Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Freierstrafbarkeit

Freierstrafbarkeit


Begriff und Grundlagen der Freierstrafbarkeit

Unter dem Begriff Freierstrafbarkeit wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Personen verstanden, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, insbesondere in Konstellationen, in denen die Prostitutionsausübung selbst mit Strafen belegt ist. Der Ausdruck bezieht sich insbesondere auf das Verhältnis zwischen strafbaren Handlungen im Bereich der Prostitution und einer potentiellen Strafbarkeit der nachfragenden Personen (umgangssprachlich: „Freier“).

Die Freierstrafbarkeit ist kein eigenständiger Straftatbestand, sondern beschreibt verschiedene rechtliche Konstellationen, in denen das Verhalten der Nachfrage nach sexuellen Leistungen unter Strafe steht. Wesentlich ist die Abgrenzung gegenüber der Strafbarkeit der Prostituierten selbst sowie einer allgemeinen Legalisierung der Prostitution.

Historische Entwicklung

Die rechtliche Bewertung der Prostitution und der Freierstrafbarkeit hat sich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich gewandelt. Während früher in vielen europäischen Staaten beide Parteien, sowohl Prostituierte als auch deren Kundschaft, verfolgt wurden, trat mit Entkriminalisierungstendenzen ein Wandel ein. Deutschland hat mit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes (ProstG) im Jahr 2002 den zivilrechtlichen Rahmen verändert, jedoch blieb die strafrechtliche Verfolgung in eng umgrenzten Fällen erhalten bzw. wurde erweitert.

Ein bedeutender Impuls für die Freierstrafbarkeit kommt aus den sogenannten „nordischen Modellen“, etwa in Schweden oder Norwegen, bei denen allein die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen strafrechtlich verfolgt wird, nicht jedoch das Angebot.

Rechtslage in Deutschland

Allgemeine Strafbarkeit der Prostitution

Nach deutschem Recht ist Prostitution als solches nicht strafbar. Das Eingehen einer sexuellen Beziehung gegen Entgelt ist grundsätzlich legal, sowohl für die leistende als auch für die nachfragende Person. Einschränkungen ergeben sich jedoch aus spezialgesetzlichen Regelungen.

Einführung spezifischer Freierstrafbarkeiten

§ 232a StGB – Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung

Ein zentrales Feld der Freierstrafbarkeit ergibt sich aus den Normen zum Schutz gegen Menschenhandel. Wer wissentlich oder fahrlässig sexuelle Handlungen an einer Person vornimmt, von der er weiß oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen müsste, dass diese Opfer von Menschenhandel ist, macht sich strafbar (§ 232a Absatz 6 StGB).

§ 232b StGB – Zwangsprostitution

Freierstrafbarkeit besteht, wenn eine Person sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nimmt, in deren Erbringung das Opfer durch Ausübung von Zwang, Gewalt oder Drohung gebracht wurde oder ausbeuterischen Bedingungen unterliegt.

§ 232 StGB – Menschenhandel (§ 232 Absatz 6 StGB)

Der Kunde einer Prostituierten kann strafbar sein, wenn er weiß oder es aufgrund erkennbarer Umstände hoffen kann, dass die Inanspruchnahme der sexuellen Dienstleistung auf Menschenhandel zurückgeht.

Freierstrafbarkeit im Zusammenhang mit Minderjährigen

Das Strafrecht sieht im Hinblick auf den Schutz Minderjähriger eine klare und umfassende Freierstrafbarkeit vor:

  • § 182 StGB – Sexueller Missbrauch von Jugendlichen: Kunden unterfallen der Strafbarkeit, wenn sexuelle Handlungen mit Personen unter 18 Jahren gegen Entgelt vorgenommen werden.
  • § 183 StGB – Exhibitionistische Handlungen und die Normen zu sexuellem Missbrauch von Kindern verschärfen die konsequente Verfolgung.

Besonderheit: Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG)

Das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz verschärft und reguliert Rahmenbedingungen im Bereich der Prostitution, begründet jedoch selbst keine explizite allgemeine Freierstrafbarkeit. Es dient vor allem Schutz- und Meldevorschriften, verlangt z. B. eine Anmeldepflicht für Prostituierte und Betreiber.

Strafrechtliche Nebenaspekte

Neben den genannten Regelungen können weitere Strafbarkeiten durch die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen mit einhergehenden Straftaten (z. B. Vergewaltigung, Körperverletzung, Zwang, Ausbeutung) bestehen. Der rechtliche Fokus bleibt die subjektive Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Zwangslage, Minderjährigkeit oder Ausbeutung.

