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Gasbevorratung


Begriff und rechtliche Einordnung der Gasbevorratung

Die Gasbevorratung beschreibt die planmäßige Vorratshaltung von Erdgas über den unmittelbaren Eigen- oder Fremdbedarf hinaus, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, Preisschwankungen am Gasmarkt abzufedern sowie gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben zu genügen. Aufgrund ihrer zentralen Rolle für die Energiewirtschaft ist die Gasbevorratung rechtlich umfassend geregelt.


Gesetzliche Grundlagen der Gasbevorratung

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

Die grundlegenden Bestimmungen zur Gasbevorratung finden sich im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Ziel des Gesetzes ist es, ein sicheres, preisgünstiges, verbraucherfreundliches, effizientes und umweltverträgliches Energieversorgungsystem sicherzustellen (§ 1 EnWG). Die Bevorratung von Gas ist Teil der Versorgungssicherheit, die der Gesetzgeber den Netzbetreibern und Marktteilnehmern über diverse Verpflichtungen auferlegt.

Zu den zentralen Regelungen zählen:

  • Pflichten gegenüber Fernleitungsnetzbetreibern (§ 13 EnWG): Diese können verpflichtet werden, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Versorgungssicherheit – etwa das Vorhalten von Speicherkapazitäten – zu ergreifen.
  • Überwachung und Steuerung durch die Bundesnetzagentur (§ 49 Abs. 1 EnWG): Die Regulierungsbehörde erhält weitgehende Befugnisse zur Überwachung der Vorratshaltung, der Speicherfüllstände und zur Anordnung weitergehender Maßnahmen.

Gasspeichergesetz (GasspeicherG)

Seit Juli 2022 sind die Vorschriften zur Gasbevorratung durch das Gasspeichergesetz (Gesetz zur befristeten Regelung einer Gasfüllstandsvorgabe für Gasspeicheranlagen) konkretisiert worden. Es verpflichtet Betreiber von Gasspeicheranlagen, zu festgelegten Stichtagen bestimmte Mindestfüllstände sicherzustellen:

  • 31. Oktober: 95 % Füllstand.
  • 1. September: 75 % Füllstand.
  • 1. November: 90 % Füllstand.

Bei Nichterfüllung dieser Vorgaben sind Marktteilnehmer verpflichtet, zusätzliche Gasmengen einzulagern oder entsprechende Gasmengen von Dritten einzukaufen. Die Überwachung erfolgt durch die Bundesnetzagentur und das Marktgebietsverantwortlichenunternehmen (Trading Hub Europe).

Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung

Das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) räumt der Bundesregierung und dem Bundeswirtschaftsministerium weitreichende Eingriffsbefugnisse ein, um die Energieversorgung auch in außergewöhnlichen Krisensituationen (z. B. Gasmangellagen) sicherzustellen. Dabei können verpflichtende Vorgaben zur Bevorratung, zur Priorisierung der Gasversorgung und zur Zuteilung von Speicherressourcen erlassen werden.


Vertragliche und privatrechtliche Regelungen

Einlagerungsverträge und Eigentumsverhältnisse

Die rechtliche Umsetzung der Gasbevorratung im Markt erfolgt häufig über sogenannte Einlagerungsverträge zwischen Gasspeicherbetreibern und Nutzern (z. B. Versorger, Gasgroßhändler, Industriekunden). Einlagerungsverträge regeln insbesondere:

  • Eigentumsverhältnisse am eingebrachten Gas
  • Nutzungsrechte an Speicherkapazitäten
  • Rechte und Pflichten zu Ein- und Auslagerung von Gasmengen
  • Haftungsfragen und Ausgleichszahlungen bei Ausfällen

Darüber hinaus enthalten sie häufig Rückgriffsrechte und Regelungen für den Krisen- und Notfallbetrieb. Die Speicherzugangsverordnung (GasNZV) verpflichtet Betreiber darüber hinaus zu einer diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe von Speicherkapazitäten.


Öffentliche Sicherheit, Umweltrecht und Haftung

Überwachung und Sanktionsregime

Die Überwachung der Gasbevorratung und der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben obliegt der Bundesnetzagentur. Bei Verstößen gegen Speicherfüllstandsvorgaben oder Zugangspflichten können empfindliche Sanktionen verhängt werden, darunter:

  • Zwangsgelder
  • Bußgelder
  • Weisungen und Anordnungen zur Zwangsspeicherung

Umweltrechtliche Vorgaben

Gasspeicher, insbesondere Untergrundspeicher, unterliegen neben energierechtlichen auch umfangreichen umweltrechtlichen Anforderungen (z. B. nach dem Wasserhaushaltsgesetz, Bundesimmissionsschutzgesetz). Diese regeln unter anderem:

  • Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Speicheranlagen
  • Genehmigungsvorbehalte und Überwachung des Betriebs
  • Vorgaben zu Umweltschutz und Monitoring

Internationale und europarechtliche Dimensionen

Die Gasbevorratung ist nicht allein nationales, sondern auch unionsrechtliches Anliegen. Die EU-Gas-Sicherheitsverordnung (EU-Verordnung 2017/1938) verpflichtet die Mitgliedstaaten zu koordinierten Maßnahmen zur Versorgungssicherheit, einschließlich Bevorratungspflichten und Solidaritätsmechanismen innerhalb der Europäischen Union. Die nationale Gesetzgebung, wie das Gasspeichergesetz, dient der Umsetzung dieser Vorgaben.


Wirtschaftliche und strategische Bedeutung

Die Gasbevorratung ist ein zentrales Instrument der Energiepolitik zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, Preisdämpfung an Energiemärkten und in Krisenlagen. Sie dient nicht nur der direkten Versorgung und dem Katastrophenschutz, sondern beeinflusst auch die Position im internationalen Energiemarkt.


Rechtliche Entwicklung und aktuelle Diskussion

Vor dem Hintergrund der europäischen Energiestrategie, der Energiewende und aktueller politischer Ereignisse (wie dem Russland-Ukraine-Konflikt) ist die Gasbevorratung rechtlich und politisch weiter im Wandel. Die Gesetzgebung reagiert mit verstärkten Melde-, Vorrats- und Eingriffspflichten, um die Resilienz der Energieversorgung in Deutschland und Europa zu erhöhen.


Zusammenfassung

Die Gasbevorratung ist ein umfassend regulierter Bestandteil der Energieversorgung, dessen rechtliche Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene in ständiger Weiterentwicklung sind. Die Verknüpfung von energiewirtschaftlichen, umweltrechtlichen und zivilrechtlichen Vorschriften stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten, von Netzbetreibern über Speicherunternehmen bis zu den staatlichen Aufsichtsbehörden. Die fortlaufende Anpassung des Rechtsrahmens dient der Sicherung der Gasversorgung und des wirtschaftlichen Gleichgewichts auf dem europäischen Energiemarkt.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach deutschem Recht zur Gasbevorratung verpflichtet?

Die Pflicht zur Gasbevorratung ergibt sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie aus spezifischen Rechtsverordnungen, insbesondere der Gasspeicherumlageverordnung (GasspeicherumlV) und dem Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Gas- und Energieversorgung (Gasspeichergesetz – GasspeicherG). Grundsätzlich sind Betreiber von Gasspeicheranlagen und beauftragte Marktakteure verpflichtet, bestimmte Mindestspeicherstände zu festgelegten Stichtagen zu gewährleisten. Zu den relevanten Akteuren zählen insbesondere Gasspeicherbetreiber, Fernleitungsnetzbetreiber, gegebenenfalls Energielieferanten sowie sogenannte Mandatsträger, wie von der Bundesnetzagentur oder dem Marktgebietsverantwortlichen benannt. Darüber hinaus können Pflichten auch an Gashändler oder Versorger delegiert werden, sofern dies im Rahmen regulatorischer Maßnahmen vorgesehen ist. Die Überwachung und Durchsetzung der Speicherpflichten obliegt der Bundesnetzagentur, die auch Sanktionsmaßnahmen bei Verstößen durchführen kann.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Höhe und Verteilung der Gasspeicherstände?

Die rechtlichen Vorgaben zu Speicherständen sind im Gasspeichergesetz sowie in einschlägigen Rechtsverordnungen festgelegt. Nach § 35a EnWG müssen Speicheranlagenbetreiber sicherstellen, dass zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr festgelegte Mindestfüllstände erreicht werden, beispielsweise 75 % zum 1. September, 85 % zum 1. Oktober und 95 % zum 1. November eines Kalenderjahres. Diese Werte sind als gesetzliche Schwellenwerte vorgegeben und können bei einer Gefährdung der Gasversorgung auch kurzfristig angepasst werden. Die Speicherstände unterliegen der fortlaufenden Überwachung durch die Bundesnetzagentur. Gegebenenfalls kann der Staat, vertreten durch den Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe (THE), selbst Speicher befüllen lassen, falls Marktakteure ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Zusätzlich wird eine geographische Diversifikation gefordert, damit Speicherfähigkeit nicht nur an einem Standort konzentriert wird.

Welche Rechtsfolgen drohen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Gasbevorratungspflichten?

