Definition und Bedeutung des Fremdvergleichs
Der Begriff „Fremdvergleich” spielt eine zentrale Rolle im deutschen Steuerrecht, insbesondere im internationalen Steuerrecht und im Gesellschaftsrecht. Er beschreibt das Prinzip, dass Geschäftsvorfälle zwischen nahestehenden Personen, vor allem innerhalb von Unternehmensgruppen, so gestaltet sein müssen, wie sie unabhängige Dritte miteinander vereinbaren würden. Ziel ist die Vermeidung von Steuerverlagerungen und die Sicherstellung einer angemessenen Besteuerung.
Fremdvergleich im Steuerrecht
Grundprinzip des Fremdvergleichs
Das Fremdvergleichsgrundsatz verlangt, dass die Bedingungen von Verträgen oder Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen („nahestehende Personen” im Sinne von § 1 Abs. 2 Außensteuergesetz – AStG) denen entsprechen, die fremde Dritte miteinander abgeschlossen hätten. Weichen die tatsächlich vereinbarten Bedingungen von denen ab, die unter unabhängigen Dritten üblich sind, kann das Finanzamt steuerliche Korrekturen vornehmen (sogenannte „Korrektur nach dem Fremdvergleichsgrundsatz”).
Anwendung im internationalen Steuerrecht
Insbesondere im internationalen Kontext ist der Fremdvergleichsgrundsatz von erheblicher Bedeutung. Multinationale Unternehmensgruppen strukturieren Lieferbeziehungen, Dienstleistungen und Finanzierungen häufig länderübergreifend innerhalb des Konzerns. Um zu verhindern, dass durch Verschiebung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer die Steuersubstratbasis eines Hochsteuerstaates erodiert, verlangt das Außensteuergesetz (AStG) in § 1 die Anwendung von Fremdvergleichsgrundsätzen („arm’s length principle”).
Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien bilden hierbei die internationale Grundlage. Sie definieren, wie Preise zwischen verbundenen Unternehmen zu bestimmen sind und welche Methoden (z.B. Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode oder Kostenaufschlagsmethode) dabei zulässig sind.
Fremdvergleich nach § 8 Abs. 3 KStG
Auch das Körperschaftsteuergesetz (KStG) sieht den Fremdvergleich vor, z. B. in § 8 Abs. 3 KStG zur Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen. Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Anteilseigner (oder deren Angehörige), die nicht dem entsprechen, was ein fremder Dritter erhalten hätte, gelten steuerlich als Gewinnausschüttung und nicht als Betriebsausgabe.
Fremdvergleich im Gesellschaftsrecht
Im Gesellschaftsrecht spielt der Fremdvergleich insbesondere bei Rechtsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern oder Nahestehenden eine Rolle. Vor allem bei der GmbH und der AG stellt sich regelmäßig die Frage, ob Verträge zu Bedingungen abgeschlossen wurden, wie sie auch mit fremden Dritten getroffen worden wären. Ist dies nicht der Fall, kann eine sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung oder Vermögensverschiebung zum Nachteil der Gesellschaft vorliegen.
Beispiel: Gesellschafterdarlehen
Gewährt ein Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen zu einem Zinssatz, der unter dem Marktzins liegt, ist der „fremdübliche” Zinssatz Maßstab. Nur der marktübliche Teil der Zinszahlung wird als Betriebsausgabe anerkannt; der Differenzbetrag kann als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt werden.
Methoden der Fremdvergleichsprüfung
Preisvergleichsmethode
Bei dieser Methode werden die Preise für vergleichbare Leistungen oder Güter zwischen nahestehenden Unternehmen mit Marktpreisen für gleiche oder ähnliche Leistungen bzw. Güter zwischen unabhängigen Dritten verglichen.
Wiederverkaufspreismethode
Hierbei wird davon ausgegangen, zu welchem Preis ein Unternehmen ein vom verbundenen Unternehmen erworbenes Produkt an einen unabhängigen Dritten verkauft. Von diesem Preis wird eine angemessene Gewinnspanne abgezogen, um den fremdüblichen Verrechnungspreis zu bestimmen.
Kostenaufschlagsmethode
Diese Methode untersucht die tatsächlich bei einem verbundenen Unternehmen angefallenen Kosten und vergleicht den darauf kalkulierten Aufschlag mit dem Aufschlag, den unabhängige Unternehmen für entsprechende Leistungen oder Güter berechnen würden.
Gewinnvergleichsmethode
Zur Anwendung kommt die Gewinnvergleichsmethode insbesondere dann, wenn keine direkten Preisvergleiche möglich sind. Hier wird der erzielte Gewinn aus der Transaktion zum Maßstab genommen und mit Gewinnen aus vergleichbaren Transaktionen zwischen unabhängigen Unternehmen verglichen.
