Begriff und rechtliche Einordnung des Freiverbandes
Der Rechtsbegriff Freiverband begegnet insbesondere im Kontext des deutschen Vereinsrechts und des übergeordneten Zivilrechts. Ein Freiverband, oftmals auch als „nichtrechtsfähiger Verband” bezeichnet, ist eine Organisationsform, die eine Vereinigung mehrerer Personen zu einem gemeinsamen Zweck darstellt, ohne dabei die Rechtsfähigkeit nach § 21 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu erlangen. Diese Verbände existieren und handeln faktisch im Rechtsverkehr, werden jedoch rechtlich nicht als eigenständige, vom Mitgliederbestand losgelöste Rechtspersönlichkeit behandelt.
Abgrenzung zu anderen Vereinigungen
Der Freiverband unterscheidet sich maßgeblich von folgenden Vereinigungsformen:
- Rechtsfähiger Verein (§ 21 BGB): Dieser ist durch Eintragung ins Vereinsregister rechtsfähig und somit eine juristische Person.
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) (§ 705 BGB): Hier besteht Vertraglichkeit und klare Ausrichtung auf die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks; sie ist keine Körperschaft.
- Verband im Sinne anderer Spezialgesetze: So etwa Parteien oder Gewerkschaften, die durch besondere gesetzliche Vorschriften geregelt werden.
Der Freiverband ist im Gegensatz dazu eine personelle Verbindung mit eigens gegebenen Satzungen oder Ordnungen, bleibt aber außerhalb der formellen Anerkennung als juristische Person.
Rechtlicher Charakter des Freiverbandes
Rechtsnatur und Vertretung
Freiverbände sind nicht rechtsfähig, das heißt, sie können nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Die Rechtsprechung behandelt sie jedoch als sogenannte teilrechtsfähige Personengesellschaft oder, in bestimmten Konstellationen, als „nichtrechtsfähige Vereine”. Handlungen und Willenserklärungen werden im Namen und auf Rechnung der handelnden Mitglieder beziehungsweise der von der Mitgliederversammlung bestellten Organwalter (zum Beispiel Vorstand) vorgenommen.
Gesetzliche Grundlagen
Der Freiverband unterliegt keinen besonderen gesetzlichen Vorschriften, sondern bewegt sich im Raum der allgemeinen Rechtsgrundsätze, namentlich
- §§ 21 ff. BGB (analog zur Vereinsstruktur)
- §§ 54 BGB (Vertragsrecht für nichtrechtsfähige Vereine)
- Grundsätze der Stellvertretung und Mitwirkung
Die interne Organisation wird durch Satzungen geregelt, deren Verbindlichkeit auf der Selbstbindung der Mitglieder beruht.
Rechtsfähigkeit im Rechtsverkehr
Obwohl Freiverbände keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, sind sie grundsätzlich als Verband handlungs- und parteifähig, soweit dies zur Erfüllung des Verbandszwecks notwendig ist. Das bedeutet beispielsweise:
- Verpflichtungen aus Verträgen begründen zentrale Haftung bei den handelnden vertretungsberechtigten Mitgliedern.
- Klagen und Prozessführung finden regelmäßig als Sammelbezeichnung (etwa unter dem Verbandsnamen) statt, klagen- und verklagungsbefugt sind jedoch die vertretungsberechtigten natürlichen Personen.
Haftung
Vertrags- und deliktische Ansprüche werden regelmäßig gegen die handelnden, im Namen des Freiverbandes auftretenden natürlichen Personen gerichtet. Im Innenverhältnis kann die Satzung abweichende Haftungsregelungen treffen; diese sind aber für außenstehende Dritte nicht verbindlich.
Vermögen
Das vom Freiverband gebildete Vermögen wird als „gebundenes Sondervermögen” angesehen und steht gesamthänderisch den Mitgliedern zur Verfügung. Durch die fehlende Rechtsfähigkeit kann der Verband selbst kein Eigentum am Vermögen erwerben, vielmehr ist es einer oder mehreren natürlichen Personen als Treuhänder zugeordnet.
Arten und Beispiele von Freiverbänden
Freiverband im Arbeitsrecht und Tarifwesen
Im kollektiven Arbeitsrecht bezeichnet der Begriff Freiverband regelmäßig eine Arbeitnehmer- oder Arbeitgebervereinigung, die nicht als tariffähig im Sinne des § 2 TVG (Tarifvertragsgesetz) anerkannt ist, da sie keine soziale Mächtigkeit besitzt oder nicht die rechtlichen Anforderungen an einen Verband nach deutschem Arbeitsrecht erfüllt. Solche Freiverbände können dennoch Mitglied von Dachorganisationen werden, sind jedoch selbst nicht unmittelbar parteifähig im Tarifrecht.
