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Fraktionsausschluss


Begriff und Bedeutung des Fraktionsausschlusses

Der Fraktionsausschluss bezeichnet im parlamentarischen Kontext die formelle Entfernung eines Mitglieds aus einer Fraktion innerhalb einer parlamentarischen Vertretung, insbesondere in Parlamenten wie dem Deutschen Bundestag, den Landtagen oder kommunalen Vertretungskörperschaften. Er stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Rechte eines Mandats- oder Fraktionsmitglieds dar und ist von erheblicher politischer und rechtlicher Bedeutung.


Rechtsgrundlagen und formelle Voraussetzungen

Verfassungsrechtlicher Rahmen

Der Fraktionsausschluss ist auf die Organisationsautonomie der Fraktionen zurückzuführen. Fraktionen sind Zusammenschlüsse von Mitgliedern innerhalb von Parlamenten, die gemeinsame politische Ziele verfolgen. Sie sind weder im Grundgesetz ausdrücklich geregelt noch als eigene Verfassungsorgane anerkannt, genießen aber innenorganisatorische Autonomie zur Selbstverwaltung (§§ 53 ff. GOBT). Der Ausschluss darf die Rechte aus dem freies Mandat nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) nicht berühren.

Geschäftsordnungsrechtliche Regelungen

Die gesetzlichen Vorgaben zum Fraktionsausschluss ergeben sich im Wesentlichen aus den jeweiligen Geschäftsordnungen, etwa der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) oder der Landtage. Zahlreiche Fraktionen haben darüber hinaus eigene schriftliche Satzungen oder Geschäftsordnungen, die das Verfahren zum Fraktionsausschluss detailliert regeln.

Wichtige Voraussetzungen sind meist:

  • Hinreichender Grund: Ein wichtiger Grund, etwa schwerwiegende Verstöße gegen die Fraktionsdisziplin oder das Ansehen der Fraktion.
  • Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips: Ein Ausschluss ist nur das äußerste Mittel und kommt in Betracht, wenn mildere Maßnahmen, wie der Ordnungsruf oder temporärer Ausschluss von Fraktionssitzungen, keinen Erfolg versprechen oder bereits erfolglos waren.
  • Transparenz und Rechtsstaatlichkeit: Das betroffene Mitglied ist anzuhören. Der Ausschluss erfolgt durch einen Mehrheitsbeschluss der Fraktion, die Stimmrechtsmehrheit richtet sich nach der jeweiligen Satzung.

Beispiel Bundestag

Im Bundestag regeln die Fraktionssatzungen das Verfahren. Die GOBT trifft keine ausdrückliche Regelung zu Fraktionsausschlüssen, gesteht die Autonomie aber zu. Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG kann eine Fraktionsmitgliedschaft entzogen werden, sofern ein wichtiger Grund vorliegt; die Maßstäbe entsprechen denen für Parteiausschlussverfahren, jedoch mit Anpassungen an die besonderen Belange der Fraktionsgemeinschaft.


Materielle Voraussetzungen für den Fraktionsausschluss

Wichtiger Grund

Ein Fraktionsausschluss erfordert regelmäßig das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Darunter werden insbesondere verstanden:

  • Schwere Verstöße gegen Grundsätze und Ziele der Fraktion
  • Verletzungen der Verschwiegenheits- und Loyalitätspflichten
  • Störungen der Fraktionsarbeit
  • Schädigung des Ansehens der Fraktion in der Öffentlichkeit

Ein einmaliges, geringfügiges Fehlverhalten reicht nicht aus. Die Würdigung ist stets einzelfallabhängig.

Verfahren und Rechtsschutz

Der Verfahrensablauf wird üblicherweise durch die Fraktionssatzung oder Geschäftsordnung geregelt. Zwingende Voraussetzung ist die vorherige Anhörung des Betroffenen. Der Ausschlussbeschluss ist formlos anfechtbar; jedoch besteht kein unmittelbarer Anspruch auf Mitgliedschaft in einer Fraktion, da es sich hierbei nicht um ein exekutives, sondern um ein privatrechtlich geprägtes Mitgliedschaftsverhältnis handelt.