Rechtsfolgen bei Verstößen gegen den Fremdvergleich
Steuerliche Korrekturen
Ergeben sich durch einen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz Vorteile für verbundene Unternehmen (z.B. durch niedrige Verrechnungspreise), so nimmt das Finanzamt gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AStG eine Korrektur auf den fremdüblichen Preis vor. Der überhöhte oder zu niedrige Preis wird steuerlich neutral gestellt, wodurch die steuerliche Bemessungsgrundlage angepasst wird.
Zins- und Strafzahlungen
Kommt es aufgrund nicht fremdüblicher Vertragskonstellationen zu Steuernachzahlungen, können zusätzlich Zinsen und unter Umständen auch steuerstrafrechtliche Konsequenzen (z. B. wegen Steuerhinterziehung) drohen.
Dokumentationspflichten
Gemäß § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) und der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) unterliegen Unternehmen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen umfangreichen Dokumentationspflichten. Diese ermöglichen es der Finanzverwaltung, zu überprüfen, ob der Fremdvergleichsgrundsatz beachtet wurde. Bei Verstößen drohen Schätzungen und empfindliche Strafen.
Internationale Harmonisierung und OECD-Richtlinien
Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien sind der internationale Standard zur Ausgestaltung des Fremdvergleichs und werden von zahlreichen Ländern übernommen. Sie konkretisieren die Anforderungen an die Bestimmung fremdüblicher Preise und die erforderliche Dokumentation.
Bedeutung für die Unternehmenspraxis
Die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist für international tätige Unternehmen von zentraler Bedeutung, um steuerliche Risiken zu minimieren. Fehler können zu erheblichen Steuernachzahlungen, Bußgeldern und Reputationsschäden führen.
Zusammenfassung
Der Fremdvergleich stellt sicher, dass Unternehmensbeziehungen steuerlich und gesellschaftsrechtlich so behandelt werden, als ob sie zwischen unabhängigen Parteien geschlossen worden wären. Verstöße gegen den Fremdvergleichsgrundsatz führen meist zu steuerlichen Korrekturen. Aufgrund der zentralen Bedeutung des Fremdvergleichsprinzips kommt einer sorgfältigen Vertragsgestaltung und Dokumentation im nationalen und internationalen Unternehmenskontext größte Bedeutung zu.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsgrundlagen regeln den Fremdvergleich im deutschen Steuerrecht?
Der Fremdvergleich wird im deutschen Steuerrecht insbesondere durch die Vorschriften des § 1 Absatz 1 Außensteuergesetz (AStG) geregelt. Danach sind die Einkünfte zwischen nahestehenden Personen so zu ermitteln, wie sie unter fremden Dritten vereinbart worden wären. Diese Regelung dient einerseits der Verhinderung von Gewinnverlagerungen ins Ausland und andererseits der Sicherstellung einer angemessenen Besteuerung im Inland. Ergänzt wird diese Regelung durch verschiedene Verwaltungsanweisungen, wie die “Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen” (sogenannte Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise) sowie durch internationale Vereinbarungen wie Artikel 9 des OECD-Musterabkommens. Darüber hinaus haben die Grundsätze des Fremdvergleichs auch Bedeutung im Rahmen weiterer steuerlicher Vorschriften, beispielsweise bei § 8 Absatz 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG), wodurch verdeckte Gewinnausschüttungen anhand des Fremdvergleichsmaßstabs geprüft werden. Die Umsetzung in der Praxis erfolgt daher stets unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Grundlagen, der Verwaltungsauffassung und einschlägiger Finanzrechtsprechung.
Welche Personengruppen fallen typischerweise unter die Fremdvergleichsprüfung?
Die Fremdvergleichsprüfung nimmt vor allem Rechtsbeziehungen zwischen sogenannten nahestehenden Personen in den Blick. Dazu zählen nach § 1 Absatz 2 AStG insbesondere Kapital- und Personengesellschaften sowie natürliche Personen und deren Angehörige, sofern Einfluss auf die Geschäftsbeziehung genommen werden kann. Auch Gesellschaften, die durch eine mehrheitliche Beteiligung miteinander verbunden sind, unterliegen der Fremdvergleichsprüfung, ebenso wie Organgesellschaften oder konzernverbundene Unternehmen innerhalb eines internationalen Konzerns. Die Prüfung greift aber nicht nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, sondern kann auch auf rein nationale Sachverhalte angewendet werden, etwa wenn verdeckte Gewinnausschüttungen von verbundenen Unternehmen befürchtet werden. Entscheidend ist immer, ob auf die Konditionen der Geschäftsbeziehung Einfluss genommen werden kann, der zu einer steuerlich nicht angemessenen Gewinnverteilung führt.
Welche Arten von Geschäftsvorfällen unterliegen dem Fremdvergleich?
