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Fremdorganschaft


Begriff und rechtlicher Rahmen der Fremdorganschaft

Die Fremdorganschaft ist ein Begriff des Gesellschaftsrechts und bezeichnet die Bestellung einer natürlichen Person als Organ einer juristischen Person, ohne dass diese Person zugleich Gesellschafter, Aktionär oder Mitglied der juristischen Person ist. Der Gegensatz zur Fremdorganschaft ist die Eigenorganschaft, bei welcher Organmitglieder zugleich Gesellschafter oder Mitglieder der jeweiligen Gesellschaft sind. Die Fremdorganschaft findet sich im deutschen Recht insbesondere im Kontext der Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen sowie teilweise im Stiftungsrecht.


Rechtliche Grundlagen der Fremdorganschaft

Gesetzliche Regelungen

Das deutsche Gesellschaftsrecht sieht in verschiedenen Rechtsformen die Möglichkeit oder auch die Notwendigkeit der Fremdorganschaft vor. Maßgebliche Gesetzesnormen sind hierbei:

  • Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
  • Aktiengesetz (AktG)
  • Genossenschaftsgesetz (GenG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für eingetragene Vereine und Stiftungen

Beispielhaft schreibt § 6 Abs. 3 GmbHG vor, dass zum Geschäftsführer einer GmbH sowohl Gesellschafter als auch externe, also gesellschaftsfremde Personen bestellt werden können. Im Aktienrecht (§§ 76 ff. AktG) ist die Bestellung von Vorstandsmitgliedern typischerweise als Fremdorganschaft ausgeprägt.

Organstellung und Wirksamkeit

Die Bestellung eines Fremdorgans erfolgt regelmäßig durch einen Bestellungsakt, wie beispielsweise den Gesellschafterbeschluss bei der GmbH. Die Organstellung entsteht unabhängig von einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und vermittelt Rechte und Pflichten, insbesondere Geschäftsführung, Vertretung sowie Treue- und Sorgfaltspflichten.


Erscheinungsformen und Anwendungsbereiche

Fremdorganschaft bei der GmbH

Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann die Geschäftsführung sowohl durch Gesellschafter (Eigenorganschaft) als auch durch Dritte (Fremdorganschaft) wahrgenommen werden. Im modernen Wirtschaftsverkehr werden in der Praxis häufig externe Geschäftsführer bestellt. Die Fremdorganschaft ist hier gesetzlich explizit vorgesehen und weit verbreitet.

Fremdorganschaft bei der Aktiengesellschaft

Im Aktienrecht ist die Trennung von Eigentum und Leitung Grundprinzip. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist regelmäßig nicht zugleich Aktionär, sondern überwiegend extern bestellt, um die Trennung von Gesellschaftskapital und Geschäftsführung zu gewährleisten.

Weitere Gesellschafts- und Rechtsformen

Auch bei eingetragenen Vereinen und Genossenschaften sind Fremdorganschaften denkbar, sofern die Satzung diese zulässt oder das Gesetz nichts Gegenteiliges normiert. Im Stiftungsrecht ist die Fremdorganschaft regelmäßig der Regelfall, da Mitglieder des Vorstands einer Stiftung nicht zwingend Stifter oder Destinatäre sein müssen.


Rechtsfolgen und Pflichten der Fremdorganschaft

Treue-, Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten

Das Fremdorgan ist treuhänderisch zur Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen verpflichtet. Zu den wichtigsten gesetzlichen Pflichten zählen:

  • Sorgfaltspflicht: Das Organ muss die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden (z. B. § 43 GmbHG, § 93 AktG).
  • Treuepflicht: Dies umfasst die Pflicht, keine eigenen oder fremden Interessen über die der Gesellschaft zu stellen.
  • Verschwiegenheitspflicht: Das Fremdorgan ist zur Geheimhaltung gesellschaftsinterner Angelegenheiten verpflichtet.

Haftung

Ein Fremdorgan haftet grundsätzlich wie ein Eigenorgan für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft und, in Ausnahmefällen, gegenüber Dritten oder dem Staat (insbesondere haftungsverschärfende Regelungen im Insolvenzfall oder bei Pflichtverletzungen nach Handels- bzw. Steuerrecht).

Vergütung

Die Vergütung der Tätigkeit des Fremdorgans richtet sich regelmäßig nach dem Dienstvertrag oder Anstellungsvertrag und stellt in der Praxis ein bedeutendes Unterscheidungskriterium zu ehrenamtlichen oder eigenorganisierten Mandaten dar.


