Legal Lexikon

Freie Erfindung


Begriff und rechtlicher Rahmen der Freien Erfindung

Als freie Erfindung wird im deutschen Patentrecht eine Erfindung bezeichnet, die ein Arbeitnehmer unabhängig von den betrieblichen Möglichkeiten und Erfahrungen sowie ohne Bezug zu den Arbeiten oder Aufgaben seines Arbeitgebers geschaffen hat. Die rechtliche Einordnung der freien Erfindung, ihre Abgrenzung zu gebundenen Erfindungen, sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten sind im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG) geregelt.

Gesetzlicher Hintergrund

Das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG) differenziert grundsätzlich zwischen sogenannten Diensterfindungen (§ 4 ArbnErfG) und freien Erfindungen (§ 4 Abs. 3 ArbnErfG). Während Diensterfindungen durch ein spezielles Melde- und Übertragungsverfahren dem Arbeitgeber zustehen, verbleiben freie Erfindungen grundsätzlich beim Arbeitnehmer-Erfinder.

Definition der freien Erfindung

Eine freie Erfindung im Sinne des § 4 Abs. 3 ArbnErfG liegt vor, wenn

  • die Erfindung nicht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses entstanden ist oder
  • die Erfindung keine „Diensterfindung” darstellt, weil sie weder im Rahmen der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben entstanden ist noch maßgeblich auf Erfahrungen oder auf Mitteln des Betriebs des Arbeitgebers beruht.

Abgrenzung zur Diensterfindung

Im Rechtsalltag erlangt die Unterscheidung zentrale Bedeutung, da nur bei Diensterfindungen ein Anspruch des Arbeitgebers auf Übertragung der Erfindung besteht und dieser Rechte geltend machen kann.

Kriterien der Abgrenzung:

  • Übertragene Aufgaben: Eine Erfindung, die im Rahmen der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben entsteht, ist regelmäßig keine freie Erfindung.
  • Betriebsmittel und -erfahrungen: Die maßgebliche Nutzung betrieblicher Mittel oder Erfahrungen spricht gegen eine freie Erfindung.
  • Zeitpunkt und Arbeitsort: Erfindungen, die außerhalb der Arbeitszeit, ohne Verbindung zu betrieblichen Ressourcen und ohne Bezug zu den Aufgaben des Unternehmens gemacht werden, sind in der Regel als freie Erfindungen anzusehen.

Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers bei freien Erfindungen

Eigentumsrechte

Freie Erfindungen stehen nach der gesetzlichen Systematik dem Arbeitnehmer zu. Dieser kann über seine Erfindung, einschließlich möglicher Schutzrechte (z. B. Patente, Gebrauchsmuster), grundsätzlich eigenständig verfügen.

Mitteilungspflichten

Obwohl dem Arbeitnehmer freie Verfügungsrechte zustehen, verpflichtet ihn § 18 ArbnErfG, den Arbeitgeber unverzüglich und schriftlich über eine freie Erfindung zu informieren, sofern diese während des Arbeitsverhältnisses gemacht wurde. Diese Anzeige ermöglicht dem Arbeitgeber, zu prüfen, ob tatsächlich eine freie Erfindung vorliegt oder aber doch ein Anspruch im Sinne einer Diensterfindung besteht.

Widerspruch und Klärung

Meldet der Arbeitnehmer eine freie Erfindung an, kann der Arbeitgeber dem widersprechen, sofern er dies begründet. Im Streitfall entscheidet auf Antrag einer der Parteien das zuständige Arbeitsgericht über die rechtliche Einordnung der Erfindung.

Rechte des Arbeitgebers bei freien Erfindungen

Bei freien Erfindungen hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinerlei Anspruch auf Übertragung oder Nutzung der Erfindung. Allerdings besteht gemäß § 19 ArbnErfG ein sogenanntes Angebotsrecht: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht an der freien Erfindung gegen angemessenes Entgelt anzubieten, wenn die Erfindung in das Arbeitsgebiet des Unternehmens fällt.

Bedingungen und Durchsetzung des Angebotsrechts

  • Das Angebot muss schriftlich erfolgen.
  • Die Höhe des Entgelts bemisst sich nach den üblichen Marktbedingungen.
  • Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Angebot innerhalb von drei Monaten anzunehmen.

Kommt ein solcher Vertrag zustande, erwirbt der Arbeitgeber ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht, die Erfindung bleibt allerdings Eigentum des Arbeitnehmers.

