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Freistellungsverfahren


Begriff und Definition des Freistellungsverfahrens

Das Freistellungsverfahren ist ein rechtlicher Begriff, der verschiedene Sachverhalte im deutschen und europäischen Recht umfasst. Grundlegend beschreibt das Freistellungsverfahren einen geregelten Prozess, bei dem eine Person, ein Unternehmen oder eine Organisation von bestimmten Verpflichtungen oder Zahlungsverpflichtungen befreit wird. Ziel der Freistellung ist es, finanzielle, steuerliche oder organisatorische Belastungen zu reduzieren oder auszusetzen, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen oder wirtschaftliche Prozesse zu erleichtern.

Im rechtlichen Kontext ist das Freistellungsverfahren insbesondere im Steuerrecht, im Arbeitsrecht, im Sozialversicherungsrecht, im Zivilrecht sowie im Bereich des internationalen Handelsrechts von Bedeutung. Die einzelnen Fachgebiete unterscheiden sich in den Voraussetzungen, Abläufen und rechtlichen Folgen einer Freistellung.


Freistellungsverfahren im Steuerrecht

Definition und Anwendungsbereich

Das Freistellungsverfahren im Steuerrecht ermöglicht es Steuerpflichtigen, von bestimmten Steuerabzugsverpflichtungen befreit zu werden. Dies betrifft insbesondere die Kapitalertragsteuer, aber auch andere Quellensteuern, wie sie beispielsweise im internationalen Steuerrecht vorkommen.

Kapitalertragsteuer und Freistellungsauftrag

In Deutschland regelt § 44a Einkommensteuergesetz (EStG) das Freistellungsverfahren für Kapitalerträge. Privatanleger können Banken oder Finanzdienstleistern einen sogenannten Freistellungsauftrag erteilen, durch den die Kapitalerträge bis zur Höhe des Sparerpauschbetrags (aktuell 1.000 EUR für Ledige bzw. 2.000 EUR für Ehegatten) von der automatischen Steuererhebung freigestellt werden. Ohne einen entsprechenden Freistellungsauftrag wird auf sämtliche Zinserträge, Dividenden sowie andere Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer abgeführt.

Rechtliche Voraussetzungen

Ein Freistellungsauftrag muss schriftlich oder elektronisch bei dem jeweiligen Institut eingereicht werden und ist auf den jeweiligen Sparerpauschbetrag beschränkt. Die Gültigkeit erlischt spätestens mit Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres oder bei Widerruf.

Besondere Konstellationen

Werden Kapitalerträge im Ausland erzielt, so kann ein Freistellungsverfahren nach den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und der EU-Zinsrichtlinie greifen. Hier muss gegebenenfalls ein Antrag auf Freistellung oder Ermäßigung der ausländischen Quellensteuer gestellt werden.


Freistellungsverfahren im Arbeitsrecht

Entstehung und Funktion

Im deutschen Arbeitsrecht ist das Freistellungsverfahren der Prozess, durch den eine Arbeitnehmerin von der Pflicht zur Arbeitsleistung ganz oder teilweise entbunden wird. Die Freistellung kann einvernehmlich, durch Arbeitgeberverfügung oder auf der Grundlage vertraglicher bzw. tariflicher Regelungen erfolgen.

Unterscheidung: widerrufliche und unwiderrufliche Freistellung

Es wird zwischen widerruflicher (Arbeitnehmer*in kann jederzeit wieder zur Arbeitsleistung herangezogen werden) und unwiderruflicher (Arbeitsverpflichtung ruht dauerhaft bis zum vereinbarten Zeitpunkt) Freistellung unterschieden. Rechtlich relevant ist auch, ob die Vergütung während der Freistellungszeit fortzuzahlen ist.

Prozessuale Bedeutung und Streitigkeiten

Im Falle von Streitigkeiten zur Rechtmäßigkeit einer Freistellung kommt das Arbeitsgericht ins Spiel. Zu prüfen ist in diesen Fällen, ob ein berechtigtes Interesse an der Freistellung besteht (z.B. bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bei Interessenkollisionen, im Rahmen einer Kündigungsschutzklage).


Freistellungsverfahren im Sozialversicherungsrecht

Anwendung im Bereich der Sozialversicherung

Das Freistellungsverfahren ist im Sozialversicherungsrecht vorrangig im Zusammenhang mit der Pflichtversicherung relevant. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt werden, etwa für Selbstständige oder für bestimmte Berufsgruppen.

Voraussetzungen und Verfahren

Das Freistellungsverfahren ist stets antragsgebunden und wird regelmäßig durch die zuständige Stelle (z.B. Deutsche Rentenversicherung oder Krankenkasse) geprüft. Voraussetzungen sind typischerweise die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe, das Vorliegen einer anderweitigen Absicherung oder das Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen.

Rechtliche Folgen

Mit der Bewilligung der Freistellung entfällt die Beitragspflicht. Es entstehen jedoch keine Ansprüche auf Leistungen aus dem betroffenen Zweig der Sozialversicherung.