Abgrenzung: Fremdorganschaft, Geschäftsbesorgungsvertrag und faktisches Organ

Die Fremdorganschaft ist abzugrenzen vom reinen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), bei dem Dritte im Auftrag tätig werden, ohne gesellschaftsrechtliche Organstellung. Eine weitere Abgrenzung besteht zum sogenannten faktischen Organ, einer Person, die tatsächlich Organpflichten erfüllt, ohne formell bestellt zu sein. Die rechtlichen Folgen (insbesondere Haftung) sind bei der Fremdorganschaft durch die formelle Bestellung klar definiert.


Bedeutung und praktische Relevanz

Die Fremdorganschaft ist ein zentrales Instrument moderner Unternehmungsführung und -kontrolle. Sie ermöglicht eine professionelle Leitung von Gesellschaften durch qualifizierte Dritte und unterstützt die Trennung von Kapital und Management. Die Fremdorganschaft schafft zugleich klare Verantwortlichkeiten sowie eine bessere Haftungszuweisung und eröffnet Flexibilität in der Unternehmensorganisation.


Zusammenfassung

Die Fremdorganschaft bezeichnet die Bestellung sachfremder, nicht beteiligter Personen als Organ einer juristischen Person. Sie spielt im deutschen Gesellschaftsrecht eine zentrale Rolle, insbesondere bei Kapitalgesellschaften, und ist gegen die Eigenorganschaft sowie andere Tätigkeitsformen deutlich abzugrenzen. Die rechtlichen Grundlagen regeln Organstellung, Bestellung, Pflichten und Haftung präzise und stellen sicher, dass externe Organmitglieder effektiv in die Gesellschaftsorganisation eingebunden werden können. Die Fremdorganschaft ist damit ein maßgebliches Element der Unternehmensführung und ‑kontrolle im deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Wirksamkeit einer Fremdorganschaft erfüllt sein?

Für die Wirksamkeit einer Fremdorganschaft müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst erfordert die Fremdorganschaft eine wirksame Bestellung des Organs, welches nicht der Gesellschaft selbst, sondern einem Dritten – dem sogenannten Fremdorgan – angehört. Die Bestellung erfolgt in aller Regel durch einen Bestellungsakt, der entweder kraft Gesetzes, durch Gesellschaftsvertrag oder durch entsprechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats vollzogen wird. Gesetzlich normiert ist die Fremdorganschaft insbesondere bei juristischen Personen und Personengesellschaften in verschiedenen Formen, etwa bei der Fremdgeschäftsführung in der GmbH oder bei der Fremdverwaltung im Vereinsrecht. Weiterhin muss die Person, die als Fremdorgan bestellt werden soll, voll handlungsfähig und nicht durch Ausschluss- oder Unvereinbarkeitsgründe gehindert sein (z. B. § 6 GmbHG; § 76 AktG). Gegebenenfalls sind auch steuer- und handelsrechtliche Mitteilungen erforderlich sowie die Eintragung ins Handelsregister, um eine konstitutive Wirkung zu erzielen. Zudem ist zwingend zu beachten, dass die Fremdorganschaft gegen keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere keine Verbots- oder Sittenwidrigkeitstatbestände, verstößt.

Welche Rechtsstellung hat das Fremdorgan im Verhältnis zur Gesellschaft?

Das Fremdorgan ist als Organ kraft Gesetzes in der Lage, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten und intern zu führen. Rechtlich handelt das Fremdorgan nicht als Vertreter, sondern organschaftlich, das heißt, seine Willensbildung und rechtsgeschäftlichen Handlungen werden unmittelbar der Gesellschaft zugerechnet. Anders als ein Vertreter handelt das Organ im Rahmen der ihm durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Kompetenzen. Das Fremdorgan unterliegt gesellschaftsrechtlichen Weisungsbindungen, sofern das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag dies vorsehen. Typischerweise besteht jedoch eine relativ eigenständige Rechtsstellung in Bezug auf externe Dritte. Intern kann das Fremdorgan an Beschlüsse und Richtlinien der Gesellschafterversammlung, des Aufsichtsrats oder entsprechend zuständiger Organe gebunden sein. Bei Pflichtverletzungen haftet das Fremdorgan grundsätzlich persönlich nach Maßgabe der jeweiligen organschaftlichen Haftungsregeln (z. B. § 43 GmbHG, § 93 AktG).

Welche gesetzlichen Haftungsregelungen gelten für das Fremdorgan?

Für Fremdorgane gelten grundsätzlich die gleichen gesetzlichen Haftungsregelungen wie für organschaftliche Funktionen, die durch Gesellschafter wahrgenommen werden. Die Haftung erstreckt sich auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben und umfasst sowohl Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzung (§ 43 GmbHG für GmbH-Geschäftsführer, § 93 AktG für Vorstände einer AG) als auch besondere Deliktstatbestände (z. B. Insolvenzverzögerung nach § 15a InsO). Die Haftung kann im Innenverhältnis zu Gunsten des Fremdorgans durch entsprechende Beschlüsse oder Entlastungen beschränkt werden, wobei im Außenverhältnis zu Gläubigern solche Beschränkungen grundsätzlich keine Wirkung entfalten. Darüber hinaus bestehen strafrechtliche Verantwortlichkeiten sowie steuerliche Haftungsfolgen (beispielsweise nach § 69 AO für steuerliche Angelegenheiten). Relevant kann auch die D&O-Versicherung sein, die Fremdorgane gegen bestimmte Haftungsrisiken absichern kann.

Welche Mitwirkungs- und Kontrollrechte stehen den Gesellschaftern gegenüber dem Fremdorgan zu?

Die Gesellschafter verfügen über umfassende Mitwirkungs- und Kontrollrechte, die sowohl aus dem Gesellschaftsvertrag als auch direkt aus dem Gesetz folgen (z. B. § 46 GmbHG, § 119 AktG). Die wichtigsten Kontrollrechte bestehen in der Einberufung und Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, im Recht auf Auskunftserteilung, Informationsbeschaffung und der Prüfung der Geschäftsführung. Darüber hinaus können die Gesellschafter oder der Aufsichtsrat wesentliche Geschäftsführungsmaßnahmen an ihre Zustimmung knüpfen oder Vorbehaltskataloge aufstellen. Auch die Möglichkeit, das Fremdorgan abzuberufen, stellt ein zentrales Mitwirkungsrecht dar. Bei Vorliegen von Pflichtverletzungen kann das Fremdorgan juristisch zur Verantwortung gezogen werden.

Kann die Fremdorganschaft im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder begrenzt werden?

Obwohl die Fremdorganschaft in vielen Gesellschaftsformen zulässig ist, steht es den Gesellschaftern grundsätzlich frei, im Gesellschaftsvertrag Regelungen zur Zulässigkeit, Ausgestaltung und zu etwaigen Beschränkungen der Fremdorganschaft zu treffen. Sie können beispielsweise bestimmen, dass nur Gesellschafter als Organ bestellt werden dürfen oder dass ein bestimmter Anteil fremder Organmitglieder nicht überschritten werden darf. Ein vollständiger Ausschluss der Fremdorganschaft ist in solchen Fällen in der Satzung statthaft, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Allerdings sind zwingende gesetzliche Bestimmungen zu beachten, sodass gesellschaftsvertragliche Regelungen unwirksam sind, wenn sie zwingendem Recht widersprechen.

Welche Folgen hat die Abberufung eines Fremdorgans rechtlich?

Die Abberufung eines Fremdorgans hat insbesondere zur Folge, dass das betreffende Organmitglied mit sofortiger Wirkung seine organschaftlichen Kompetenzen und Vertretungsbefugnisse verliert. Rechtsgrundlage für die Abberufung sind zumeist die einschlägigen Vorschriften des Gesellschaftsrechts sowie ggf. individuell vereinbarte Satzungsregeln. Die Abberufung muss ins Handelsregister eingetragen werden, wenn es sich um eine eintragungspflichtige Organstellung handelt. Die Abberufung hat rein organschaftliche Wirkung und berührt nicht automatisch bestehende Anstellungsverträge, die nach arbeitsrechtlichen oder dienstvertraglichen Grundsätzen gesondert kündbar sind. Bei fehlender Eintragung ins Handelsregister kann der gutgläubige Rechtsverkehr geschützt werden (sog. Rechtsscheinhaftung nach § 15 HGB).

Inwiefern ist eine Fremdorganschaft bei Personengesellschaften zulässig?

Auch bei Personengesellschaften wie der GmbH & Co. KG, der OHG oder der KG kann eine Fremdorganschaft zulässig sein. Hier wird ein Außenstehender typischerweise als geschäftsführender Komplementär oder als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH eingesetzt. Die Zulässigkeit und Ausgestaltung der Fremdorganschaft richtet sich dabei im Wesentlichen nach dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag sowie den gesetzlichen Grundlagen, wobei auch hier gesetzlich zwingende Regelungen nicht unterlaufen werden dürfen. Die organschaftliche Stellung des Fremdorgans ist in diesen Konstellationen eindeutiger, sobald die Fremdperson gerade nicht am Gesellschaftskapital beteiligt ist, sondern ausschließlich organschaftliche Aufgaben übernimmt. Die Rechte und Pflichten sind dann entsprechend den gesellschaftsrechtlichen und vertragsmäßigen Vorgaben auszurichten.