Begriff und Definition der Flugzeugentführung
Eine Flugzeugentführung, auch als Luftpiraterie oder Hijacking bezeichnet, ist die unbefugte und widerrechtliche Inbesitznahme oder Kontrolle eines zivilen oder militärischen Flugzeugs während des Betriebs durch Gewaltanwendung, Drohungen oder andere Zwangsmittel. Im rechtlichen Sinne stellt die Flugzeugentführung eine erhebliche Straftat dar, die sowohl nationale als auch internationale Vorschriften und Abkommen tangiert. Sie unterscheidet sich von anderen Formen der Luftfahrtkriminalität durch den gezielten Eingriff in die Befehlsgewalt über das Flugzeug und die Gefährdung von Passagieren, Besatzung und öffentlicher Sicherheit.
Historische Entwicklung der strafrechtlichen Ahndung
Die ersten Fälle von Flugzeugentführungen traten im 20. Jahrhundert mit der Entwicklung der zivilen Luftfahrt auf. Die zunehmende Zahl solcher Delikte führte dazu, dass sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene spezielle rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen wurden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Insbesondere nach den Entführungswellen der 1960er und 1970er Jahre wurde das Thema rechtlich intensiv bearbeitet.
Nationale Strafgesetze
Deutschland
In Deutschland stellt die Flugzeugentführung eine schwere Straftat dar. Das Strafgesetzbuch (StGB) behandelt diese im § 316c (Angriff auf den Luftverkehr). Dieser Paragraph unterscheidet verschiedene Tathandlungen und sieht Freiheitsstrafen für den Versuch und die Vollendung der Tat vor. Auch Vorbereitungshandlungen sind strafbar. Zudem werden qualifizierte Tatbestände mit erhöhtem Strafmaß erfasst, wenn beispielsweise Todesfälle oder erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit entstehen.
§ 316c StGB – Angriff auf den Luftverkehr
- Wer ein Luftfahrzeug in seiner Gewalt bringt oder seine Inbetriebnahme ganz oder zum Teil verhindert, indem er Gewalt anwendet oder droht, schwere Gewalt anzuwenden, wird bestraft.
- Versuch und Vorbereitung sind strafbar.
Neben dem StGB ergänzen Luftverkehrsgesetz (LuftVG) und andere sicherheitsrechtliche Vorschriften den Schutz der Luftfahrt vor widerrechtlichen Eingriffen.
Österreich
Das österreichische Strafgesetzbuch regelt die Flugzeugentführung unter § 185 StGB als „Luftpiraterie”. Dabei wird ausdrücklich auf die unbefugte Inbesitznahme eines Luftfahrzeuges, insbesondere durch Drohung oder Gewaltanwendung, abgestellt.
Schweiz
In der Schweiz enthält das Strafgesetzbuch in Art. 183 Strafnormen zur Luftpiraterie. Auch hier steht die rechtswidrige Inbesitznahme oder Kontrolle eines Luftfahrzeugs im Mittelpunkt, wobei die Drohung oder Anwendung von Gewalt relevante Merkmale sind.
Internationales Recht und Übereinkommen
Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters von Flugzeugentführungen und der internationalen Bedeutung der Luftfahrt war frühzeitig die Schaffung internationaler Übereinkommen geboten.
Haager Übereinkommen zur Bekämpfung der rechtswidrigen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (1970)
Das Haager Übereinkommen (1970) bildet eine der grundlegenden internationalen Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der Flugzeugentführung. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Luftpiraterie als schwere Straftat zu verfolgen und die Täter zu bestrafen oder auszuliefern („aut dedere aut iudicare”-Prinzip).
Montrealer Übereinkommen zur Bekämpfung rechtswidriger Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (1971)
Dieses Übereinkommen ergänzt das Haager Abkommen und enthält Bestimmungen sowohl zur Flugzeugentführung als auch zu anderen Delikten gegen die Sicherheit der Luftfahrt, wie Sabotage.
Zusatzprotokolle und weitere Abkommen
Ergänzende Regelungen finden sich in Protokollen zur Stärkung der Strafverfolgung und internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Luftsicherheit. Die ICAO (International Civil Aviation Organization) koordiniert Maßnahmen, Vorschriften und Sicherheitsstandards im internationalen Rahmen.
