Freizügigkeitsgesetz: Begriff, Regelungen und Bedeutung
Das Freizügigkeitsgesetz (FZügG) bildet einen zentralen Bestandteil des deutschen Aufenthaltsrechts. Es regelt das Recht auf Einreise und Aufenthalt von Angehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie deren Familienangehörigen im Bundesgebiet. Das Freizügigkeitsgesetz setzt europäische Vorgaben zur Personenfreizügigkeit in nationales Recht um und ist maßgeblich für die praktische Anwendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und des Niederlassungsrechts in Deutschland.
Rechtsgrundlagen des Freizügigkeitsgesetzes
Das Freizügigkeitsgesetz/EU wurde am 30. Juli 2004 im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-Richtlinie) erlassen und trat am 1. Januar 2005 in Kraft. Es ist das zentrale Bundesgesetz zur Regelung des Aufenthaltsrechts von EU-Bürgerinnen, EU-Bürgern sowie deren Familienangehörigen.
Verhältnis zum Aufenthaltsgesetz
Das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist das allgemeine Gesetz, das den Aufenthalt Drittstaatsangehöriger in Deutschland regelt. Für Unionsbürger und gleichgestellte Personen gilt jedoch vorrangig das Freizügigkeitsgesetz, soweit dieses einschlägig ist. Lediglich in Fällen, in denen das FZügG keine abschließende Regelung enthält, kommt ergänzend das Aufenthaltsgesetz zur Anwendung.
Zielsetzung
Das Gesetz gewährleistet in Umsetzung von Artikel 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Niederlassungs- und Bewegungsfreiheit für Unionsbürger und deren Familienangehörige. Es dient damit der Erleichterung des Binnenmarktes und des europaweiten Arbeitskräfte- sowie Warenverkehrs.
Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes
Das Freizügigkeitsgesetz erstreckt sich auf:
- Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten (Unionsbürger)
- Staatsangehörige der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen)
- Schweizer Staatsangehörige, sofern das Freizügigkeitsabkommen dies vorsieht
- Familienangehörige dieser Personen, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit
Erwerb der Freizügigkeitsberechtigung
Die Freizügigkeitsberechtigung nach dem Freizügigkeitsgesetz entsteht grundsätzlich kraft Gesetzes, sofern die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere für:
- Arbeitnehmer
- Selbständige Erwerbstätige
- Dienstleister und Dienstleistungsempfänger
- Studierende
- Nicht-Erwerbstätige mit ausreichenden Existenzmitteln und Krankenversicherungsschutz
- Daueraufenthaltsberechtigte Unionsbürger
Kerninhalte des Freizügigkeitsgesetzes
Einreise und Aufenthalt
Das Freizügigkeitsgesetz regelt, dass Unionsbürger und deren Familienangehörige ohne Visum einreisen und sich aufhalten dürfen, sofern sie freizügigkeitsberechtigt sind. Die förmliche Ausstellung eines Aufenthaltstitels ist nicht mehr erforderlich; als Nachweis kann jedoch eine sogenannte Aufenthaltskarte beantragt werden.
Aufenthaltskarte und Daueraufenthaltsrecht
Familienangehörige von Unionsbürgern, die nicht selbst Angehörige eines EU/EWR-Staates sind, erhalten auf Antrag eine Aufenthaltskarte. Nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt kann das Daueraufenthaltsrecht erworben werden, welches weitgehende Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen im Aufenthaltsrecht gewährt.
Verlust der Freizügigkeitsberechtigung
Die Freizügigkeitsberechtigung kann gemäß § 6 FZügG bei schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aberkannt werden. Die Feststellung führt zum Verlust des Freizügigkeitsrechts und – verbunden mit einer Ausweisungsverfügung – zum Wegfall des Aufenthaltsrechts in Deutschland.
Ausweisung nach FZügG
Eine Ausweisung nach dem FZügG ist restriktiv ausgestaltet und unterliegt strengen Anforderungen, um dem Grundgedanken der Freizügigkeit Rechnung zu tragen. Die Gründe müssen zwingend vorliegen und besonders begründet werden.
Familiennachzug
Das Freizügigkeitsgesetz gewährt Unionsbürgern das Recht, Familienangehörige unabhängig von deren Staatsangehörigkeit nachzuziehen. Unter Familienangehörigen sind unter anderem Ehegatten/Lebenspartner sowie Kinder unter 21 Jahren und weitere, unter bestimmten Voraussetzungen, unterhaltsberechtigte Angehörige zu verstehen.
