Definition und rechtliche Grundlagen der Flexi-Rente
Die Flexi-Rente ist ein Begriff aus dem deutschen Sozialversicherungsrecht, der seit 2017 einen flexibleren Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht. Ziel ist es, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern individuelle Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Beginns, Umfangs und der Ausgestaltung des Rentenbezugs und der Erwerbstätigkeit im höheren Lebensalter zu eröffnen. Die Flexi-Rente ist durch mehrere Gesetzesänderungen geschaffen worden, insbesondere durch das “Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben” (Flexirentengesetz) vom 8. Dezember 2016.
Anwendungsbereich und Grundvoraussetzungen
Kreis der Anspruchsberechtigten
Die Flexi-Rente betrifft primär Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Sie richtet sich an Personen, die die Altersgrenzen für einen Rentenanspruch annähernd erreicht haben oder überschreiten. Anspruchsberechtigt sind sowohl Arbeitnehmer als auch Selbständige, sofern sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert oder freiwillig versichert sind.
Voraussetzungen der Inanspruchnahme
Um von der Flexi-Rente zu profitieren, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dies beinhaltet in der Regel das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze (regulär ab 63 Jahren bei vorgezogener Altersrente mit Abschlägen; ab dem Regelrentenalter – derzeit zwischen 65 und 67 Jahren – ohne Abschläge). Hinzu kommt eine Mindestversicherungszeit, die erfüllt werden muss (die sogenannte allgemeine Wartezeit von fünf Jahren).
Rechtliche Ausgestaltung der Flexi-Rente
Teilrente und Hinzuverdienst (vor und nach Regelaltersgrenze)
Teilrente
Die Möglichkeit, eine Teilrente zu beziehen, besteht bereits seit mehreren Jahren, wurde aber durch die Flexi-Rente neu gestaltet und vereinfacht. Versicherte können eine Teilrente zwischen 10 Prozent und 99,99 Prozent der Vollrente wählen. Die Höhe der Teilrente hängt davon ab, wie viel Erwerbseinkommen neben der Rente bezogen wird.
Hinzuverdienstgrenzen
Vor Erreichen des Regelrentenalters galt bis 2017 eine feste Hinzuverdienstgrenze. Mit Einführung der Flexi-Rente wurde diese Regelung flexibilisiert und gleitend gestaltet. Seitdem können Rentenbeziehende einen jährlichen Hinzuverdienst in beliebiger Höhe erzielen, ohne dass die Rente vollständig entfällt; jedoch wird bei Überschreitung eines Freibetrags (6.300 Euro pro Kalenderjahr bis zum Jahr 2022, danach dynamisch angepasst) der darüber hinausgehende Betrag zu 40 Prozent auf die Teilrente angerechnet. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze können Rentenbeziehende unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass eine Rentenminderung erfolgt.
Beiträge zur Rentenversicherung nach Rentenbeginn
Seit Inkrafttreten der Flexi-Rente leisten Beschäftigte, die vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze eine Altersrente beziehen und weiterhin arbeiten, weiterhin Beiträge zur Rentenversicherung. Diese Beiträge führen dazu, dass sich die Rentenhöhe jährlich erhöht. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind ebenfalls verpflichtet, Beiträge zur Rentenversicherung abzuführen.
Beitragspflicht bei Bezug der Vollrente
Nach Erreichen der Regelaltersgrenze sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich rentenversicherungsfrei. Es besteht jedoch die Möglichkeit, auf die Versicherungsfreiheit zu verzichten und weiterhin Pflichtbeiträge zu leisten, um die eigene Rente noch zu erhöhen.
Förderinstrumente und Anreize
Eine der Kernintentionen der Flexi-Rente ist die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Menschen. Dies soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass auch Menschen, die eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nehmen, durch das freiwillige Weiterarbeiten und Beitragszahlen Abschläge teilweise kompensieren können. Dadurch wird ein finanzieller Anreiz gesetzt, weiterhin oder wieder in das Erwerbsleben einzusteigen.
Rentenberechnung und Ausgleich von Abschlägen
Flexible Gestaltung der Rentenhöhe
Die Rentenhöhe ist abhängig vom Alter bei Renteneintritt, der Anzahl der Versicherungsjahre (Entgeltpunkte), Hinzuverdienst sowie eventuell gezahlten zusätzlichen Beiträgen. Abschläge durch vorzeitigen Renteneintritt können teilweise durch zusätzliche Beiträge oder durch Anrechnung der versicherungspflichtigen Jahre nach Rentenbeginn ausgeglichen werden.
Ausgleich von Rentenabschlägen (§ 187a SGB VI)
Seit 2017 ist es zulässig, Rentenabschläge durch zusätzliche Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze auszugleichen. Auf diese Weise können Versicherte selbst bestimmen, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt sie finanzielle Einbußen ausgleichen möchten.
Sozialversicherungsrechtliche Implikationen
Sozialversicherungspflicht trotz Rentenbezug
Bei Bezug einer Teilrente und gleichzeitiger Beschäftigung bleibt die Sozialversicherungspflicht für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich bestehen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze ändern sich die versicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen.
Auswirkungen auf weitere Sozialleistungen
Die Flexi-Rente kann auf andere Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Grundsicherung oder Sozialhilfe Einfluss nehmen. Bei Leistungsbezug werden Renteneinnahmen und Einkünfte angerechnet. Dies ist insbesondere bei der Berechnung von ergänzenden Sozialleistungen zu berücksichtigen.
Steuerrechtliche Aspekte
Beim Bezug der Flexi-Rente unterliegt die ausgezahlte Rente der Einkommensteuerpflicht. Seit der Rentenreform wird der steuerpflichtige Anteil Schritt für Schritt erhöht (sog. nachgelagerte Besteuerung). Nebenverdienste werden ebenfalls mit dem persönlichen Steuersatz versteuert.
Ziele und gesellschaftlicher Hintergrund der Flexi-Rente
Das Konzept der Flexi-Rente ist Teil des politischen Ziels, den flexiblen Übergang in den Ruhestand zu ermöglichen und die Erwerbstätigkeit älterer Menschen zu fördern. Sie trägt dazu bei, die Altersvorsorge individueller zu gestalten und demografischen Herausforderungen wie dem Anstieg der Lebenserwartung und dem Rückgang der geburtenstarken Jahrgänge zu begegnen.
Literatur, Rechtsquellen und weiterführende Informationen
- Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz), BGBl. I 2016, S. 2838
- Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)
- Informationen der Deutschen Rentenversicherung
Hinweis: Der Artikel dient der allgemeinen rechtlichen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Weiterführende Auskünfte erteilt die Deutsche Rentenversicherung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme der Flexi-Rente erfüllt sein?
Um die Flexi-Rente in Anspruch zu nehmen, müssen versicherte Personen zunächst das Regelalter für die Altersrente noch nicht vollständig erreicht haben. Es ist erforderlich, dass mindestens 35 Versicherungsjahre (Wartezeit) in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen, um eine Altersrente für langjährig Versicherte oder eine vorzeitige reguläre Altersrente beziehen zu können. Zusätzlich dürfen Versicherte nach dem Bezug der vorgezogenen Rente bestimmte Hinzuverdienstgrenzen nicht überschreiten, wenn sie ihre Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen, andernfalls kommt es zu einer teilweisen Rentenkürzung beziehungsweise Anrechnung des Verdienstes auf die Auszahlung. Die Flexi-Rente greift rechtlich ausschließlich im Kontext der gesetzlichen Rentenversicherung, womit selbstständige Erwerbstätigkeiten oder Beamtenverhältnisse explizit ausgeschlossen sind. Eine schriftliche Antragstellung bei der Deutschen Rentenversicherung ist zwingend erforderlich. Zudem muss der Übergang von Erwerbstätigkeit in den Ruhestand fließend gestaltet sein, indem Arbeitszeit, Rentenhöhe und eventuelle Zusatzbeiträge je nach Beschäftigungsumfang rechtlich sorgfältig dokumentiert werden.
Wie wirkt sich die Flexi-Rente auf bestehende sozialversicherungsrechtliche Ansprüche aus?
Rechtlich ist bei einer Beschäftigung neben dem Bezug der Flexi-Rente zu beachten, dass für die Dauer der Beschäftigung weiterhin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden müssen, sofern das Beschäftigungsverhältnis versicherungspflichtig bleibt. Dies führt zu einem Erwerb weiterer Rentenanwartschaften, welche in Form von Rentenerhöhungen nach Ablauf eines Kalenderjahres nachträglich berücksichtigt werden. Die Pflicht zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bleibt grundsätzlich bestehen, wobei die Rentenzahlung selbst beitragspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner ist. Das Zusammentreffen von Beschäftigung und Rentenbezug kann je nach Fall zu Beitrags- beziehungsweise Leistungssplit führen, die individuell zu prüfen sind. Darüber hinaus ist die Berücksichtigung von Hinzuverdiensten bei bestimmten Sozialleistungen, wie Wohngeld oder Grundsicherung, rechtlich relevant und kann zu einer Minderung dieser Leistungen führen.
