Begriff und rechtliche Definition von Flüchtlingen
Der Begriff „Flüchtlinge” bezeichnet im rechtlichen Kontext Personen, die aufgrund von Verfolgung, gravierenden Gefahren oder allgemeinen Menschenrechtsverletzungen gezwungen sind, ihr Herkunftsland zu verlassen. Die Anerkennung und der Schutz von Flüchtlingen sind Gegenstand nationaler und internationaler Rechtsnormen, die insbesondere durch das internationale Flüchtlingsrecht, das Asylrecht und menschenrechtliche Vorgaben geprägt sind.
Internationale Rechtsgrundlagen
Genfer Flüchtlingskonvention
Die maßgebliche völkerrechtliche Norm ist die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (GFK) samt ihrem Protokoll von 1967. Nach Artikel 1 der GFK ist eine Person Flüchtling, die
„…aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt… und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.”
Das Protokoll von 1967 hat die zuvor bestehende zeitliche und geografische Begrenzung der Konvention aufgehoben.
Weitere internationale Regelungswerke
Neben der GFK existieren regionale Verträge, z. B. die Konvention der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) von 1969 sowie die Cartagena-Erklärung von 1984 für Lateinamerika, die den Schutzbereich für Flüchtlinge teilweise erweitern.
Definition durch das Völkergewohnheitsrecht
Die Definition der GFK spiegelt sich weitestgehend im Völkergewohnheitsrecht wider und findet dementsprechend auch außerhalb der Konventionsstaaten Anwendung.
Europarechtliche Vorgaben
Qualifikationsrichtlinie
Die maßgebliche europäische Regelung zur Zuerkennung und zum Status von Flüchtlingen stellt die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) dar. Die Richtlinie definiert den Flüchtlingsbegriff in Anlehnung an die GFK, erweitert ihn jedoch hinsichtlich bestimmter Gruppen und nationalen Umsetzungsmöglichkeiten.
Grundrechtecharta und Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie die Europäische Menschenrechtskonvention enthalten Regelungen über Schutz vor Abschiebung bei drohender Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 4 GRC, Art. 3 EMRK). Diese Vorschriften haben besondere Bedeutung im Verfahren und beim Schutz von Flüchtlingen und Schutzsuchenden.
Deutsches Asyl- und Aufenthaltsrecht
Definition im deutschen Recht
Im nationalen Kontext erfolgt die Umsetzung des Flüchtlingsschutzes durch das Asylgesetz (AsylG), das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sowie das Grundgesetz (GG).
Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG)
Eine Person erhält in Deutschland die Flüchtlingseigenschaft, wenn sie die Voraussetzungen gemäß § 3 AsylG erfüllt. Diese Bestimmung nimmt ausdrücklich Bezug auf die GFK. Vorausgesetzt werden drohende Verfolgung wegen „Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe”.
Abgrenzung zu Asylberechtigten (Art. 16a GG)
Neben der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK existiert im Grundgesetz das Grundrecht auf Asyl (Art. 16a GG). Die Reichweite dieses Grundrechts ist gegenüber dem Flüchtlingsschutz nach der GFK enger und an zusätzliche Voraussetzungen gebunden (z. B. keine Einreise aus einem sicheren Drittstaat).
Subsidiärer Schutz
Nicht jeder schutzsuchende Mensch erfüllt die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft. Wird die individuelle Verfolgungsgefahr nicht festgestellt, kann nach § 4 AsylG subsidiärer Schutz gewährt werden. Hierunter fällt der Schutz vor ernsthaftem Schaden wie Todesstrafe, Folter oder erheblicher Gefahr für Leib und Leben infolge von willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts.
Rechte und Pflichten von Flüchtlingen
Im Zuge der Anerkennung als Flüchtling ergeben sich aus dem Aufenthaltsgesetz wesentliche Rechte und Pflichten, beispielsweise das Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG), Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Anspruch auf Familiennachzug unter bestimmten Voraussetzungen.
Ausschlussgründe und Beendigung des Flüchtlingsstatus
Es bestehen sowohl nach der GFK (Art. 1 F, Art. 33 Abs. 2 GFK) als auch nach nationalem Recht Ausschluss- und Widerrufsgründe, etwa bei Verübung schwerer Straftaten oder Wegfall der Schutzgründe durch veränderte Verhältnisse im Herkunftsstaat.
Verfahrensrechtliche Aspekte
Asylverfahren
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft alle entscheidungserheblichen Voraussetzungen und differenziert dabei zwischen Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärem Schutz und nationalen Abschiebungsverboten.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen ablehnende Entscheidungen stehen dem Betroffenen Rechtsbehelfe (Widerspruch, Klage vor dem Verwaltungsgericht) offen. Während des gerichtlichen Verfahrens können aufschiebende Wirkungen, einstweilige Anordnungen und vertiefte rechtliche Prüfungen relevant werden.
Abgrenzung zu anderen Schutzformen
Kontingentflüchtlinge, Resettlement und humanitärer Status
Neben dem individuellen Flüchtlingsschutz gibt es Formen des Gruppen- oder Kontingentschutzes (z. B. nach § 23 AufenthG). Weiterhin werden humanitäre Aufenthaltstitel z. B. bei schwerer Krankheit oder schweren humanitären Notsituationen (§ 22, § 25 Abs. 4, 5 AufenthG) vergeben.
Staatenlose und Binnenvertriebene
Staatenlose Personen unterfallen besonderen Schutzvorschriften gemäß Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954. Binnenvertriebene (IDPs – Internally Displaced Persons) fallen regelmäßig nicht unter die GFK, da sie sich innerhalb ihres Herkunftslandes befinden.
Verpflichtungen und Verantwortung der Aufnahmestaaten
Die Vertragsstaaten der GFK und weiterer relevanter Konventionen sind verpflichtet, Flüchtlingen einen effektiven Schutz zu gewähren, Abschiebung in Gefahrensituationen (Non-Refoulement-Grundsatz, Art. 33 GFK) zu unterlassen und einen Mindeststandard bei Rechten und sozialer Teilhabe sicherzustellen.
Schlussbemerkung
Die Definition und der Status von Flüchtlingen sind komplexen, vielschichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen, die von internationalen Verpflichtungen über europarechtliche Regelungen bis hin zum nationalen Verfahrens- und Aufenthaltsrecht reichen. Die jeweiligen Schutzrechte und Pflichten bestimmen sich nach den individuell anwendbaren Bestimmungen, wobei der Humanität und der Schutzfunktion im Lichte der Menschenrechte stets eine zentrale Rolle zukommt.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Flüchtlinge für die Anerkennung als Asylberechtigte in Deutschland erfüllen?
Um in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt zu werden, müssen Flüchtlinge gemäß Artikel 16a des Grundgesetzes und auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention sowie des Asylgesetzes nachweisen, dass sie aufgrund von politischer Verfolgung in ihrem Herkunftsland gefährdet sind. Voraussetzung ist zunächst die individuelle Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen politischer Überzeugung. Der Antragsteller muss glaubhaft machen, dass bei einer Rückkehr in das Heimatland eine ernsthafte Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wird nur dann anerkannt, wenn der Staat, internationale Organisationen oder Parteien, die das Land beherrschen, keinen ausreichenden Schutz gewährleisten können. Der Asylantrag wird im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geprüft, wobei eine individuelle Anhörung erfolgt. Personen, die aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat stammen oder über einen sicheren Drittstaat eingereist sind, unterliegen gemäß § 29 AsylG weiteren Einschränkungen.
Welche Rechte und Pflichten haben Flüchtlinge während des laufenden Asylverfahrens?
Während des laufenden Asylverfahrens haben Flüchtlinge das Recht auf Schutz vor Abschiebung (sogenanntes Abschiebungsverbot) und Anspruch auf Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen. Sie erhalten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, darunter Unterkunft, medizinische Versorgung und ein Taschengeld. Die Bewegungsfreiheit kann in den ersten Monaten auf das Bundesland beziehungsweise den Zuständigkeitsbereich der Aufnahmeeinrichtung beschränkt sein (Residenzpflicht, § 56 AsylG). Flüchtlinge sind verpflichtet, an Anhörungen teilzunehmen, ihre Identität offenzulegen und erforderliche Dokumente vorzulegen. Zudem dürfen sie im Regelfall in den ersten Monaten keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, außer es liegt eine ausdrückliche Genehmigung der Ausländerbehörde oder des BAMF vor.
