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Fusionskontrolle


Begriff und Zielsetzung der Fusionskontrolle

Die Fusionskontrolle ist ein Teilbereich des Wettbewerbsrechts und umfasst die rechtliche Überprüfung und gegebenenfalls Untersagung von Unternehmenszusammenschlüssen durch staatliche Wettbewerbsbehörden. Ihr Ziel ist es, die Entstehung marktbeherrschender Stellungen oder die Verstärkung bestehender Machtpositionen, die den Wettbewerb wesentlich behindern könnten, zu verhindern. Als Instrument der Missbrauchsprävention dient die Fusionskontrolle dem Schutz von Marktstrukturen und sorgt dafür, dass offene und faire Wettbewerbsbedingungen im Wirtschaftsleben gewährleistet bleiben.

Gesetzliche Grundlagen der Fusionskontrolle

Nationale Rechtsgrundlagen (Deutschland)

Die nationale Fusionskontrolle ist in den §§ 35 bis 43a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) umfassend geregelt. Maßgeblich sind hier folgende Kernthemen:

  • Anwendungsbereich: Die §§ 35 ff. GWB gelten für Zusammenschlüsse, sofern die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen in Deutschland überschreiten.
  • Meldetatbestände: Es besteht eine Anmeldepflicht für geplante Zusammenschlüsse, wenn keine Ausnahme nach § 39 Abs. 2 GWB greift.
  • Prüfmaßstab: Nach § 36 GWB kann ein Zusammenschluss untersagt werden, wenn er eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs erzeugt, insbesondere durch die Schaffung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.
  • Verfahren: Die Prüfung erfolgt in der Regel durch das Bundeskartellamt, welches nach Eingang der Anmeldung innerhalb gesetzlicher Fristen entscheidet.

Europarechtliche Rechtsgrundlagen

Neben dem nationalen Recht existiert ein unionsweites Regelungssystem. Die EG-Fusionskontrollverordnung (FKVO, Verordnung (EG) Nr. 139/2004) regelt Zusammenschlüsse mit europäischer Dimension:

  • Anwendungsbereich: Die FKVO findet Anwendung, wenn die beteiligten Unternehmen zusammen weltweit und in der EU bestimmte Umsatzschwellen überschreiten.
  • Prüfung: Die Europäische Kommission ist zuständig und prüft, ob der Zusammenschluss den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt erheblich beeinträchtigen würde, insbesondere durch die Schaffung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung.
  • Verfahrenstruktur: Die FKVO sieht ein zweistufiges Prüfverfahren (Phase I und Phase II) mit festen Fristen und detaillierten Verfahrensregelungen vor.

Internationale Aspekte

Neben nationalen und europäischen Regelungen existieren zahlreiche Fusionskontrollsysteme weltweit. Multinationale Zusammenschlüsse können daher eine Anmeldepflicht in mehreren Staaten auslösen, wobei internationale Kooperationen zwischen den Behörden zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Fusionskontrolle

Begriff des Zusammenschlusses

Das GWB (§ 37) und die FKVO definieren den Zusammenschluss breit und umfassen insbesondere:

  • den Erwerb von Anteilen oder Stimmrechten ab bestimmter Schwellen,
  • die Übernahme der Kontrolle über ein anderes Unternehmen,
  • die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures),
  • den Erwerb wesentlicher Vermögenswerte, etwa von Betrieben oder Betriebsteilen.

Prüfmaßstab

Sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht wird der Zusammenschluss darauf überprüft, ob eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs oder eine marktbeherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt wird. Hierbei erfolgt eine umfassende Marktanalyse, die insbesondere folgende Aspekte umfasst:

  • Marktdefinition (produkt- und räumlich)
  • Marktanteile der Beteiligten
  • Stellung der Wettbewerber
  • Marktzutrittsschranken
  • Nachfragemacht

Sonderregelungen und Ausnahmen

Bagatellklauseln und Ausnahmen

Nicht jeder Zusammenschluss unterliegt der Fusionskontrolle. Das GWB sieht unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen vor, etwa wenn ein beteiligtes Unternehmen geringe Umsätze erzielt (§ 35 Abs. 2 GWB). Auch so genannte „Sanierungsfusionen” (§ 36 Abs. 1 GWB) können unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, selbst wenn durch sie eine marktbeherrschende Stellung entsteht.

