Begriff und Definition „Gefangene“
Als Gefangene werden im Rechtssinn Personen bezeichnet, die ihrer Freiheit durch staatlichen Hoheitsakt oder auf Grund gesetzlicher Vorschriften entzogen sind. Der Begriff wird überwiegend in Zusammenhang mit dem Strafrecht und dem Strafvollzug verwendet, findet aber auch im Bereich des Polizeirechts, des Völkerrechts sowie im humanitären Völkerrecht (Kriegsgefangene) Anwendung. Der Begriff „Gefangene“ schließt somit sowohl strafrechtlich Inhaftierte als auch Personen ein, die im Rahmen von Sicherungsmaßnahmen staatlicher Gewalt vorübergehend oder dauerhaft ihrer Freiheit beraubt werden.
Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereiche
Strafrecht: Strafgefangene und Untersuchungsgefangene
Im deutschen Strafrecht unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten von Gefangenen:
Strafgefangene
Strafgefangene sind Personen, gegen die eine rechtskräftige und vollziehbare Freiheitsstrafe verhängt wurde. Die rechtlichen Grundlagen für den Vollzug ergeben sich insbesondere aus dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) des Bundes sowie den Strafvollzugsgesetzen der Länder. Der Freiheitsentzug dient hierbei sowohl der Sühne als auch dem Schutz der Allgemeinheit sowie der Resozialisierung des Gefangenen (§ 2 StVollzG).
Untersuchungsgefangene
Untersuchungsgefangene befinden sich in Untersuchungshaft gemäß §§ 112 ff. Strafprozessordnung (StPO). Die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgt zur Sicherung des Strafverfahrens, insbesondere zur Verhinderung von Flucht, Verdunkelung oder Wiederholungsgefahr. Untersuchungsgefangene gelten bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Unschuldsvermutung).
Andere Formen des Freiheitsentzugs
Neben dem klassischen Strafvollzug kennt das deutsche Recht weitere Formen des Freiheitsentzugs:
Sicherungsverwahrte
Sicherungsverwahrung dient nicht der Strafe, sondern dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern (§ 66 StGB). Sicherungsverwahrte werden in besonderen Abteilungen aufbewahrt und ihre Unterbringung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen streng kontrolliert.
Abschiebehaft
Abschiebehaft ist eine freiheitsentziehende Maßnahme auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes (§ 62 AufenthG), um die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer sicherzustellen. Sie ist keine Strafe, sondern eine Sicherungsmaßnahme.
Polizeigewahrsam
Im Rahmen des Polizeirechts kann die Polizei Personen zur Gefahrenabwehr und Sicherung polizeilicher Maßnahmen nach Landespolizeigesetzen in Gewahrsam nehmen. Dies ist zeitlich beschränkt und unterliegt richterlicher Kontrolle.
Internationales Recht und das humanitäre Völkerrecht
Kriegsgefangene
Kriegsgefangene werden durch die Genfer Konventionen von 1949 (Dritte Genfer Konvention) geschützt. Sie sind Angehörige bewaffneter Streitkräfte, die im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts in die Gewalt der feindlichen Partei gelangen. Ihr Status, ihre Rechte und der Schutz vor Misshandlungen sind detailliert geregelt.
Sonstige internationale Gefangenenkategorien
Weitere internationale Regelungen erfassen z. B. politische Gefangene oder Personen, denen die Freiheit völkerrechtswidrig entzogen wurde. Hier bilden die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) wichtige Standards.
Rechte und Pflichten von Gefangenen
Grundrechte während des Freiheitsentzugs
Auch während des Freiheitsentzugs genießen Gefangene Grundrechte, die lediglich im notwendigen Maß eingeschränkt werden dürfen. Die wichtigsten Rechte umfassen:
- Menschenwürde (Art. 1 GG)
- Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG)
- Rechtliches Gehör und gerichtlicher Rechtsschutz (Art. 103 GG)
- Brief-, Besuchs- und Telekommunikationsrechte, soweit gesetzlich geregelt
Einschränkungen sind nur zulässig, soweit sie für die Erreichung des Zwecks des Freiheitsentzugs unerlässlich sind.
Pflichten und Regelungen im Vollzug
Gefangene unterliegen den im jeweiligen Vollzugsgesetz festgelegten Pflichten, darunter die Einhaltung der Anstaltsordnung, Arbeits- und Beschäftigungspflichten sowie Teilnahme an Resozialisierungsprogrammen. Verstöße können mit Disziplinarmaßnahmen geahndet werden.