Praktische Bedeutung und typische Beispiele

Freie Erfindungen sind in der Praxis sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Gerade in forschungs- und entwicklungsintensiven Arbeitsumfeldern kann die Abgrenzung zwischen freier und Diensterfindung komplex sein.

Beispiel für eine freie Erfindung:
Ein Arbeitnehmer, der privat in seiner Freizeit eine neue Technologie entwickelt, die in keinem Bezug zu seinem beruflichen Aufgabenbereich oder den Produkten/Dienstleistungen seines Arbeitgebers steht, gilt als Erfinder einer freien Erfindung.

Verfahrensgang und Schutzmöglichkeiten

Anmeldeverfahren und Schutzrechte

Arbeitnehmer können freie Erfindungen eigenständig beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) zum Patent oder Gebrauchsmuster anmelden. Der Arbeitgeber hat in Bezug auf die Anmeldung keine Rechte, sofern er nicht ein Nutzungsrecht erworben hat.

Geheimhaltung und Umgang mit Betriebsgeheimnissen

Arbeitnehmer sind dennoch verpflichtet, keine betrieblichen Geheimnisse oder schutzbedürftigen Informationen des Arbeitgebers im Rahmen einer freien Erfindung zu nutzen oder offen zu legen. Die Verletzung von Betriebsgeheimnissen kann unabhängig von der Erfindung eigens rechtlich sanktioniert werden.

Streitigkeiten und gerichtliche Klärung

Kommt es zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Einordnung der Erfindung, besteht die Möglichkeit, den Sachverhalt gerichtlich klären zu lassen. Zuständig sind die Arbeitsgerichte, die im Einzelfall eine umfassende Prüfung aller Umstände, insbesondere die Einordnung im Hinblick auf betriebliche Ressourcen, Aufgabenbereich und Zeitpunkt der Erfindung, vornehmen.

Internationale Aspekte und Unterschiede

Im internationalen Vergleich existieren unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Zuordnung von Arbeitnehmererfindungen. Das deutsche Modell mit der klaren Unterscheidung zwischen Diensterfindung und freier Erfindung gilt als besonders arbeitnehmerfreundlich und hat Vorbildfunktion in mehreren europäischen Ländern.

Zusammenfassung

Die freie Erfindung bezeichnet im deutschen Recht eine Erfindung, die unabhängig vom Betrieb des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer geschaffen wurde und bei der dem Arbeitgeber kein Übertragungs- oder sonstiges Verfügungsrecht zusteht – mit Ausnahme eines möglichen Angebotsrechts für ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht. Arbeitnehmer sind verpflichtet, freie Erfindungen während des Arbeitsverhältnisses zu melden und müssen bei Angebotsbereitschaft dem Arbeitgeber ein Nutzungsrecht gewähren. Im Streitfall entscheiden die Arbeitsgerichte im Rahmen einer Gesamtabwägung über die Einordnung der Erfindung.

Diese rechtliche Regelung balanciert die Interessen von Arbeitgebern am Schutz ihres Know-hows und an innovationsbezogenen Ergebnissen einerseits und den Schutz der individuellen Schöpferkraft der Arbeitnehmer andererseits aus.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte hat ein Arbeitnehmer an einer freien Erfindung?

Im deutschen Recht stehen die Rechte an einer freien Erfindung grundsätzlich dem Arbeitnehmer zu. Gemäß § 4 Abs. 3 ArbEG (Arbeitnehmererfindungsgesetz) gilt eine Erfindung dann als frei, wenn sie weder aus der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Unternehmen hervorgeht noch maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs basiert. Der Arbeitnehmer kann mit einer freien Erfindung also grundsätzlich eigenverantwortlich über deren Schutz und Verwertung entscheiden, insbesondere darf er das Schutzrecht selbst anmelden, lizenzieren oder verkaufen. Allerdings ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seinen Arbeitgeber über die freie Erfindung unverzüglich schriftlich zu informieren, damit der Arbeitgeber prüfen kann, ob es sich tatsächlich um eine freie Erfindung handelt. Versäumt der Arbeitnehmer diese Anzeige, drohen mögliche Ansprüche auf Schadensersatz durch den Arbeitgeber.

Welche Pflichten bestehen gegenüber dem Arbeitgeber bei einer freien Erfindung?

