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Führungsaufsicht


Führungsaufsicht

Die Führungsaufsicht ist eine im deutschen Strafrecht verankerte Maßregel der Besserung und Sicherung, die nach §§ 68 ff. Strafgesetzbuch (StGB) die Kontrolle, Lenkung und Unterstützung von Straftätern nach der Haftentlassung oder einer Unterbringung zum Ziel hat. Sie stellt ein wichtiges Instrument zur Rückfallverhütung sowie zum Schutz der Allgemeinheit dar. Führungsaufsicht wird sowohl zur nachträglichen Sicherung von Resozialisierungsmaßnahmen als auch zur Überwachung von Personen angeordnet, von denen erhebliche Gefahren ausgehen können.

Rechtliche Grundlagen

Maßregeln der Besserung und Sicherung

Die Führungsaufsicht ist in den §§ 68 bis 68g StGB geregelt und zählt zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 3 StGB. Maßregeln unterscheiden sich von Strafen dadurch, dass sie nicht auf die Sühne des begangenen Unrechts abzielen, sondern auf die Verhütung künftiger Straftaten und den Schutz der Allgemeinheit.

Anordnung der Führungsaufsicht

Führungsaufsicht kann entweder unmittelbar durch das Gericht im Urteil angeordnet oder kraft Gesetzes verpflichtend werden, beispielsweise bei Verurteilungen wegen bestimmter schwerer Straftaten oder nach Vollverbüßung langer Haftstrafen (§ 68f StGB). Besonders nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, aus dem Maßregelvollzug oder bei nachträglicher Feststellung von Gefährlichkeit kann Führungsaufsicht angeordnet werden.

Beginn und Dauer der Führungsaufsicht

Beginn

Nach § 68a Abs. 1 StGB beginnt die Führungsaufsicht grundsätzlich mit der Entlassung aus der Unterbringung oder Strafhaft. Bei auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafen kann sie nach Ablauf der Bewährungszeit beginnen. In Ausnahmefällen kann der Beginn durch das Gericht abweichend festgesetzt werden.

Dauer

Die Dauer der Führungsaufsicht ist grundsätzlich auf fünf Jahre begrenzt (§ 68c Abs. 1 StGB), kann aber auf maximal zehn Jahre verlängert oder auf zwei Jahre verkürzt werden. In Fällen von Sicherungsverwahrung oder einer gerichtsfestgestellten besonderen Gefährlichkeit ist sie zeitlich nicht begrenzt.

Rechtsfolgen und Pflichten im Rahmen der Führungsaufsicht

Weisungen und Überwachungsmaßnahmen

Das zuständige Gericht kann im Rahmen der Führungsaufsicht vielfältige Weisungen und Überwachungsmaßnahmen anordnen (§ 68b StGB). Zu diesen zählen:

  • Meldepflichten gegenüber einer Aufsichtsbehörde (Bewährungs- oder Führungsaufsichtsstellen)
  • Aufenthaltsgebote oder -verbote (sog. Aufenthaltsüberwachung)
  • Kontaktverbote oder Auflagen im Verhältnis zu bestimmten Personen (z. B. Opfer, Mitangeklagte)
  • Alkoholverbot oder Verbot des Konsums anderer berauschender Mittel
  • Verpflichtung zur Teilnahme an therapeutischen oder sozialer Unterstützungsmaßnahmen
  • Arbeitspflicht oder Verpflichtung zur Übernahme einer zumutbaren Beschäftigung

Überwachung und Durchsetzung

Die Überwachung der Einhaltung der Weisungen erfolgt durch die Führungsaufsichtsstelle bei den Landgerichten. Die Polizei, die Bewährungshilfe und weitere Stellen können in die Durchführung und Überwachung eingebunden werden. Kommt die betroffene Person den Anordnungen nicht nach, können Zwangs- oder Ordnungsmittel verhängt bzw. weitere Maßnahmen zur Sicherung angeordnet werden.

Beendigung und Aufhebung der Führungsaufsicht

Die Führungsaufsicht endet mit Ablauf der gesetzlich festgelegten oder gerichtlich bestimmten Frist, durch gerichtliche Entscheidung im Falle der Erledigung der Maßregel oder durch Tod der beaufsichtigten Person (§ 68e StGB). Die Aufsichtsmaßnahmen können vom Gericht auch vorzeitig aufgehoben oder eingeschränkt werden, wenn die fortdauernde Notwendigkeit der Maßregel entfällt.