Rechtsfolgen und Umsetzung im Alltag
Melderecht und Registrierung
Unionsbürger unterliegen bei Einreise und Aufenthalt der allgemeinen Meldepflicht nach dem Bundesmeldegesetz. Eine spezielle Aufenthaltserlaubnis ist nicht erforderlich, es genügt der Nachweis der Freizügigkeitsberechtigung (z. B. Arbeitsvertrag, Nachweis über Studium etc.).
Zugang zum Arbeitsmarkt
Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfen Unionsbürger in Deutschland jede Erwerbstätigkeit aufnehmen und arbeiten zu denselben Bedingungen wie deutsche Arbeitnehmer. Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit sind verboten.
Gleichstellung im Sozial- und Steuerrecht
Die Freizügigkeit erstreckt sich auch auf den Anspruch auf Leistungen aus den Sozialversicherungssystemen sowie auf steuerliche Gleichstellung, sofern die jeweiligen unionsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Rechtsschutz und Verwaltungsverfahren
Feststellung der Freizügigkeit
Behördlich kann im Einzelfall festgestellt werden, ob die Voraussetzungen der Freizügigkeit entfallen sind. Hiergegen stehen Betroffenen ordentliche Rechtsbehelfe wie Widerspruch und Klage vor den Verwaltungsgerichten zu.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen belastende Maßnahmen, insbesondere Ausweisungs- oder Aufenthaltsbeendigungsentscheidungen, steht der umfassende verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz zur Verfügung. Im Rahmen der sogenannten Vorlagepflicht des Bundesverwaltungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs bleibt die Vereinbarkeit mit EU-Recht übergeordnet gewährleistet.
Internationale Dimensionen
Bezug zum Unionsrecht
Das Freizügigkeitsgesetz dient insoweit der Umsetzung und Vollziehung des Unionsrechts. Die Auslegung und Anwendung orientiert sich zwingend an den Vorgaben von EU-Verordnungen, Richtlinien und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Abkommen mit Drittstaaten
Schweizer Staatsangehörige genießen aufgrund bilateraler Abkommen vergleichbare Rechte. Für Staatsangehörige von Drittstaaten finden hingegen die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes Anwendung, es sei denn, sie sind Familienangehörige freizügigkeitsberechtigter EU/EWR-Bürger.
Aktuelle Entwicklungen und Reformbestrebungen
Fortlaufende Anpassungen
Wegen der Entwicklung des EU-Rechts und diverser Urteile des Europäischen Gerichtshofs unterliegt das Freizügigkeitsgesetz regelmäßig Anpassungen. Die dynamische Rechtsprechung beeinflusst insbesondere die Auslegung des Begriffs „Freizügigkeit” sowie die Voraussetzungen des Aufenthalts von wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern.
Literatur und Weblinks
- Gesetzestext: Freizügigkeitsgesetz/EU
- Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
- Kommentarliteratur zum Aufenthaltsrecht
Siehe auch
- Arbeitnehmerfreizügigkeit
- Niederlassungsfreiheit
- Aufenthaltsgesetz
- Unionsbürgerrecht
Häufig gestellte Fragen
Wer fällt unter den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetzes?
Das Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) regelt insbesondere den Aufenthalt und die Rechte von EU-Bürgern sowie deren Familienangehörigen in Deutschland. Es betrifft Personen, die sich auf das Freizügigkeitsrecht nach dem Unionsrecht berufen können. Dazu zählen Unionsbürger, die in Deutschland arbeiten (Arbeitnehmerfreizügigkeit), selbstständig tätig sind, ein Studium absolvieren oder nicht erwerbstätig, aber finanziell abgesichert sind und über eine ausreichende Krankenversicherung verfügen. Außerdem profitieren Familienangehörige – unabhängig von deren Staatsangehörigkeit – von den Bestimmungen des Gesetzes. Die Vorschriften gelten nicht für Drittstaatsangehörige ohne familialen Bezug zu EU-Bürgern und sind von den Asyl- und Aufenthaltsgesetzen für Nicht-EU-Bürger abzugrenzen. Für Bürger des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sowie der Schweiz gelten vergleichbare, aber gesonderte Regelungen.
