Begriff und Definition des Gefängnisses
Das Gefängnis bezeichnet im deutschen Rechtssystem eine Einrichtung des Strafvollzuges, in der Personen zur Vollstreckung einer vom Gericht verhängten Freiheitsstrafe untergebracht werden. Der Begriff findet sowohl im Strafrecht als auch im Strafvollzugsrecht umfassende Anwendung und ist Bestandteil zahlreicher gesetzlicher Regelungen. Historisch gesehen entwickelte sich das Gefängnis von einer Einrichtung zur bloßen Verwahrung und Sicherung zu einem Ort der Resozialisierung und Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft.
Rechtliche Grundlagen des Gefängnisses
Strafrechtliche Einordnung
Gemäß den Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) ist die Freiheitsstrafe die schwerste im deutschen Strafrecht vorgesehene Strafart. Die Vollstreckung dieser Strafe erfolgt grundsätzlich durch Unterbringung des Verurteilten in einer Justizvollzugsanstalt, meist als Gefängnis bezeichnet. Die rechtliche Ausgestaltung der Freiheitsstrafe ist in den §§ 38 ff. StGB normiert.
Strafvollzugsrechtliche Regelungen
Das Strafvollzugsrecht regelt näher die Bedingungen, unter denen die Freiheitsstrafe in einem Gefängnis zu vollziehen ist. Maßgeblich ist dabei das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) auf Bundesebene sowie die jeweiligen Landesgesetze zum Strafvollzug, da durch die Föderalismusreform von 2006 die Gesetzgebungskompetenz teilweise auf die Länder übergegangen ist.
Unterscheidung zwischen Haftarten
Freiheitsstrafe und Untersuchungshaft
Das Gefängnis ist primär für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zuständig und von anderen Haftformen wie der Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO) zu unterscheiden. Die Untersuchungshaft wird in Justizvollzugsanstalten mit besonderen Abteilungen durchgeführt, stellt jedoch keine Strafe, sondern eine freiheitsentziehende Maßnahme zur Sicherung des Strafverfahrens dar.
Ordnungshaft und Ersatzfreiheitsstrafe
Weitere relevante Haftarten sind darüber hinaus die Ordnungshaft (§ 96 OWiG) und die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB), die ebenfalls in einer Justizvollzugsanstalt zu vollziehen sind, jedoch andere Sanktionen betreffen.
Organisation des Gefängniswesens
Justizvollzugsanstalten
In Deutschland bestehen verschiedene Typen von Justizvollzugsanstalten (JVA), die gemeinhin als Gefängnisse bezeichnet werden. Zu unterscheiden sind:
- Offener Vollzug: Leichtere Überwachung, Ziel der Resozialisierung und gesellschaftlichen Wiedereingliederung.
- Geschlossener Vollzug: Höhere Sicherheitsvorkehrungen zur Verhinderung von Flucht und kriminellen Aktivitäten während des Haftaufenthalts.
Neben diesen Unterscheidungen gibt es spezielle Einrichtungen für Jugendliche (Jugendstrafvollzug), Frauen oder Sicherungsverwahrte.
Verwaltung und Aufsicht
Die Gefängnisse unterstehen der Aufsicht der jeweiligen Landesjustizbehörden. Die Organisation umfasst sowohl sicherheitstechnische als auch soziale und gesundheitliche Aufgaben (z. B. Sozialarbeit, medizinische Versorgung, schulische bzw. berufliche Förderung).
Ziele und Funktionen des Gefängnisses
Resozialisierungsauftrag
Nach § 2 StVollzG und entsprechender Landesgesetze verfolgt das Gefängnis den Zweck, den Inhaftierten zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Resozialisierung). Die Vollstreckung von Freiheitsstrafen erfolgt daher nicht ausschließlich repressiv, sondern mit dem gesetzlichen Auftrag zur Förderung der Wiedereingliederung.
Schutz der Allgemeinheit
Neben dem Resozialisierungsauftrag ist auch der Schutz der Allgemeinheit von Straftätern und die Verhinderung weiterer Straftaten eine wesentliche Funktion des Gefängnisses.
Zweck der Freiheitsstrafe
Allgemeine und besondere Prävention spielen dabei eine Rolle: Zum einen soll die Allgemeinheit von der Begehung von Straftaten abgeschreckt (Generalprävention), zum anderen der einzelne Straftäter von weiteren Delikten abgehalten werden (Spezialprävention).
Rechte und Pflichten der Gefangenen
Grundrechte während der Inhaftierung
Auch im Gefängnis bleiben Grundrechte bestehen, wenngleich sie durch die Haft eingeschränkt sein können. Das Recht auf Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit sowie ein Mindestmaß an privater Entfaltung bleiben unantastbar (§§ 3 und 4 StVollzG).
Pflichten im Strafvollzug
Die Gefangenen sind verpflichtet, sich der Anstaltsordnung unterzuordnen und Arbeits- oder Erwerbsmaßnahmen nachzukommen (§ 41 StVollzG). Verstöße gegen Anstaltsordnungen können Disziplinarmaßnahmen nach sich ziehen.