Ministererlaubnis

Eine in Deutschland untersagte Fusion kann vom Bundeswirtschaftsministerium gemäß § 42 GWB aus überragenden gesamtwirtschaftlichen Interessen oder im Interesse des Gemeinwohls dennoch genehmigt werden. Diese Ministererlaubnis ist ein Ausnahmeinstrument mit strikten Voraussetzungen.

Verfahrensablauf der Fusionskontrolle

Anmeldung und Vorprüfverfahren

Der Beginn eines fusionskontrollrechtlichen Verfahrens erfolgt durch Anmeldung des Zusammenschlusses bei der zuständigen Behörde (Bundeskartellamt oder Europäische Kommission). Die Anmeldung ist zwingend vorgeschrieben und die geplante Transaktion darf nicht vor Freigabe durchgeführt werden (sogenanntes Vollzugsverbot, § 41 GWB).

Prüfungsfristen und Phasen

Im deutschen Recht beträgt die Prüffrist nach Eingang der vollständigen Anmeldung grundsätzlich einen Monat (Phase I). Wird eine vertiefte Prüfung eingeleitet (Phase II), verlängert sich die Frist auf weitere vier Monate. Im europäischen Recht gibt es vergleichbare Fristen (25 Arbeitstage in Phase I, 90 Arbeitstage in Phase II).

Entscheidungen der Behörde

Nach Prüfung trifft die Behörde eine der folgenden Entscheidungen:

  • Freigabe des Zusammenschlusses
  • Untersagung wegen wettbewerblicher Bedenken
  • Freigabe unter Auflagen und Bedingungen

Im Fall der Untersagung besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit des Einspruchs (Beschwerde) beim zuständigen Gericht.

Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Fusionskontrolle

Der Vollzug eines anmeldepflichtigen und nicht freigegebenen Zusammenschlusses ist rechtswidrig. Hier drohen empfindliche Sanktionen, insbesondere Bußgelder nach § 81 GWB. Zudem kann der rückgängige Zustand wiederhergestellt werden und Verträge werden im Zweifel schwebend unwirksam.

Bedeutung der Fusionskontrolle in der Wirtschaft

Die Fusionskontrolle hat große Bedeutung für die Unternehmenspraxis und die Wirtschaft: Sie sichert die Vielfalt des Angebots, verhindert Konzentrationsprozesse und sorgt für innovationsfreundliche Marktstrukturen. Zugleich verhindert sie die Entstehung von Marktmacht, die Verbrauchern und Geschäftspartnern schaden könnte.

Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Verordnung (EG) Nr. 139/2004 – EG-Fusionskontrollverordnung (FKVO)
  • Richtlinien und Bekanntmachungen des Bundeskartellamts
  • Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zum europäischen Wettbewerbsrecht

Dieser Text wurde für die Nutzung in einem Rechtslexikon zur vertieften und systematischen Erörterung des Themas Fusionskontrolle erstellt.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine geplante Fusion bei den Wettbewerbsbehörden anzumelden?

Im rechtlichen Kontext der Fusionskontrolle gilt eine Anmeldepflicht immer dann, wenn die in den jeweiligen Gesetzen festgelegten Umsatzschwellen überschritten werden. In Deutschland regeln dies das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), auf europäischer Ebene die EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO). Die beteiligten Unternehmen müssen dabei nicht nur ihre eigenen Umsätze beachten, sondern sämtliche konzernrechtlich verbundenen Einheiten miteinschließen. Maßgeblich ist dabei das Erreichen der Schwellenwerte im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr. So sieht beispielsweise § 35 Abs. 1 GWB unterschiedliche Schwellen vor, etwa dass die beteiligten Unternehmen gemeinsam weltweit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz erzielt haben müssen. Die Prüfungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Fusion national oder international durchgeführt wird; ausschlaggebend ist, ob ihre wirtschaftlichen Auswirkungen auf den deutschen bzw. europäischen Markt spürbar werden können. Darüber hinaus gibt es Sonderregelungen, etwa bei Erwerb von Minderheitsbeteiligungen, sogenannten Aufgreifkriterien oder Transaktionen mit Bezug zu anderen Rechtsnormen, wie der Investitionskontrolle. Die Anmeldung ist vor dem Vollzug durchzuführen; ein sogenanntes „stand still”-Gebot verbietet den Vollzug, bevor eine Freigabe erteilt wurde.

