Gründe berechtigen zur Anfechtung eines gegenseitigen Testaments?

Wie bei jedem Testament sind auch beim gegenseitigen Testament Anfechtungen nach § 2078 BGB aus Gründen des Irrtums, widerrechtlicher Drohung oder arglistiger Täuschung möglich. Ein typischer Anfechtungsgrund ist, dass beide Ehegatten in der Annahme bestimmter Umstände das Testament aufgesetzt haben, die sich als falsch herausstellen. Ein Beispiel wäre, dass einer der Schlusserben verstorben ist oder ein Abkömmling, von dem man fälschlicherweise glaubte, dass er enterbt werden müsse, tatsächlich gar nicht existiert. Auch ein nachträglicher Pflichtteilsverzicht eines Kindes kann zur Anfechtung berechtigen, sofern die Testierenden bei Errichtung des Testaments hiervon nichts wussten. Die Anfechtung ist an strenge Fristen gebunden: Sie muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgen.

Welche Auswirkungen hat eine Ehescheidung auf das gegenseitige Testament?

Wird die Ehe vor dem Tod beider Ehegatten geschieden oder ein Scheidungsantrag bei Gericht eingereicht und später fortgeführt, so verliert das gegenseitige Testament gemäß § 2077 BGB in der Regel seine Wirksamkeit. Dies gilt auch dann, wenn die Ehe zwar noch besteht, aber die Voraussetzungen für eine Scheidung auf Antrag eines Ehegatten vorgelegen hätten. Die Testamentsbestimmungen zu Gunsten des geschiedenen Ehegatten werden unwirksam, außer das Gegenteil wurde durch ausdrückliche Regelung im Testament festgehalten. Anders bleibt dies jedoch im Hinblick auf Verfügungen zugunsten Dritter (z. B. Kinder); diese werden von der Scheidung im Allgemeinen nicht beeinträchtigt. Wird die Ehe hingegen durch den Tod eines der Ehegatten beendet, wirkt die Bindungswirkung des Testaments weiter.

Wer kann beim gegenseitigen Testament als Erbe eingesetzt werden?

Beim gegenseitigen Testament setzen Ehegatten einander meist zu Alleinerben ein und bestimmen gemeinsam einen oder mehrere Schlusserben für den zweiten Erbfall. Neben dem überlebenden Ehegatten können sämtliche natürliche und juristische Personen als Erben eingesetzt werden, daher insbesondere Kinder, Enkelkinder, Verwandte, Freunde oder gemeinnützige Organisationen. Die Testierenden sind weitgehend frei, wen sie zu welchen Anteilen als Erben bestimmen möchten. Bei der Einsetzung von Minderjährigen gilt es zu beachten, dass für diese im Erbfall ein gesetzlicher Vertreter bestellt werden muss und ggf. eine Testamentsvollstreckung zur Vermögensverwaltung sinnvoll sein kann. Auch die Einsetzung von Nacherben ist möglich, um eine mehrstufige Erbfolge zu regeln. Die konkreten Verfügungen sollten stets eindeutig und klar formuliert werden, um Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden.