Legal Lexikon

Folter


Definition und Rechtsnatur von Folter

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder von einer dritten Person eine Auskunft oder ein Geständnis zu erhalten, sie zu bestrafen, einzuschüchtern, zu nötigen oder aus einem diskriminierenden Grund. Folter wird in zahlreichen internationalen und nationalen Rechtsnormen ausdrücklich verboten und stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte dar.

Anders als andere menschenunwürdige oder grausame, unmenschliche beziehungsweise erniedrigende Behandlung ist Folter durch ein gezieltes, mit besonderer Intensität verbundenes Leidenszufügen gekennzeichnet. Daraus ergibt sich eine besonders gravierende moralische und strafrechtliche Bewertung.


Völkerrechtliche Grundlagen des Folterverbots

Allgemeines Folterverbot im Völkerrecht

Das Folterverbot zählt im Völkerrecht zu den sogenannten zwingenden Normen (sogenanntes ius cogens). Dieses absolute Verbot kann durch keine Verfahrensvorschrift oder staatliche Maßnahme eingeschränkt werden und gilt selbst in Ausnahmesituationen wie Kriegen, inneren Unruhen oder bei Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit ausnahmslos.

Wichtige völkerrechtliche Vertragstexte

  • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948): Artikel 5 verbietet Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.
  • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ICCPR): Artikel 7 enthält das ausdrückliche Folterverbot.
  • UN-Antifolterkonvention (CAT, 1984): Die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe definiert Folter und legt weitreichende Verpflichtungen für die Vertragsstaaten fest.
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950): Artikel 3 verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Definition von Folter nach UN-Antifolterkonvention (CAT)

Artikel 1 der CAT definiert Folter als:

„Jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr oder einer dritten Person Informationen oder ein Geständnis zu erhalten, sie zu bestrafen, für eine von ihr oder einer dritten Person begangene oder verdächtigte Handlung, sie einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem Grund, der auf einer Diskriminierung irgendeiner Art beruht, sofern solche Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden.“

Die Definition umfasst somit folgende Kernelemente:

  • Zufügung erheblicher körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden
  • Vorsätzlichkeit
  • Bestimmte Zielsetzung (Geständniserlangung, Bestrafung, Einschüchterung, Diskriminierung)
  • Beteiligung oder Billigung einer Amtsperson

Folterverbot im deutschen Recht

Verfassungsrechtliche Verankerung

Das absolute Folterverbot ist im deutschen Grundgesetz verankert. Artikel 1 Abs. 1 GG garantiert die Unantastbarkeit der Menschenwürde, während Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt.

Artikel 104 Abs. 1 Satz 2 GG konkretisiert:

„Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden.“

Einfachgesetzliche Regelungen

Im Strafgesetzbuch ist Folter nicht als eigenständiger Straftatbestand geregelt, jedoch umfasst das deutsche Strafrecht zahlreiche Vorschriften, die Folterhandlungen unter Strafe stellen, insbesondere:

  • § 340 StGB – Körperverletzung im Amt
  • § 343 StGB – Aussageerpressung
  • § 223 ff. StGB – Körperverletzungsdelikte
  • § 239 ff. StGB – Freiheitsberaubung und Nötigung
  • § 240a StGB – Zwang

Diese Vorschriften ermöglichen eine umfassende Ahndung von Folterhandlungen.

Rechtsprechung zum Folterverbot

Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben wiederholt betont, dass das Folterverbot uneingeschränkt und ausnahmslos gilt. Einzelfallentscheidungen, wie beispielsweise das Urteil im sogenannten „Fall Daschner“ (Frankfurter Kindesentführungsfall), verdeutlichen, dass auch zur Rettung von Menschenleben keine Ausnahmen vom Folterverbot vertretbar sind.


Folterverbot im internationalen Strafrecht

Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Folter wird nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen eingestuft. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit betrifft nicht nur die unmittelbaren Täter, sondern auch Befehlshaber, Mitwisser und Anstifter.

Grundsatz der Weltrechtspflege

Das Folterverbot besitzt im internationalen Recht nach der sogenannten Weltrechtsordnung (universelle Jurisdiktion) Geltung: Staaten können Folter unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters und des Opfers sowie des Tatorts verfolgen.


Rechtliche Folgen von Folterhandlungen

Staatliche Verantwortlichkeit

Verübt ein Staat oder seine Organe Folter, besteht eine internationale Verantwortlichkeit. Opfer von Folter haben Ansprüche auf wirksame Beschwerdemechanismen, unabhängige Untersuchungen, angemessene Entschädigung und Rehabilitierung.

Unzulässigkeit von Beweismitteln

Aussagen oder Geständnisse, die unter Folter oder anderer unzumutbarer Behandlung zustande gekommen sind, dürfen in Straf- und Verwaltungsverfahren nicht verwertet werden. Dies ist ein elementarer Bestandteil eines fairen Verfahrens.

Verjährung und Strafverfolgung

Viele Staaten sehen für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folter keine oder verlängerte Verjährungsfristen vor. Das Ziel ist die nachhaltige Durchsetzung des Folterverbots und die Verhinderung von Straflosigkeit.


Unterschied zwischen Folter und anderen unmenschlichen Behandlungsarten

Nicht jede grausame oder unmenschliche Behandlung erfüllt den Tatbestand der Folter. Abgrenzungskriterien sind zum einen die Intensität des Leidens und zum anderen die Motivation sowie die Beteiligung amtlicher Stellen. Während Folter stets einen besonderen Schweregrad und eine bestimmte Zweckbestimmung voraussetzt, werden minderschwere Formen als „unmenschliche“ oder „erniedrigende“ Behandlung bezeichnet, die jedoch ebenso verboten sind.


Prävention und Bekämpfung von Folter

Institutionelle Kontrollen

Zur Verhinderung von Folter setzen viele Staaten und internationale Organisationen auf unabhängige Kontrollinstanzen, beispielsweise den Nationalen Präventionsmechanismus nach dem Zusatzprotokoll zur UN-Antifolterkonvention (OPCAT), regelmäßige Inspektionen von Haftanstalten und Ausbildung von Sicherheitskräften.

Internationale Überwachung

Der UN-Ausschuss gegen Folter überwacht die Einhaltung der Konvention. Durch Staatenberichtsverfahren, individuelle Beschwerdemechanismen und Untersuchungen reagiert der Ausschuss auf Verletzungen und gibt Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzes vor Folter.


Zusammenfassung und rechtliche Bewertung

Das Folterverbot stellt weltweit einen unverzichtbaren Kernbestand der Menschenrechte dar und genießt in sämtlichen Rechtsordnungen sowie im Völkerrecht höchsten Schutz. Die umfassenden Vorschriften und Kontrollen auf internationaler und nationaler Ebene dienen dem Schutz der Menschenwürde und der individuellen Freiheit. Für Staat und Gesellschaft ergibt sich daraus eine vorrangige Verpflichtung, Folter unter allen Umständen zu verhindern, aufzuklären und zu ahnden.


Siehe auch:

Weiterführende Literatur:

  • Nowak/McArthur: The United Nations Convention Against Torture: A Commentary
  • Ambos: Internationale Strafgerichtsbarkeit – Grundlagen und Praxis des Völkerstrafrechts

Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information zu rechtlichen Grundlagen des Folterverbots.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt eine Handlung rechtlich als Folter und welche rechtlichen Standards müssen erfüllt sein?

Im rechtlichen Kontext wird eine Handlung als Folter eingestuft, wenn sie vorsätzlich einer Person erhebliche körperliche oder geistige Schmerzen oder Leiden zufügt, insbesondere mit dem Ziel, von dieser oder einer dritten Person eine Aussage, ein Geständnis oder Informationen zu erlangen, sie zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem auf Diskriminierung beruhenden Grund. Maßgebend für die Einordnung ist unter anderem die Definition gemäß Artikel 1 der UN-Antifolterkonvention (CAT, Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe). Die einzelnen Tatbestände werden in zahlreichen völkerrechtlichen Abkommen und nationalen Strafgesetzen weiter konkretisiert. Es müssen dabei vier Kernelemente vorliegen: (1) Intensive physische oder psychische Schmerzen/Leiden, (2) eine vorsätzliche Handlung, (3) ein spezifischer Zweck (wie Informationsgewinnung, Bestrafung, Einschüchterung, Diskriminierung) und (4) staatliches Handeln oder zumindest Billigung bzw. Duldung durch Amtsträger oder Personen in amtlicher Funktion. Damit sind Handlungen durch Privatpersonen ohne staatliche Billigung in der Regel nicht als Folter im engeren rechtlichen Sinne einzustufen.

Welche internationalen Abkommen verbieten Folter und wie werden sie durchgesetzt?