Was geschieht rechtlich nach der Ablehnung eines Asylantrags?
Wird ein Asylantrag abgelehnt, erhält der Antragsteller einen ablehnenden Bescheid mit entsprechender Begründung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Gegen die Entscheidung können innerhalb einer bestimmten Frist Rechtsmittel eingelegt werden, in der Regel durch eine Klage beim Verwaltungsgericht. Die Frist beträgt je nach Entscheidung zwischen einer und zwei Wochen (§ 74 AsylG). Während des Klageverfahrens kann in bestimmten Fällen ein vorläufiger Rechtsschutz beantragt werden, der eine Abschiebung bis zur Gerichtsentscheidung verhindert. Wird die Klage abgewiesen und sind keine weiteren rechtlichen Schritte mehr möglich, ist der Betroffene verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen. Kommt er dem nicht nach, kann die Ausländerbehörde eine Abschiebung veranlassen. Unter besonderen Umständen, wie etwa gravierende gesundheitliche Probleme, können jedoch Abschiebungsverbote (§ 60 AufenthG) geprüft und ggf. erteilt werden.
Wie unterscheiden sich die verschiedenen Schutzformen für Flüchtlinge?
Im deutschen Recht gibt es drei zentrale Formen des Schutzes für Flüchtlinge: die Asylberechtigung nach Artikel 16a GG, den Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG (im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention) sowie den subsidiären Schutz (§ 4 AsylG). Die Asylberechtigung setzt politische Verfolgung voraus, jedoch wird sie häufig von Drittstaatenregelungen eingeschränkt. Der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention schützt bei Verfolgung aus spezifischen Gründen, auch durch nichtstaatliche Akteure. Der subsidiäre Schutz wird gewährt, wenn eine ernsthafte Gefahr für Leben oder Unversehrtheit, etwa durch Krieg oder Todesstrafe, droht, ohne dass eine individuelle Verfolgung vorliegt. Zusätzlich gibt es nationale Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG), etwa bei gravierenden medizinischen Gründen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben abgelehnte Asylbewerber zur Aufenthaltsverlängerung?
Abgelehnte Asylbewerber haben in bestimmten Fällen die Möglichkeit, ihren Aufenthalt durch andere rechtliche Titel zu sichern. So kann bei Vorliegen schwerwiegender persönlicher oder humanitärer Gründe ein Abschiebungsverbot ausgesprochen werden (§ 60 Abs. 5 und 7 AufenthG). Daneben existiert die sogenannte Duldung (§ 60a AufenthG), die eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung darstellt, beispielsweise bei fehlender Reisefähigkeit, schulpflichtigen Kindern oder fehlenden Passpapieren. Die Duldung begründet jedoch kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Nach mehrjährigem Aufenthalt und besonderer Integrationsleistung besteht in Ausnahmefällen die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 AufenthG) zu beantragen, etwa über die Regelungen zum Bleiberecht. Auch Ausbildungs- oder Beschäftigungsduldungen können unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden.
Welche Auswirkungen hat die Anerkennung als Flüchtling auf den Familiennachzug?
Nach der Anerkennung als Flüchtling genießen anerkannte Personen das Recht auf Familiennachzug gemäß § 29 und §§ 30 ff. AufenthG. Ehepartner, minderjährige ledige Kinder sowie in Ausnahmefällen auch Eltern minderjähriger Flüchtlinge dürfen nachziehen, sofern die familiäre Lebensgemeinschaft bereits vor der Flucht bestand. Der Antrag auf Familiennachzug muss innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung gestellt werden, um Erleichterungen bezüglich Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnraums zu erhalten. Für subsidiär Schutzberechtigte bestehen Einschränkungen; der Nachzug ist auf Einzelfälle beschränkt, bei denen besondere humanitäre Gründe vorliegen. Alle Beteiligten müssen bestimmte Pass- und Visumsvorschriften einhalten, und der Nachzug erfolgt unter Wahrung der Identitätsprüfung durch deutsche Auslandsvertretungen.