Rechtswirkungen und Folgen des Fraktionsausschlusses

Verlust von Fraktionsrechten

Mit einem Fraktionsausschluss gehen sämtliche Rechte und Pflichten aus der Fraktionsmitgliedschaft verloren, darunter:

  • Stimmrechte in der Fraktion
  • Zugang zu vertraulichen Fraktionsinformationen
  • Möglichkeiten der Mitwirkung an Fraktionsentscheidungen
  • Zugänge zu Fraktionsräumen und Infrastruktur
  • Fraktionsbezogene finanzielle Zuwendungen

Das parlamentarische Mandat bleibt hiervon unberührt. Das ausgeschlossene Mitglied ist weiterhin Mitglied des Parlaments und kann sich gegebenenfalls einer anderen Fraktion anschließen oder als fraktionsloses Mitglied tätig werden.

Auswirkungen auf die Arbeit im Parlament

Ein Fraktionsausschluss kann erhebliche Auswirkungen auf die parlamentarische Tätigkeit haben. Fraktionslose Abgeordnete sind vom etablierten Fraktionssystem und den damit verbundenen Mitteln und Möglichkeiten im Regelfall ausgeschlossen. Sie verfügen etwa über weniger Redezeiten, geringere organisatorische Unterstützung und eingeschränkte Beteiligungsrechte in Ausschüssen.


Rechtsschutz gegen den Fraktionsausschluss

Interne und externe Überprüfungsmöglichkeiten

Grundsätzlich steht dem ausgeschlossenen Mitglied keine unmittelbare Klagemöglichkeit gegen den Fraktionsausschluss vor den staatlichen Gerichten zu, da Fraktionen keine öffentlichen Einrichtungen, sondern Vereinigungen sui generis darstellen. Dennoch ist, abhängig von der Ausgestaltung des Fraktionsausschlussverfahrens, auch eine gerichtliche Überprüfung denkbar, vor allem, wenn Grundrechte betroffen sind, etwa bei groben Verfahrensverstößen oder Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Teilweise hat die Rechtsprechung anerkannt, dass eine Überprüfung durch die Verwaltungs- oder Zivilgerichte in Betracht kommt, insbesondere wenn die konstituierenden Rechte eines Abgeordneten betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2002 – 2 BvE 4/14).

Verhältnis zu parteiinternen Ausschlussverfahren

Eine Abgrenzung ist gegenüber dem Parteiausschlussverfahren zu beachten. Während der Parteiausschluss den Bestand der Mitgliedschaft in einer Partei betrifft, wirkt sich der Fraktionsausschluss ausschließlich auf die Mitgliedschaft in der Fraktion aus. Ein Fraktionsausschluss führt daher nicht zwingend zu einem Parteiausschluss, kann aber in besonders gravierenden Fällen Auslöser eines solchen Verfahrens sein.


Fraktionsausschluss in Kommunalvertretungen und Landtagen

Die rechtlichen Maßstäbe des Fraktionsausschlusses gelten mit inhaltlichen Anpassungen auf allen parlamentarischen Ebenen, auch in Kommunalvertretungen. Kommunale Fraktionen regeln den Ausschluss üblicherweise in eigenen Satzungen. Die jeweiligen Kommunalverfassungen oder Gemeindeordnungen enthalten vereinzelt ausdrückliche Regelungen.


Zusammenfassung und Bedeutung in der parlamentarischen Praxis

Der Fraktionsausschluss ist ein wesentliches Instrument der Selbstorganisation von parlamentarischen Fraktionen und eine notwendige Folge der inneren Funktionsfähigkeit politischer Arbeits- und Willensbildungsprozesse. Sein rechtlicher Rahmen ist geprägt von strengen formellen und materiellen Anforderungen mit dem Ziel, einerseits die Funktionsfähigkeit der Fraktion zu sichern und andererseits das freie Mandat des Abgeordneten zu wahren. Ein ausgewogenes Verfahren und die Möglichkeit des Rechtsschutzes sind von zentraler Bedeutung, um den Fraktionsausschluss sowohl politisch als auch rechtlich auf eine tragfähige Grundlage zu stellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Fraktionsausschluss im deutschen Bundestag und in Landtagen?

