Definition und Herkunft des Begriffs Gaffer
Der Begriff „Gaffer“ bezeichnet im deutschen Sprachgebrauch eine Person, die sich aus Sensationslust an einem Unglücksort aufhält, um aus großer Neugier das Geschehen zu beobachten. In der Regel wird der Ausdruck abwertend verwendet und richtet sich gegen Schaulustige, die durch ihr Verhalten oftmals die Arbeit von Rettungsdiensten und Einsatzkräften behindern. Der Begriff hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, da die Zahl der Vorfälle mit Gaffern, insbesondere an Unfallstellen, gestiegen ist.
Rechtlicher Rahmen des Gaffens
Relevanz im Strafrecht
Das Verhalten eines Gaffers kann unterschiedliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn dadurch die Hilfs- und Rettungsmaßnahmen erschwert oder Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Maßgebliche Straftatbestände, die im Zusammenhang mit dem Gaffen in Betracht kommen, sind insbesondere die Behinderung von hilfeleistenden Personen sowie die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen.
Behinderung hilfeleistender Personen (§ 323c Abs. 2 StGB)
Werden Einsatzkräfte durch Gaffer behindert, kann der Tatbestand gemäß § 323c Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt sein. Dort heißt es: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr nicht nur nicht Hilfe leistet, sondern auch diejenigen behindert, die Hilfe leisten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ Damit genügt bereits jede nicht unerhebliche Störung der Rettungsmaßnahmen durch die bloße Anwesenheit, das Blockieren von Rettungswegen oder das Missachten von Absperrungen.
Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)
Eine weitere relevante Strafnorm stellt § 201a StGB dar, der unerlaubte Bildaufnahmen einer verstorbenen oder schwer verletzten Person am Unfallort ausdrücklich unter Strafe stellt. Hiernach macht sich strafbar, wer unbefugt „eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt“, anfertigt oder verbreitet. Dies betrifft insbesondere das Filmen oder Fotografieren von Opfern bei Verkehrsunfällen und ähnlichen Situationen.
Ordnungswidrigkeitenrechtliche Vorschriften
Neben strafrechtlichen Konsequenzen können Gaffer auch mit einem Bußgeld nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) belangt werden. Hierzu zählen insbesondere Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO), wenn durch das Anhalten oder Langsamfahren an Unfallstellen der Verkehrsfluss behindert oder gefährdet wird (§ 1(2) StVO – Rücksichtnahmegebot, § 11 Abs. 2 StVO – Bildung einer Rettungsgasse).
Persönlichkeitsrechte und Datenschutz
Das Verhalten von Gaffern berührt regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen, welches aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitet wird. Die Anfertigung und Verbreitung von Fotos und Videos am Unfallort verletzen nicht selten den sogenannten „Schutz der Intimsphäre “ und das „Recht am eigenen Bild“ (§ 22 KunstUrhG). Die Veröffentlichung kann neben zivilrechtlichen Ansprüchen auf Unterlassung oder Schadensersatz auch zu strafrechtlichen Ermittlungen führen.
Datenschutzrechtliche Aspekte
Das Anfertigen und Verbreiten von Bildern und Videos kann zudem nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als Verarbeitung personenbezogener Daten rechtswidrig sein, wenn keine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Behörden und Gerichte stufen die Weitergabe solcher Aufnahmen meist als schwerwiegenden Eingriff in die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen ein.
Prozessuale Maßnahmen gegen Gaffer
Platzverweis und Wegweisung
Polizei und Ordnungsbehörden sind befugt, Gaffern nach landesrechtlichen Vorgaben einen Platzverweis zu erteilen, um eine Behinderung von Rettungskräften zu verhindern und weitere Rechtsgüter, insbesondere das Persönlichkeitsrecht und die öffentliche Sicherheit, zu schützen. Bei Nichtbefolgung drohen Zwangsmaßnahmen und Bußgelder.
Beschlagnahme von Bildaufnahmen
Um die weitere Verbreitung unzulässiger Bild- oder Videoaufnahmen zu verhindern, kann die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr oder zur Beweissicherung Aufzeichnungsgeräte sicherstellen. Die rechtliche Grundlage hierfür ergibt sich aus den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder und den Regelungen der Strafprozessordnung (StPO).