Dem Fremdvergleich unterliegen sämtliche Geschäftsvorfälle, die zwischen nahestehenden Personen stattfinden und einen Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage haben können. Dazu zählen etwa Lieferungen und Leistungen aller Art, die Überlassung von Rechten (z.B. Lizenzen), Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehen, Garantien), die Nutzung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern (z.B. Vermietung, Verpachtung), Dienstleistungen (z.B. Management Fees, Beratungen) sowie konzerninterne Verrechnungen von Gemeinkosten. Auch Vorgänge im Zusammenhang mit Umstrukturierungen, der Übertragung von Geschäftsbereichen oder Beteiligungen sowie Restrukturierungen fallen unter den Anwendungsbereich. Der Maßstab ist stets, ob und wie die Transaktion auch unter fremden Dritten vereinbart worden wäre („dealing at arm’s length”).
Welche Beweislastregeln gelten bei Streitigkeiten über die Angemessenheit von Bedingungen im Fremdvergleich?
Im Streitfall über die Angemessenheit der zwischen nahestehenden Personen vereinbarten Bedingungen trifft die objektive Feststellungslast grundsätzlich die Finanzverwaltung. Allerdings hat der Steuerpflichtige nach § 90 Absatz 2 AO eine gesteigerte Mitwirkungspflicht und muss verlangen, dass er seine innerbetrieblichen Verrechnungspreise dokumentiert und belegt. Kommt er dem nicht ausreichend nach, kann die Finanzverwaltung die Grundlagen der Besteuerung schätzen – und ist dabei an formelle und materielle Mitwirkungspflichten gebunden. Die Rechtsprechung verlangt, dass der Steuerpflichtige die unter fremden Dritten übliche Vertragsgestaltung und Preisfestsetzung plausibel nachweist und dokumentiert, beispielsweise durch Preisvergleiche, Kostenaufschlagsmethoden oder geeignete wirtschaftliche Gutachten. Ohne ausreichende Dokumentation kann die Behörde allerdings von den Besteuerungsgrundlagen abweichen, sodass der Steuerpflichtige in eine „sekundäre” Beweislast geraten kann.
Welche Rechtsfolgen drohen bei einem festgestellten Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz?
Stellt die Finanzverwaltung im Rahmen einer Prüfung fest, dass zwischen nahestehenden Personen Bedingungen vereinbart wurden, die einem Fremdvergleich nicht standhalten, werden die Einkünfte nach § 1 AStG „ausscheidungsweise” berichtigt. Das bedeutet, dass die Einkünfte so ermittelt werden, wie sie unter fremden Dritten erzielt worden wären. Daraus können sich zusätzliche Steuerlasten ergeben, etwa durch die Korrektur von Erträgen oder Aufwendungen, durch die Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen oder – Entnahmen. Im internationalen Kontext droht zudem das Risiko einer Doppelbesteuerung, da die Korrektur nicht immer von beiden beteiligten Staaten gleichermaßen anerkannt wird. Ferner kann die Verletzung der Dokumentationspflichten nach § 162 Absatz 3 AO zu Zuschätzungen und empfindlichen Strafzuschlägen führen (§ 162 Absatz 4 AO), auch wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO sind strafrechtliche Konsequenzen möglich.
Inwiefern hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Fremdvergleichsgrundsätze konkretisiert?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch zahlreiche Urteile geschärft. Insbesondere hat er festgelegt, dass für die Fremdüblichkeit nicht allein auf den Preis, sondern auch auf die tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen (Vertragsinhalt, Vertragspraxis) abzustellen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13). Der BFH verlangt regelmäßig, dass Verträge zwischen Nahestehenden inhaltlich und formal wie zwischen fremden Dritten abgeschlossen, durchgeführt und notfalls auch durchgesetzt werden. Außerdem bezieht die Rechtsprechung stets die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein, spätere Entwicklungen spielen für die Beurteilung keine entscheidende Rolle. Schließlich betont der BFH, dass bei der Auslegung der Fremdvergleichsgrundsätze neben den nationalen Regelungen auch die internationalen Maßstäbe, etwa die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, zu berücksichtigen sind.
Welche Bedeutung haben die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für die Auslegung des Fremdvergleichs in Deutschland?
Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien („Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations”) sind für die deutsche Finanzverwaltung und die Rechtsprechung wichtiger Auslegungshilfen. Sie beeinflussen die Interpretation der Fremdvergleichsgrundsätze im deutschen Recht maßgeblich, da sie international anerkannte Bewertungs- und Dokumentationsstandards vorgeben. Nach Meinung des BFH sind die Richtlinien zwar kein unmittelbar geltendes Recht, werden jedoch bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen als Auslegungshilfe herangezogen, um internationale Doppelbesteuerungskonflikte zu vermeiden. Die OECD-Richtlinien bestimmen u. a. die zulässigen Methoden zur Preisermittlung (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode etc.), geben Hinweise zum Umgang mit immateriellen Werten und werten die Rolle wirtschaftlicher Analysen. Die deutschen Verwaltungsgrundsätze (VWG Verrechnungspreise) nehmen darauf explizit Bezug, sodass deren Beachtung für Unternehmen mit Auslandsgeschäft praktisch unverzichtbar ist.