Der Fraktionsausschluss ist weder explizit im Grundgesetz noch im einfachen Gesetz geregelt, sondern ergibt sich maßgeblich aus der Satzung beziehungsweise der Geschäftsordnung der jeweiligen Fraktion. Diese Ordnungen stützen sich wiederum auf die Parlamentsgesetze und in manchen Fällen auf das Parteiengesetz, sofern Parteimitgliedschaft berührt ist. Im Bundestag sieht § 10 Abs. 1 GOBT (Geschäftsordnung des Bundestages) vor, dass sich Fraktionen eigene Statuten geben müssen, die unter anderem das Verfahren und die Voraussetzungen für einen Fraktionsausschluss regeln. Auf Länderebene verweisen die Geschäftsordnungen der Landtage üblicherweise ebenfalls auf Fraktionsstatute. Juristisch relevant sind zudem die Bestimmungen zum Status der Mitglieder im Parlament: Ein Fraktionsausschluss führt nicht zum Verlust des Abgeordnetenmandats, sondern lediglich zum Verlust der Rechte innerhalb der Fraktion. Der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Willkürverbot gemäß Art. 3 GG sind immer zu beachten; ebenso müssen Verfahrensgrundsätze wie Anhörung und schriftliche Dokumentation eingehalten werden.

Welche formellen Voraussetzungen muss ein Fraktionsausschlussverfahren erfüllen?

Die formellen Voraussetzungen für einen Fraktionsausschluss ergeben sich aus der jeweiligen Fraktionssatzung oder Geschäftsordnung. Grundsätzlich muss dem betroffenen Mitglied der konkrete Ausschlussgrund mitgeteilt werden. Das Verfahren muss gewährleisten, dass das Mitglied sich verteidigen und ggf. Stellung zu den Vorwürfen nehmen kann (rechtliches Gehör). Die Entscheidung über den Ausschluss muss in einer ordnungsgemäß einberufenen Fraktionssitzung unter Beachtung der satzungsgemäßen Mehrheit erfolgen. Häufig ist ein qualifiziertes Quorum erforderlich, z. B. Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Ausschlussbeschluss sollte schriftlich gefasst und dem Betroffenen zugestellt werden. Teilweise sehen die Satzungen gegen den Ausschluss ein internes Berufungs- oder Beschwerderecht vor. Nicht zuletzt ist das gesamte Verfahren auch im Hinblick auf Transparenz und Dokumentation gerichtsfest zu gestalten, da nachträgliche Überprüfungen (siehe Rechtschutzmöglichkeiten) relevant sein können.

Inwieweit können Fraktionsausschlüsse gerichtlich überprüft werden?

Ein Fraktionsausschluss kann grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung unterliegen, allerdings sind der Umfang und die Reichweite der Überprüfung begrenzt. Gerichte prüfen etwa, ob das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und die Rechte des betroffenen Abgeordneten gewahrt worden sind, insbesondere im Hinblick auf das Willkürverbot (Art. 3 GG) sowie die Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Grundsätzlich handelt es sich bei dem Fraktionsstatus um eine innerparlamentarische Rechtsposition, sodass der Rechtsweg zu den Verwaltungs- oder ordentlichen Gerichten eröffnet sein kann, jedoch selten zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Der Prüfungsmaßstab beschränkt sich zumeist auf evidente Verstöße gegen Verfahrens- oder Grundrechte; eine inhaltliche Bewertung innerfraktioneller Angelegenheiten erfolgt selten. Zu beachten ist, dass der Ausschluss aus einer Fraktion kein Entzug des Mandats darstellt; das freie Mandat nach Art. 38 GG bleibt unberührt.

Welche Auswirkungen hat der Ausschluss aus der Fraktion auf die Rechte und Pflichten eines Abgeordneten?