Folter ist völkerrechtlich kategorisch verboten. Zentrale internationale Abkommen sind die UN-Antifolterkonvention (CAT) von 1984 sowie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR, Artikel 7). Bereits Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR, 1948) enthält ein Folterverbot, ebenso wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK, Art. 3) und die Europäische Antifolterkonvention. Durch die Ratifizierung dieser Abkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten zu legislativen, administrativen und justiziellen Maßnahmen zur Bekämpfung von Folter. Die Umsetzung wird durch Kontrollorgane wie den UN-Ausschuss gegen Folter (CAT Committee) oder den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter (CPT) überwacht, die regelmäßige Berichte der Staaten prüfen und Beschwerden von Opfern entgegennehmen können. Zusätzlich existiert in vielen Staaten ein Verbotsgesetz mit eigenem Straftatbestand gegen Folter.

Ist das Folterverbot absolut oder gibt es rechtliche Ausnahmen?

Das Folterverbot ist im internationalen Recht absolut und erlaubt keinerlei Ausnahmen oder Einschränkungen, gleich unter welchen Umständen. Dies ist als sogenanntes „ius cogens“-Norm anerkannt, das heißt, es handelt sich um eine zwingende Vorschrift des Völkerrechts, von der nicht durch Verträge oder Gesetze abgewichen werden darf. Artikel 2 Abs. 2 der UN-Antifolterkonvention stellt ausdrücklich klar, dass kein außergewöhnlicher Umstand – weder Krieg, politischer Instabilität oder ein öffentlicher Notstand – zur Rechtfertigung von Folter herangezogen werden kann. Dieses absolute Verbot wird durch völkerrechtliche Gerichtshöfe, wie etwa den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), strikt ausgelegt.

Wie werden Täter von Folter international strafrechtlich verfolgt?

Folter gilt als internationales Verbrechen und kann nach dem Weltrechtsprinzip (universelle Jurisdiktion) von jedem Staat strafrechtlich verfolgt werden, unabhängig von Tatort und Nationalität der Beteiligten. Rechtsgrundlage hierfür ist insbesondere Artikel 5 der UN-Antifolterkonvention, der Vertragsstaaten zur Einführung von Strafbestimmungen gegen Folter und zur Strafverfolgung oder Auslieferung von mutmaßlichen Tätern verpflichtet. Außerdem zählt Folter zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH). Auch regionale Gerichtsinstanzen wie der EGMR können individuelle Staaten wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilen und Opfern Entschädigung zusprechen.

Welche Schutzmechanismen existieren für mutmaßliche Opfer von Folter?

Zum Schutz potenzieller Opfer von Folter existieren zahlreiche rechtliche und institutionelle Mechanismen. Staaten sind verpflichtet, für die Verhinderung, Untersuchung und Ahndung von Foltervorwürfen zu sorgen. Dazu gehören Zugang zu unabhängigen Beschwerdemechanismen, gerichtlicher Rechtsschutz, Einrichtung von nationalen Präventionsmechanismen (wie dem „Nationalen Präventionsmechanismus“ nach dem Zusatzprotokoll zur CAT), medizinische Untersuchung und Dokumentation sowie Schutz vor Repressalien für Anzeigende. Die UN-Antifolterkonvention verpflichtet Staaten auch zur Unterrichtung von Opfern über ihre Rechte und zur Bereitstellung von Entschädigungs- und Rehabilitationsmaßnahmen.

Welche Beweisanforderungen gelten bei Foltervorwürfen im rechtlichen Verfahren?

Im rechtlichen Verfahren gelten grundsätzlich die allgemeinen Beweisregeln des jeweiligen nationalen oder internationalen Rechtssystems, jedoch werden bei Foltervorwürfen oftmals Beweiserleichterungen zugunsten der Geschädigten angewendet, insbesondere wenn sich die Taten in staatlichem Gewahrsam zugetragen haben. So können nach der Rechtsprechung zum Beispiel des EGMR bereits glaubhafte Behauptungen und Indizienbeweise ausreichen, um die Umkehr der Beweislast auszulösen. In solchen Fällen muss dann der Staat nachweisen, dass es nicht zu Folter gekommen ist bzw. die Verletzungen nicht auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen sind. Die Istanbul-Protokolle geben detaillierte Leitlinien zur Dokumentation und forensischen Beweissicherung im Zusammenhang mit Folter.