Welche Rechte und Pflichten bestehen bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze?
Wird die rechtlich festgelegte jährliche Hinzuverdienstgrenze überschritten, so ist der Rentenbezieher verpflichtet, dies unverzüglich der Deutschen Rentenversicherung zu melden. Im Falle eines Überschreitens wird die Rentenzahlung nach gesetzlich vorgegebenen Anrechnungsregelungen anteilig gekürzt – wobei ein Teil des Hinzuverdienstes anrechnungsfrei bleibt (sogenannter Hinzuverdienst-Freibetrag). Der darüberhinausgehende Verdienst wird zu 40 % auf die Rente angerechnet (§ 34 SGB VI). Werden die Mitteilungspflichten verletzt, kann es durch Rückforderungen, Verzugszinsen und gegebenenfalls Bußgelder zu rechtlichen Konsequenzen kommen. Die jährlichen Grenzen und Freibeträge können sich gesetzlich ändern und sind jeweils zum Jahreswechsel neu zu prüfen.
Inwiefern hat die Flexi-Rente Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und den Kündigungsschutz?
Rechtlich ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis durch die Inanspruchnahme der Flexi-Rente zunächst nicht automatisch beendet. Das Beschäftigungsverhältnis kann mit reduzierter Arbeitszeit und entsprechend angepasstem Arbeitsvertrag rechtlich fortgeführt werden. Dabei gelten weiterhin sämtliche Regelungen des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie sonstige kollektivrechtliche Regelungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen). Einvernehmliche Änderungen des Arbeitsvertrags, wie z.B. Reduzierung der Stundenzahl oder Änderung des Aufgabenbereichs, bedürfen grundsätzlich einer neuen vertraglichen Regelung. Der Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nicht ausschließlich wegen der Inanspruchnahme der Flexi-Rente ordentlich kündigen; dies wäre diskriminierend und rechtlich angreifbar.
Welche Steuerpflichten entstehen durch die Kombination von Rentenbezug und Hinzuverdienst?
Rechtlich betrachtet handelt es sich bei der Altersrente um steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a EStG). Die Höhe des steuerpflichtigen Anteils der Rente richtet sich nach dem Renteneintrittsjahr (sogenannte nachgelagerte Besteuerung). Zusätzliche Erwerbseinkünfte aus dem Hinzuverdienst stellen zusätzliche steuerpflichtige Einkünfte dar, etwa aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) oder aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG). Beide Einkunftsarten werden addiert und können die individuelle Steuerlast erhöhen und zu Steuer-Nachzahlungen führen. Rentenbezieher, die eine Flexi-Rente erhalten und dazuverdienen, sind verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, sofern die steuerlichen Freibeträge (Grundfreibetrag) überschritten werden. Insbesondere kann sich eine Steuerprogression ergeben, wenn neben der Rente erhebliche Hinzuverdienste erzielt werden.
Wie werden die Ansprüche im Todesfall des Flexi-Renten-Beziehers rechtlich geregelt?
Im Todesfall eines Flexi-Renten-Beziehers greifen die gesetzlichen Vorschriften zu Hinterbliebenenleistungen gemäß §§ 46 ff. SGB VI. Anspruch auf Witwen-, Witwer- oder Waisenrente besteht dann, wenn die allgemeinen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (zum Beispiel eine Mindestversicherungszeit des Verstorbenen). Offene Hinzuverdienstansprüche oder zu Unrecht bezogene Rentenzahlungen müssen an die Rentenversicherung zurückgezahlt werden. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (ausstehende Gehaltszahlungen, Resturlaub etc.) fallen grundsätzlich in die Erbmasse und sind zivilrechtlich durch die Erben geltend zu machen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, freiwillig auf Rentenanteile zu verzichten oder die Flexi-Rente auszusetzen?
Versicherte haben grundsätzlich das Recht, auf die Auszahlung ihrer Altersrente zeitweise zu verzichten oder die Flexi-Rente auf Antrag auszusetzen, sofern sie dies der Deutschen Rentenversicherung schriftlich mitteilen. Ein solcher Verzicht ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Hinzuverdienstgrenzen überschritten werden und dadurch eine erhebliche Kürzung der Rente droht, oder um rentenerhöhende Anrechnungszeiten zu erzielen. Der Verzicht ist rechtlich bindend und kann in der Regel nur für die Zukunft widerrufen werden. Im Falle eines späteren Rentenbeginns ergeben sich meist höhere monatliche Rentenbeträge aufgrund von sogenannten Rentenzuschlägen für spätere Inanspruchnahme.