Welche Unterlagen und Angaben müssen bei der Fusionsanmeldung vorgelegt werden?

Die rechtlich vorgeschriebenen Angaben für eine Fusionsanmeldung sind im Detail in § 39 Abs. 3 GWB bzw. im Form CO gemäß der EU-Fusionskontrollverordnung festgelegt und sehr umfangreich. Sie umfassen u.a. genaue Angaben zu den beteiligten Unternehmen, deren Beteiligungsstrukturen, den Eigentumsverhältnissen sowie Informationen zu sämtlichen Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen. Des Weiteren sind eine umfassende Beschreibung des Zusammenschlussvorhabens, der wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen sowie die Auswirkungen auf den relevanten Markt einschließlich der Marktanteile erforderlich. Auch sind detaillierte Finanzdaten (z.B. Umsatzzahlen, Beteiligungsverhältnisse, Bilanzen) vorzulegen. Zusätzlich kann die Behörde weitere Auskünfte etwa zu den Lieferanten- und Kundenbeziehungen, zu Wettbewerbssituationen auf den betroffenen Märkten oder geplanten strategischen Zielen anfordern. In der Praxis empfiehlt es sich, frühzeitig alle notwendigen Dokumente zusammenzustellen, um den Anmeldeprozess zügig durchführen zu können, da unvollständige Unterlagen zu Verzögerungen führen.

Welche Fristen gelten im Fusionskontrollverfahren?

Nach dem Eingang einer vollständigen und ordnungsgemäßen Anmeldung beginnen die gesetzlichen Prüfungsfristen. In Deutschland beträgt die Prüfungsfrist vier Wochen für das sogenannte erste Prüfverfahren (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB). Wird innerhalb dieser Frist ein sogenanntes Hauptprüfverfahren eingeleitet, verlängert sich die Frist auf weitere vier Monate (§ 40 Abs. 2 GWB). Innerhalb dieser Zeitspanne muss das Bundeskartellamt die geplante Fusion untersuchen und entscheiden. Auf europäischer Ebene sieht die EU-Fusionskontrollverordnung zunächst eine 25-tägige Frist für die Phase I vor, die bei Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens (Phase II) um weiteren 90 Arbeitstage verlängert wird, mit der Möglichkeit einer weiteren Verlängerung bei außergewöhnlichen Umständen. Es ist dabei zu beachten, dass die jeweiligen Fristen formal streng gehandhabt werden: Ein „gun jumping”, also das vorzeitige Vollziehen des Zusammenschlusses vor Ablauf der Freigabefrist, stellt einen Verstoß dar und kann mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.

Welche Folgen hat die Nichtanmeldung einer meldepflichtigen Fusion?

Die unterlassene Anmeldung eines meldepflichtigen Zusammenschlusses stellt einen erheblichen Rechtsverstoß gegen die entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Vorschriften dar. In Deutschland kann das Bundeskartellamt nach § 41 Abs. 1 GWB den Vollzug der Fusion untersagen und ggf. sogar die Rückabwicklung verlangen, sollte der Zusammenschluss bereits ganz oder teilweise umgesetzt worden sein. Zudem sieht § 81 Abs. 2a GWB erhebliche Bußgelder für Unternehmen und verantwortliche Personen vor. Auch Zivilgerichte erkennen derartige Zusammenschlüsse als schwebend unwirksam an, bis eine nachträgliche Freigabe erfolgt. Auf EU-Ebene drohen bei einem Verstoß gegen das Vollzugsverbot nach Artikel 7 FKVO Geldbußen von bis zu 10 % des weltweit erzielten Jahresumsatzes. Somit handelt es sich bei einer Nichtanmeldung oder einem „gun jumping” keinesfalls um ein Kavaliersdelikt, sondern zieht weitreichende rechtliche und auch wirtschaftliche Konsequenzen nach sich.

Wie erfolgt die marktbezogene Prüfung einer geplanten Fusion durch die Behörden?