Gesellschaftliche und präventive Maßnahmen
Zur Eindämmung des Phänomens Gaffen werden zunehmend präventive und aufklärende Maßnahmen ergriffen. Hierzu zählen öffentliche Informationskampagnen, Hinweise an Unfallstellen durch Einsatzkräfte und die Installation von Sichtschutzwänden zur Wahrung der Anonymität der Opfer.
Rechtliche Bewertung und Einordnung
Das Gaffen an Unfallorten wird von Rechtsordnung und Rechtsprechung in zunehmendem Maße kritisch bewertet. Eine Vielzahl an Normen – im Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Datenschutzrecht sowie im Persönlichkeitsrecht – adressiert direkt oder indirekt die unterschiedlichen Verhaltensaspekte. Die Befugnisse der Einsatz- und Ordnungsbehörden reichen von präventiven Maßnahmen bis hin zu Eingriffen in das Eigentum und die Freiheit der Gaffer.
Literatur- und Rechtsprechungshinweise
- Strafgesetzbuch (StGB): §§ 201a, 323c
- Straßenverkehrsordnung (StVO): §§ 1, 11
- Kunsturhebergesetz (KunstUrhG): §§ 22, 23
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Art. 4, 6 ff.
- Grundgesetz (GG): Art. 1, 2
- Auswahl einschlägiger Entscheidungen und Kommentarliteratur
- Polizeigesetze der Länder
Fazit: Der Begriff „Gaffer“ ist nicht nur gesellschaftlich, sondern besonders rechtlich von großer Bedeutung. Die Bandbreite an möglichen Rechtsverstößen reicht von Ordnungswidrigkeiten bis zu gravierenden strafrechtlichen Sanktionen. Individuelle Persönlichkeitsrechte und die Funktionsfähigkeit des Rettungswesens stehen dabei im Fokus der Gesetzgebung und der gerichtlichen Praxis. Das Thema bleibt aufgrund aktueller Entwicklungen im Einsatzgeschehen und im Bereich neuer digitaler Verbreitungswege weiterhin dynamisch und relevant.
Häufig gestellte Fragen
Ist das Gaffen bei einem Unfall in Deutschland strafbar?
Das Gaffen an einer Unfallstelle stellt in Deutschland eine strafbare Handlung dar. Nach § 323c Strafgesetzbuch (StGB) wird nicht nur das Unterlassen von Hilfeleistung, sondern auch das Stören von Hilfsmaßnahmen ausdrücklich verboten. Wer bei einem Unfall Schaulustiger ist und dadurch Rettungskräfte behindert oder gar behindert, macht sich strafbar. Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2017 ist zudem das bloße Fotografieren oder Filmen von verletzten oder verstorbenen Personen am Unfallort nach § 201a StGB ausdrücklich untersagt und kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden. Die Rechtsprechung stellt klar, dass bereits das Verweilen und Beobachten von Unfällen als Gaffer (auch ohne aktive Behinderung) bußgeldbewehrt ist, sofern dadurch der Verkehr behindert oder gefährdet wird.
Welche Strafen drohen Gaffern gemäß deutschem Recht?
Gaffer müssen mit unterschiedlichen strafrechtlichen und ordnungsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Gemäß § 323c StGB droht für das Stören von Hilfeleistungen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Das unerlaubte Anfertigen von Bildaufnahmen nach § 201a StGB von hilflosen Personen kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden. Hinzu können empfindliche Bußgelder nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) kommen, etwa weil Gaffer Rettungsgassen blockieren (§ 11 Abs. 2 StVO), wodurch Bußgelder von jüngst bis zu 320 Euro sowie ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg fällig werden können. Schlimmstenfalls kann Gaffen als unterlassene Hilfeleistung oder sogar Nötigung beurteilt werden, was zu noch höheren Strafen führen kann.
Dürfen Gaffer von der Polizei von der Unfallstelle verwiesen werden?
Ja, die Polizei ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, Gaffer von der Unfallstelle zu entfernen, sofern diese den Ablauf von Rettungsmaßnahmen behindern oder stören (§ 163 StPO, § 163b StPO). Sie kann Platzverweise aussprechen und, falls diesen nicht Folge geleistet wird, unmittelbaren Zwang anwenden (§ 41 PolG der jeweiligen Länder). Darüber hinaus sind Sicherstellungen von Aufnahmegeräten und die Einleitung von Ermittlungsverfahren häufige Maßnahmen, falls bereits Aufnahmen gemacht wurden. Die Personalien der Gaffer dürfen erhoben und später für Ermittlungsverfahren verwendet werden.