Strafverfolgung und Zuständigkeit
Prinzip der universellen Strafverfolgung
Flugzeugentführung gilt weltweit als besonders gravierende Straftat, was sich in einer universellen Strafverfolgungskompetenz äußert. Staaten sind gemäß internationaler Abkommen verpflichtet, Täter auch unabhängig von Tatort, Staatsangehörigkeit oder Registrierung des Flugzeugs zu verfolgen oder auszuliefern.
Auslieferung und Rechtshilfe
Die internationale Zusammenarbeit umfasst weitreichende Bestimmungen zur Auslieferung und zur gegenseitigen Rechtshilfe. Die Vertragsstaaten sind angehalten, bei Ermittlungen und Strafverfolgung kooperativ zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen.
Konkrete rechtliche Folgen bei Flugzeugentführung
Strafmaß und Sanktionen
Das Strafmaß reicht je nach Land und Tathergang von mehrjährigen Freiheitsstrafen bis hin zu lebenslanger Haft. Besondere Schwere liegt vor, wenn bei der Entführung Menschen ums Leben kommen oder die Gefahr einer Katastrophe für die allgemeine Öffentlichkeit besteht. In manchen Staaten ist der Strafrahmen aufgrund besonderer Gefährdungslagen noch weiter erhöht.
Nebenstrafen und sekundäre Rechtsfolgen
Neben Freiheitsstrafen können weitere Sanktionen wie der Entzug von Lizenzen, Berufsverbot oder Eintragungen ins Strafregister verhängt werden. Ebenso sind zivilrechtliche Schadensersatzansprüche durch betroffene Passagiere oder Fluggesellschaften möglich.
Prävention und Luftsicherheitsmaßnahmen
Aufgrund der gravierenden rechtlichen und praktischen Folgen werden weltweit umfangreiche organisatorische, technische und personelle Maßnahmen zur Prävention von Flugzeugentführungen umgesetzt. Hierzu gehören Sicherheitsscans, Kontrollen, Einsatz von Sky Marshals, sowie internationale Standards zur Zugangskontrolle an Flughäfen und zum Schutz von Cockpit-Türen.
Flugzeugentführung als völkerrechtliches Delikt
Neben dem strafrechtlichen Charakter gilt die Flugzeugentführung im Sinne internationaler Verträge auch als völkerrechtliches Delikt. Der Angriff auf die zivile Luftfahrt stellt zugleich einen Angriff auf die Interessen der internationalen Gemeinschaft dar. Dies spiegelt sich in entsprechenden Resolutionen der Vereinten Nationen und Ausschüssen der ICAO wider, die Maßnahmen gegen Flugzeugentführung als bindend für die Staaten ansehen.
Zusammenfassung
Die Flugzeugentführung ist ein komplexes Delikt, das auf verschiedenen Ebenen umfassend geregelt wird. Durch zahlreiche internationale und nationale Gesetze, Übereinkommen und Präventionsmaßnahmen ist der Schutz der Luftfahrt vor widerrechtlicher Inbesitznahme eines Flugzeugs als zentrales Anliegen von Staaten und der internationalen Gemeinschaft fest etabliert. Die Strafverfolgung ist von hoher Priorität, die internationale Kooperation und das Prinzip der universellen Strafverfolgung stellen effektive Instrumente gegen die Flugzeugentführung dar. Die rechtlichen Konsequenzen für Täter sind gravierend und werden durch vielfältige präventive Maßnahmen flankiert, um die Sicherheit in der Luftfahrt nachhaltig zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Flugzeugentführung nach deutschem Recht?
Eine Flugzeugentführung ist nach deutschem Recht ein besonders schweres Verbrechen und wird gemäß § 316c Strafgesetzbuch (StGB) als “Angriff auf den Luftverkehr” verfolgt. Bereits der Versuch, die Herrschaft über ein Luftfahrzeug zu erlangen, gilt als strafbar. Ist die Entführung erfolgreich, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vor. Kommt es durch die Tat zu einer Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen oder gar zu Todesfällen, sieht das Gesetz im Extremfall eine lebenslange Freiheitsstrafe vor. Neben dem Täter können auch Gehilfen oder Mittäter im gleichen Maße zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Taten auch nach internationalen Übereinkommen verfolgt werden, was die Auslieferung oder Strafverfolgung in mehreren Ländern ermöglicht.
Sind internationale Übereinkommen zu Flugzeugentführungen für Deutschland bindend?