Im Rahmen der Fusionskontrolle steht die Prüfung der wettbewerblichen Auswirkungen des geplanten Zusammenschlusses auf betroffene Märkte im Zentrum. Rechtlich maßgeblich sind § 36 GWB und Artikel 2 FKVO. Zunächst definieren die Behörden den relevanten sachlichen, räumlichen und ggf. zeitlichen Markt. Dies betrifft das Produkt- oder Dienstleistungsangebot und die geographische Reichweite. Anschließend analysieren sie die Marktstellung der beteiligten Unternehmen, die Marktstruktur, bestehende oder potenzielle Wettbewerber, Marktanteile, Marktzutrittsschranken, Nachfrage- und Angebotskonzentration sowie etwaige Netzwerkeffekte. Die Prüfung erfolgt auf Basis umfangreicher Daten und kann durch Auskunftsersuchen bei Dritten, Wirtschaftsgutachten und Branchenanalysen ergänzt werden. Ziel ist es, die Gefahr der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung beziehungsweise einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs festzustellen. Diese wettbewerbsrechtliche Ergebnisprognose ist ausschlaggebend für die Entscheidung über die Freigabe, das Verbot oder etwaig Auflagen zum Zusammenschluss.

Können Zusammenschlüsse auch bei Feststellung negativer Wettbewerbsfolgen dennoch genehmigt werden?

Ja, selbst wenn die Fusionsprüfung eine signifikante Behinderung des Wettbewerbs ergibt, können die Wettbewerbsbehörden gemäß § 36 Abs. 1 GWB beziehungsweise Artikel 2 Abs. 2 FKVO den Zusammenschluss unter bestimmten Bedingungen dennoch genehmigen. Dies erfolgt meist durch die Verhängung von Auflagen oder Bedingungen (sogenannte Commitments oder Remedies), mit denen wettbewerbliche Bedenken ausgeräumt werden. Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise die Veräußerung von Unternehmensteilen (Divestiture), Zugangsgewährungen zu wesentlichen Infrastrukturen, Liefer- oder Lizenzverpflichtungen oder Verhaltensauflagen. Unternehmen können bereits proaktiv Abhilfemaßnahmen anbieten, die den möglichen Wettbewerbsnachteil kompensieren. Sollte dies nicht ausreichend sein, bleibt nur das vollständige Verbot des Zusammenschlusses. In seltenen Ausnahmefällen kann das Bundeswirtschaftsministerium auf Antrag eine ministerielle Erlaubnis erteilen, sofern überragende Gemeinwohlinteressen vorliegen und diese die Wettbewerbsbeeinträchtigungen überwiegen (§ 42 GWB). Dies betrifft insbesondere volkswirtschaftlich bedeutsame Projekte oder solche im Bereich der öffentlichen Sicherheit.

Gibt es Sonderregelungen für bestimmte Branchen oder öffentliche Beteiligungen?

Ja, neben den allgemeinen Vorschriften über Fusionskontrolle existieren branchenspezifische Ausnahmen und besondere Verfahrensvorschriften, etwa im Bereich Rundfunk, Versicherungen, Banken oder Energie. So bestehen beispielsweise im Finanzsektor zusätzliche aufsichtsrechtliche Anforderungen, wobei Zusammenschlüsse neben der kartellrechtlichen Prüfung noch von Bankenaufsichtsbehörden genehmigt werden müssen (vgl. § 40 Abs. 2 GWB, § 14 KWG). Für den Medienbereich müssen fusionsrechtliche Prüfungen nach dem Medienkonzentrationsrecht erfolgen (vgl. §§ 60ff Rundfunkstaatsvertrag). Bei Beteiligungen von ausländischen Investoren an bestimmten sicherheitsrelevanten, kritischen Infrastrukturen kommt neben der Fusionskontrolle auch eine Investitionsprüfung nach Außenwirtschaftsrecht in Betracht (§§ 55ff. AWG). Öffentliche Unternehmen unterliegen grundsätzlich ebenfalls der Fusionskontrolle, wobei z.B. die Berücksichtigung von Gemeinwohlinteressen in Einzelfällen eine Rolle spielen kann. Die jeweiligen Sonderregelungen erfordern stets eine sorgfältige rechtliche Prüfung im Einzelfall.