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Friedensstörung


Begriff und rechtliche Bedeutung der Friedensstörung

Der Begriff „Friedensstörung” bezeichnet im rechtlichen Sinne Handlungen, die den öffentlichen Frieden gefährden, stören oder beeinträchtigen. Der öffentliche Frieden ist ein Rechtsgut, das die Allgemeinheit vor Angriffen schützt, die geeignet sind, das Sicherheitsgefühl und das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung zu beeinträchtigen. Friedensstörungen sind sowohl im Strafrecht als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht und teilweise im Zivilrecht von Bedeutung.

Definition des öffentlichen Friedens

Der öffentliche Frieden ist ein übergeordnetes Schutzgut, das vor allem das Vertrauen der Bevölkerung in eine geordnete Rechtsgemeinschaft bewahren soll. Er umfasst die äußere Ruhe und Ordnung, aber auch das Gefühl allgemeiner Unversehrtheit der öffentlichen Ordnung. Die genaue Definition ist gesetzlich nicht abschließend festgelegt, wurde jedoch durch Rechtsprechung und Literatur geprägt.

Normierung der Friedensstörung im deutschen Recht

Strafrechtliche Regelungen

Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) ist die Friedensstörung in verschiedenen Normen geregelt. Einen zentralen Stellenwert nehmen dabei Delikte gegen den öffentlichen Frieden ein.

§ 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten

Nach § 126 StGB macht sich strafbar, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, mit der Begehung eines erheblichen rechtswidrigen Gewaltdelikts droht. Typische Beispiele sind Bombendrohungen oder Drohungen im Zusammenhang mit Amokläufen.

Weitere einschlägige Strafnormen

  • § 130 StGB – Volksverhetzung: Das öffentliche Aufstacheln zum Hass oder die Aufforderung zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung stellt eine schwerwiegende Friedensstörung dar.
  • § 131 StGB – Gewaltdarstellung: Die Verbreitung von Medien, die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen verherrlichen oder verharmlosen, wird ebenfalls als Friedensstörung sanktioniert.
  • § 304 StGB – Gemeinschädliche Sachbeschädigung: Sachbeschädigungen an bedeutenden öffentlichen Objekten können unter Umständen den öffentlichen Frieden stören, insbesondere bei politisch oder gesellschaftlich motivierten Taten.

Ordnungswidrigkeitenrecht

Auch auf Ebene der Ordnungswidrigkeiten existieren Regelungen zum Schutz des öffentlichen Friedens. So stellt das Lärmschutzrecht im Rahmen von nächtlicher Ruhestörung einen Unterfall dar, der dem Schutz der äußeren Ruhe und Ordnung dient (§ 117 OWiG – Unzulässiger Lärm).

Polizeirechtliche Maßnahmen

Landespolizeigesetze sehen Eingriffsmaßnahmen vor, um bevorstehende oder laufende Friedensstörungen zu verhindern oder zu beenden. Dabei stehen der Polizei Instrumente wie Platzverweise, Aufenthaltsverbote, Gewahrsamnahmen und Auflösungen von Versammlungen zur Verfügung.

Tatbestandsmerkmale einer Friedensstörung

Abgrenzung zu anderen Tatbeständen

Nicht jede Störung der öffentlichen Ordnung stellt eine strafrechtlich relevante Friedensstörung dar. Zentral für strafbare Friedensstörungen ist das „Geeignetsein zur Störung des öffentlichen Friedens”, also die objektive Möglichkeit, das subjektive Sicherheitsgefühl und das friedliche Zusammenleben erheblich zu beeinträchtigen.

Subjektiver Tatbestand

Es genügt nicht, dass eine Handlung objektiv geeignet ist, den Frieden zu stören; erforderlich ist auch ein zumindest bedingter Vorsatz des Täters, der die Möglichkeit der Friedensbeeinträchtigung erkennt und billigend in Kauf nimmt.

Modalitäten der Durchführung

Die Tat kann durch Handlungen, Äußerungen, Veröffentlichungen oder öffentliche Kundgebungen begangen werden, sofern sie geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in Sicherheit und Ordnung maßgeblich zu erschüttern. Die Reichweite umfasst sowohl physische als auch psychische Formen der Beeinträchtigung.

Friedensstörung und Versammlungsrecht

Insbesondere im Kontext des Versammlungsrechts kommt der Begriff der Friedensstörung eine zentrale Rolle zu. Nach dem Versammlungsgesetz (VersammlG) können Versammlungen beschränkt oder aufgelöst werden, wenn sie zu Gewalttätigkeiten, wilden Ausschreitungen oder sonstigen erheblichen Friedensstörungen führen.

Voraussetzungen für polizeiliches Einschreiten

Die Behörden müssen eine konkrete Gefahr für den öffentlichen Frieden prognostizieren. Dies setzt voraus, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung der friedliche Verlauf der Veranstaltung ernsthaft infrage steht.

Rechtsfolgen der Friedensstörung

Strafrechtliche Sanktionen

Je nach Delikt drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen. Bei schwerwiegenden Tatbeständen, wie z. B. § 130 StGB, können mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt werden. Auch versuchen, etwa Drohungen oder Vorbereitungen zu Straftaten, sind teilweise schon strafbar.

Ordnungsgelder und Nebenfolgen

Im Ordnungswidrigkeitenrecht drohen Bußgelder und gegebenenfalls Nebenfolgen wie Auflagen, Aufenthaltsverbote oder Veranstaltungsschließungen.

Präventive Maßnahmen

Durch das Polizeirecht können präventive Maßnahmen zum Schutz des öffentlichen Friedens angeordnet werden, auch ohne dass eine strafbare Handlung vollendet wurde. Hierzu zählen Gefahrenabwehrverordnungen und Platzverweise.

Friedensstörung im internationalen und europäischen Kontext

Im europäischen sowie internationalen Rechtsschutz existieren zahlreiche Übereinkommen (z. B. Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), die den Schutz des öffentlichen Friedens im Verhältnis zur Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und anderen Grundrechten regeln. Der Schutz des öffentlichen Friedens rechtfertigt in engen Grenzen Eingriffe in diese Grundrechte, sofern sie verhältnismäßig sind.

Abgrenzung: Friedensstörung und Hausfriedensbruch

Von der öffentlich-rechtlichen Friedensstörung zu unterscheiden ist der Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. Hier steht nicht der öffentliche, sondern der private Frieden, also das Hausrecht, im Mittelpunkt des Schutzes.

Rechtsentwicklung und aktuelle Rechtsprechung

Die Auslegung des Begriffs der Friedensstörung unterliegt einem stetigen Wandel, insbesondere infolge aktueller Entwicklungen rund um öffentliche Versammlungen, Demonstrationen, digitale Kommunikation und gesellschaftliche Polarisierungen. Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof haben die Reichweite sowie die Voraussetzungen einer Friedensstörung mehrfach präzisiert und den Begriff weiter konturiert.

Literaturhinweise

Weiterführende Literatur zu Friedensstörung bietet Rechtsprechungskommentare zum StGB, polizeirechtliche Handbücher sowie Monographien zu den Schutzgütern des öffentlichen Friedens, zur Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit im Spannungsfeld zu sicherheitsrechtlichen Eingriffen.


Hinweis: Die genaue rechtliche Bewertung und mögliche Folgen einer Friedensstörung hängen stets vom jeweiligen Einzelfall und den konkreten gesetzlichen Grundlagen ab. Eine individuelle Beurteilung der Sachlage nach geltender Rechtslage ist stets zu empfehlen.

Häufig gestellte Fragen

Welche typischen Handlungen gelten nach deutschem Recht als Friedensstörung?

Unter Friedensstörung versteht das deutsche Recht verschiedene Handlungen, die den Rechtsfrieden einer Person oder einer Gemeinschaft erheblich beeinträchtigen. Dazu zählen insbesondere Gewaltdelikte, Bedrohungen, Sachbeschädigungen sowie Störungen von Versammlungen oder religiösen Handlungen. In strafrechtlicher Hinsicht greift hier vor allem der Tatbestand des „öffentlichen Friedens” (§ 126 StGB), der schon das Androhen von Straftaten mit erheblicher Gefährdung der Allgemeinheit unter Strafe stellt. Ebenfalls zählt hierzu das Verüben von Lärm- und Ruhestörungen, sofern diese das gemeinschaftliche Zusammenleben erheblich beeinflussen und einen Unfrieden auslösen. In zivilrechtlichen Situationen ist zudem die Störung des Hausfriedens (§ 123 StGB), also das unbefugte Eindringen oder Verweilen in einer Wohnung, ein typisches Beispiel. Die Einordnung als Friedensstörung erfordert stets eine konkrete und objektive Beeinträchtigung des bestehenden Rechtsfriedens – einfache Belästigungen oder Meinungsverschiedenheiten erfüllen regelmäßig nicht den Tatbestand.

Welche strafrechtlichen Folgen kann eine Friedensstörung nach sich ziehen?