Ja, Deutschland hat zentrale internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Flugzeugentführung ratifiziert. Zu den wichtigsten zählen das Haager Abkommen (1970) zur Bekämpfung unrechtmäßiger Inbesitznahme von Luftfahrzeugen und das Montrealer Übereinkommen (1971) zur Bekämpfung unrechtmäßiger Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt. Diese Verträge verpflichten Deutschland, die Strafverfolgung auch dann sicherzustellen, wenn die Tat im Ausland begangen wurde, sofern der Täter sich im Geltungsbereich der Bundesrepublik befindet. Das bedeutet, dass eine Flugzeugentführung in vielen Fällen zwingend von deutschen Behörden verfolgt werden muss, unabhängig vom Tatort.
Wie ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei einer internationalen Flugzeugentführung geregelt?
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Flugzeugentführung richtet sich nach verschiedenen Anknüpfungspunkten im Strafgesetzbuch (§§ 3 ff. StGB). Eine Strafbarkeit besteht, wenn sich das Tatgeschehen im deutschen Luftraum ereignet oder das betroffene Flugzeug in Deutschland registriert ist. Ferner sind deutsche Gerichte auch bei einer internationalen Tat zuständig, sofern der Täter ein Deutscher ist oder sich nach der Tat in Deutschland aufhält. Darüber hinaus begründet das Völkerrecht eine erweiterte Zuständigkeit, da Flugzeugentführungen als völkerrechtliches Verbrechen eingestuft sind, das weltweit verfolgt werden kann.
Welche besonderen strafprozessualen Maßnahmen können im Verdachtsfall einer Flugzeugentführung ergriffen werden?
Im Verdacht einer drohenden oder vollendeten Flugzeugentführung greifen besondere strafprozessuale Maßnahmen des Gefahrenabwehr- und Strafverfahrensrechts. Zu diesen zählen die Überwachung von Telekommunikation, Observation, internationale Fahndungsmaßnahmen sowie die Koordinierung mit Interpol und Europol. Im Rahmen des Luftsicherheitsgesetzes können zudem besonders weitgehende präventive Maßnahmen wie das Verbot des Flugzeugstarts oder die Erzwingung einer Notlandung angeordnet werden. Die Maßnahmen sind durch richterlichen Beschluss zu legitimieren, außer in akuten Notfällen, in denen Gefahr in Verzug besteht.
Können Entführer bei einer Flugzeugentführung auch wegen anderer Delikte belangt werden?
Neben dem eigentlichen Delikt der Flugzeugentführung kommen regelmäßig weitere Straftatbestände zur Anwendung, sofern entsprechende Tathandlungen vorliegen. Dazu gehören etwa Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), Körperverletzung (§ 223 StGB oder schwerere Varianten), Geiselnahme (§ 239b StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Erpressung (§ 253 StGB) und im schlimmsten Fall Mord (§ 211 StGB). Das Gericht kann in solchen Fällen Tateinheit oder Tatmehrheit annehmen, wodurch sich die mögliche Gesamtstrafe deutlich erhöht.
Gibt es in Deutschland Möglichkeiten zur Strafmilderung bei Flugzeugentführung?
Grundsätzlich ist eine Strafmilderung in besonders schweren Fällen von Flugzeugentführung ausgeschlossen, außer das Gesetz sieht ausdrücklich eine Milderung vor, etwa bei Reue, tätiger Reue oder wenn der Täter aktiv zur Beendigung der Geisellage beiträgt (§ 46b StGB, Kronzeugenregelung). Das Gericht kann dann im Rahmen der gesetzlichen Regelungen die Strafe mildern, wenn der Täter maßgeblich zur Aufklärung der Tat oder zur Rettung der Opfer beiträgt, aber dies ist stets eine Einzelfallentscheidung und erfordert detaillierte Würdigung der Umstände.
Inwieweit besteht für Flugzeugentführte Anspruch auf Entschädigung?
Opfer einer Flugzeugentführung können unter bestimmten Umständen Ersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den oder die Täter geltend machen (§ 823 BGB). Parallel dazu sieht das Opferentschädigungsgesetz (OEG) Leistungen für Opfer von Gewaltverbrechen vor, sofern sie sich zum Tatzeitpunkt im deutschen Hoheitsgebiet befanden oder anderweitig ein Anknüpfungspunkt für das deutsche Recht besteht. Die tatsächliche Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist allerdings in vielen Fällen davon abhängig, ob die Täter überhaupt über entsprechende Mittel verfügen.