Legal Lexikon

Wiki»Früherkennung von Krankheiten

Früherkennung von Krankheiten


Begriff und rechtliche Grundlagen der Früherkennung von Krankheiten

Die Früherkennung von Krankheiten beschreibt im Gesundheitsrecht vorbeugende Maßnahmen und Untersuchungen, die darauf ausgerichtet sind, bestimmte Erkrankungen möglichst im Frühstadium zu entdecken. Ziel ist es, die Prognose durch eine frühzeitige Behandlung zu verbessern und schwerwiegende Krankheitsverläufe oder Folgeschäden zu verhindern. Aus rechtlicher Sicht spielen Früherkennungsmaßnahmen eine zentrale Rolle in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, im Sozialversicherungsrecht sowie im Bereich des Arbeitsschutzes und der öffentlichen Gesundheitspflege.

Definition und Abgrenzung

Früherkennung ist vom Begriff der Vorsorgeuntersuchung abzugrenzen. Während Vorsorge darauf abzielt, das Entstehen einer Krankheit zu verhindern (Primärprävention), konzentriert sich die Früherkennung (Sekundärprävention) darauf, pathologische Veränderungen in symptomarmen oder -freien Stadien festzustellen. In der Rechtspraxis finden sich jedoch oft Überschneidungen beider Begriffe.

Gesetzliche Regelungen in Deutschland

Früherkennung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)

Nach § 25 SGB V haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen Gesundheitsuntersuchungen für Erwachsene („Check-up 35″), kindlichen Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennungsuntersuchungen bestimmter Krebserkrankungen. Diese Untersuchungen sind Teil der vertragsärztlichen Versorgung. Die Anspruchsgrundlagen und das Leistungsangebot werden regelmäßig vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durch Richtlinien konkretisiert (Krebsfrüherkennungs-Richtlinie, Kinder-Richtlinie u.a.).

Anspruchsvoraussetzungen

Ein Anspruch auf Leistungen zur Früherkennung besteht, wenn die Maßnahmen medizinisch notwendig, vom G-BA empfohlen und dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Untersuchungen sind für Versicherte kostenfrei und dürfen weder eine bestehende noch eine bereits behandelte Krankheit erfassen, sondern der Frühdiagnose dienen.

Umfang der Früherkennungsleistungen

Die Früherkennung umfasst unter anderem:

  • Früherkennungsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche (U-Untersuchungen)
  • Gesundheitsuntersuchungen ab dem 18. Lebensjahr („Check-up“)
  • Krebsvorsorgeuntersuchungen (z.B. für Brust-, Gebärmutterhals-, Prostata-, Haut- und Darmkrebs)

Früherkennung im Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) – Gesetzliche Unfallversicherung

Auch im Bereich der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und der Unfallverhütung spielen präventive und frühdiagnostische Maßnahmen eine Rolle. Präventionsvorschriften im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften können arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung arbeitsbedingter Erkrankungen vorschreiben.

Datenschutz und Schweigepflichten im Rahmen der Früherkennung

Die Durchführung und Dokumentation von Früherkennungsmaßnahmen unterliegt den Vorschriften des Datenschutzes gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Personenbezogene Gesundheitsdaten dürfen nur erhoben und verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung der Früherkennungsmaßnahme erforderlich ist. Zudem unterliegen Ärztinnen und Ärzte der Verschwiegenheitspflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB).

Informationspflichten und Aufklärung

Nach § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Patientinnen und Patienten vor der Durchführung von Früherkennungsmaßnahmen umfassend über Nutzen, Risiken und Alternativen der Untersuchungen aufzuklären. Die Aufklärung muss verständlich erfolgen und eine informierte Entscheidung ermöglichen. Eine Einwilligung der betroffenen Person ist rechtlich erforderlich.

Rechtliche Stellung der Früherkennung im Arbeitsrecht

Arbeitgeber sind gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen. Daraus resultieren Pflichten zur Angebot und Durchführung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, die auch Maßnahmen zur Früherkennung einschließen können, insbesondere bei Tätigkeiten mit besonderen Gefahren (z.B. krebserregende Stoffe).