Freiverband im Vereinswesen
Im Bereich des Vereinswesens existieren viele lose Zusammenschlüsse, wie etwa Freizeitgruppen, Clubs oder gesellschaftliche Initiativen, die sich bewusst gegen eine Eintragung ins Vereinsregister entscheiden und so als Freiverband auftreten. Sie regeln ihre Angelegenheiten satzungsgemäß, besitzen allerdings keine sachenrechtliche Handlungsfähigkeit.
Freiverband im Genossenschaftsrecht
Im historischen Kontext entstanden zahlreiche wirtschaftliche oder berufsständische Zusammenschlüsse als Freiverbände, ehe sie später eigens gesetzlich geregelt wurden (wie Genossenschaften oder Innungen).
Bedeutung und praktische Relevanz
Freiverbände haben trotz ihrer rechtlichen Unselbstständigkeit eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Sie erlauben eine flexible Organisation ohne den Aufwand oder die Bindung an die strengeren Vorgaben eingetragener Vereine. Ihre Existenz ist Teil der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 GG (Grundgesetz) und wird verfassungsrechtlich geschützt. Dennoch muss der Freiverband im Rechtsverkehr die beschränkten Möglichkeiten, insbesondere bei Vermögens- oder Haftungsfragen, beachten.
Die Gründung eines Freiverbandes empfiehlt sich daher insbesondere bei informellen, überschaubaren Zusammenschlüssen, ohne dauerhafte gemeinnützige oder wirtschaftliche Zwecke.
Literatur und weiterführende Regelungen
Für die vertiefende rechtliche Beurteilung und Gestaltung eines Freiverbandes sind neben dem BGB einschlägige Kommentarliteratur und aktuelle Entscheidungen der Rechtsprechung (insbesondere des Bundesgerichtshofes und der Arbeitsgerichte) heranzuziehen. Spezifische organisatorische, steuerliche oder haftungsrechtliche Fragestellungen sollten unter Einbeziehung der jeweiligen Satzungsregelungen und der praktischen Bedürfnisse eines solchen Verbandes erfolgen.
Zusammenfassung:
Der Freiverband stellt eine weit verbreitete Form nichtrechtsfähiger Zusammenschlüsse dar, deren rechtliche Behandlung maßgeblich durch das allgemeine Zivilrecht, insbesondere das Vereinsrecht nach BGB, bestimmt wird. Er besitzt weder Rechtsfähigkeit noch Eigentum, kann jedoch als handelnde Einheit im Rechtsverkehr auftreten. Dies fordert von den Mitgliedern ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit hinsichtlich Haftung, Vertretung und Vermögensverwaltung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Gründung eines Freiverbands erfüllt sein?
Die Gründung eines Freiverbands ist im deutschen Recht nicht explizit geregelt, sondern ergibt sich aus der allgemeinen Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG. Voraussetzung für die Gründung ist mindestens der Zusammenschluss von zwei natürlichen oder juristischen Personen zu einem gemeinsamen Zweck, der auf Dauer angelegt ist. Eine spezifische Rechtsform ist nicht zwingend vorgeschrieben; häufig erfolgt eine Konstituierung als nicht eingetragener Verein gem. §§ 54 BGB, wobei der Verband keine eigene Rechtspersönlichkeit erlangt, jedoch teilrechtsfähig sein kann. Zur Gründung genügt eine formlose Vereinbarung; eine notarielle Beurkundung oder Eintragung ist nicht erforderlich. Gleichwohl sollten eine Satzung und interne Regelungen zur Organisation, zur Willensbildung und zur Vertretung beschlossen werden, um die interne Ordnung sowie die Außenwirkung rechtssicher zu gestalten. Bei bestimmten Tätigkeiten können jedoch weitere rechtliche Vorgaben, etwa Gemeinnützigkeitskriterien oder spezifische Meldepflichten, erforderlich sein.
Welche gesetzliche Grundlage gilt für die Tätigkeit eines Freiverbands?
Die rechtliche Grundlage für die Tätigkeit eines Freiverbands bildet primär die Satzung, soweit eine solche vorhanden ist. Ergänzend gelten die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) und teilweise über den nicht eingetragenen Verein (§ 54 BGB). Der Verband ist dadurch zwar keine juristische Person, kann aber als Teilrechtsfähiger Verband im Rechtsverkehr auftreten, insbesondere wenn er als solcher am Rechtsverkehr teilnimmt und eigene Rechte und Pflichten begründet. Je nach Tätigkeit des Verbands können weitere gesetzliche Vorgaben einschlägig sein, z. B. das Kartellrecht (§§ 1 ff. GWB), das Arbeitsrecht oder steuerrechtliche Bestimmungen. Die Grundrechte, etwa auf Vereinigungsfreiheit und Gleichbehandlung, bilden ebenfalls einen zentralen rechtlichen Rahmen.
