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Freiheitsberaubung


Definition und Bedeutung von Freiheitsberaubung

Freiheitsberaubung ist im deutschen Recht ein Straftatbestand, der die rechtswidrige Einschränkung oder Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit einer Person durch einen anderen erfasst. Die Norm schützt das Recht auf persönliche Bewegungsfreiheit jeder Person und ist damit ein zentraler Bestandteil des Schutzes der individuellen Freiheit durch das Strafrecht.

Die Freiheitsberaubung gilt als Offizialdelikt und verfolgt das Ziel, den Einzelnen vor ungerechtfertigten Eingriffen in die persönliche Freiheit zu bewahren. In ihrer Ausprägung kann sie von kurzfristigen Befreiungsbeschränkungen bis hin zur längeren Einsperrung reichen.

Gesetzliche Grundlagen der Freiheitsberaubung in Deutschland

Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB

Die strafrechtliche Normierung findet sich in § 239 des Strafgesetzbuchs (StGB):

„Wer einen Menschen durch Einsperren oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Erfasst werden sowohl das vollständige als auch das teilweise Aufheben der Bewegungsfreiheit einer anderen Person über mehr als nur einen unerheblichen Zeitraum.

Voraussetzungen

Für die Verwirklichung des Grundtatbestands sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

  • Tatobjekt: Eine andere lebende, körperlich existente Person
  • Tathandlung: Einsperren oder andere Weise der Freiheitsentziehung
  • Tatbestandsmäßigkeit: Gewollte und nicht nur fahrlässige Einschränkung
  • Unrecht: Rechtswidrigkeit, d.h. kein Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds (z. B. Notwehr, rechtmäßige Festnahme)
  • Vorsatz: Wissen und Wollen der Tathandlung und des Taterfolgs

Tathandlung „Einsperren“

Unter „Einsperren“ ist das Verhindern des Verlassens eines umschlossenen Raumes zu verstehen – beispielsweise Schließen eines Zimmers oder Fahrzeugs von außen. Entscheidend ist, dass die Bewegungsfreiheit nach außen aufgehoben wird.

„Auf andere Weise“ der Freiheit berauben

Erfasst sind auch Fälle, bei denen die Bewegungsfreiheit auf andere Weise als durch Einsperren verhindert wird. Beispiele sind:

  • Festhalten an einem Ort
  • Fixieren der Hände (z. B. Fesseln)
  • Blockieren von Bewegungsräumen oder -wegen
  • Transportieren gegen den Willen der Person

Besonders schwere Fälle (§ 239 Abs. 3, 4 StGB)

In besonders schweren Fällen, etwa bei einer Freiheitsberaubung länger als eine Woche oder in Verbindung mit gesundheitlicher Gefährdung, sieht das Gesetz verschärfte Strafen vor:

  • Länger als eine Woche: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr
  • Gefährdung oder schwerer Nachteil: Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, wenn der Täter durch die Tat das Opfer in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt

Qualifikationen und Sonderformen

Qualifizierte Freiheitsberaubung:

  • Gefährliche Körperverletzung (§ 239 Abs. 3 StGB): Tritt während der Freiheitsberaubung eine erhebliche Gesundheitsschädigung ein, werden strengere Strafmaße angewendet.
  • Tod durch Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 4 StGB): Verursacht die Tat den Tod des Opfers, droht eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

Minder schwere Fälle

Das Gesetz gestattet bei minder schweren Fällen eine Strafmilderung nach Ermessen des Gerichts.

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Erpressung und Nötigung

Freiheitsberaubung überschneidet sich teils mit Tatbeständen wie Nötigung (§ 240 StGB) oder Erpressung (§ 253 StGB), insbesondere wenn die Freiheitsentziehung zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens eingesetzt wird. Die Freiheitsberaubung liegt aber schon dann vor, wenn die Bewegungsfreiheit an sich aufgehoben wird – unabhängig von einem weiteren Zweck.

Entziehung Minderjähriger und Kindesentziehung

Spezielle Tatbestände greifen bei Kindern und Jugendlichen, etwa die „Entziehung Minderjähriger“ (§ 235 StGB) oder die Kindesentziehung (§ 235 StGB). Hier ist der geschützte Personenkreis enger gefasst und es gibt Besonderheiten bei der Verfolgung.

Unrechtmäßige Festnahme und Misshandlung von Schutzbefohlenen

Die unbefugte Festnahme einer Person durch Privatpersonen fällt ebenfalls unter § 239 StGB, während bei Amts- oder Vollzugsorganen zusätzlich Dienstvergehen (§ 340 StGB – Körperverletzung im Amt, Misshandlung von Schutzbefohlenen) in Betracht kommen können.

Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe

Rechtmäßige Freiheitsentziehung

Nicht jede Freiheitsentziehung erfüllt den Tatbestand der Freiheitsberaubung. Rechtmäßige Eingriffe im Rahmen polizeilicher oder richterlicher Befugnisse (z. B. Festnahmen, Untersuchungshaft) oder zur Gefahrenabwehr (z. B. vorläufige Unterbringung bei Selbst- oder Fremdgefährdung) sind von der Strafbarkeit ausgenommen, sofern sie auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen.

Einwilligung des Betroffenen

Beruht die Freiheitsentziehung auf freiwilliger, bewusster und umfassender Einwilligung des Betroffenen, entfällt die Strafbarkeit.

Strafverfolgung, Strafmaß und Nebenfolgen

Freiheitsberaubung ist nach § 239 StGB ein Offizialdelikt, wird also von Amts wegen verfolgt. Das Strafmaß richtet sich nach der Schwere der Tat sowie dem Vorliegen von erschwerenden oder mildernden Faktoren. Möglich sind Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von mehreren Jahren. Darüber hinaus können Nebenfolgen wie Schadensersatzansprüche oder Opferentschädigung greifen.

In besonders schweren Fällen, etwa mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen oder Todesfolge, sind hohe Freiheitsstrafen bis zu lebenslanger Haft möglich.

Freiheitsberaubung im internationalen Vergleich

Auch außerhalb Deutschlands ist Freiheitsberaubung – wenn auch unter unterschiedlichen Begriffen (z. B. „Unlawful Detention“, „Kidnapping“, „False Imprisonment“) – in nahezu allen Rechtsordnungen strafbar. Die Ausgestaltung, das Strafmaß und die Abgrenzung zu anderen Tatbeständen variieren jedoch von Land zu Land, richten sich aber ebenfalls nach dem Interesse des Staates am Schutz der individuellen Freiheit.

Bedeutung in der Rechtsprechung und Praxis

Die deutsche Rechtsprechung hat zu § 239 StGB prägende Entscheidungen gefällt, insbesondere zur Definition des Einsperrens, zur Dauer und Intensität der Tat und zum Verhältnis zu einwilligungsfähigen Opfern. In der Praxis werden häufig Fälle in Zusammenhang mit familiären Konflikten, Sorgerechtsstreitigkeiten, Entführungen oder innerhäuslicher Gewalt strafrechtlich verfolgt.

Zusammenfassung

Freiheitsberaubung stellt einen elementaren Eingriff in das verfassungsmäßig geschützte Recht auf Bewegungsfreiheit dar und wird entsprechend scharf sanktioniert. Das deutsche Strafrecht sieht für verschiedene Qualifikationen differenzierte Strafrahmen vor. Die sorgfältige Prüfung des Einzelfalls, insbesondere im Hinblick auf Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, ist entscheidend für die rechtliche Beurteilung.

Siehe auch

  • § 239 StGB
  • Nötigung und Erpressung
  • Schutz der Menschenwürde und Grundrechte
  • Gewahrsamnahme durch staatliche Stellen

Dieser Beitrag liefert eine umfassende und detaillierte Darstellung des Begriffs „Freiheitsberaubung“ im deutschen Recht sowie seiner wichtigsten Facetten und Anknüpfungspunkte.

Häufig gestellte Fragen

Wer kann Opfer einer Freiheitsberaubung im rechtlichen Sinne sein?

Opfer einer Freiheitsberaubung kann grundsätzlich jede natürliche Person sein, da das Recht auf persönliche Freiheit als Grundrecht gilt und jedem Menschen zusteht. Ein unerhebliches Kriterium ist hierbei Alter, Geschlecht oder Nationalität der betroffenen Person. Speziell schutzbedürftige Personengruppen wie Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung unterliegen jedoch keinem anderen rechtlichen Maßstab, sondern werden im Fall einer Freiheitsberaubung in der Praxis oft besonders berücksichtigt, insbesondere bei der Strafzumessung oder bei der Bewertung von Schutzmaßnahmen. Rechtlich relevant ist vor allem, dass die betroffene Person zum Tatzeitpunkt in ihrer Fortbewegungsfreiheit tatsächlich eingeschränkt wurde und sich ihrer Freiheit nicht mehr selbstständig entziehen konnte.

Welche Handlungen fallen unter den Straftatbestand der Freiheitsberaubung?