Beendigung des Gefangenenstatus
Entlassungstatbestände
Der Status als Gefangene erlischt mit Beendigung der Freiheitsentziehung. Dies kann erfolgen durch:
- Verbüßung der gesamten Freiheitsstrafe
- Bewährungsentlassung (§ 57 StGB)
- Aufhebung der Untersuchungshaft oder anderer Haftmaßnahmen durch gerichtlichen Beschluss
- Gnadenentscheidung oder Amnestie
Eine anschließende Führungsaufsicht kann angeordnet werden, begründet jedoch keinen neuen Gefangenenstatus.
Abgrenzung zu weiteren Begriffen
Es besteht eine klare begriffliche Abgrenzung zwischen:
- Gefangenen: Personen in Haft nach richterlicher oder gesetzlicher Anordnung
- Inhaftierten: Synonym, aber teils auch weitere Formen staatlicher Freiheitsentziehung umfassend
- Arrestierten: Personen in milden Formen der Freiheitsentziehung, z. B. Jugendarrest
Zusammenfassung
Gefangene sind Personen, denen durch staatlich legitimierte Hoheitsakte zumindest vorübergehend die persönliche Freiheit entzogen wurde. Die rechtlichen Grundlagen, Rechte und Pflichten werden durch nationale und internationale Regelungen umfassend geschützt und unterliegen ständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Status eines Gefangenen ist an hohe rechtsstaatliche Anforderungen geknüpft, sodass Missbrauch und Willkür verhindert werden sollen. Die Ausgestaltung der Haftbedingungen, der Zugang zum Rechtsschutz, die Resozialisierung und die Wahrung der Menschenwürde stehen im Mittelpunkt des rechtlichen Schutzes für Gefangene.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte stehen Gefangenen während der Haftzeit in Deutschland zu?
Gefangene in Deutschland genießen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben grundlegende Rechte, die im Wesentlichen durch das Grundgesetz, das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sowie länderspezifische Ausführungsgesetze geregelt sind. Zu den Hauptrechten zählen das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Gesundheit sowie das Recht auf angemessene Unterbringung und Versorgung. Weiterhin wird den Gefangenen das Recht auf Kontakt zur Außenwelt zugestanden, was insbesondere Besuche, Telefonate und Briefverkehr umfasst, wenngleich diese aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt überwacht oder eingeschränkt werden können. Ebenso haben Gefangene Anspruch auf Zugang zu Bildung, Arbeit und Freizeitangeboten, um die Resozialisierung zu fördern. Auch das Recht auf religiöse Betätigung und seelsorgerische Betreuung ist rechtlich verankert. Im Falle von Eingriffen in ihre Rechte, beispielweise durch Disziplinarmaßnahmen, steht Gefangenen der Rechtsweg offen, etwa durch Beschwerden bei der Anstaltsleitung oder die Anrufung des zuständigen Gerichts.
Wie ist der rechtliche Ablauf von Disziplinarmaßnahmen gegenüber Gefangenen geregelt?
Disziplinarmaßnahmen gegen Gefangene sind im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) geregelt und dürfen nur bei Verstößen gegen die Anstaltsordnung oder Weisungen verhängt werden. Zulässige Disziplinarmaßnahmen umfassen beispielsweise Ausgangsbeschränkungen, Ausgangs- und Besuchsentzug, Entzug von Vergünstigungen oder Arrest. Vor der Verhängung der Maßnahme müssen die Tatsachen sorgfältig aufgeklärt werden; der betroffene Gefangene ist zu hören, es sei denn, besondere Umstände erfordern ein sofortiges Eingreifen. Jede Disziplinarmaßnahme muss verhältnismäßig sein und darf nicht zur Demütigung oder als versteckte Strafmaßnahme genutzt werden. Die Gefangenen sind über die Gründe zu informieren, und sie können binnen einer bestimmten Frist schriftlich Beschwerde einlegen. Das Rechtsmittel richtet sich an die Justizvollzugsanstalt und ggf. das zuständige Strafvollstreckungsgericht, welches die Maßnahme überprüft.
Welche Möglichkeiten bestehen für Gefangene, sich gegen rechtswidrige Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt zu wehren?