Betroffene Personengruppen

Führungsaufsicht betrifft insbesondere:

  • Verurteilte wegen bestimmter schwerer Straftaten (z. B. Sexualstraftaten, schwere Gewaltdelikte)
  • Personen nach Verbüßung langer Freiheitsstrafen, besonders bei Vollverbüßern
  • Personen, bei denen eine Gefährlichkeitsprognose gestellt wird (z. B. nach Sicherungsverwahrung oder nach Maßregelvollzug)

Auch kann Führungsaufsicht nach der Entlassung aus einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden.

Zweck und Bedeutung der Führungsaufsicht

Die Führungsaufsicht dient sowohl dem Schutz der Allgemeinheit als auch der Resozialisierung der betreuten Personen. Sie soll durch Kontrolle, Unterstützung und Anleitung dazu beitragen, Rückfallrisiken zu minimieren und die Integration in ein straffreies Leben zu fördern. Damit ist sie ein wesentliches Element des deutschen Strafrechtssystems für den Umgang mit rückfallgefährdeten Straftätern.

Verhältnis zur Bewährung und weiteren Maßnahmen

Im Gegensatz zur Führungsaufsicht ist die Bewährungshilfe keine Maßregel der Besserung und Sicherung, sondern eine Form der Strafaussetzung. Während der Bewährungszeit kann Führungsaufsicht nur im Ausnahmefall angeordnet werden; nach deren Ablauf beziehungsweise bei Widerruf der Bewährung ist eine anschließende Führungsaufsicht möglich und oft vorgesehen.

Europäische und internationale Bezüge

Auch auf europäischer und internationaler Ebene existieren vergleichbare Maßnahmen zur Kontrolle rückfallgefährdeter Straftäter. Die Führungsaufsicht erfüllt dabei im nationalen Rahmen zahlreiche Anforderungen aus internationalen Empfehlungen und Standards zur Verhinderung von Straftaten nach Entlassung gefährlicher Straftäter.


Zusammenfassung:
Die Führungsaufsicht ist ein zentraler Mechanismus zur Prävention von Rückfällen bei bestimmten Straftätergruppen nach ihrer Haftentlassung oder Entlassung aus sonstigen freiheitsentziehenden Maßnahmen. Sie ist gesetzlich detailliert geregelt und verbindet Methoden der Überwachung und Unterstützung, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten und Rückfalltaten entgegenzuwirken.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten und Befugnisse hat die Führungsaufsichtsstelle?

Die Führungsaufsichtsstelle (FASt) ist nach § 68a ff. StGB die für die Überwachung der verurteilten Person während der Dauer der Führungsaufsicht zuständige Behörde. Sie ist rechtlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die vom Gericht auferlegten Weisungen und Auflagen kontrolliert und durchgesetzt werden. Hierzu gehören insbesondere die Überwachung der Meldepflichten, Aufenthaltsbestimmungen, Kontaktverbote und das Einhalten weiterer durch das Strafgericht verhängter Regeln. Die Führungsaufsichtsstelle ist auch berechtigt (und verpflichtet), regelmäßig Berichte über den Verlauf der Führungsaufsicht zu erstellen, Kontakt zu weiteren Institutionen wie Bewährungshelfern, Polizei sowie sozialen Einrichtungen zu halten und bei Verstößen unverzüglich das Gericht zu informieren. Im Rahmen ihrer Befugnisse kann die Führungsaufsichtsstelle Hausbesuche machen, Anhörungen durchführen und die Einhaltung der Weisungen – soweit rechtlich zulässig – überprüfen. Diese Maßnahmen sind an rechtliche Vorgaben wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen gebunden.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht?

Verletzt eine unter Führungsaufsicht stehende Person schuldhaft die ihr erteilten gerichtlichen Weisungen oder Auflagen, kann dies gemäß § 145a StGB als Straftat verfolgt werden, wenn die Zuwiderhandlung ausdrücklich unter Strafe gestellt wurde. Ansonsten liegt es im Ermessen des Gerichts, auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle oder der Staatsanwaltschaft, nach § 68b StGB zusätzliche – auch weitergehende – Weisungen anzuordnen oder die bereits bestehenden Maßnahmen zu verschärfen. In besonders schweren Fällen droht der Widerruf der Reststrafenaussetzung oder die Anordnung der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung. Die rechtlichen Folgen werden jeweils vom Gericht im Einzelfall abgewogen und entschieden; die Führungsaufsichtsstelle ist verpflichtet, Regelverstöße umfassend und korrekt zu dokumentieren sowie dem Gericht eine begründete Mitteilung zu machen.