Friedensstörungen können unterschiedliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, abhängig von der Art und Schwere des Delikts. Wird etwa der öffentliche Frieden durch Bedrohungen, Störungen der öffentlichen Ordnung oder durch das Verbreiten von Angst und Schrecken erheblich gestört, sieht das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vor (§ 126 StGB). Bei Störung des Hausfriedens (§ 123 StGB) droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Bei gravierenden Formen, etwa bei Landfriedensbruch (§ 125 StGB), kann die Höchststrafe sogar bis zu zehn Jahren betragen, insbesondere wenn dabei Gewalt gegen Personen angewendet oder erheblicher Schaden verursacht wurde. Neben den strafrechtlichen ahndbaren Aspekten können im Einzelfall auch Maßnahmen nach dem Polizeirecht, wie Platzverweise oder Aufenthaltsverbote, erfolgen.

Welche zivilrechtlichen Ansprüche stehen Betroffenen einer Friedensstörung zu?

Im Zivilrecht können Betroffene einer Friedensstörung verschiedene Ansprüche geltend machen. Hierzu zählen insbesondere Unterlassungsansprüche gemäß §§ 862, 1004 BGB, sofern eine wiederholte oder drohende rechtswidrige Beeinträchtigung des Besitzes oder Eigentums vorliegt. Bei materiellen oder immateriellen Schäden besteht zudem Anspruch auf Schadenersatz nach §§ 249 ff. BGB. Weiterhin ist es möglich, einstweilige Verfügungen zur schnellen Unterbindung weiterer Störungen beim zuständigen Amtsgericht zu beantragen, etwa im Rahmen des Schutzes von Wohnungen oder Geschäftsräumen vor unbefugtem Betreten. Bei Verstößen gegen den Hausfrieden kann zudem ein Hausverbot ausgesprochen und durchgesetzt werden.

Wie ist der Begriff „öffentlicher Frieden” im Kontext der Friedensstörung zu verstehen?

Der „öffentliche Frieden” beschreibt ein übergeordnetes Rechtsgut, das sich auf die Gesamtheit der Bürger und ihr Vertrauen in die Rechtssicherheit und die öffentliche Ordnung bezieht. Es handelt sich dabei nicht um die persönliche Ruhe oder das individuelle Wohlbefinden, sondern um die objektiv gestörte Rechts- und Sozialordnung. Eine Friedensstörung im Sinne des öffentlichen Friedens liegt dann vor, wenn das allgemeine Sicherheitsempfinden einer unbestimmten Vielzahl von Personen beeinträchtigt wird. Das umfasst etwa volksverhetzende Handlungen, grobe Störungen bei öffentlichen Veranstaltungen oder das Androhen schwerer Straftaten, die auf die Allgemeinheit einwirken. Der „öffentliche Frieden” stellt damit eine wesentliche Grenze für strafrechtliche Eingriffe und Schutzmaßnahmen dar.

Welche Rolle spielt das subjektive Empfinden des Betroffenen bei der Beurteilung einer Friedensstörung?

Das subjektive Empfinden des Betroffenen allein reicht für die rechtliche Qualifikation einer Friedensstörung in der Regel nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr das objektive Gewicht der Beeinträchtigung des Rechtsfriedens. Die Gerichte orientieren sich hierbei an einem maßgeblichen Durchschnittsmaßstab: Es ist zu prüfen, ob ein verständiger Dritter unter den gegebenen Umständen die Situation ebenfalls als erhebliche Störung des Rechtsfriedens werten würde. Subjektive Befindlichkeiten oder übertriebene Sensibilitäten begründen noch keine Friedensstörung im rechtlichen Sinne. Erst wenn eine Handlung nach allgemeiner Einschätzung geeignet ist, den Hausfrieden oder den öffentlichen Frieden nachhaltig zu stören, greifen die gesetzlichen Schutzmechanismen.

Inwieweit können auch juristische Personen durch Friedensstörungen betroffen sein?

Nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen, wie eingetragene Vereine, Unternehmen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, können Ziel oder Betroffene von Friedensstörungen werden. Dies ist beispielsweise relevant, wenn Geschäftsräume durch unbefugtes Eindringen gestört, Betriebsabläufe erheblich beeinträchtigt oder Vereinsveranstaltungen mutwillig behindert werden. Das Recht auf Unversehrtheit der Geschäftsräume sowie auf störungsfreie Ausübung satzungsgemäßer oder gewerblicher Tätigkeiten ist durch zivil- und strafrechtliche Normen gleichermaßen geschützt. Auch hier bestehen Ansprüche auf Unterlassung, Schadenersatz und ggf. strafrechtliches Vorgehen gegen die Störer. In bestimmten Fällen können Unternehmen auch unmittelbar den Schutz des öffentlichen Friedens in Anspruch nehmen, sofern das betriebliche Funktionieren gefährdet wird.