Rechtsbehelfe und Beschwerdemöglichkeiten
Gefangene haben umfassende Rechtsbehelfe zu ihrer Verfügung, insbesondere das Recht auf Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 ff. StVollzG), sobald sie sich in ihren Rechten verletzt sehen.
Haftbedingungen und Vollzugsmaßnahmen
Unterbringung, Versorgung und Gesundheitsvorsorge
Das Strafvollzugsgesetz und die jeweiligen Landesvollzugsgesetze regeln detailliert die Gestaltung der Unterbringung, Ernährung, medizinischen Betreuung, Beschäftigung und Freizeitgestaltung der Inhaftierten.
Vollzugslockerungen, Freigang und Entlassung
Der Zugang zu Lockerungen (z. B. Ausgang, Urlaub, Nachsicht von Strafrest) ist in den §§ 11 ff. StVollzG vorgesehen und unterliegt strengen Voraussetzungen und behördlicher Prüfung. Auch die vorzeitige Entlassung auf Bewährung nach § 57 StGB ist Teil des deutschen Strafvollzugssystems.
Kontrolle und Überwachung des Gefängniswesens
Rechtsschutz und Kontrolle
Die Kontrolle des Gefängniswesens erfolgt sowohl durch interne Aufsichtsbehörden als auch durch unabhängige Stellen, wie Strafvollzugskommissionen, Landesjustizministerien und im Einzelfall durch Gerichte, insbesondere im Rahmen des Rechtsschutzes gemäß §§ 109 ff. StVollzG.
Bedeutung und Wandel des Gefängnissystems in Deutschland
Das deutsche Gefängnissystem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt – weg von einem primär repressiven, hin zu einem stärker erzieherischen und resozialisierenden System, um Straftätern die Möglichkeit der Rückkehr in ein straffreies Leben zu bieten. Trotz bekannter Herausforderungen im Haftalltag (Überbelegung, Rückfallquoten, Gewalt im Strafvollzug) bleibt die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Gefängnisses ein elementarer Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.
Quellenhinweis: Die dargestellten Inhalte basieren auf den maßgeblichen Gesetzen (insbesondere StGB, StVollzG, Landesstrafvollzugsgesetzen) und aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Bereich des Strafvollzugsrechts.
Häufig gestellte Fragen
Wie verläuft das Strafvollzugsverfahren nach einer rechtskräftigen Verurteilung?
Nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu Freiheitsstrafe erfolgt die Einleitung des Strafvollzugs durch die zuständige Justizvollzugsbehörde. Diese erhält die Strafvollstreckungsunterlagen vom Gericht, prüft die Voraussetzungen für die Aufnahme und bestimmt, in welcher Justizvollzugsanstalt die Strafe verbüßt werden soll. Die Einweisung richtet sich nach der Strafvollstreckungsordnung (StVollstrO), wobei Faktoren wie das Geschlecht, das Alter, die Gesundheitslage sowie der Vollstreckungsplan des jeweiligen Bundeslandes zu berücksichtigen sind. Der Verurteilte wird durch eine Ladung zum Strafantritt aufgefordert und hat sich dann zu dem festgesetzten Termin bei der benannten Anstalt zu stellen. Erfolgt das nicht, kann die Festnahme durch die Polizei angeordnet werden. Nach Eintritt in die Justizvollzugsanstalt finden Aufnahmegespräche, medizinische Untersuchungen sowie eine Sicherheitsüberprüfung statt; anschließend erfolgt die Zuweisung zu einer Abteilung und die individuelle Vollzugsplanung gemäß § 7 StVollzG (Strafvollzugsgesetz). Während des Vollzugs werden alle Maßnahmen, wie etwa Arbeitseinsatz, Vollzugslockerungen oder therapeutische Angebote, sorgfältig dokumentiert und sind rechtlichen Überprüfungen zugänglich.
Welche Rechte stehen Inhaftierten während des Strafvollzugs zu?
Inhaftierte genießen trotz Freiheitsentzug eine Vielzahl gesetzlich geschützter Rechte, die im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sowie in länderspezifischen Vollzugsgesetzen detailliert geregelt sind. Zentrale Rechte betreffen etwa das Recht auf Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit (§ 2 StVollzG), medizinische Versorgung, Kontakt zur Außenwelt (Telefon, Briefverkehr, Besuch), das Recht auf seelsorgerische Betreuung sowie auf Zugang zu Rechtsberatung und gerichtlichem Rechtsschutz. Insassen haben das Recht auf Arbeit, Ausbildung bzw. Weiterbildung und die Möglichkeit, Anträge und Beschwerden an die Anstaltsleitung oder an das Vollstreckungsgericht zu richten. Einschränkungen dieser Rechte sind nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung zulässig. Auch Datenschutz und der Schutz des Briefgeheimnisses sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zu beachten.
Wie kann gegen Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt rechtlich vorgegangen werden?