Welche Aufenthaltsrechte werden durch das Freizügigkeitsgesetz gewährt?
Das Freizügigkeitsgesetz/EU gewährt Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland, wenn sie die Voraussetzungen der Freizügigkeit erfüllen. Dazu zählt insbesondere das Recht für Arbeitnehmer, Selbständige, Dienstleister, Studierende und finanziell abgesicherte Nichterwerbstätige. Das Aufenthaltsrecht ist zunächst an die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit geknüpft, kann durch einen Daueraufenthalt gefestigt werden und führt nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt zum Anspruch auf das Daueraufenthaltsrecht. Die gesetzlichen Regelungen konkretisieren die im Primärrecht der EU verankerten Bestimmungen und sind unmittelbar mit dem Gemeinschaftsrecht verbunden. Familienangehörige erhalten grundsätzlich das gleiche Aufenthaltsrecht wie der Unionsbürger, dem sie folgen oder den sie begleiten.
Unter welchen Voraussetzungen kann das Freizügigkeitsrecht entzogen werden?
Der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann im Einzelfall ausgesprochen werden, wenn schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegen. Die Schwelle für den Entzug liegt bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen deutlich höher als bei Drittstaatsangehörigen; besonders strenge Maßstäbe gelten nach langjährigem rechtmäßigem Aufenthalt. Straftaten allein genügen für einen Entzug meist nicht, sofern keine Gefährdungslage vorliegt, die von der Person weiterhin ausgeht. Entzüge aus Gründen der öffentlichen Gesundheit sind eng auszulegen und dürfen im Regelfall nur bei Krankheiten von epidemischer Bedeutung erfolgen. Ein formelles Verfahren mit rechtlichem Gehör und Zugang zu Rechtsmitteln ist zwingend vorgeschrieben. Zudem kann der Entzug des Freizügigkeitsrechts nur individuell, unter Würdigung der persönlichen Umstände, erfolgen.
Welche Nachweispflichten bestehen für freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger?
Seit dem Wegfall der Freizügigkeitsbescheinigung am 29. Januar 2013 müssen EU-Bürger grundsätzlich keine behördlichen Nachweise über ihren Aufenthalt mehr führen oder beantragen. Gleichwohl können Behörden verlangen, im Einzelfall nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die jeweiligen Aufenthaltsrechte tatsächlich vorliegen (z.B. durch Arbeitsverträge, Immatrikulationsbescheinigungen oder Versicherungsnachweise). Kommen Unionsbürger einer solchen Aufforderung der Ausländerbehörde nicht nach oder erfüllen sie die gesetzlichen Bedingungen nicht mehr, können aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden. Dies erfolgt stets unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben und der Verhältnismäßigkeit.
Wie sind Familienangehörige von Unionsbürgern rechtlich gestellt?
Familienangehörige – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – genießen abgeleitete Aufenthaltsrechte, sofern sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Das Gesetz erfasst insbesondere Ehegatten, eingetragene Lebenspartner sowie, unter bestimmten Bedingungen, Kinder bis 21 Jahre oder ältere Kinder und Verwandte in gerader auf- und absteigender Linie, sofern sie unterhalten werden. Sie erhalten ein grundsätzlich eigenständiges Aufenthaltsrecht, welches aber an das Fortbestehen des Aufenthaltsrechts des Unionsbürgers gebunden ist. Im Fall von Trennung oder Tod des Unionsbürgers bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Fortbestandsrechte, deren Anspruch detailliert im Gesetz geregelt ist.
Gibt es Besonderheiten bezüglich des Daueraufenthaltsrechts nach dem Freizügigkeitsgesetz?
Nach fünfjährigem rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt in Deutschland erhalten Unionsbürger und deren Familienangehörige das Recht auf Daueraufenthalt. Dieses Rechtsverhältnis ist weitgehend unabhängig vom ursprünglichen Aufenthaltszweck und kann nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen werden. Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer werden bestimmte Abwesenheitszeiten nicht angerechnet. Das Recht wird von Amts wegen festgestellt, kann aber auf Antrag auch durch eine Bescheinigung dokumentiert werden. Mit dem Daueraufenthaltsrecht sind weiterreichende soziale Absicherungen und ein verstärkter Schutz vor Ausweisung verbunden.