Trotz der grundsätzlichen Eigentumsrechte an der freien Erfindung ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seinen Arbeitgeber gem. § 18 ArbEG unverzüglich in Textform über die freie Erfindung sowie über eine etwa erfolgte Schutzrechtsanmeldung zu informieren. Hierbei muss der Arbeitnehmer alle Informationen so offenlegen, dass der Arbeitgeber nachvollziehen kann, ob die Erfindung tatsächlich als frei einzustufen ist oder ob ggf. dienstliche Interessen berührt werden. Unterlässt der Arbeitnehmer diese Pflichtmitteilung, kann der Arbeitgeber im Zweifel Schadensersatz vom Arbeitnehmer verlangen oder eine entsprechende Korrektur im Rechtsstatus der Erfindung fordern.

Kann der Arbeitgeber Ansprüche auf eine vermeintlich freie Erfindung geltend machen?

Der Arbeitgeber hat das Recht, nach Anzeige durch den Arbeitnehmer zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine freie oder nicht doch um eine diensterfundene Erfindung handelt. Besteht Streit darüber, ob eine Erfindung frei oder dienstlich ist, kann der Arbeitgeber nach § 22 ArbEG bei der zuständigen Schiedsstelle einen Antrag auf Feststellung stellen. Zeigt die Prüfung, dass betriebliche Ressourcen oder Erfahrungen maßgeblich für die Erfindung waren, besteht die Möglichkeit, die Erfindung als Diensterfindung zu reklamieren, mit entsprechenden Rechten und Pflichten, wie Anspruch auf Übertragung und Erfindervergütung.

Inwiefern ist eine freie Erfindung mit bestehenden Arbeitsverträgen oder Wettbewerbsverboten vereinbar?

Das Recht auf Nutzung und Verwertung einer freien Erfindung wird nur dann eingeschränkt, wenn ausdrücklich anderslautende vertragliche Regelungen vorliegen, etwa in Form eines wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Reine Arbeitsverträge, die pauschal alle Erfindungen eines Mitarbeiters dem Arbeitgeber zusprechen wollen, sind nach deutschem Recht unwirksam. Eine wirksame Einschränkung der Verwertung von freien Erfindungen würde voraussetzen, dass das Wettbewerbsverbot angemessen, schriftlich vereinbart und mit einer Karenzentschädigung versehen ist. Fehlt eine solche besondere Vereinbarung, kann der Arbeitnehmer seine freie Erfindung außerhalb seiner arbeitsvertraglichen Pflichten uneingeschränkt nutzen.

Welche Schutzmöglichkeiten stehen dem Arbeitnehmer für eine freie Erfindung offen?

Der Arbeitnehmer hat sämtliche Schutzrechte – etwa auf Patentanmeldung, Gebrauchsmusterschutz oder sonstige geistige Eigentumsrechte – selbstständig inne. Er kann die Erfindung ohne Zustimmung des Arbeitgebers anmelden und verwerten. Voraussetzung ist stets, dass die Erfindung tatsächlich als frei einzustufen ist und die gesetzlichen Mitteilungspflichten gegenüber dem Arbeitgeber erfüllt wurden. Die Inanspruchnahme patentrechtlicher Beratung sowie die eigenständige finanzielle Abwicklung von Schutzrechtsanmeldungen obliegen ausschließlich dem Arbeitnehmer.

Sind Erfindervergütungen oder sonstige Entgeltansprüche bei freien Erfindungen vorgesehen?

Bei freien Erfindungen besteht kein gesetzlicher Anspruch des Arbeitgebers auf Übertragung der Schutzrechte und folglich auch kein Anspruch auf Erfindervergütung oder sonstige proprietäre Zahlungen zugunsten des Mitarbeiters. Jegliche Vergütungspflichten entstehen ausschließlich bei Diensterfindungen nach Übertragung der Rechte an den Arbeitgeber. Für freie Erfindungen kann der Arbeitnehmer wirtschaftliche Vorteile ausschließlich eigenständig nutzen und darüber verfügen.

Wie wird im Streitfall festgestellt, ob eine Erfindung frei oder dienstlich ist?

Kommt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Meinungsverschiedenheiten über den Status der Erfindung, entscheidet die Schiedsstelle nach §§ 29 ff. ArbEG oder im Anschluss ein ordentliches Gericht. Die Beweislast, dass es sich tatsächlich um eine freie Erfindung handelt, trägt in der Regel der Arbeitnehmer. Entscheidende Kriterien sind, ob die Erfindung auf Aktivitäten, Mitteln oder Erfahrungen des Betriebes beruht und inwieweit der Aufgabenbereich des Arbeitnehmers betroffen war. Eine sorgfältige und umfassende Dokumentation der Erfindungsgeschichte sowie der betrieblichen Abgrenzung durch den Arbeitnehmer ist dabei entscheidend.