Können Gaffer zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie indirekt Rettungsmaßnahmen verzögern?
Ja, auch indirektes Verzögern von Rettungsmaßnahmen kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wer beispielsweise durch das Verlangsamen seiner Fahrt zur Beobachtung einer Unfallstelle („Gaffen aus dem Auto“) einen Rückstau verursacht oder Rettungsgassen blockiert, kann wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 11 Abs. 2 StVO belangt werden. Kommt es durch das Gaffen zu einer tatsächlichen Behinderung oder gar Gefährdung anderer Personen, sind auch weitergehende strafrechtliche Konsequenzen (z.B. wegen Nötigung, § 240 StGB oder fahrlässiger Körperverletzung, § 229 StGB) nicht ausgeschlossen.
Welche Rechte haben Opfer, deren Bild von Gaffern gemacht und verbreitet wird?
Opfer von Bildaufnahmen durch Gaffer können auf Grundlage des § 201a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) strafrechtlich gegen die handelnde Person vorgehen. Zivilrechtlich können sie außerdem Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach dem Kunsturhebergesetz (§§ 22, 23 KUG) sowie Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB geltend machen. Werden die Aufnahmen in sozialen Medien oder im Internet verbreitet, ist die Rechtslage eindeutig: Sowohl das Anfertigen als auch das Veröffentlichen oder Weiterleiten solcher Bilder ist unzulässig und strafbar. Gerichte werten diese Handlungen regelmäßig als schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.
Unter welchen Umständen sind Pressevertreter an Unfallstellen rechtlich privilegiert?
Pressevertreter haben grundsätzlich das Recht, von Unfallstellen zu berichten und Bildaufnahmen anzufertigen, allerdings sind auch ihnen rechtliche Grenzen gesetzt. Das Presserecht gewährt zwar einen gewissen Schutz der Berichterstattung, dieser endet jedoch dort, wo das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen oder die Arbeit von Rettungskräften gestört wird. Polizeiliche Weisungen sind zu befolgen. Die Zulässigkeit von Aufnahmen richtet sich nach §§ 22, 23 KUG und unterliegt einer sorgfältigen Interessenabwägung. Sensationsjournalismus oder das gezielte Fotografieren von Opfern ohne deren Einwilligung ist auch für Pressevertreter strafbar nach § 201a StGB, sofern kein überwiegendes öffentliches Interesse und keine Einwilligung vorliegt.
Welche präventiven Maßnahmen sieht das Recht vor, um Gafferei zu verhindern?
Zur Prävention von Gafferei sieht das deutsche Recht sowohl strafrechtliche als auch ordnungsrechtliche Maßnahmen vor. Polizeibeamte sind berechtigt Platzverweise auszusprechen (§ 34 PolG NRW z.B.), vor Ort bereits aufgenommene Bilder zu beschlagnahmen sowie Personalien zu kontrollieren. Verkehrsrechtlich wird durch starke Bußgelder und Punktesysteme versucht, abschreckend zu wirken. Darüber hinaus existieren Informationskampagnen und Warnhinweise, um die Bevölkerung über die strafbaren Konsequenzen aufzuklären. Bei wiederholten Verstößen können auch Fahrverbote verhängt oder die Fahrerlaubnis ganz entzogen werden (§ 69 StGB).
Können Unfallopfer gegen Gaffer Zivilklage erheben?
Ja, Unfallopfer können neben der strafrechtlichen Verfolgung auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Dazu gehören insbesondere Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß §§ 823, 1004 BGB (analog) sowie mögliche Schadensersatzforderungen etwa wegen immaterieller Schäden (Schmerzensgeld). Voraussetzung ist in der Regel, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, etwa durch die Veröffentlichung von Bildmaterial oder das öffentliche Bloßstellen. Zudem können Betroffene Unterlassungsklagen oder einstweilige Verfügungen gegen den Gaffer erwirken, um die Verbreitung weiterer Bilder zu verhindern.