Inwiefern ist die Führungsaufsicht mit Grundrechten der Betroffenen vereinbar?

Die Maßnahmen im Rahmen der Führungsaufsicht greifen oftmals in Grundrechte der betroffenen Person ein, insbesondere in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Rechtlich ist ein solcher Eingriff aber durch die besondere Gefahrenprognose nach der Verurteilung und die hohe Schutzbedürftigkeit der Allgemeinheit gerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Führungsaufsicht nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes stattfindet und die getroffenen Maßnahmen stets dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot unterliegen müssen. Gerichtliche Anordnungen sind immer zu begründen und auf die individuelle Gefahrenprognose zugeschnitten; Betroffene haben jederzeit das Recht, gerichtliche Überprüfung zu beantragen.

Wann beginnt und wann endet rein rechtlich die Führungsaufsicht?

Die Führungsaufsicht beginnt mit der Rechtskraft der entsprechenden gerichtlichen Entscheidung, welche sie anordnet (§ 68 Abs. 1 StGB). Sie kann unmittelbar nach Ende des Straf- oder Maßregelvollzugs in Kraft treten, oder als automatische Folge einer Verurteilung für bestimmte Delikte verhängt werden. Die Laufzeit der Führungsaufsicht ist in § 68a StGB geregelt und beträgt in der Regel zwischen zwei und fünf Jahren, bei besonderen Delikten bis zu fünfzehn Jahren. Die Führungsaufsicht endet mit Ablauf der gerichtlich festgelegten Frist oder durch gerichtliche Entscheidung, etwa bei vorzeitiger Aufhebung gemäß § 68e StGB, sofern eine weitere Überwachung aus rechtlicher Sicht nicht mehr erforderlich ist.

Welche Rolle spielt der Datenschutz bei der Führungsaufsicht?

Der Datenschutz nimmt bei der Führungsaufsicht eine zentrale Rolle ein. Gemäß § 68a Abs. 7 StGB und den geltenden Landesdatenschutzgesetzen dürfen personenbezogene Daten der überwachten Person – etwa über Lebensführung, soziale Kontakte oder Gesundheitszustand – nur insoweit verarbeitet werden, wie es zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben notwendig ist. Die Weitergabe von Daten an andere Stellen, wie Polizei, Bewährungshelfer oder soziale Dienste, ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Gesetzgebers oder nach Einwilligung der betroffenen Person zulässig. Die Führungsaufsichtsstelle ist verpflichtet, die Personen über ihre Datenschutzrechte sowie über Art, Umfang und Zweck der Datenverarbeitung zu informieren, und alle Vorgänge revisionsfähig zu dokumentieren.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die überwachte Person, sich gegen Maßnahmen der Führungsaufsicht zu wehren?

Die betroffene Person kann grundsätzlich gegen Anordnungen der Führungsaufsicht Beschwerde beim zuständigen Gericht einlegen. Gegen Maßnahmen, die von der Führungsaufsichtsstelle selbst ausgehen und keine gerichtlichen Entscheidungen darstellen, ist zunächst die Dienstaufsichtsbeschwerde möglich. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, steht innerhalb einer bestimmten Frist der Weg zur gerichtlichen Überprüfung gemäß § 68e StGB offen. Die betroffene Person ist dazu berechtigt, einen Verteidiger hinzuzuziehen und Akteneinsicht zu beantragen. Werden Grundrechte verletzt oder ist eine Maßnahme unverhältnismäßig, kann zudem Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. Alle rechtlichen Schritte sind gemäß den entsprechenden Vorschriften fristgerecht und formal korrekt einzuleiten.

Wer kontrolliert die rechtmäßige Ausübung der Führungsaufsicht?

Die Ausübung der Führungsaufsicht unterliegt der Aufsicht durch übergeordnete Justizbehörden, in der Regel die Staatsanwaltschaft und das Gericht, welches die Aufsicht angeordnet hat. Jede Maßnahme der Führungsaufsicht kann im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung auf Recht- und Zweckmäßigkeit hin kontrolliert werden. Daneben existiert eine regelmäßige Aufsicht und Evaluation durch Landesjustizministerien. Verstöße seitens der Führungsaufsichtsstelle gegen die gesetzlichen Vorgaben können dienstrechtliche Konsequenzen haben und im Einzelfall sogar strafrechtlich relevant sein. Die Betroffenen können sich bei Verdacht auf Rechtsverletzungen zudem an den Landesbeauftragten für Datenschutz oder an die jeweiligen parlamentarischen Kontrollgremien wenden.