Gegen Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt steht den Inhaftierten grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offen. Zunächst ist gemäß § 109 StVollzG ein Antrag bei der Anstaltsleitung auf Abhilfe zu stellen. Bleibt dieser erfolglos oder wird nicht binnen einer angemessenen Frist entschieden, kann eine gerichtliche Entscheidung beim zuständigen Strafvollstreckungsgericht beantragt werden. In Eilsachen besteht die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung. Typische Gegenstände solcher Anträge sind etwa Anstaltsregelungen, Besuchsbeschränkungen, Maßnahmen des Disziplinarrechts oder Versagung von Vollzugslockerungen. Gegen die Entscheidung des Gerichts kann Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt werden. Die richterliche Überprüfung ist ein zentrales Element des Rechtsschutzes und garantiert den Insassen effektiven Rechtsschutz im sog. Rechtsschutzverfahren gemäß §§ 109 ff. StVollzG.
Unter welchen Voraussetzungen ist eine vorzeitige Haftentlassung möglich?
Die vorzeitige Haftentlassung ist vor allem im Wege der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Verbüßung eines bestimmten Teils der Freiheitsstrafe geregelt (§§ 57 und 57a StGB). Bei zeitigen Freiheitsstrafen beträgt diese Frist in der Regel zwei Drittel der verhängten Strafe, wobei unter bestimmten günstigen Umständen auch eine Halbstrafenentlassung erfolgen kann. Voraussetzung ist, dass die Reststrafe nicht mehr für erforderlich gehalten wird, um den Verurteilten von weiteren Straftaten abzuhalten (positive Legalprognose), und dass keine besonderen Umstände entgegenstehen. Über die Aussetzung entscheidet das zuständige Strafvollstreckungsgericht nach Anhörung der Justizvollzugsanstalt sowie, ggf., der Staatsanwaltschaft. Während einer etwaigen Reststrafenaussetzung steht der/die Entlassene unter Bewährung und kann unter Auflagen und Weisungen gestellt werden. Bei lebenslangen Freiheitsstrafen ist eine Aussetzung in begründeten Fällen nach 15 Jahren möglich (§ 57a StGB).
Welche Kontaktmöglichkeiten haben Inhaftierte nach außen?
Inhaftierte verfügen über verschiedene gesetzlich geregelte Kontaktmöglichkeiten zur Außenwelt. Hierzu zählen in der Regel das Briefeschreiben und -empfangen (Postverkehr), Telefonate, Besuche durch Angehörige oder Rechtsanwälte sowie das Recht, Pakete unter bestimmten Voraussetzungen zu empfangen. Der persönliche Besuch ist meist anmeldepflichtig und dauert in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten; Anzahl und Häufigkeit sind begrenzt, können jedoch in Einzelfällen erweitert werden. Kontakte zu Verteidigern und anderen Rechtsbeiständen unterliegen einem besonderen Schutz und dürfen nur in Ausnahmefällen überwacht werden. Der sonstige Schrift- und Telefonverkehr kann auf sicherheitsrelevante Inhalte überwacht werden, soweit dies zur Wahrung der Anstaltsordnung erforderlich erscheint. Inhaftierte können auch mit Justizbehörden sowie externen Beratungs- und Hilfsorganisationen Kontakt aufnehmen.
Welche Möglichkeiten zur Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung bestehen im Gefängnis?
Inhaftierte sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht zur Arbeit verpflichtet, soweit Arbeitsplätze vorhanden sind (§ 41 StVollzG). Ihnen werden dazu Arbeits- oder Ausbildungsplätze durch die Anstalt zugewiesen. Die Arbeit erfolgt häufig in Form von Produktions- oder Dienstleistungen für externe Auftraggeber oder innerhalb der Anstalt. Für geleistete Arbeit erhalten sie eine Vergütung, die deutlich unter dem Mindestlohn liegt, aber eine wichtige Grundlage für ihre finanzielle Versorgung während und nach der Haft bildet. Neben der Arbeit bietet die Anstalt meist auch schulische Bildungsangebote, berufliche Qualifikationen, Umschulungen und spezielle Fördermaßnahmen an, um die Wiedereingliederung nach der Entlassung zu erleichtern. Die Teilnahme an solchen Programmen kann freiwillig sein oder als Bedingung für Lockerungen und vorzeitige Entlassung betrachtet werden.
Was sind typische Formen von Vollzugslockerungen und unter welchen Bedingungen können sie gewährt werden?
Darunter versteht man Erleichterungen der Haftbedingungen, die dem Ziel der Resozialisierung dienen, etwa Ausgang (§ 11 StVollzG), Freigang (Arbeit/Bildung außer Haus), oder Hafturlaub. Diese Lockerungen können nach einzelfallbezogener Prüfung gewährt werden, wenn keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr besteht und die Resozialisierung dadurch gefördert wird. Über die Gewährung entscheidet die Anstaltsleitung im Benehmen mit am Strafvollzug Beteiligten, oft nach einer interdisziplinären Konferenz. Verstößt der Inhaftierte gegen Pflichten oder Verhaltensregeln, können Lockerungen widerrufen oder ganz entzogen werden. Vollzugslockerungen stehen regelmäßig unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 14 StVollzG). Ein Rechtsanspruch auf Lockerungen besteht nicht, jedoch ist die Ablehnung gerichtlich überprüfbar.