Gefangene haben das Recht, sich rechtlich gegen Entscheidungen und Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt (JVA) zu wehren, insbesondere wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen. Zunächst kann beim Anstaltsleiter Beschwerde eingelegt werden (sog. Dienstaufsichtsbeschwerde). Wird dieser nicht abgeholfen, steht den Gefangenen der Weg zum zuständigen Strafvollstreckungsgericht offen. Das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG prüft die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, wie z.B. Zellendurchsuchungen, Anordnung von Einzelhaft oder Disziplinarmaßnahmen. Zusätzlich können in schwerwiegenden Fällen Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht oder Beschwerden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt werden, wenn nationale Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Der Zugang zu anwaltlicher Beratung ist ebenfalls gesetzlich garantiert; die Kommunikation mit dem Anwalt darf grundsätzlich nicht überwacht werden.
Wie wird das Recht auf Kontakt zur Außenwelt im Strafvollzug umgesetzt und eingeschränkt?
Das Recht auf Kontakt zur Außenwelt ist ein zentrales Element im deutschen Strafvollzug und dient sowohl dem Schutz des Persönlichkeitsrechts als auch der Förderung der Resozialisierung. Es umfasst insbesondere das Recht auf Briefwechsel, Besuch und Telefongespräche. Diese Kontakte können jedoch im Einzelfall eingeschränkt oder überwacht werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt erforderlich ist oder wenn der Verdacht besteht, dass durch den Kontakt Straftaten vorbereitet oder begangen werden sollen. Die Überwachung erfolgt etwa durch das Mitlesen von Briefen oder das Mithören von Telefongesprächen. Für den Besuch ist im Regelfall eine Antragstellung erforderlich, und in einigen Fällen kann der Besuch auf bestimmte Personen (zum Beispiel nahe Angehörige) oder eine bestimmte Häufigkeit beschränkt werden. Besonders schutzbedürftig ist hingegen die Kommunikation mit Anwälten, Gerichten und bestimmten Behörden; hier kann eine Überwachung nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen stattfinden.
Welche Pflichten müssen Gefangene während der Haftzeit erfüllen?
Gefangene unterliegen während ihres Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt bestimmten Pflichten, die insbesondere der Aufrechterhaltung des Vollzugsziels sowie der Sicherheit und Ordnung dienen. Dazu zählt zunächst das Einhalten der Anstaltsordnung und aller rechtmäßigen Weisungen des Anstaltspersonals. Gefangene sind verpflichtet, an zugewiesenen Arbeits-, Ausbildungs- oder sonstigen Beschäftigungsmaßnahmen teilzunehmen, sofern keine gesundheitlichen oder anderen zwingenden Hinderungsgründe vorliegen. Die Teilnahme an bestimmten therapeutischen Maßnahmen kann verpflichtend sein, wenn dies der Resozialisierung dient. Zudem unterliegen sie Disziplinar- und Mitwirkungspflichten, etwa bei ärztlichen Untersuchungen oder Sicherheitskontrollen wie Zellendurchsuchungen und Leibesvisitationen. Verletzen Gefangene diese Pflichten, kann dies zu Disziplinarmaßnahmen führen. Zugleich sind sie verpflichtet, Rücksicht auf andere Gefangene und das Anstaltspersonal zu nehmen und das Zusammenleben nicht zu stören.
Inwiefern haben Gefangene Anspruch auf medizinische Versorgung und wie ist diese organisiert?
Jeder Gefangene hat gemäß § 58 StVollzG das Recht auf angemessene medizinische Versorgung, die dem allgemeinen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Die Justizvollzugsanstalten sind verpflichtet, sowohl eine Grundversorgung durch eine eigene Krankenstation als auch den Zugang zu spezialärztlicher Behandlung sicherzustellen, ggf. durch Überweisung an externe Fachärzte oder Krankenhäuser. Hierzu gehören prophylaktische Maßnahmen, akute Behandlungen, chirurgische Eingriffe, psychologische Betreuung sowie die Versorgung chronisch kranker Inhaftierter. Dringende medizinische Maßnahmen sind unverzüglich zu veranlassen und dürfen nicht aus organisatorischen oder sicherheitsrelevanten Gründen verzögert werden. Die Behandlung erfolgt grundsätzlich mit Einwilligung des Gefangenen, Zwangsmaßnahmen bedürfen strenger Voraussetzungen und gerichtlicher Kontrolle. Verweigert ein Gefangener eine ärztliche Behandlung, ist dies in der Regel zu beachten, es sei denn, eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung liegt vor. Die Kosten für die medizinische Versorgung übernimmt grundsätzlich der Staat.