Freierstrafbarkeit im internationalen Vergleich

Nordisches Modell

Das nordische Modell, insbesondere in Schweden, Norwegen und Island, verfolgt das Ziel, die Nachfrage als strafrechtlich relevantes Unrecht zu definieren. Demnach ist allein die Nachfrage (Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen) strafbewehrt, das Angebot hingegen entkriminalisiert. Dieses Modell steht im Kontrast zur Rechtslage in Deutschland.

Weitere europäische Rechtsordnungen

Länder wie Frankreich und Irland haben in den letzten Jahren ebenfalls eine Freierstrafbarkeit eingeführt und sanktionieren grundsätzlich den Kauf sexueller Dienstleistungen. In anderen Staaten bleibt die Nachfrage, ähnlich wie in Deutschland, nur in besonders gelagerten Fällen strafrechtlich relevant.

Kritik und Diskussion

Zielsetzung und Wirksamkeit

Die Strafbarkeit des Freiers wird vielfach unterschiedlich bewertet. Befürworter verweisen darauf, dass die Nachfrage nach Zwangsprostitution, Menschenhandel und Kinderprostitution auf diese Weise effektiv eingedämmt werden könne. Kritiker sehen vor allem Risiken hinsichtlich der Verdrängung von Prostitution in den nicht-regulierten Bereich mit erhöhtem Gefahrenpotential für die Beteiligten.

Verfassungsrechtliche Aspekte

Die Freierstrafbarkeit berührt teils grundrechtlich geschützte Positionen wie die allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Gesetzgeber und Rechtsprechung sind dabei gehalten, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Opferschutz und individueller Freiheit herzustellen.

Rechtsprechung und Anwendungspraxis

Deutsche Gerichte setzen die Freierstrafbarkeit streng an die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Zwangs- oder Ausbeutungssituationen voraus. Die Beweisführung kann in der Praxis problematisch sein, da der Nachweis der Kenntnis des Freiers häufig schwer zu führen ist.

Literatur und Quellen

  • Gesetzestexte: StGB §§ 232 ff., 183, 182; ProstSchG
  • Bundestagsdrucksachen und Rechtsprechungstenor, diverse Kommentarliteratur
  • Nationale und internationale Forschungsberichte zur Regulierung der Prostitution

Zusammenfassung:
Freierstrafbarkeit bezeichnet die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Personen, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen – insbesondere unter besonderen, gesetzlich normierten Umständen wie Zwang, Menschenhandel oder Minderjährigkeit. Die Rechtslage in Deutschland sieht keine allgemeine Freierstrafbarkeit vor, wohl aber in Fällen, die im Zusammenhang mit Ausbeutung, Zwang oder dem Schutz von Minderjährigen stehen. International bestehen verschiedene Regelungsmodelle, die insbesondere die Nachfrage stärker sanktionieren. Die Diskussion um Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit der Freierstrafbarkeit hält unverändert an.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Freierstrafbarkeit in Deutschland?

Die Freierstrafbarkeit ist vor allem durch das Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Überwachung von Prostitutionsangeboten geregelt, insbesondere durch das Strafgesetzbuch (StGB). Seit einer gesetzlichen Änderung im Jahr 2016 werden Freier, die wissentlich und willentlich sexuelle Dienstleistungen von Opfern von Zwangsprostitution oder Menschenhandel in Anspruch nehmen, gemäß § 232a und § 232b StGB strafrechtlich verfolgt. Ergänzend dazu regelt § 184f StGB die Strafbarkeit des Inanspruchnehmens sexueller Dienstleistungen von Minderjährigen. Die Regelung umfasst dabei sowohl den Schutz von volljährigen als auch minderjährigen Opfern. Zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen zählt das Erkennen oder das grob fahrlässige Nicht-Erkennen der Zwangslage oder Minderjährigkeit der betroffenen Person. Flankierend dazu existieren zahlreiche landesrechtspezifische Vorgaben zur Überwachung und Kontrolle entsprechender Einrichtungen.

Welche Rolle spielt das Wissen oder Kennen der Zwangslage beim Straftatbestand?