Inwiefern haftet ein Freiverband für seine Verbindlichkeiten?
Ein Freiverband haftet grundsätzlich nicht als eigenständige Rechtseinheit, da er keine juristische Person ist. Rechtsverhältnisse werden häufig im Namen des Verbands, aber unmittelbar für und gegen die handelnden Mitglieder begründet. Nach der Rechtsprechung kann unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei Auftreten im Außenverhältnis mit eigenem Namen und als Verband – eine Teilrechtsfähigkeit angenommen werden, sodass der Verband selbst am Rechtsverkehr teilnehmen und somit Träger von Rechten und Pflichten werden kann. Im Zweifel haften jedoch die handelnden Personen oder Mitglieder gesamtschuldnerisch nach den Regeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), es sei denn, vertraglich oder satzungsmäßig wurde eine abweichende Haftungsverteilung geregelt.
Besteht eine Eintragungspflicht für einen Freiverband?
Eine Eintragungspflicht für einen Freiverband besteht grundsätzlich nicht, da dieser regelmäßig als nicht eingetragener Verein oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts agiert. Der Freiverband kann freiwillig eine Eintragung im zuständigen Vereinsregister anstreben, um als eingetragener Verein (e.V.) zu gelten, was jedoch mit spezifischen formalen und rechtlichen Anforderungen verbunden ist. Wird die Eintragung nicht vorgenommen, ist der Verband rechtlich als nicht eingetragener Verein oder als BGB-Gesellschaft zu behandeln. Meldepflichten an andere Stellen können sich allerdings aus besonderen Tätigkeiten oder Branchen ergeben, beispielsweise bei wirtschaftlichen Betätigungen, steuerlichen Belangen oder gegenüber Sozialversicherungsträgern.
Unterliegt ein Freiverband aufsichtsrechtlichen Bestimmungen?
Freiverbände unterliegen im Regelfall keiner umfassenden staatlichen Aufsicht. Eine behördliche Aufsicht – wie beispielsweise bei eingetragenen Vereinen oder Stiftungen – besteht für nicht eingetragene Freiverbände nicht. Lediglich in speziellen Anwendungsfällen kann eine begrenzte staatliche Kontrolle greifen, etwa wenn der Verband gemeinnützige Zwecke verfolgt (Überprüfung durch das Finanzamt nach den Vorgaben der Abgabenordnung) oder in bestimmten berufsständischen Zusammenhängen agiert (z. B. Berufsverbände mit fachlicher Beaufsichtigung). Im Übrigen kontrollieren sich die Verbände intern durch ihre Mitglieder und die Regelungen in der jeweiligen Satzung.
Welche rechtlichen Folgen ergeben sich aus der Tätigkeit eines Freiverbands im Hinblick auf das Steuerrecht?
Die Tätigkeit eines Freiverbands kann verschiedene steuerliche Folgen haben. So ist, unabhängig von einer Eintragung, zunächst zu prüfen, ob eine steuerpflichtige Einkünfteerzielung besteht oder gemeinnützige Zwecke verfolgt werden (§§ 51 ff. AO). Erlangt der Verband die Gemeinnützigkeit, profitiert er von steuerlichen Vorteilen wie Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbefreiung. Tätigt er hingegen wirtschaftliche Geschäfte, unterliegt er der regulären Steuerpflicht für Körperschaften, wobei die Haftung steuerlich im Zweifel auf die handelnden Mitglieder übergehen kann, sofern der Verband selbst nicht als Steuersubjekt anerkannt ist. Bei Erzielung von Einnahmen ist außerdem eine ordnungsgemäße Buchführung und Abgabe von Steuererklärungen erforderlich. Besondere Beachtung verdient weiterhin die Abführung von Lohnsteuer und Sozialabgaben, sofern der Verband Arbeitsverhältnisse begründet.
Können Freiverbände kollektivrechtlich tätig werden, beispielsweise Tarifverträge abschließen?
Freiverbände können kollektivrechtlich tätig werden, insbesondere im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Beziehungen. Die Fähigkeit, Tarifverträge abzuschließen, setzt jedoch laut § 2 TVG (Tarifvertragsgesetz) Tarifzuständigkeit voraus, welche in der Regel von der sozialen Mächtigkeit und Repräsentativität des Verbandes abhängt. Ein Freiverband, der hinreichend organisiert ist und eine relevante Anzahl von Mitgliedern einer Branche vertritt, kann als tariffähig anerkannt werden und Tarifverträge abschließen. Diese Fähigkeit ist oft Gegenstand rechtlicher Prüfungen, insbesondere durch das Arbeitsgericht, das verbindlich über die Tariffähigkeit entscheidet. Der Verband trägt somit eine hohe Verantwortung für die rechtskonforme Durchführung und Einhaltung tariflicher Regelungen innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs.