Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Forschung, wissenschaftliche

Forschung, wissenschaftliche


Wissenschaftliche Forschung – Rechtliche Definition und Einordnung

Begriff und Wesen der wissenschaftlichen Forschung

Wissenschaftliche Forschung bezeichnet einen methodisch-systematischen Prozess zur Generierung neuen Wissens unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden. Im rechtlichen Kontext umfasst der Begriff sowohl Grundlagenforschung als auch angewandte Forschung, sofern diese ergebnisoffen und nachvollziehbar betrieben wird. Maßgeblich ist die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, darunter Transparenz, Überprüfbarkeit und die Dokumentation der Erkenntnisgewinnung.

Verfassungsrechtlicher Schutz der wissenschaftlichen Forschung

Wissenschaftsfreiheit gemäß Grundgesetz

Die wissenschaftliche Forschung ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt. Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) garantiert die Wissenschaftsfreiheit. Darunter fallen die Freiheit der Forschung und Lehre, die individuelle Ausgestaltung wissenschaftlicher Fragestellungen, die Wahl der Forschungsmethoden und die Publikation von Ergebnissen. Der Schutz umfasst die formelle und inhaltliche Forschungsfreiheit und erstreckt sich auf natürliche und juristische Personen, beispielsweise Universitäten und Forschungsinstitute.

Schranken und Grenzen

Die Wissenschaftsfreiheit ist nicht schrankenlos gewährleistet. Sie findet ihre Grenzen im Rahmen anderer Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützter Interessen, etwa dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG), des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 GG), des Datenschutzes oder anderer gemeinwohlbezogener Schutzgüter. Insbesondere bei Forschungsvorhaben, die Abwägungen zwischen Freiheitsrechten und anderen Rechtsgütern erfordern (z. B. Tierversuche, Stammzellforschung), sind gesetzliche Schranken und Abwägungsentscheidungen von besonderer Bedeutung.

Einordung im einfachen Gesetzesrecht

Hochschulrecht

Im Hochschulrahmengesetz (HRG) und den Hochschulgesetzen der Länder ist die wissenschaftliche Forschung als zentrale Aufgabe der Hochschulen festgeschrieben. Die verfahrensmäßigen und organisatorischen Grundlagen der Forschungsfreiheit, der Zugang zu Ressourcen und die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse sind in diesen Gesetzen geregelt.

Datenschutz und Persönlichkeitsrecht

Die Verarbeitung personenbezogener Daten in der wissenschaftlichen Forschung wird im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Wissenschaftliche Forschung genießt hierbei eine gewisse Privilegierung, um die Generierung neuen Wissens zu ermöglichen. So dürfen beispielsweise personenbezogene Daten unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Einwilligung der Betroffenen verwendet werden, sofern eine Zweckbindung an ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben und angemessene Schutzvorkehrungen gewährleistet sind (§ 27 BDSG, Art. 89 DSGVO).

Urheberrechtliche Aspekte

Im Urheberrechtsgesetz (UrhG) bestehen Sonderregelungen zum Schutz wissenschaftlicher Werke (§ 2 UrhG). Wissenschaftliche Leistungen können als Sprachwerke, Datenbanken oder Sammlungen urheberrechtlich geschützt sein. Zudem enthält das UrhG Schrankenregelungen, die die Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials im Rahmen wissenschaftlicher Forschung und Lehre begünstigen (§ 60c UrhG).

Ethik und rechtliche Verantwortung in der Forschung

Forschung an Menschen und Tieren

Forschungsvorhaben an Menschen unterliegen strengen rechtlichen Vorgaben. Die Deklaration von Helsinki, das Arzneimittelgesetz (AMG), das Medizinproduktegesetz (MPG) sowie das Gentechnikgesetz (GenTG) regeln die Durchführung und den ethischen Rahmen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Würde und Unversehrtheit der beteiligten Personen. Für Tierversuche gelten das Tierschutzgesetz (TierSchG) und zahlreiche untergesetzliche Vorschriften.

Gute wissenschaftliche Praxis

Die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis ist rechtlich und institutionell durch verschiedene Kodizes und Selbstverpflichtungen abgesichert. Wissenschaftliches Fehlverhalten, wie Plagiate, Datenmanipulation oder Fälschung, kann arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Förderung, Finanzierung und Forschungsfreiheit

Öffentliche Forschungsförderung

Die Bereitstellung von Fördermitteln für wissenschaftliche Forschung erfolgt durch Bund, Länder und die Europäische Union. Öffentliche Forschungsförderung unterliegt spezialgesetzlichen Regelungen, wie dem Bundeshaushaltsrecht oder den Förderrichtlinien der jeweiligen Förderinstitutionen (z. B. Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG).

Drittmittelforschung

Forschung, die durch Drittmittel finanziert wird, unterliegt gesonderten Regelungen. Die Vertragsfreiheit wird durch Vorgaben zur Transparenz, Publikationsfreiheit und Regeln zur Sicherung geistigen Eigentums begrenzt. Universitäre Einrichtungen sind verpflichtet, den Interessenausgleich zwischen wissenschaftlicher Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Interessen sicherzustellen.

Geistiges Eigentum und Patentrecht

Wissenschaftliche Forschungsergebnisse können schutzfähige Erfindungen darstellen und unter das Patentrecht (Patentgesetz – PatG) oder das Gebrauchsmusterrecht fallen. Bei Diensterfindungen im Hochschulbereich gelten besondere Regelungen gemäß dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG), welche Rechte und Pflichten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Hochschulen festlegen.

Internationale und supranationale Rechtsbezüge

Die Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Forschung werden durch internationale Abkommen und EU-Richtlinien ergänzt. Forschungsfreiheit, Ethikstandards und der Umgang mit personenbezogenen Daten sind in europäischen und weltweiten Konventionen, wie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art. 13), geregelt.

Zusammenfassung

Wissenschaftliche Forschung ist in Deutschland ein umfassend regulierter und verfassungsrechtlich geschützter Bereich. Sie steht unter dem Vorbehalt der Wissenschaftsfreiheit, die jedoch ihre Schranken an anderen Rechtsgütern und gesetzlichen Regelungen findet. Neben den zentralen Vorschriften zum Datenschutz, Urheberrecht, Ethikrecht und Patentschutz sind besondere Vorgaben für geförderte und drittmittelfinanzierte Forschung relevant. Die bestehende Rechtsordnung gewährleistet sowohl die Sicherung wissenschaftlicher Erkenntnis als auch den Schutz persönlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Interessen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Durchführung wissenschaftlicher Forschung in Deutschland?

Die Durchführung wissenschaftlicher Forschung in Deutschland unterliegt einer Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen, die sich aus europäischen, bundesrechtlichen sowie landesrechtlichen Vorschriften zusammensetzen. Zentrale Normen sind insbesondere das Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 GG – Wissenschaftsfreiheit), Datenschutzgesetze (z. B. DSGVO und BDSG), das Urheberrecht sowie spezielle Gesetze wie das Gentechnikgesetz oder das Arzneimittelgesetz, je nach Forschungsbereich. Auch arbeitsrechtliche, vertragsrechtliche und haftungsrechtliche Vorschriften sind zu beachten. Forschungsprojekte, die personenbezogene Daten verarbeiten, müssen datenschutzrechtliche Vorgaben erfüllen, während bei klinischen Studien ethische Abstimmungen sowie eine Genehmigung durch Ethikkommissionen und ggf. zuständige Behörden verpflichtend sind. Fördermittelgeber, etwa aus der öffentlichen Hand (DFG, EU), verlangen zudem die Einhaltung forschungsethischer Standards und Compliance-Richtlinien, deren Verletzung auch straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben kann.

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen sind bei einer wissenschaftlichen Studie zu beachten?

Bei der Planung und Durchführung wissenschaftlicher Studien, die auf die Verarbeitung personenbezogener Daten abzielen, sind insbesondere die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sowie gegebenenfalls bereichsspezifischer Datenschutzgesetze einzuhalten. Zu den zentralen Pflichten gehören die Erhebung einer wirksamen Einwilligung der Probanden nach Art. 6 und 9 DSGVO, die Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung (DPIA) bei hohem Risiko für die Rechte Betroffener sowie die umfassende Information der Betroffenen nach Art. 13/14 DSGVO über den Zweck, Umfang und die Dauer der Datenverarbeitung. Weiterhin sind technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit zu implementieren (Art. 32 DSGVO) und die Daten dürfen nicht länger als erforderlich gespeichert werden (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Im Falle internationaler Kooperationen sind zudem die Regularien zum Drittstaatentransfer einzuhalten.

Welche Genehmigungen und Zustimmungen sind für medizinische Forschungsprojekte erforderlich?

Medizinische Forschungsprojekte, insbesondere jene am Menschen, setzen regelmäßig eine positive Stellungnahme einer unabhängigen Ethikkommission voraus. Zusätzlich ist für klinische Arzneimittelprüfungen eine Genehmigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erforderlich. Tierversuche bedürfen einer behördlichen Genehmigung nach dem Tierschutzgesetz (§ 8 TierSchG). Weitere Zustimmungserfordernisse können sich aus dem Gendiagnostikgesetz, dem Strahlenschutzgesetz oder aus landesrechtlichen Vorschriften ergeben. Die Einholung der freiwilligen, informierten Einwilligung der Probanden ist stets unabdingbar. Verstöße gegen diese Vorgaben können zu straf- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen führen und zur Unverwertbarkeit der Forschungsergebnisse.

Was muss im Rahmen wissenschaftlicher Publikationen rechtlich beachtet werden?

Bei wissenschaftlichen Publikationen sind neben dem Urheberrecht (Schutz der eigenen und fremden Werke, Übernahme von Zitaten gemäß wissenschaftlicher Praxis und §§ 51, 60a UrhG) auch das Datenschutzrecht, das Persönlichkeitsrecht und relevante Veröffentlichungsvorschriften (embargoed data, Dual Use Regularien) zu berücksichtigen. Die Nutzung fremden Materials wie Bilder, Grafiken oder Datensätze erfordert die Einholung entsprechender Nutzungsrechte. Bei Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen mit Personenbezug ist eine vorherige Anonymisierung oder pseudonymisierte Darstellung sicherzustellen. Forschungsergebnisse, die Patente betreffen, dürfen erst nach erfolgter Anmeldung publiziert werden, da ansonsten die Patentfähigkeit verloren geht („Neuheitsschonung“). Bei drittmittelgeförderten Projekten können zusätzliche Open-Access-Pflichten oder Sperrfristen bestehen.

Unter welchen Bedingungen dürfen Forschungsergebnisse patentiert werden?

Eine Patentierung wissenschaftlicher Ergebnisse ist grundsätzlich möglich, sofern die Erfindung neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist (§§ 1-3 PatG). Forschungsergebnisse, die lediglich die Entdeckung eines wissenschaftlichen Prinzips oder eines Naturstoffes betreffen, sind jedoch nicht patentierbar (§ 1 Abs. 2 und 3 PatG). Die Schutzfähigkeit kann eingeschränkt sein, wenn die Ergebnisse bereits vor Anmeldung veröffentlicht wurden (Neuheitserfordernis). Die Anmeldung erfolgt beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder beim Europäischen Patentamt (EPA). Die Forschungsinstitution oder der Arbeitgeber hat gemäß dem Arbeitnehmererfindungsgesetz Vorrang auf die Anmeldung („Arbeitnehmererfindung“). In medizinischen oder diagnostischen Bereichen gelten zusätzliche Ausschlussgründe.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei Vortäuschung oder Fälschung von Forschungsergebnissen?

Die Vortäuschung (Fabrication), Verfälschung (Falsification) oder das Plagiieren (Plagiarism) von Forschungsergebnissen stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die rechtlichen und ethischen Gebote der guten wissenschaftlichen Praxis dar. Je nach Schwere der Tat können arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zur fristlosen Kündigung, der Entzug akademischer Titel, der Ausschluss aus wissenschaftlichen Verbänden sowie zivilrechtliche Haftungsansprüche eintreten. Strafrechtlich können insbesondere Tatbestände wie Betrug (§ 263 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder Urheberrechtsverstöße (§ 106 UrhG) relevant werden. Fördergelder können zurückgefordert werden und der wissenschaftliche Ruf wird nachhaltig und meist irreparabel geschädigt.

Welche Besonderheiten gelten beim geistigen Eigentum im Rahmen von Kooperationsprojekten?

Bei Kooperationsprojekten, etwa zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen, ist das geistige Eigentum (Intellectual Property, IP) vorab vertraglich zu regeln. Wichtige Aspekte sind u.a. die Rechte an Forschungsergebnissen (Erfindungen, Patente, Urheberrechte), die Verwertung (z.B. Lizenzen), die Veröffentlichungspflichten sowie Geheimhaltungsvorschriften. Konsortialverträge sollten genau regeln, wem welche Rechte an neu entstehenden Ergebnissen zustehen und wie bestehende Schutzrechte („Background IP“) genutzt werden dürfen. Ohne explizite Regelungen bleibt es bei der gesetzlichen Zuweisung z. B. nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz oder § 43 UrhG. Verstöße können zu Unterlassungs-, Schadensersatz- und ggf. strafrechtlichen Ansprüchen führen.