Regulatorische Anforderungen und staatliche Kontrolle

Behördliche Überwachung und Evaluation von Früherkennungsprogrammen erfolgen durch die Bundes- und Landesgesundheitsbehörden. Ziel ist die Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen und evidenzbasierten Früherkennungsangebots. Der G-BA prüft und passt Richtlinien regelmäßig an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse an.

Privatversicherungsrechtliche Regelungen

Auch private Krankenversicherungen bieten im Rahmen ihrer Tarife Leistungen zur Früherkennung an. Der genaue Leistungsumfang richtet sich nach dem Versicherungsvertrag und kann von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Die Informations- und Aufklärungspflichten orientieren sich jedoch grundsätzlich an vergleichbaren Maßstäben.

Anspruchsdurchsetzung, Kostenübernahme und Rechtsfolgen

Versicherte können ihren Anspruch auf Früherkennungsmaßnahmen bei Leistungsablehnung der Krankenkasse mittels Widerspruchs- und Klageverfahren vor den Sozialgerichten geltend machen. Im Bereich des Arbeitsschutzrechts bestehen Kontrollmöglichkeiten durch die zuständigen Aufsichtsbehörden.

Zusammenfassung

Die Früherkennung von Krankheiten ist aus rechtlicher Sicht ein integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Sie ist umfassend im Sozialrecht, im Arbeitsrecht sowie im Datenschutz geregelt. Zielgerichtete rechtliche Vorgaben dienen der Qualitätssicherung, dem Datenschutz, der Patientensicherheit und dem Schutz der Versichertenrechte. Der Zugang zu wirksamen und evidenzbasierten Früherkennungsmaßnahmen ist durch zahlreiche öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Normen abgesichert.

Häufig gestellte Fragen

Wer trägt die rechtliche Verantwortung für die Durchführung der Früherkennung von Krankheiten?

Die rechtliche Verantwortung für die Durchführung von Früherkennungsuntersuchungen liegt in der Regel beim behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin. Sie müssen sicherstellen, dass die entsprechenden Maßnahmen gemäß den aktuellen medizinischen Leitlinien und Empfehlungen durchgeführt werden. Dabei gelten die berufsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die ärztliche Sorgfaltspflicht nach § 630a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und die Einhaltung der allgemein anerkannten fachlichen Standards. Kommt ein Arzt dieser Pflicht nicht nach und übersieht beispielsweise eine gebotene Vorsorgeuntersuchung oder informiert den Patienten nicht über deren Bedeutung, kann dies haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem ist zu beachten, dass auch konkrete vertragliche Regelungen, etwa im Rahmen des Behandlungsvertrags, berücksichtigt werden müssen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es überdies spezielle Vorgaben, wie etwa das Krebsfrüherkennungs-Richtliniengesetz, das Umfang und Umsetzung der Maßnahmen zusätzlich regelt.

Muss der Patient über die Möglichkeit zur Früherkennung informiert werden?

Ja, rechtlich ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über die Möglichkeit und den Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen zu informieren. Diese Informationspflicht ergibt sich aus dem Recht auf Selbstbestimmung des Patienten (§ 630e BGB) und umfasst sowohl den Hinweis auf bestehende Angebote – etwa im Rahmen der gesetzlichen Vorsorgeprogramme – als auch auf mögliche Risiken, Grenzen und Alternativen der Untersuchungen. Die Unterlassung einer solchen Aufklärung kann als Verletzung der Aufklärungspflicht gewertet werden und zieht im Zweifelsfall haftungsrechtliche Konsequenzen für den behandelnden Arzt nach sich. In Einzelfällen kann sogar eine Unterlassungsklage seitens des Patienten begründet sein, wenn nicht rechtzeitig über Früherkennungsmaßnahmen informiert wurde.

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen sind bei der Früherkennung zu beachten?