Die Nichtbeachtung gesetzlicher Vorgaben zur Gasbevorratung kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Nach § 95 EnWG stellt die vorsätzliche oder fahrlässige Missachtung der Speicherpflicht eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. In schwerwiegenden Fällen sind Bußgelder bis zu 1 Million Euro möglich. Darüber hinaus kann die Bundesnetzagentur Zwangsmaßnahmen anordnen, beispielsweise die Anweisung zur unverzüglichen Nachbevorratung oder zur Übertragung der Speicherbewirtschaftung an Dritte (Trading Hub Europe als Marktgebietsverantwortlicher). Daneben können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche Dritter (z. B. bei Versorgungsausfällen) bestehen, sofern nachweislich auf eine Pflichtverletzung zurückgeführt werden kann. Wiederholte oder grobe Pflichtverletzungen können zudem sanktioniert werden, indem Genehmigungen für den Betrieb von Gasspeichern entzogen oder beschränkt werden.

Wie erfolgt die Überwachung und Kontrolle der Gasbevorratungspflichten?

Die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Gasbevorratungspflichten obliegt primär der Bundesnetzagentur. Diese ist berechtigt, Speicherstände regelmäßig zu kontrollieren und entsprechende Daten von den Betreibern anzufordern (§ 49b EnWG). Betreiber sind verpflichtet, relevante Informationen fristgerecht und wahrheitsgemäß zu übermitteln. Die Bundesnetzagentur kann zudem außerordentliche Prüfungen durchführen und hat weitreichende Kontrollbefugnisse, einschließlich des Zutritts zu Betriebsstätten. In besonders kritischen Fällen kann sie Sofortmaßnahmen anordnen, etwa wenn eine Gefahr für die Sicherheit der Gasversorgung besteht. Öffentlich werden regelmäßig aggregierte Speicherstände veröffentlicht, um für Transparenz zu sorgen und politische Steuerung zu ermöglichen. Daneben besteht auch eine europäische Meldepflicht gegenüber der Europäischen Kommission.

Inwiefern sind Ausnahmen von der Pflicht zur Gasbevorratung möglich?

Das Gesetz sieht bestimmte Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen Akteure ganz oder teilweise von der Speicherpflicht entbunden werden können. So sind beispielsweise Speicheranlagen, die ausschließlich der Eigenversorgung dienen, von den gesetzlichen Mindestfüllständen teilweise ausgenommen. Auch für Anlagen, die von der Bundesnetzagentur als systemirrelevant eingestuft werden, bestehen Erleichterungen. Bei Eintritt sogenannter außergewöhnlicher Umstände (Force-Majeure-Klauseln) kann die Bundesnetzagentur auf Antrag weitere Ausnahmen zulassen, wenn die Speicherung aus technischen, wirtschaftlichen oder sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Jede Ausnahme bedarf einer Einzelfallprüfung und ist mit einer schriftlichen Begründung zu dokumentieren.

Welche Melde- und Dokumentationspflichten bestehen im Zusammenhang mit der Gasbevorratung?

Speicherbetreiber und sonstige verpflichtete Unternehmen unterliegen umfangreichen Melde- und Dokumentationspflichten gemäß § 49b EnWG. Dazu gehört die regelmäßige Übermittlung von Speicherfüllständen an die Bundesnetzagentur und den Marktgebietsverantwortlichen. Übermittlungen haben elektronisch und in festgelegten Intervallen zu erfolgen. Darüber hinaus sind sämtliche Maßnahmen zur Bevorratung intern zu dokumentieren und für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren aufzubewahren. Bei Prüfungen müssen vollständige Nachweise über Herkunft, Menge und Datum der eingelagerten Gasmengen vorgelegt werden können. Meldeverstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit Bußgeldern geahndet werden.

Welche Rolle spielen europäische Vorschriften für die nationale Gasbevorratung?

Die nationale Gasbevorratung in Deutschland ist maßgeblich von europäischen Vorgaben beeinflusst, insbesondere durch die Verordnung (EU) 2017/1938 zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen, die eine Mindestversorgungssicherheit garantieren, einschließlich der Vorhaltung strategischer Gasspeicherreserven. Zudem bestehen europaweite Melde- und Kooperationspflichten. Die Umsetzung erfolgt auf nationaler Ebene, wobei jedoch die europäischen Vorgaben als Mindeststandards zu berücksichtigen sind. Bei einem EU-weiten Versorgungsausfall ist eine grenzüberschreitende Abstimmung und Solidaritätspflicht gesetzlich vorgesehen, sodass nationale Bevorratungsmaßnahmen mit supranationalen Anforderungen harmonisiert werden müssen.