Unter den Straftatbestand der Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB fallen alle Handlungen, die geeignet sind, einem anderen Menschen die Freiheit der Fortbewegung gegen seinen Willen zu entziehen. Dies kann durch physische Maßnahmen wie Einsperren in einen Raum, Festhalten durch Fesseln oder Blockieren eines Fluchtweges geschehen. Allerdings erfasst der Tatbestand auch psychische Mittel, wie beispielsweise massive Drohungen, die ein Verbleiben an einem Ort erzwingen. Entscheidend ist stets, dass der Täter bewusst und willentlich darauf abzielt, die Bewegungsfreiheit des Opfers aufzuheben oder erheblich einzuschränken und dass diese Einschränkung tatsächlich eintritt.

Gibt es Ausnahmen, in denen eine Freiheitsentziehung nicht strafbar ist?

Ja, das Gesetz sieht verschiedene Ausnahmefälle vor, in denen eine Freiheitsentziehung nicht als strafbare Freiheitsberaubung gilt. Besonders hervorzuheben sind Situation legitimer Festnahmen durch die Polizei (sogenannter Vollzug der Strafverfolgung nach den Regeln der Strafprozessordnung), durch dazu befugte Personen zur Gefahrenabwehr oder Notwehrmaßnahmen. Auch das Vorgehen von Ärzten und Pflegekräften bei Patienten mit akuter Eigen- oder Fremdgefährdung kann unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. In all diesen Fällen muss eine Rechtsgrundlage vorliegen, wie etwa ein richterlicher Beschluss oder eine gesetzlich definierte Notlage (§ 32, § 34 StGB). Ohne solche Rechtfertigungsgründe liegt jedoch grundsätzlich eine strafbare Handlung vor.

Wie wird der Vorsatz im Rahmen der Freiheitsberaubung juristisch beurteilt?

Für eine strafbare Freiheitsberaubung ist grundsätzlich Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss Wissen und Wollen hinsichtlich der vollständigen oder erheblichen Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit einer anderen Person besitzen. Ein bloß fahrlässiges Verhalten reicht für die Strafbarkeit nach § 239 StGB nicht aus. Der Vorsatz muss sich darauf beziehen, dass der Täter erkennt, dass sein Handeln die Bewegungsfreiheit des Opfers aufhebt oder einschränkt. Nicht erfasst sind Irrtümer über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes – glaubt der Täter irrtümlich, zum Freiheitsentzug berechtigt zu sein, kann dies die Schuld mindern oder aufheben, wird jedoch im jeweiligen Einzelfall genau geprüft.

Welche Strafen sieht das deutsche Recht für Freiheitsberaubung vor?

Nach § 239 Absatz 1 StGB wird Freiheitsberaubung grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Liegt eine qualifizierte Form vor, etwa wenn die Tat länger als eine Woche dauert oder das Opfer durch die Handlung in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird, drohen nach § 239 Absatz 3 StGB höhere Freiheitsstrafen, nämlich nicht unter einem Jahr. Wird die Tat als Verbrechen gemäß § 239 Absatz 3 und 4 StGB begangen, sind noch strengere Strafrahmen vorgesehen, insbesondere bei besonders schweren Fällen. Das Gericht berücksichtigt bei der Strafbemessung auch Tatumstände, Beweggründe, Art und Dauer des Freiheitsentzugs sowie die individuellen Umstände des Opfers und Täters.

Wann verjährt der Straftatbestand der Freiheitsberaubung?

Die Verjährungsfrist für Freiheitsberaubung richtet sich nach dem jeweiligen Strafrahmen. Bei der einfachen Freiheitsberaubung beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 78 StGB fünf Jahre. Wird die Tat in qualifizierter Form begangen, kann sich die Verjährungsfrist entsprechend verlängern (z.B. auf zehn oder mehr Jahre, abhängig von der angedrohten Höchststrafe). Die Verjährung beginnt in der Regel mit dem Tag, an dem die Tat beendet ist, also im Fall eines andauernden Freiheitsentzugs erst mit Beendigung der gesamten Freiheitsberaubung.

Können auch unterlassene Hilfeleistungen im Zusammenhang mit Freiheitsberaubung strafrelevant werden?

Ja, in bestimmten Konstellationen kann sich eine Person auch dann strafbar machen, wenn sie eine bereits bestehende Freiheitsberaubung tatenlos hinnimmt und dadurch etwa eine Garantenpflicht verletzt (§ 13 StGB). Dies setzt voraus, dass jemand rechtlich dafür einzustehen hat, das Opfer zu befreien, wie etwa Eltern für ein Kind oder Heimpersonal für Schutzbefohlene. Wenn sie z.B. eine Freiheitsberaubung durch einen Dritten erkennen und dennoch nicht einschreiten, obwohl sie dazu verpflichtet wären, kann dieses Unterlassen ebenfalls strafrechtlich verfolgt werden, insbesondere wenn hierdurch erhebliche Rechtsgüter gefährdet oder verletzt werden.