Für die Strafbarkeit des Freiers ist maßgeblich, ob er wusste, dass die angebotene sexuelle Dienstleistung unter Zwang oder Ausbeutung erfolgt oder ob er dies zumindest für möglich gehalten hat und billigend in Kauf nahm (sog. „bedingter Vorsatz“). Darüber hinaus kann auch grobe Fahrlässigkeit zur Strafbarkeit führen, insbesondere wenn der Freier Anzeichen für eine Zwangslage – wie auffallende Angst, offensichtliche Minderjährigkeit, Sprachbarrieren oder Begleitpersonen – ignoriert. Die Beurteilung orientiert sich hier an objektiv erkennbaren Umständen. Rein subjektives Unwissen schützt vor Strafe nur, wenn es nicht auf einer groben Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten beruht.

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen die Freierstrafbarkeit?

Der Strafrahmen bei Verstößen unterscheidet sich je nach Schwere des Einzelfalls. Wer wissentlich oder grob fahrlässig sexuelle Dienstleistungen von Opfern des Menschenhandels oder der Zwangsprostitution in Anspruch nimmt, muss gemäß § 232a StGB mit Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren rechnen. Für Fälle der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen von Minderjährigen sieht § 184f StGB Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Zusätzlich können empfindliche Geldstrafen und weitere Nebenstrafen wie Fahrverbote oder Eintragungen ins Führungszeugnis verhängt werden. In schweren Fällen, etwa bei wiederholtem Verstoß, erfolgt in der Regel die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

Wie unterscheiden sich die Tatbestände bei Erwachsenen- und Minderjährigenprostitution?

Während die Freierstrafbarkeit bezüglich Zwangsprostitution und Menschenhandel eine Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich einer Zwangslage voraussetzt, ist bei der Inanspruchnahme sexueller Leistungen von Minderjährigen nach § 184f StGB bereits der objektive Tatbestand ausreichend. Hier reicht es, dass der Freier sexuelle Leistungen von einer Person unter 18 Jahren entgegennimmt – unabhängig davon, ob diese Person freiwillig handelt. Ein Entlasten durch Unkenntnis der Minderjährigkeit ist nur möglich, wenn der Täter ernsthafte Anhaltspunkte dafür hatte, dass das Opfer volljährig war. Die Anforderungen an die Sorgfalt sind hier besonders hoch.

Welche Beweisanforderungen bestehen in Verfahren wegen Freierstrafbarkeit?

In strafrechtlichen Verfahren liegt die Beweislast für den Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des Freiers bei der Staatsanwaltschaft. Hierzu werden neben Aussagen der Betroffenen und Zeugen häufig auch objektive Indizien wie Chatverläufe, Videoaufnahmen, abgehörte Telefonate oder sichergestellte Kommunikationsdaten herangezogen. Die Ermittlung von Wissen oder grober Fahrlässigkeit erfolgt oft über konkludentes Verhalten, Auffälligkeiten beim Anbahnungsprozess oder auffallende Begleitumstände am Tatort. Die Gerichte legen hierbei einen strengen Maßstab an die Sorgfaltspflichten des Freiers.

Kann ein Freier sich auf „Unwissenheit“ oder „Irrtum“ berufen?

Ein Freier kann sich grundsätzlich nicht auf bloße Unwissenheit berufen, wenn er grob fahrlässig gehandelt hat. Ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) liegt nur dann vor, wenn der Täter nachweislich und entschuldbar nicht wusste, dass die betroffene Person Opfer von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Minderjährige war. Eine Entlastung ist lediglich möglich, wenn dem Freier unter verständiger Würdigung der Umstände keine Kenntnis und auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Bei eindeutigen Anzeichen muss sich der Freier aktiv um Aufklärung bemühen („Erkundigungspflicht“), andernfalls ist die Berufung auf einen Irrtum regelmäßig ausgeschlossen.

Welche Bedeutung hat die Freierstrafbarkeit für die Praxis polizeilicher Ermittlungen?

Die Freierstrafbarkeit erweitert die strafrechtlichen Ermittlungsansätze im Bereich Prostitutionskontrolle erheblich. Polizeiliche Maßnahmen umfassen neben der Überwachung einschlägiger Internetportale auch die verdeckte Ermittlung im Rotlichtmilieu. Schwerpunkt bildet insbesondere die Identifizierung und Befragung von Freiern im Rahmen von Kontrollen in Bordellen, Laufhäusern oder „Wohnungsprostitution“. Eine effektive Strafverfolgung ist häufig auf die enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, sozialarbeiterischen Einrichtungen, Opferschutzstrukturen und Staatsanwaltschaft angewiesen, um Opferaussagen zu sichern und Täterstrukturen aufzudecken. Die praktische Anwendung der Freierstrafbarkeit fördert damit auch Prävention und Opferschutz.