Freistellungsverfahren im Zivilrecht

Freistellung im Vertragsverhältnis

Im Zivilrecht ist eine Freistellung typischerweise ein vertraglich vereinbarter Mechanismus, mit dem eine Vertragspartei die andere von einer Haftung oder einer Verpflichtung gegenüber Dritten befreit. Die rechtliche Grundlage ergibt sich häufig aus §§ 241 ff. BGB sowie spezialgesetzlichen Regelungen.

Umsetzungsvarianten

Eine Freistellung kann als sog. Ersatzbefreiung (Schuldner wird von Leistung an Dritten befreit und Ersatz für deren Leistung erhält) oder als sog. Direkterfüllung gestaltet sein. Besonders häufig sind Freistellungsklauseln in Vertragswerken, insbesondere in Zusammenhang mit Gewährleistungs-, Haftungs- oder Schadensersatzansprüchen.

Rechtliche Durchsetzbarkeit

Die Durchsetzung einer Freistellungsverpflichtung kann durch Klage geltend gemacht werden. Die Freistellungsverpflichtung ist unmittelbar durchsetzbar, wenn eine entsprechende Forderung oder Verbindlichkeit gegenüber Dritten geltend gemacht wird.


Freistellungsverfahren im internationalen Recht

Relevanz bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Im internationalen Recht finden sich Freistellungsverfahren insbesondere im Zusammenhang mit Doppelbesteuerungsabkommen, Zollregelungen und im Bereich des internationalen Handels. So regeln etwa Freistellungsverfahren die doppelte Belastung mit Quellensteuern oder ermöglichen die Aussetzung von Einfuhrabgaben unter bestimmten Voraussetzungen.

Verfahren und rechtliche Grundlagen

Die jeweiligen Verfahren und Voraussetzungen richten sich nach dem einschlägigen internationalen Recht, z.B. nach OECD-Musterabkommen, Zollkodexen oder bilateralen Verträgen.


Praxisrelevanz, Bedeutung und Rechtsschutz

Das Freistellungsverfahren dient dazu, gesetzliche Pflichten zielgerichtet abzubauen oder die wirtschaftliche Belastung zu minimieren. Es nimmt dabei eine zentrale Rolle in der Praxis ein, sowohl bei der Verhinderung doppelter Belastungen als auch bei der Absicherung von Interessen im Zivil- oder Arbeitsrecht.

Gegen Entscheidungen im Freistellungsverfahren steht regelmäßig der verwaltungsgerichtliche oder arbeitsgerichtliche Rechtsschutz offen. Fristen und Verfahrenswege richten sich nach dem anwendbaren Fachrecht.


Literatur und weiterführende Informationen

Ein vertieftes Verständnis der unterschiedlichen Freistellungsverfahren kann durch einschlägige Gesetzestexte, Kommentarliteratur und Verwaltungsanweisungen gewonnen werden. Die maßgeblichen Vorschriften sind in den entsprechenden Fachgesetzen geregelt, etwa im Einkommensteuergesetz (EStG), im Sozialgesetzbuch (SGB), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in einschlägigen EU-Verordnungen und internationalen Abkommen niedergelegt.


Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen bieten eine systematische Übersicht, ersetzen jedoch keine individuelle rechtliche Würdigung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Durchführung des Freistellungsverfahrens erfüllt sein?

Für die Durchführung eines Freistellungsverfahrens sind verschiedene rechtliche Voraussetzungen maßgebend. Ausgangspunkt ist in der Regel, dass der betroffene Anspruchsteller einen Antrag auf Freistellung bei der zuständigen Stelle einreicht. Im Arbeitsrecht beispielsweise verlangt § 275 BGB, dass eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Hauptleistungserbringung vorliegen muss, damit eine Freistellung gerechtfertigt ist. Daneben müssen die einschlägigen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) berücksichtigt werden. Im Steuerrecht wiederum kommt das Freistellungsverfahren gemäß § 44a Absatz 2 EStG zur Anwendung, wenn eine Freistellungsbescheinigung für Kapitalerträge vorgelegt wird. Hierbei müssen alle formellen Voraussetzungen, wie etwa das ordnungsgemäße Ausfüllen des Freistellungsauftrages und die Einhaltung der Freibeträge, beachtet werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor oder sind sie nicht vollumfänglich erfüllt, kann das Freistellungsverfahren rechtlich nicht wirksam durchgeführt werden.

Welche gesetzlichen Fristen gelten im Rahmen des Freistellungsverfahrens?

Die gesetzlichen Fristen im Zusammenhang mit Freistellungsverfahren variieren stark je nach Anwendungsbereich des Verfahrens. Im arbeitsrechtlichen Kontext etwa, müssen Arbeitgeber bei einer beabsichtigten Freistellung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage oder bei außerordentlicher Kündigung beachten, dass eine sofortige Freistellung unter Umständen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss. Die genaue Frist für die Beantragung bzw. Anordnung der Freistellung ergibt sich hier aus den jeweiligen arbeitsvertraglichen Regelungen oder tariffachlichen Vorschriften. Im Steuerrecht hingegen muss die Freistellung von Kapitalerträgen durch den Sparer pauschal vor Anfall der Kapitalerträge bei der Bank beantragt werden, um zu vermeiden, dass die Abgeltungsteuer direkt einbehalten wird. Wird die Frist versäumt, kann in der Regel keine rückwirkende Freistellung verlangt werden.

Wie erfolgt die rechtliche Prüfung und Kontrolle von Freistellungsverfahren?

Die rechtliche Prüfung und Kontrolle eines Freistellungsverfahrens obliegt in erster Linie der verantwortlichen Institution oder Stelle, seien es Arbeitgeber, Behörden oder Banken. Im arbeitsrechtlichen Kontext erfolgt die Prüfung oft durch die Personalabteilung in Abstimmung mit dem Betriebsrat, wobei insbesondere die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen und das Vorliegen möglicher Mitbestimmungsrechte kontrolliert werden. Werden die Rechte des oder der Beschäftigten verletzt, kann die Freistellung gerichtlich überprüft werden. Im Steuerrecht prüfen in erster Linie die Banken, ob der Freistellungsauftrag ordnungsgemäß und innerhalb der gesetzlichen Höchstbeträge (z.B. § 801 BGB, § 44a EStG) ausgefüllt wurde. Zudem behält sich das Finanzamt eine nachträgliche Überprüfung im Rahmen der Steuerveranlagung vor.

Welche Pflichten und Rechte haben die Beteiligten im Freistellungsverfahren?

Zu den zentralen Rechten im Freistellungsverfahren zählt das Antragsrecht der betroffenen Person sowie das Recht auf rechtliches Gehör. Im arbeitsrechtlichen Zusammenhang ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Beschäftigten über den Anlass und die Dauer der Freistellung zu informieren und nach Möglichkeit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren. Beschäftigte behalten während der Freistellung vielfach Anspruch auf Vergütung und müssen im Gegenzug bestimmten Nebenpflichten wie der Verschwiegenheitspflicht oder der Verpflichtung zur Vermeidung konkurrierender Tätigkeiten nachkommen. Im Steuerrecht liegt die Initiativpflicht beim Steuerpflichtigen, der die Freistellung formal korrekt beantragen muss. Die Bank ist ihrerseits verpflichtet, die Freistellung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen.

Wie ist das Freistellungsverfahren rechtlich anfechtbar?

Im Falle rechtlicher Unstimmigkeiten oder bei einer als ungerecht empfundenen Freistellung stehen den Betroffenen unterschiedliche Rechtsbehelfe offen. Im Arbeitsrecht kann eine Freistellung mittels einer einstweiligen Verfügung oder im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht angefochten werden. Dabei wird geprüft, ob die Voraussetzungen und das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurden. Im Steuerrecht kann der Sparer gegen den Steuerabzug, sofern trotz Freistellungsauftrag Steuern einbehalten wurden, Einspruch beim zuständigen Finanzamt einlegen oder eine Korrektur im Rahmen der Steuererklärung geltend machen. Das Verfahren richtet sich hierbei nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (AO).

Welche besonderen Haftungsrisiken bestehen im Zusammenhang mit dem Freistellungsverfahren?

Durch fehlerhafte Durchführung von Freistellungsverfahren können verschiedene Haftungsrisiken entstehen. Im arbeitsrechtlichen Bereich haftet der Arbeitgeber gegebenenfalls auf Schadensersatz für den Fall, dass er eine Freistellung unberechtigt oder unter Verletzung von Mitbestimmungsrechten ausspricht. Im Steuerrecht kann eine Bank haftungsrelevant werden, wenn sie Freistellungen trotz Überschreitung der Freibeträge akzeptiert und so eine fehlerhafte Nichtabführung von Kapitalertragsteuer ermöglicht. Darüber hinaus besteht das Risiko nachträglicher steuerlicher Nachforderungen oder Bußgelder durch das Finanzamt.

Welche Rolle spielen Mitbestimmungsrechte im Freistellungsverfahren?

Mitbestimmungsrechte, vor allem im Sinne des Betriebsverfassungsrechts, spielen im Rahmen des arbeitsrechtlichen Freistellungsverfahrens eine zentrale Rolle. Nach § 99 BetrVG etwa ist der Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen, zu denen auch die Freistellung gehören kann, zwingend einzubeziehen. Unterbleibt die erforderliche Beteiligung, ist die Freistellung unter Umständen unwirksam. Der Betriebsrat kann dann die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte vor dem Arbeitsgericht erzwingen. Im Steuerrecht sind Mitbestimmungsrechte hingegen nicht relevant, da es sich hier um individuelle Antragsrechte handelt.