Nach einem Fraktionsausschluss behält der Abgeordnete sämtliche Rechte und Pflichten als Parlamentsmitglied, insbesondere das freie Mandat sowie Stimm- und Rederecht im Plenum. Betroffen sind jedoch alle Rechte, die fraktionsgebunden sind: Dazu zählen etwa das Stimmrecht in Fraktionsgremien, gewisse Antragsrechte (etwa Große oder Kleine Anfragen, Gesetzentwürfe), die an ein Quorum der Fraktion gekoppelt sind, sowie die Teilnahme an vertraulichen fraktionsinternen Beratungen. Auch die Teilnahme an bestimmten Ausschüssen kann beeinträchtigt sein, sofern deren Besetzung nach Fraktionsstärke erfolgt. Haushaltsmittel, Personal- und Arbeitsmöglichkeiten, die über die Fraktion zugewiesen werden, entfallen in der Regel. Öffentlichkeitswirksam verliert der Betroffene die politische Rückendeckung der Fraktion; der Status als fraktionsloser Abgeordneter führt in der parlamentarischen Praxis oftmals zu Nachteilen in Einfluss und Arbeitsmöglichkeiten.

Welche typischen Gründe werden rechtlich als Grundlage für einen Fraktionsausschluss anerkannt?

Die Gründe für den Ausschluss aus einer Fraktion müssen im Einklang mit der jeweiligen Fraktionssatzung und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen stehen. Typischerweise sind dies schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze oder die Geschlossenheit der Fraktion, etwa fortdauernde und erhebliche Verletzungen der Fraktionsdisziplin, grobe illoyale Handlungen, das nachhaltige öffentliche Infragestellen gemeinsamer Beschlüsse, oder die Verletzung fundamentaler rechtlicher oder ethischer Normen (z. B. ehrverletzende Äußerungen, strafbares Verhalten, parteischädigendes Verhalten). Die zur Begründung eines Ausschlusses angeführten Gründe müssen nachweisbar und dokumentierbar sein, da sie im Streitfall einer gerichtlichen oder innerparlamentarischen Überprüfung standhalten müssen. Politische Differenzen alleine genügen im Regelfall nicht, sondern es bedarf eines schwerwiegenden, nachhaltigen Zerwürfnisses mit der Fraktionsgemeinschaft.

Besteht gegen den Fraktionsausschluss ein internes oder gerichtliches Beschwerderecht, und wie ist dies ausgestaltet?

Ob ein internes oder gerichtliches Beschwerderecht besteht, hängt im Wesentlichen von der jeweiligen Fraktionssatzung ab. Viele Fraktionen sehen vor, dass das ausgeschlossene Mitglied gegen den Ausschluss innerhalb einer bestimmten Frist eine interne Berufungs- oder Schiedsstelle anrufen kann. Diese entscheidet dann abschließend oder spricht eine Empfehlung aus. Unabhängig davon ist auch der ordentliche Rechtsweg zu den Verwaltungs- oder Zivilgerichten gegeben, sofern ein Verstoß gegen Verfahrens- oder Grundrechte behauptet wird. In der Rechtspraxis prüfen die Gerichte jedoch primär die Einhaltung formeller und verfassungsrechtlicher Mindeststandards, nicht jedoch politische Zweckmäßigkeiten. Ein aufschiebender Effekt der Beschwerde besteht in der Regel nicht, es sei denn, dieser wird explizit eingeräumt oder gerichtlich angeordnet.

Wie ist das Verhältnis zwischen Fraktionsausschluss und Parteiausschluss?

Der Fraktionsausschluss und der Parteiausschluss sind rechtlich strikt zu trennen, auch wenn sie in der politischen Praxis häufig miteinander verknüpft sind. Ein Ausschluss aus der Fraktion betrifft allein die parlamentarische Organisationsform und hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in der politischen Partei. Umgekehrt kann ein Parteiausschlussverfahren unabhängig vom Fraktionsstatus geführt werden und folgt eigenen Regeln gemäß Parteiengesetz (insbesondere § 10 PartG). In manchen Satzungen ist jedoch vorgesehen, dass ein Parteiausschluss automatisch den Fraktionsausschluss nach sich ziehen kann oder umgekehrt, was jedoch stets ausdrücklich geregelt werden muss. In jedem Fall gelten auch hinsichtlich dieser Wechselwirkungen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und die Möglichkeit der Überprüfung vor Gericht.