Im Rahmen der Früherkennung gelten strenge datenschutzrechtliche Bestimmungen, insbesondere nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Gesundheitsdaten sind nach Art. 9 DSGVO besonders schützenswert und dürfen nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen erhoben, verarbeitet und gespeichert werden. Die Daten dürfen ausschließlich zur Durchführung der Früherkennungsmaßnahme und der damit verbundenen Dokumentation genutzt werden. Dabei ist eine informierte Einwilligung des Patienten zwingend erforderlich, sofern kein ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnistatbestand vorliegt. Darüber hinaus gelten hohe Anforderungen an die technische und organisatorische Sicherheit, um einen unbefugten Zugriff zu verhindern.

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen?

Die Teilnahme an Maßnahmen der Früherkennung ist in Deutschland in verschiedenen Gesetzen und untergesetzlichen Regelwerken geregelt. Zu den wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zählen das SGB V (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), insbesondere §§ 25 ff. SGB V, sowie die einzelnen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), etwa die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie. Diese regeln den Anspruch der Versicherten auf bestimmte Untersuchungen, deren Leistungsumfang, das Alter, in dem die Maßnahmen erstmals und regelmäßig angeboten werden müssen, und die Ansprüche gegenüber den Krankenkassen. Für privat Versicherte gelten analoge Regelungen, die sich aus den Bedingungen des jeweiligen Versicherungsvertrags und den tariflichen Leistungen ergeben.

Besteht eine Meldepflicht im Falle einer im Rahmen der Früherkennung entdeckten meldepflichtigen Erkrankung?

Ja, gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bzw. bei bestimmten Krankheiten auch nach den landesspezifischen Meldeverordnungen besteht eine gesetzliche Meldepflicht. Wird im Rahmen einer Früherkennungsuntersuchung eine Krankheit festgestellt, die nach dem IfSG oder anderen Gesetzen meldepflichtig ist (z. B. Tuberkulose, bestimmte Krebsarten an das Krebsregister), muss der behandelnde Arzt dies unverzüglich der zuständigen Behörde melden. Die Meldung hat datenschutzkonform und innerhalb vorgeschriebener Fristen zu erfolgen. Verstöße gegen die Meldepflicht können mit Bußgeldern oder anderen Sanktionen geahndet werden.

Hat der Patient einen gesetzlichen Anspruch auf bestimmte Früherkennungsuntersuchungen?

Ja, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben nach den Vorgaben des SGB V einen Rechtsanspruch auf bestimmte, von den Krankenkassen finanzierte Früherkennungsuntersuchungen. Dazu zählen beispielsweise die regelmäßige Krebsvorsorge ab einem bestimmten Alter, Gesundheits-Check-Ups oder Kindervorsorgeuntersuchungen (U-Untersuchungen). Der Anspruch umfasst die vom G-BA festgelegten Untersuchungen mit exakten Altersgrenzen und Intervallen. Privatversicherte haben vergleichbare Ansprüche, die jedoch individuell nach dem jeweiligen Versicherungsvertrag variieren können. Ein Anspruch auf darüberhinausgehende Untersuchungen besteht in der Regel nicht, es sei denn, diese sind medizinisch notwendig und entsprechend begründet.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Patient im Streitfall um die Früherkennung?

Im Streitfall, etwa wenn eine Untersuchung zu Unrecht verweigert oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann der Patient verschiedene rechtliche Wege beschreiten. Zunächst steht der Weg der Beschwerde bei der zuständigen Krankenkasse oder dem Ombudsmann offen. Im Falle eines Behandlungsfehlers mit gesundheitlichen Folgen kann der Patient zivilrechtlich auf Schadensersatz und Schmerzensgeld klagen. Hierbei ist zu beweisen, dass der Arzt seine Pflichten im Zusammenhang mit der Früherkennung verletzt hat (etwa Unterlassen einer gebotenen Maßnahme oder fehlerhafte Aufklärung) und hierdurch ein Schaden eingetreten ist. Unterstützt wird er dabei ggf. durch Patientenberatungsstellen oder Anwälte, die auf Medizinrecht spezialisiert sind.